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Verkehrsunfall – Hinweis auf Ersatzfahrzeuganmietung durch Versicherung

LG Nürnberg-Fürth

Az: 8 S 8758/10

Urteil vom 20.07.2011


1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts Nürnberg vom 27.09.2010, Az. 36 C 4732/10, wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 551,17 € festgesetzt.

Gründe

Die Berufung ist aufgrund ihrer Zulassung durch das Amtsgericht statthaft (§ 511 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) und auch ansonsten zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet (§§ 517, 519 f. ZPO). In der Sache ist das Rechtsmittel aber unbegründet.

A.

In tatsächlicher Hinsicht wird auf den Tatbestand des Ersturteils Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO). Das Amtsgericht hat die auf Zahlung von 551,17 € weiterer Mietwagenkosten zzgl. Zinsen erhobene Klage vollumfänglich abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, der seine erstinstanzlichen Anträge in vollem Umfang weiter verfolgt.

Eine Beweisaufnahme hat nicht stattgefunden. Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 30.03.2011, sowie Im Übrigen auf die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen wird Bezug genommen. Mit Beschluss vom 11.05.2011 hat das Gericht im Einverständnis der Parteien die Entscheidung im schriftlichen Verfahren angeordnet, wobei die Frist zur Einreichung von Schriftsätzen auf den 08.06.2011 bestimmt war.

B.

Das Amtsgericht hat eine Einstandspflicht der Beklagten hinsichtlich weiterer Mietwagenkosten zu Recht abgelehnt.

Das angefochtene Urteil beruht weder auf einer Rechtsverletzung (§§ 513 Abs. 1, 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2, 546 ZPO) noch rechtfertigen die im Berufungsverfahren zu Grunde zu legenden Tatsachen (§§ 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3, 529 Abs. 1 ZPO) eine andere Entscheidung. Die Kammer vermag sich der Argumentation der Berufungsbegründung, wonach sich der Kläger einen seitens der Beklagten mitgeteilten „Sondertarif“ für die Anmietung eines Mietwagens nicht als Verstoß gegen seine Schadensminderungspflicht entgegenhalten lassen müsse, nicht anzuschließen.

I. In tatsächlicher Hinsicht geht die Kammer allerdings mit dem Kläger davon aus, dass die hier von der Beklagten angebotenen bzw. potentiell vermittelten Tarife zur Anmietung eines Mietwagens dem Kläger als Privatperson so nicht zugänglich gewesen wären.

Die Beklagte hat dies zwar – zumindest in zweiter Instanz – bestritten. Der Kläger konnte die Kammer allerdings durch die – sowohl bereits in erster, als auch in zweiter Instanz – vorgelegten Antwortschreiben bzw. Telefonauskünfte dreier Mietwagenvermieter davon überzeugen, dass es sich bei den durch die Beklagte benannten Tarifen um Sonderkonditionen handelt, die einem Geschädigten, der sich unmittelbar an die Vermieter wendet, nicht angeboten werden. Dies trifft zumindest auf die Vermieter Europcar und Caro zu, die nach eigenen Angaben der Beklagten (Berufungserwiderung S. 5; Gerichtsakte 85) zu den Vermietern zählen, mit denen die Beklagte insoweit zusammenarbeitet.

Weiter legt die Kammer den nachfolgenden Erwägungen zugrunde, dass seitens der Beklagten die Vermittlung eines Mietwagentarifs von 34,00 €/Tag – wie im Schreiben der Beklagten vom 10.05.2010 (Anlage B 1) benannt – im streitgegenständlichen Anmietzeitraum, also vom 17.05.2010 bis 26.05.2010 tatsächlich möglich gewesen wäre. Dies wird durch die vorgelegte Bestätigung der Fa. Sixt vom 12.01.2011 (Anlage B 5) bewiesen. Im Übrigen hat der Kläger diesen Umstand auch nicht bestritten. Damit steht dessen Berücksichtigung auch nicht § 531 ZPO entgegen. Nicht beweisbedürftiges Vorbringen hat das Berufungsgericht gemäß § 529 Abs. 1 ZPO seiner Entscheidung ohne weiteres zugrunde zu legen (BGH NJW 2005, 291; Gs BGH VersR 2008, 1708).

II. Die Frage, wie sich der Hinweis eines Haftpflichtversicherers, in dem er auf mögliche Mietwagentarife und die Bereitschaft des Versicherers zur Mithilfe an deren entsprechender Vermittlung (wie hier im Schreiben der Beklagten vom 10.05.2011) gegenüber einem anspruchstellenden Geschädigten hinweist, auf die Regulierung der Mietwagenkosten auswirkt, wenn der Geschädigte einen Mietwagen zu einem hiervon abweichenden, höheren Tarif anmietet, hat die Kammer im Grundsatz bereits beantwortet:

„Haben Geschädigter und gegnerischer Haftpflichtversicherer vor der Anmietung Kontakt und weist der Versicherer den Geschädigten auf Probleme bei der Anmietung hin und stellt in diesem Zusammenhang ein günstigeres als das tatsächlich in Anspruch genommene Mietwagenangebot in Aussicht, dann darf der Geschädigte dies nicht ignorieren. Nimmt der Geschädigte dann vor der tatsächlichen Anmietung nicht Kontakt mit dem Haftpflichtversicherer auf, verstößt er grundsätzlich gegen seine Schadensminderungspflicht: Ein Anruf, der den Schaden (u.U.) nicht unerheblich verringern helfen könnte, ist dem Geschädigten in jedem Fall zuzumuten.

Kommt der Geschädigte dann aber doch nicht auf den Haftpflichtversicherer zurück, muss dieser beweisen, dass der grundsätzliche Verstoß des Klägers gegen die Schadensminderungspflicht („Verweigern“ der – weiteren- Kontaktaufnahme) für einen höheren Schaden in Gestalt eines erhöhten Miettarifs überhaupt kausal geworden ist (vgl. BGH NJW 1994, 3102, 3105). Dies ist nur dann der Fall, wenn der Haftpflichtversicherer bei einem Rückruf des Geschädigten im Zeitraum bis zur („eigenmächtigen“) Anmietung wirklich ein konkret annahmefähiges Mietwagenangebot hätte vorlegen können. Gelingt der Beklagten dieser Nachweis, kann der Geschädigte nur die Mietwagenkosten ersetzt verlangen, die bei der Inanspruchnahme des Angebots der Beklagten angefallen wären. Eine Verweisung auf die Abrechnung nach der Schwackeliste ist dann nicht vorzunehmen.“ (Kammerurteil v. 22.10.2008 – 8 S 3010/08 und v. 29.06.2009 – 8 S 1170/09).

Hieran hält die Kammer fest. Ergänzend sei zum grundsätzlich zutreffenden Einwand der Berufungsbegründung, wonach das Schreiben der Beklagten vom 10.05.2010 (Anlage B 1) kein annahmefähiges Angebot für einen Mietwagen darstelle, angemerkt, dass die Rechtsprechung der hier angerufenen 8. Zivilkammer darauf auch nie abgestellt hat. Maßgeblich ist alleine, dass „der Haftpflichtversicherer bei einem Rückruf des Geschädigten im Zeitraum bis zur („eigenmächtigen“) Anmietung wirklich ein konkret annahmefähiges Mietwagenangebot hätte vorlegen können“ (s.o.). Dies ist hier aber mit der vorgelegten Bestätigung der Fa. Sixt vom 12.01.2011 (Anlage B 5) bewiesen. Demnach hätte diese tatsächlich zum damaligen Zeitpunkt (!) ein vergleichbares, aber deutlich günstigeres Fahrzeug zur Verfügung stellen können.

III. Die Kammer sieht in der Besonderheit des Streitfalls, wonach der vermittelbare Mietwagentarif sich als Sondertarif herausstellt, der dem Geschädigten ohne Mithilfe des Haftpflichtversicherers nicht zur Verfügung steht, keinen Grund, von dieser Rechtsprechung abzuweichen.

Insbesondere der Hinweis darauf, dass dem Geschädigten, dem der objektive erforderliche – und damit auf dem freien Markt zugängliche – Geldbetrag zur Behebung seines Schadens zustehe, andernfalls seine Stellung als Herr des Restitutionsverfahrens genommen werde, verfängt nach Ansicht der Kammer nicht. Richtig ist natürlich, dass der Kläger als Geschädigter von der Beklagten nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB als Herstellungsaufwand den Ersatz der objektiv erforderlichen Mietkosten verlangen kann (BGH VersR 2005, 568). Das sind diejenigen Mietwagenkosten, die ein verständiger, wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch in seiner Lage für zweckmäßig und notwendig halten darf. Der Geschädigte hat nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot im Rahmen des ihm Zumutbaren stets den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Das bedeutet für den Bereich der Mietwagenkosten, dass er von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt – nicht nur für Unfallgeschädigte – erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeugs (innerhalb eines gewissen Rahmens) grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis verlangen kann (st. Rspr.; zuletzt BGH VersR 2011, 769 m. w. N.). Ob für die Beurteilung der vorgenannten Erforderlichkeit (!) auch ein unterhalb des örtlichen Normaltarifs liegender „Haustarif“ des Haftpflichtversicherers (Rahmenvertrag mit einem „großen“ Vermieter) überhaupt zu berücksichtigen ist, hat der BGH bislang offen gelassen (BGH VersR 2009, 801). Die Kammer hält dies angesichts der Maßgeblichkeit des örtlich relevanten Markts allerdings für fraglich. Einerseits impliziert der Begriff „Markt“, dass es sich dabei nicht um eine „geschlossene Veranstaltung“ handeln darf, wie sie eine Vereinbarung zwischen Haftpflichtversicherer(n) und (einigen wenigen) Mietwagenanbietern unter Geltung von Sonderkonditionen darstellt. Andererseits werden die Sonderkonditionen durch die Vermittlung des Haftpflichtversicherers dem Geschädigten bei seiner Suche nach einem Mietwagen ähnlich der sonstigen Angebote des örtlich relevanten Markts zugänglich gemacht. Dies kann jedoch dahinstehen, da jedenfalls aus Gründen der Schadensminderungspflicht das Vermittlungsangebot der Beklagten maßgeblich ist.

IV. Im Ergebnis kann sich der Geschädigte auf das Außerachtlassen eines zumutbaren Mietwagen- bzw. Vermittlungsangebotes des gegnerischen Haftpflichtversicherers nicht berufen, da er damit gegen seine Schadensminderungspflicht verstoßen hat (§ 254 Abs. 2 BGB).

1. Es stellt nach Ansicht der Kammer einen ganz besonders groben Verstoß gegen die auch im Rahmen der Erstattung von Mietwagenkosten geltende Schadensminderungspflicht des Geschädigten dar, wenn dieser grundlos eine Möglichkeit ausschlägt, die Mietwagenkosten auf 37% zu senken. So ist durch den BGH etwa ausgesprochen worden, dass die Frage, ob ein Unfallersatztarif erforderlich i.S.d. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB ist, offen bleiben kann, wenn feststeht, dass dem Geschädigten ein günstigerer Tarif in der konkreten Situation „ohne weiteres“ zugänglich war, so dass ihm eine kostengünstigere Anmietung unter dem Blickwinkel der ihm gemäß § 254 Abs. 2 BGB obliegenden Schadensminderungspflicht zugemutet werden konnte (BGH VersR 2010, 545).

2. Ganz generell gilt, dass das Unterlassungsverschulden i.S.d. § 254 Abs. 2 BGB nicht die Verletzung einer besonderen Rechtspflicht voraussetzt, sondern jeden Verstoß gegen Treu und Glauben umfasst, mithin auch ein Unterlassen derjenigen Maßnahmen, die jeder ordentliche und verständige Mensch ergreifen müsste, um Schaden von sich abzuwenden. Dies fordert immer eine Prüfung des konkreten Einzelfalls (grundlegend BGH NJW 1952, 299; RGZ 52, 349, 352). A.a.O. zitiert der BGH auch RGZ 52, 349, 352: „Wer pochend auf die Schadensersatzpflicht eines anderen jede Maßregel zur Abwendung und zur Minderung eines ihm drohenden Schadens unterläßt, der verstößt wider Treu und Glauben, wenn er gleichwohl den vermeidlich gewesenen Schaden von dem anderen ersetzt verlangt.

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3. Gemessen am Vorstehenden ist hier ein Mitverschulden des Klägers mit Händen zu greifen.

a) Der Kläger erhielt durch das Schreiben der Beklagten vom 10.05.2010, eine – Zitat – „Orientierungshilfe, zu welchen Preisen (inkl. Vollkasko/CDW) Mietwagen erhältlich sind“. Er hätte nach den hier zugrunde zu legenden tatsächlichen Feststellungen lediglich einen Anruf bei der Beklagten tätigen müssen, um dann ein der „Orientierungshilfe“ entsprechendes Angebot bei der Fa. Sixt genannt zu bekommen. Dass ihm für den Anruf bei der Beklagten – wie in deren Schreiben hingewiesen – Kosten von „6 Cent pro Anruf aus dem deutschen Festnetz“ entstanden wären, hat schon das Amtsgericht zutreffend als unbeachtlich angesehen. Diese sechs Cent wären erforderlicher Wiederherstellungsaufwand und damit ihrerseits durch die Beklagte zu ersetzen gewesen (vgl. BGH VersR 1993, 1251). Der Kläger hätte also einfach nur telefonieren und „zugreifen“ müssen, um die entstehenden Mietwagenkosten um 675,43 €, auf 37% des durch seine eigenmächtige Anmietung tatsächlich angefallenen Betrages zu reduzieren. Hier „zuzugreifen“, fordert zwingend ein an Treu und Glauben ausgerichtetes Verhalten; hier nicht zuzugreifen, verstößt eklatant gegen Treu und Glauben.

b) Entsprechend hat der BGH im Rahmen seiner Restwert-Rechtsprechung einen Verstoß des Geschädigten gegen seine sich aus § 254 Abs. 2 BGB ergebenden Verpflichtung zur Geringhaltung des Schadens angenommen, wenn dieser eine ohne Weiteres zugängliche günstigere Verwertungsmöglichkeit zur Erzielung eines hohen Restwerts nicht wahrnimmt. Dies ist etwa dann der Fall, wenn der Schädiger ihm eine ohne weiteres zugängliche günstigere Verwertungsmöglichkeit nachweist (BGH VersR 2000, 467). Dies setzt – im Rahmen der Restwertproblematik – voraus, dass ein konkretes und bindendes Angebot eines Aufkäufers vorgelegt wird, ohne dass der Geschädigte eigene Initiative entfalten muss und das Fahrzeug ohne Kosten für den Geschädigten abgeholt und verbracht wird (BGH VersR 2000, 467). Übertragen auf die hier streitgegenständliche Mietwagenkonstellation bedeutet dies, dass der Geschädigte eine ihm vom Schädiger nachgewiesene und ohne weiteres zugängliche günstigere Anmietmöglichkeit wahrnehmen muss, wenn der Geschädigte hierzu keine eigene Initiative entfalten muss und für ihn keine zusätzlichen Kosten entstehen.

So war die Situation hier: Der Kläger hätte nach dem ihm zumutbaren Anruf bei der Beklagten nur noch die Fa. Sixt anrufen bzw. sich zu deren Filiale begeben müssen – was bei der Anmietung seines „eigenen“ Mietwagens durch ihn ebenfalls zu leisten war – und hätte dann einen entsprechenden Mietwagen für 34 € inkl. aller Nebenkosten mit kostenloser Zustellung/Abholung erhalten. Dieser Tarif war ihm jedenfalls nach entsprechender Vermittlung durch die Beklagte auch „ohne weiteres“ zugänglich. Dass dieser Tarif ihm als „Sondertarif“ ohne Mitwirkung der Beklagten verschlossen geblieben wäre, spielt keine Rolle. Auch in den Restwert-Fällen wäre der (regelmäßig) überregional in einer speziellen Restwertbörse ermittelte höhere Restwert für den Geschädigten ohne Mithilfe des Haftpflichtversicherers regelmäßig nicht realisierbar gewesen. Bietet die Beklagte dem Geschädigten aber durch ihre Mithilfe die Möglichkeit zu schadensminderndem Handeln, muss der Geschädigte diese – vorbehaltlich anderer, eine Unzumutbarkeit begründenden Umständen – wahrnehmen. Die hiergegen durch das LG Weiden (NJW-RR 2009, 675) vorgebrachten Bedenken vermag die Kammer nicht zuteilen.

c) Die Annahme des Vermittlungsangebotes war für den Kläger auch nicht deshalb unzumutbar, weil jenes wettbewerbswidrig war (so aber im dortigen Fall LG Weiden NJW-RR 2009, 675). Soweit das LG Weiden zur Begründung (u.a.) auf die Entscheidung des OLG Düsseldorf (NZV 1995, 450) Bezug nimmt, überzeugt dies nicht, da dort eine andere Ausgangslage herrschte. Insbesondere hatte der dort auf Unterlassung wettbewerbswidrigen Verhaltens in Anspruch genommene Haftpflichtversicherer ausdrücklich für einen konkreten Mietwagenanbieter geworben, an dem er auch noch eine „nicht unbeträchtliche“ Beteiligung hielt und dessen Geschäftsführer ihr maßgeblicher Leiter der Schadensabteilung Kraftfahrthaftpflicht war. Eine derartige Verflechtung ist hier nicht ersichtlich, zumindest nicht vorgetragen. Darüber hinaus hält die Beklagte hier nicht einen einzelnen Mietwagenanbieter vor, an den sie Geschädigte verweist, sondern gleich drei Mitbewerber.

Im Übrigen ist auch nichts dafür ersichtlich, dass das Ansinnen der Beklagten in Form von Anschreiben und Vermittlung einen „unangemessenen unsachlichen Einfluss“ i.S.d. § 3 Abs. 1 i.V.m. § 4 Nr. 1 UWG darstellt (i.E. ebenso OLG Hamburg VersR 1997, 1549 für einen OLG Düsseldorf NZV 1995, 450 vergleichbaren Fall; a.A. LG Weiden NJW-RR 2009, 675). Es wird in diesem Anschreiben zunächst lediglich darauf hingewiesen, dass Mietwagenkosten „nicht uneingeschränkt erstattungsfähig“ sind und man als Geschädigter die Angebote vergleichen solle. Es wird dann eine „Orientierungshilfe“ in Gestalt einer Preistabelle gegeben, die man vor Anmietung dem Mietwagenunternehmen zur Kenntnis vorlegen solle. An all diesen Informationen ist nichts auszusetzen. Sie sind inhaltlich zutreffend und keinesfalls unsachlich. Dass die in der Orientierungshilfe benannten Preise überhaupt nur bei einem Eingehen auf das Vermitteln des Sondertarifs der Beklagten zu „erzielen“ wären, ist nicht vorgetragen – auch wenn hier davon auszugehen ist, dass der konkrete streitgegenständliche Sondertarif dem Kläger sonst nicht offen gestanden hätte. So zeigt ein Blick in das Internet, dass etwa in der Woche vor Erlass dieses Berufungsurteils bei Sixt ein VW Polo für 38,66 € brutto (ggf. zzgl. Kosten für einen Zusatzfahrer) für jedermann zu haben sein kann. Das Anschreiben enthält das Wort „Schadensminderungspflicht“ nicht und beeinflusst auch sonst die Entscheidungsfreiheit des Geschädigten nicht, da diesem ein Anmieten ohne Mithilfe der Beklagten nicht „verleidet“ wird, sondern nur vor dem überhöhten Anmieten ganz generell „gewarnt“ wird. Was bleibt, ist natürlich das „Gefühl“, dass bei einer Inanspruchnahme der Unterstützung der Beklagten der Geschädigte der Gefahr einer überteuerten Anmietung entgehen kann. Dies reicht jedoch für die Annahme eines unangemessenen unsachlichen (!) Einflusses, der geeignet ist die Entscheidungsfreiheit des Geschädigten zu beeinträchtigen und die Interessen von Mitbewerbern oder des Geschädigten spürbar zu beeinträchtigen, nicht aus.

Abschließend sei hierzu noch angemerkt, dass bei Annahme wettbewerbswidrigen Handelns wohl auch die Rechtsprechung des BGH zur Schadensminderungspflicht bei einem konkreten Nachweis des Versicherers zu einem günstigeren Restwertangebot nicht möglich wäre. Auch dort ist eine ohne weiteres zugängliche (günstigere Verwertungs-)Möglichkeit nachzuweisen (BGH VersR 2000, 467; s.o.). Ein Angebot aus einer Internet-Restwertbörse, wie es entsprechenden Restwertangeboten regelmäßig zugrunde liegt, ist einem Geschädigten als Privatmann und ohne intensivste eigene Recherche aber sicherlich nicht „ohne weiteres zugänglich“. Diese Zugänglichkeit wird erst durch das Eingreifen des Haftpflichtversicherers eröffnet. Dies alleine kann ein wettbewerbswidriges Handeln nicht begründen.

d) Schließlich kann eine Unzumutbarkeit auch nicht damit begründet werden, dass die Beklagte mit dem Vermittlungsangebot gegen § 3 RDG verstoße (so AG Bonn NZV 2008, 39; LG Nürnberg-Fürth VersR 2007, 81 – hieran hält die Kammer nicht mehr fest). Eine Rechtsbesorgung i.S.d. § 2 Abs. 1 RDG erfordert eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls. Dies kann bei der bloßen Vermittlung der Gelegenheit zum Abschluss eines Mietvertrags aber nicht angenommen werden (vgl. BGH NJW 2000, 2108 zu Art. 1 § 1 RBerG; Staehlin NZV 2007, 396, 400).

e) Auch der durch die Berufungsbegründung angeführte Vergleich mit der Rechtsprechung des BGH zum Verweis des Geschädigten auf eine technisch gleichwertige Reparaturmöglichkeit außerhalb einer markengebundenen Fachwerkstatt (BGH VersR 2010, 225) führt nicht weiter. Dort ist im Rahmen der Schadensminderungspflicht des Geschädigten der für § 254 Abs. 2 BGB maßgebliche Gesichtpunkt der Zumutbarkeit konkretisiert worden. Voraussetzung für eine Verweisung ist demnach zunächst eine technische Gleichwertigkeit der Reparatur in „freier“ und markengebundener Fachwerkstatt. Dem entspricht hier der Umstand, dass der seitens der Beklagten angebotene bzw. vermittelte Mietwagen seinen Zweck in gleicher Weise erfüllt hätte, wie der durch den Kläger tatsächlich angemietete Wagen. Anderes trägt der Kläger jedenfalls nicht vor und daran kann auch sonst kein ernstlicher Zweifel bestehen.

Der BGH führt dann weiter aus (VersR 2010, 225): „Dabei sind dem Vergleich die (markt)üblichen Preise der Werkstätten zugrunde zu legen. Das bedeutet insbesondere, dass sich der Geschädigte im Rahmen seiner Schadensminderungspflicht nicht auf Sonderkonditionen von Vertragswerkstätten des Haftpflichtversicherers des Schädigers verweisen lassen muss. Andernfalls würde die ihm nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB zustehende Ersetzungsbefugnis unterlaufen, die ihm die Möglichkeit der Schadensbehebung in eigener Regie eröffnet. Dies entspricht dem gesetzlichen Bild des Schadensersatzes, nach dem der Geschädigte Herr des Restitutionsgeschehens ist und grundsätzlich selbst bestimmen darf, wie er mit der beschädigten Sache verfährt“.

Ein solcher potentieller Eingriff in die „Herrscherstellung des Restitutionsgeschehens“ steht bei der streitgegenständlichen Konstellation aber gar nicht zur Diskussion. Der Geschädigte hat sich mit der Anmietung eines Ersatzfahrzeugs für die konkrete Behebung des Fahrzeugausfalls entschieden. Die „abstrakte“ Alternativabrechnung im Wege des Nutzungsausfallentschädigung (vgl. BGH VersR 2008, 370; BGH VersR 1964, 225) will er gerade nicht wahrnehmen. Das Vermittlungsangebot der Beklagten will und kann ihn in seiner Entscheidung zur Art der Schadensbehebung also gar nicht beeinflussen. Es geht nach der grundlegenden Entscheidung für die Anmietung eines Ersatzfahrzeugs und der oben festgestellten Gleichwertigkeit des seitens der Beklagten angebotenen Fahrzeugs nur noch darum, die Höhe der dafür anfallenden Kosten zu beeinflussen. Die dem Geschädigten durch § 249 Abs. 2 S. 1 BGB gewährte Ersetzungsbefugnis bleibt durch das Vermittlungsangebot der Beklagten unberührt.

Andere Gesichtspunkte, die für eine Unzumutbarkeit des beklagtenseits angedienten Vermittlungsangebots sprechen könnten, sind weder vorgetragen, noch sonst ersichtlich.

V. Rechtsfolge des vorgenannten Verstoßes des Klägers gegen seine Schadensminderungspflicht nach § 254 Abs. 2 BGB ist, dass er nur die Mietwagenkosten ersetzt verlangen kann, die ihm bei Wahrnehmen des Vermittlungsangebots der Beklagten entstanden wären.

Dies ergibt die (auch) im Rahmen des § 254 Abs. 2 BGB gebotene Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensbeiträge beider Parteien (BGH NJW 2001, 3257, 3258). Dabei ist seitens der Beklagten eine Mitverursachung bei der Schadensminderung – und nur darauf kann es ankommen – nicht festzustellen. Die Beklagte hat den Kläger bereits einen Tag nach dem Verkehrsunfall, also umgehend mit dem Schreiben vom 10.05.2010 auf die Tarifsituation auf dem Mietwagenmarkt nach Verkehrsunfällen hingewiesen und ihre Hilfe angeboten. Der Kläger hat dann jedoch ohne Grund trotz Kenntnis der Umstände, also buchstäblich sehenden Auges durch eine eigenmächtige Anmietung „überflüssige“ Kosten in Höhe von 675,43 € verursacht, die andernfalls nicht angefallen wären. Es ist deshalb kein Grund ersichtlich, die Beklagte auch mit nur einem Teil dieser Mehrkosten zu belasten.

Die Klage auf Ersatz der restlichen Mietwagenkosten ist damit durch das Amtsgericht zu Recht abgewiesen worden; die Berufung war entsprechend zurückzuweisen.

C.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 709 S. 2, 711 S. 1, 2 ZPO.

Die Kammer lässt nach § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO die Revision zu, da die Frage nach der Reichweite der Schadensminderungspflicht des Unfallgeschädigten bei einem Vermittlungsangebot des gegnerischen Haftpflichtversicherers eine klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage ist, die sich in einer unbestimmten Vielzahl weiterer Fälle stellen kann (vgl. BGH NJW 2002, 2222) und nach der Praxis der Kammer auch tatsächlich regelmäßig stellt.

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