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Verkehrsunfall – Mietwagenkosten nach Schwackeliste

 AG Kempen

Az.: 11 C 69/11

Urteil vom 08.07.2011


In dem Rechtsstreit hat das Amtsgericht Kempen im schriftlichen Verfahren nach Sach- und Streitstand vom 25.06.2011 für Recht erkannt:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 843,55 Euro zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.08.2010 und vorgerichtlich entstandene Rechtsanwaltskosten in Höhe von 57,23 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.08.2010.

Die Kosten des Rechtsstreites trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Sicherheitsleistungen können auch durch die Bürgschaft einer im Bundesgebiet ansässigen Großbank oder öffentlichen Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand:

Am 08.07.2010 kam es in Kempen gegen 10.20 Uhr an der Kreuzung Speefeld / Kempener Landstraße zu einem Verkehrsunfall, bei dem das dem Kläger gehörende Kraftfahrzeug Hyundai Getz, 46 kw, 1086 ccm beschädigt wurde. Allein verschuldet wurde der Unfall durch den Fahrer des Kraftfahrzeuges mit dem amtlichen Kennzeichen …, das bei der Beklagten versichert war.

Unter dem 21.07 2010 ließ der Kläger die Beklagte beziffert zur Regulierung des Schadens und der Rechtsanwaltskosten unter Fristsetzung bis zum 04.08.2010 auffordern.

Die Beklagte regulierte den Schaden im wesentlichen, zahlte aber auf die Mietwagenkosten lediglich 554,– Euro und auf die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten 603,93 Euro.

Das wegen des Kraftfahrzeugschadens eingeholte Sachverständigengutachten sah eine Reparaturdauer von 9 Tagen vor. Der Kläger mietete noch am Unfalltage (08.07.2010 bis zum 19.07.2010) ein Fahrzeug der Klasse 2 (nach Schwacke) einschließlich Haftungsbefreiung, Anhängerkupplung und Zustellkosten. Hierfür erhielt er 1.136,86 Euro in Rechnung gestellt.

Im vorliegenden Rechtsstreit nimmt er Mietwagenkosten in Höhe von 1.397,54 Euro in Anspruch und verlangt in Ansehung der Zahlung der Beklagten 843,55 Euro noch erstattet. Hierzu beruft er sich auf die Schwackeliste 2009 die Mietkosten für 12 Tage in Höhe von 901,40 Euro vorsieht, für das Postleitzahlgebiet 479 zuzüglich einer Pauschale von 20 % und abzüglich einer Eigenerspamis von 10 % zuzüglich Haftungsbefreiungskosten, Anhängerkupplungskosten und Zustellungs- sowie Abholungsgebühren. Für die Berechnung wird auf Blatt 15 und 16 der Gerichtsakte Bezug genommen.

Der Kläger legte mit dem Fahrzeug 396 km zurück. Am 17.07.2010 erhielt er die Auskunft, sein Fahrzeug sei erst am 19.07.2010 fertig.

Die vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren berechnet der Kläger nach einem Wert von 7.538,55 Euro (berichtigter Gesamtschaden). So ergeben sich unter Zugrundelegung einer 1,3 Geschäftsgebühr, der Auslagenpauschale und der Mehrwertsteuer 661,16 Euro. Unter Berücksichtigung der Zahlung der Beklagten werden hier noch 57,23 Euro eingeklagt.

Der Kläger beantragt, wie erkannt.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen

Sie stellt in Frage, ob es für den Kläger überhaupt erforderlich gewesen sei, ein Fahrzeug anzumieten. Sie meint, es seien Abzüge erforderlich, weil das gemietete Fahrzeug 7 Jahre alt und über 80.000 km gefahren gewesen sei. Die Beklagte verweist auf die über der geschätzten Reparaturdauer liegende Mietdauer und stellt die Erforderlichkeit der Anhängerkupplung in Frage. Weil das Fahrzeug in Kempen repariert worden sei meint sie, die Verbringungskosten seien nicht erstattungsfähig. Gleiches gelte für die Haftungsbefreiungskosten, weil der Kläger selbst keine Vollkaskoversicherung gehabt habe. Im übrigen meint sie, angewendet werden müsse die Frauenhoferliste für das Postleitzahlengebiet 4. Hieraus ergeben sich allenfalls Kosten von 473,52 Euro. Weiter legt die Beklagte aus dem Internet Vergleichsangebote für eine 9-tägige Miete ab dem 24.05.2011 vor, die auf erheblich geringere Beträge lauten. Letztlich meint sie, der Kläger müsse sich bei der Eigenersparnis von 15 % entgegenhalten lassen.

Ihren Verzug stellt sie in Frage.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien nimmt das Gericht Bezug auf den Inhalt zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen.

Entscheidungsgründe:

Klage ist gemäß § 115 VVG in Verbindung mit § 1 Pflichtversicherungsgesetz und § 7 StVG in Verbindung mit § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB begründet.

Die Beklagte ist verpflichtet, die restlichen Mietwagenkosten und die Spitze der außergerichtlichen Kosten des Klägers zu bezahlen.

Unstreitig trifft die Beklagte die Haftung für den dem Kläger entstandenen Schaden. Dabei ist der Geschädigte verpflichtet gewesen, bei der Anmietung eines Ersatzfahrzeuges das Wirtschaftlichkeitsgebot des § 254 BGB zu beachten. Er war gehalten, im Rahmen des zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg zu wählen. Das bedeutet für den Bereich der Mietwagenkosten, dass er von mehreren aus dem örtlich relevanten Markt – nicht nur vom Unfallgeschädigten – erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeuges grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis ersetzt verlangen kann.

Die ihm zumutbare Marktforschung hat der Kläger nicht betrieben. Der ihm entstandene Schaden ist deshalb gemäß § 287 ZPO zu schätzen.

Dabei wendet das Gericht den Schwacke Automietpreisspiegel im Postleitzahlengebiet des Geschädigten an. Hieraus ergibt sich, dass jedenfalls die vom Kläger geltend gemachten Kosten ortsüblicherweise aufzuwenden gewesen wäre. Die Schwackeliste hat das Gericht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Landgerichts Krefeld (3 S 22/09) und einem gewichtigen Teil der obergerichtlichen Rechtsprechung als Schätzungsgrundlage gewählt. Soweit die Beklagte die Auffassung vertritt, der Schwackemietpreisspiegel 2009 sei keine taugliche Bemessungsgrundlage für den Normaltarif, sondern es sei auf dem Marktspiegel Mietwagendeutschland des Frauenhoferinstitus abzustellen, kann dem nicht gefolgt werden.

Die Art der Schätzungsgrundlage für die Ermittlung des Normaltarifes gibt § 287 ZPO nicht vor. Die Schadenshöhe darf lediglich nicht auf der Grundlage falscher oder offenbar unrichtiger Erwägungen festgesetzt werden. Dabei kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH NJW 08, 1519; NJW 08, 2910; NJW 09, 58) der Schwackemietpreisspiegel im Postleitzahlengebiet des Geschädigten angewendet werden, solange nicht konkrete Tatsachen Mängel der betreffenden Schätzungsgrundlage aufzeigen, die sich auf den zu entscheidenden Fall auswirken.

Davon ist im vorliegenden Fall nicht auszugehen. Der Verweis darauf, dass die in der Schwackeliste eingestellten Preise für Mietwagen der Klasse 2 in den letzten Jahren stark angestiegen sind, reicht nicht aus.

Gleiches gilt für den Verweis auf die Studie des Frauenhoferinstituts.

Nach Auffassung des Gerichtes ist diese Studie nicht geeigneter als die Erhebung nach Schwacke. Diese Erhebung erfolgt in einem räumlich wesentlich weitläufigeren Postleitzahlengebiet. Es ist gerichtsbekannt, dass vornehmlich in Ballungsgebieten, in denen neben Städten auch ländlichere Regionen vorhanden sind, welche die Postleitzahl die beiden ersten Ziffern gemeinsam haben, ein starkes Gefälle der jeweiligen Mietpreise herrscht. Dies führt zu einer Verfälschung der Durchschnittswerte. Außerdem sind Daten über Internet erhoben worden, wobei sich außerdem (teilweise) Abschläge aufgrund einer notwendigen Vorbuchzeit finden. Auch hierdurch sind Verzerrungen gegeben. Der Geschädigte ist nämlich regelmäßig auf den jeweiligen „Vor-Ort-Tarif“ angewiesen, welcher bereits unter dem Gesichtspunkt der Planbarkeit für das vermietete Unternehmen gegenüber einem Internettarif erhöht ist.

Damit war der Schaden – wie geschehen – auf der Grundlage der Schwackeliste zu schätzen.

Das Gericht hat keine Zweifel daran, dass die Anmietung des Ersatzfahrzeuges erforderlich war. Hierzu ist auf gefahrene knapp 400 km zu verweisen. Ein Anlass das Ersatzfahrzeug aufgrund Alters und gefahrener Kilometer eine Klasse herunterzustufen, sieht das Gericht nicht. Auch gegenüber der Anmietdauer bestehen keine Bedenken, nachdem der Kläger unwidersprochen dargetan hat, dass das Fahrzeug erst am 19.07.2010 rückgabefertig gewesen ist. Nachdem das Fahrzeug des Klägers unstreitig mit einer Anhängekupplung ausgestattet gewesen ist, hat ein Anspruch bestanden, auch ein derartiges Fahrzeug anzumieten. Wie sich aus der Schwackeliste ergibt, sind hierdurch üblicherweise Kosten verursacht worden. Auch die Verbringungskosten begegnen keine Bedenken, nach dem vorliegender Sachverständigengutachten war das Fahrzeug nicht mehr verkehrstüchtig. Damit haben diese Kosten auch nicht vermieden werden können. Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass eine Vollkaskoversicherung erstattungsfähig vereinbart werden kann, auch wenn eine derartige Versicherung für den verunfallten Wagen nicht bestanden hat.

Was die vorgelegten Vergleichsangebote der Beklagten angeht, so fällt auf, dass diese im Internet recherchiert sind und für eine Zeit ab dem 24.05.2011 gelten sollen. Hierdurch ist das Gericht nicht dargetan an, dass es dem Kläger leicht möglich gewesen wäre, zum Unfallzeitpunkt ohne weiteres sofort ein entsprechendes Fahrzeug in ortsnähe anderweitig zu erheblichen günstigeren Preisen anzumieten.

Bezüglich der Eigenersparnis verbleibt es bei dem Ansatz von 10 %. Dies entspricht ständiger Rechtsprechung im Bezirk.

Damit hat es beim festgestellten Ergebnis zu verbleiben.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Streitwert: 843,55 Euro

 

 

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