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Verkehrsunfall ohne Zeugen – Anhörung der Unfallbeteiligten vor Gericht

OLG Saarbrücken

Az: 4 U 355/10

Urteil vom 01.03.2011


Leitsatz:

Das „Fair-Trial-Prinzip“ gebietet es bei einem vom Gericht für aufklärungsbedürftig gehaltenen streitigen Unfallgeschehen, dessen Hergang im Einzelnen mangels ausreichender Anknüpfungstatsachen nicht im Wege gutachtlicher Unfallanalyse geklärt werden kann und das auch nicht von Zeugen beobachtet wurde, regelmäßig beide Unfallbeteiligte zu hören und seine Überzeugungsbildung nicht nur auf die Angaben eines der Beteiligten zu stützen. Denn anders als durch Anhörung beider Beteiligten lässt sich ein umfassendes und zuverlässiges Bild von dem Unfallhergang schwerlich gewinnen.


I. Auf die Berufung der Beklagten wird das am 8. Juli 2010 verkündete Urteil des Gerichts – Az. … – wie folgt abgeändert und wie folgt insgesamt neu gefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.361,55 €, weitere 35,29 € sowie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten von 156,50 €, jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basissatz aus den vorgenannten Beträgen seit dem 7.3.2010 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Widerbeklagte und der Drittwiderbeklagte werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Beklagte

a. ein Schmerzensgeld von 1.500 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basissatz seit dem 7.4.2010 zu zahlen,

b. weitere 60 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basissatz seit dem 7.4.2010 zu zahlen.

c. Es wird festgestellt, dass die Widerbeklagte und der Drittwiderbeklagte als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Beklagten sämtliche weiteren Schäden aufgrund des Unfallereignisses vom 30.7.2009 unter Berücksichtigung eines Mitverursachungsanteils der Beklagten von 70 % zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.

Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.

II. Die weiter gehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

III. Die Kosten des Rechtsstreits werden wie folgt verteilt:

Von den erstinstanzlichen Gerichtskosten hat die Beklagte 73 % und die Klägerin hat 27 % zu tragen, davon 22 % gesamtschuldnerisch neben dem Drittwiderbeklagten. Die Beklagte hat 73 % der außergerichtlichen Auslagen der Klägerin und 78 % der außergerichtlichen Auslagen des Drittwiderbeklagten zu tragen. Im Übrigen haben die Klägerin und der Drittwiderbeklagte ihre außergerichtlichen Auslagen selbst zu tragen. Die außergerichtlichen Auslagen der Beklagten fallen zu 22 % der Klägerin und dem Drittwiderbeklagten als Gesamtschuldnern zur Last. Weitere 5 % hat die Klägerin allein zu tragen.

Im Übrigen trägt die Beklagte ihre außergerichtlichen Auslagen selbst.

Von den Gerichtskosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte 62 % und die Klägerin 38 %, davon 30 % als Gesamtschuldnerin neben dem Drittwiderbeklagten. Die Beklagte trägt 62 % der außergerichtlichen Auslagen der Klägerin und 70 % der außergerichtlichen Auslagen des Drittwiderbeklagten. Im Übrigen haben die Klägerin und der Drittwiderbeklagte ihre außergerichtlichen Auslagen selbst zu tragen.

Die außergerichtlichen Auslagen der Beklagten fallen zu 30 % der Klägerin und dem Drittwiderbeklagten als Gesamtschuldnern zur Last.

Weitere 8 % hat die Klägerin allein zu tragen. Im Übrigen hat die Beklagte ihre außergerichtlichen Auslagen selbst zu tragen.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

VI. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 8.195,49 € festgesetzt, wovon 3.000 € auf den im Wege der (Dritt-) Widerklage geltend gemachten Feststellungsantrag entfallen.

Gründe

A.

Die Parteien machen im Wege der Klage und der Wider- und Drittwiderklage Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall geltend, der sich am … in … ereignet hat.

Der Drittwiderbeklagte, ein Mitarbeiter der Klägerin, wollte am Unfalltag gegen 11.00 Uhr mit dem Kleintransporter Marke Citroen „Jumpy“, amtliches Kennzeichen …, dessen Halterin und Eigentümerin die Klägerin ist, aus der am Anwesen … Straße befindlichen Ein- und Ausfahrt über den Gehweg in die … Straße einfahren.

Die zum Unfallzeitpunkt 19 Jahre alte Beklagte befuhr mit ihrem Fahrrad stadteinwärts den in ihrer Fahrtrichtung gesehen linken Gehweg der Straße. In Höhe der Ein- und Ausfahrt kam es auf dem Gehweg unter von den Parteien kontrovers geschilderten Umständen zu einer Kollision. Aus Sicht des Drittwiderbeklagten kam die Beklagte von rechts. Der Anstoßpunkt an dem Kleintransporter befand sich ca. 50 cm hinter der Stoßfängervorderkante am rechten vorderen Kotflügel und dem umlaufenden Stoßfänger (vgl. hierzu und wegen der örtlichen Gegebenheiten den Polizeibericht nebst Lichtbildmappe Bl. 4 f. der Beiakte).

Die Beklagte erlitt bei dem Unfall eine subcapitale 4-Fragmenthumeruskopffraktur rechts, die durch eine winkelstabile Philosplattenosteosynthese operativ versorgt wurde. Bei dem Eingriff brach der zum Verbohren der insgesamt 10 Schraublöcher der Titanplatte verwendete Bohrer im Knochen der Beklagten ab (vgl. den OP-Bericht Bl. 29 f. d.A. und den Arztbericht Bl. 63, 64 d.A.). Die Beklagte, die von Beruf Krankenschwester ist, befand sich unfallverletzungsbedingt vom 30.7. bis 4.8.2009 in stationärer Behandlung. Es schlossen sich Krankengymnastik- und Rehabilitationsmaßnahmen an.

Die Reparaturkosten am Fahrzeug der Klägerin betragen laut Kostenvoranschlag der Citroen Niederlassung … 1.945,07 € netto. Für den Kostenvoranschlag wurden der Klägerin 50,42 € netto berechnet.

Die Klägerin geht von der Alleinhaftung der Beklagten aus. Zum Unfallhergang hat sie vorgetragen, der Drittwiderbeklagte habe sich langsam aus der umbauten Hausausfahrt vorgetastet. Als er den Gehweg erreicht habe, habe er in Höhe eines im Boden eingelassenen Gitterrostes angehalten, von wo er den Gehweg nach links und rechts habe einsehen können. In diesem Moment sei auch schon der Anstoß erfolgt. Trotz Orientierung habe der Drittwiderbeklagte die Beklagte vor dem Anstoß nicht wahrgenommen. Im Zeitpunkt des Anstoßes habe das Fahrzeug gestanden. Die Klägerin ist der Auffassung, dass der Drittwiderbeklagte mit einer erwachsenen Radfahrerin, die den Gehweg unerlaubt und außerdem noch auf der falschen Seite befährt, nicht habe rechnen müssen.

Die Klägerin hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.945,07 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basissatz seit dem 7.11.2009 zu zahlen;

2. die Beklagte zu verurteilen, an sie 50,42 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basissatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

3. die Beklagte zu verurteilen, an sie (außergerichtliche Rechtsanwaltskosten) von 192,90 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basissatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie ist der Ansicht, der Drittwiderbeklagte habe den Verkehrsunfall allein verschuldet. Obwohl der Drittwiderbeklagte aus der bis zum Gehweg umbauten Hofausfahrt nur sehr eingeschränkte Sicht nach links und insbesondere nach rechts gehabt habe und er den rechten Gehweg zunächst überhaupt nicht habe einsehen können, sei er ohne anzuhalten und sich entsprechend einweisen zu lassen aus der Hofeinfahrt bis zur vorderen Bordsteinkante herausgefahren. Da die Entfernung der Beklagten zu dem den Gehweg vollständig blockierenden Fahrzeug zu gering gewesen sei, habe die Beklagte den Anstoß nicht mehr verhindern können. Ein möglicher Verstoß der Beklagten gegen § 2 Abs.1 und 5 StVO habe sich nicht unfallursächlich ausgewirkt. Wäre die Beklagte 10 statt 19 Jahre alt gewesen und hätte sie den Gehweg erlaubterweise befahren, würde sich der Unfall in gleicher Weise ereignet haben.

Im Wege der Wider- und Drittwiderklage hat die Beklagte im ersten Rechtszug ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld in einer Größenordnung von mindestens 6.000 €, Ersatz ihres auf 200 € bezifferten Fahrradschadens sowie die Feststellung begehrt, dass die Klägerin und der Drittwiderbeklagte ihr als Gesamtschuldner zum Ersatz weiter gehender unfallbedingter Schäden verpflichtet sind.

Die Klägerin und der Drittwiderbeklagte haben beantragt, die (Dritt-)Widerklage abzuweisen.

Das Landgericht hat der Klage nach informatorischer Anhörung des Drittwiderbeklagten zum Unfallhergang von einer Korrektur des Zinsanspruches abgesehen vollumfänglich stattgegeben. Die Widerklage hat es abgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, die Beklagte, die den Gehweg unerlaubt unter Verstoß gegen § 2 Abs.1 und 5 StVO mit ihrem Fahrrad auf der falschen Straßenseite befahren habe, habe den Verkehrsunfall allein verschuldet. Ein schuldhafter Verkehrsverstoß des Drittwiderbeklagten sei nach dem Ergebnis der Anhörung, in der sich die Unfallversion der Klägerin bestätigt habe, nicht nachgewiesen. Wegen des grob verkehrswidrigen Verhaltens der Beklagten entfalle auch die Gefährdungshaftung der Klägerin und des Drittwiderbeklagten unter dem Gesichtspunkt der allgemeinen Betriebsgefahr.

Gegen dieses Urteil, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe gemäß § 540 Abs.1 S.1 Nr.1 ZPO Bezug genommen wird, richtet sich die Berufung der Beklagten. Die Beklagte geht im Grundsatz zwar weiter von der Alleinhaftung der Klägerin und des Drittwiderbeklagten aus. Sie hat ihre Mindestvorstellungen zum Schmerzensgeld jedoch (zur Vermeidung von Kostenrisiken) auf 3.000 € korrigiert. Die Beklagte wirft dem Landgericht vor, sie verfahrensfehlerhaft nicht ebenfalls als Partei zum Unfallhergang informatorisch angehört zu haben. Das sei aus Gründen prozessualer Waffengleichheit geboten gewesen und von ihrem Prozessbevollmächtigten erstinstanzlich mit Schriftsatz vom 18.5.2010 und in der mündlichen Verhandlung vom 17.6.2010, zu der die Beklagte wegen eines seit längerem geplanten Auslandsaufenthaltes nicht habe erscheinen können, auch beantragt worden. Zu Unrecht habe das Landgericht dem Antrag des Prozessbevollmächtigten der Beklagten, die Sache auf einen späteren Zeitpunkt zu terminieren, nicht entsprochen. Stattdessen habe das Landgericht seine Überzeugung von der Alleinschuld der Beklagten ausschließlich auf die unzutreffenden Parteiangaben des Drittwiderbeklagten gestützt, dessen Darstellung technisch unplausibel sei und der überdies ein erhebliches Eigeninteresse am Ausgang des vorliegenden Rechtsstreits habe. Außerdem habe das Landgericht den möglichen Verstoß der Beklagten gegen § 2 Abs.5 StVO falsch gewichtet. Dieser könne allenfalls zu einer Mithaftung von 30 % führen.

Die Beklagte beantragt (Bl. 103, 104,149 d.A.), das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass

1. die Klage abgewiesen wird,

2. die Widerbeklagte und der Drittwiderbeklagte als Gesamtschuldner verurteilt werden, an die Beklagte ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld, das 3.000 € nicht unterschreiten sollte, nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem EZB-Basissatz seit Rechtshängigkeit der Widerklage zu zahlen;

3. die Widerbeklagte und den Drittwiderbeklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Beklagte weitere 200 € nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem EZB-Basissatz seit Rechtshängigkeit der Widerklage zu zahlen;

4. festzustellen, dass die Klägerin und der Drittwiderbeklagte als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Beklagten sämtliche Schäden zu ersetzen, die diese aufgrund des Unfallgeschehens vom 30.7.2010 erlitten hat und noch erleiden wird.

Die Klägerin und der Drittwiderbeklagte beantragen (Bl. 130, 149 d.A.), die Berufung zurückzuweisen.

Sie treten der Berufung nach Maßgabe ihres bisherigen Prozessvortrages unter Bekräftigung des eigenen Rechtsstandpunktes entgegen und verteidigen das angefochtene Urteil.

Der Senat hat die beigezogene Akte … des Amtes des Landes – Abteilung … – zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht und er hat die Beklagte und den Drittwiderbeklagten gemäß § 141 ZPO zum Unfallhergang angehört.

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Wegen des Ergebnisses der Anhörung wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 15. Februar 2011 (Bl. 149 bis 154 d.A.) und wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes auf die in dieser Instanz gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

B.

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und in der verlängerten Frist des § 520 Abs.2 ZPO ordnungsgemäß begründete Berufung der Beklagten ist zulässig.

Das Rechtsmittel hat in der Sache teilweise Erfolg und führt zu der aus der Urteilsformel zu ersehenden Abänderung des angefochtenen Urteils.

Das Gericht hat der Klage in der Hauptsache zu Unrecht vollumfänglich stattgegeben und die Widerklage insgesamt abgewiesen. Die Klägerin muss sich im Rahmen der Gefährdungshaftung nach § 7 Abs.1 StVG wegen nicht geführtem Unabwendbarkeitsnachweis (§ 17 Abs.3 StVG) eine Mithaftungsquote von 30 % aufgrund der (erhöhten) Betriebsgefahr ihres Fahrzeugs anrechnen lassen.

Spiegelbildlich hat die Widerklage unter Berücksichtigung eines Mitverursachungsanteils der Beklagten von 70 % im erkannten Umfang Erfolg. Der Drittwiderbeklagte konnte sich als mitverklagter Fahrzeugführer nicht durch den Nachweis fehlenden Fahrerverschuldens nach § 18 Abs.1 StVG entlasten.

Das angefochtene Urteil hält berufungsgerichtlicher Kontrolle nicht in vollem Umfang stand: Gegen die Richtigkeit der landgerichtlichen Beweiswürdigung und die festgestellte Alleinhaftung der Beklagten ergeben sich auch im eingeschränkten Prüfungsrahmen des § 529 Abs.1 Nr.1 ZPO aufgrund konkreter Tatsachen Zweifel. Diese resultieren zum einen aus der verfahrensfehlerhaft unterbliebenen Anhörung der Beklagten zum Unfallhergang und sie beruhen zum anderen auf unvollständiger bzw. unrichtiger Tatsachenerfassung und -bewertung.

Die gebotene Neubewertung nach zweitinstanzlich nachgeholter Anhörung beider Unfallbeteiligten führt zur Abänderung des angefochtenen Urteils.

In prozessualer Hinsicht beanstandet die Berufung zu Recht, dass der Beklagten ebenfalls hätte Gelegenheit gegeben werde müssen, den Hergang des Unfalls, der nicht von Zeugen beobachtet wurde und für dessen Ablauf mangels Anknüpfungstatsachen, die eine detaillierte sachverständige Unfallanalyse erlauben, keine geeigneten objektiven Beweismittel zur Verfügung stehen, aus ihrer Sicht zu schildern. Das Gericht hat seine Überzeugungsbildung wesentlich auf die Angaben des Drittwiderbeklagten gestützt und sich vorschnell unter Außerachtlassung von Umständen, die den geschilderten Hergang technisch fragwürdig machten, davon überzeugt, dass dessen Unfallversion zutreffend ist.

Das Gericht hat in der Ladungsverfügung vom … das persönliche Erscheinen der Beklagten und des Drittwiderbeklagten gemäß § 141 ZPO angeordnet (Bl. 47 d.A.) und damit zum Ausdruck gebracht, dass es den Unfallhergang für weiter aufklärungsbedürftig hält. Es ist zwar richtig, dass der Prozessbevollmächtigte der Beklagten im Schriftsatz vom … explizit nur darum gebeten hatte, die Sache im Hinblick auf einen längeren Auslandsaufenthalt der Beklagten nicht vor dem 15.7.2010 zu terminieren und dass in dem Schriftsatz kein förmlicher Antrag auf Parteivernehmung oder informatorische Anhörung der Beklagten nach § 141 ZPO gestellt wurde. Der Bitte um Terminsverlegung hat das Gericht nicht entsprochen und die Beklagte von der Verpflichtung zum Erscheinen entbunden (Bl. 54 d.A.). Dem Sitzungsprotokoll vom … (Bl. 66 bis 68 d.A.) ist nicht zu entnehmen, dass der Prozessbevollmächtigte der Beklagten, wie in der Berufungsbegründung behauptet, in der mündlichen Verhandlung auf einer Anhörung der Beklagten zum Unfallhergang bestanden hat.

Eines förmlichen Antrages bedurfte es jedoch nicht, weil das Gericht bei einem ausweislich der Ladungsverfügung gesehenen weiteren Aufklärungsbedarf von Amts wegen verpflichtet war, beide Unfallbeteiligte zu hören. Der Erstrichter weist zwar im Grundsatz zutreffend darauf hin, dass die Anhörung nach § 141 ZPO im Ermessen des Gerichts liege. Bei der Ermessensausübung ist jedoch das „Fair-Trial-Prinzip“ zu beachten. Art 6 I 1 der EMRK garantiert jeder Person ein faires Verfahren auch im Zivilprozess. Dasselbe ergibt sich als „allgemeines Prozessgrundrecht“ aus Art. 1, 2 und 20 GG (BVerfGE 109, 38, 60; Prütting-Gehrlein-Halfmeier, ZPO, Rn. 4 vor §§ 1067 ff.).

Das „Fair-Trial-Prinzip“ gebietet es bei einem vom Gericht für aufklärungsbedürftig gehaltenen streitigen Unfallgeschehen, dessen Hergang im Einzelnen mangels ausreichender Anknüpfungstatsachen nicht im Wege gutachtlicher Unfallanalyse geklärt werden kann und das auch nicht von Zeugen beobachtet wurde, regelmäßig beide Unfallbeteiligte zu hören und seine Überzeugungsbildung nicht nur auf die Angaben eines der Beteiligten zu stützen. Denn anders als durch Anhörung beider Beteiligten lässt sich ein umfassendes und zuverlässiges Bild von dem Unfallhergang schwerlich gewinnen.

Nachdem der Senat beide Unfallbeteiligte angehört hat, kann die vom Gericht festgestellte Alleinhaftung der Beklagten keinen Bestand haben. Es ist vielmehr von einer Haftungsverteilung von 30 % zu 70 % zum Nachteil der Beklagten auszugehen.

I.

Das Gericht wählt zunächst den richtigen Ansatz: Kommt es beim Betrieb eines Kraftfahrzeugs zu einem Verkehrsunfall zwischen diesem und einem Radfahrer, haftet der Radfahrer nach den §§ 823, 249 ff. BGB nur bei einem feststehenden oder im Wege des Anscheinsbeweises vermuteten schuldhaften unfallmitursächlichen Verkehrsverstoß. Hingegen ist für den Kraftfahrzeughalter und den Fahrzeugführer, sofern wie hier kein Fall höherer Gewalt vorliegt (§ 7 Abs.2 StVG) und der Halter nicht den Unabwendbarkeitsnachweis führen kann (§ 17 Abs.3 StVG) oder ein Ausschluss der Ersatzpflicht durch den Nachweis fehlenden Fahrerverschuldens belegt ist (§ 18 Abs.1 StVG), die gesamtschuldnerische Gefährdungshaftung aus § 7 Abs.1 StVG und bei nachgewiesenem schuldhaften unfallursächlichen Verkehrsverstoß des Fahrers darüber hinaus die deliktische Haftung nach den §§ 823, 831, 249 ff., 426 BGB eröffnet.

II.

Im Streitfall liegt kein Fall höherer Gewalt (§ 7 Abs.2 StVG) vor. Auch konnte weder die Klägerin nachweisen, dass der Unfall unabwendbar war, noch konnte der Drittwiderbeklagte den Nachweis fehlenden Fahrerverschuldens führen:

Unabwendbarkeit und fehlendes Fahrerverschulden setzen voraus, dass selbst ein besonders umsichtiger „Idealfahrer“ bei Aufwendung äußerster möglicher Sorgfalt den Unfall nicht hätte vermeiden können (BGH DAR 2005, 263; Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 39. Aufl. Rdn. 22 zu § 17 StVG mwNw.). Dazu gehört sachgemäßes, geistesgegenwärtiges Handeln über den gewöhnlichen und persönlichen Maßstab hinaus (BGH a.a.O.; NZV 91, 185). Der „Idealfahrer“ muss alle möglichen Gefahrenmomente berücksichtigen und auch erhebliche fremde Fehlleistungen in seine Überlegungen mit einbeziehen (Hentschel a.a.O.). Soweit Umstände nicht aufklärbar sind, gereicht das in der Frage der Unabwendbarkeit und des fehlenden Fahrerverschuldens der Klägerin und dem Drittwiderbeklagten prozessual in der Weise zum Nachteil, dass von verschiedenen denkbaren die ihnen ungünstigste Konstellation der Vermeidbarkeitsbetrachtung zugrunde zu legen ist.

Legt man diesen besonders strengen Sorgfaltsmaßstab an, steht nach dem gesamten Verhandlungs- und Beweisergebnis und der vom Senat durchgeführten Anhörung beider Unfallbeteiligten nicht mit dem Beweismaß des § 286 Abs.1 ZPO fest, dass sich der Drittwiderbeklagte beim Ausfahren aus der Grundstückszufahrt idealtypisch verhalten hat. Es spricht im Gegenteil alles dafür, dass der Drittwiderbeklagte sich nicht so sorgfältig auf den Bürgersteig „vorgetastet“ hat, wie dies nach der von § 10 StVO geforderten höchstmöglichen Sorgfalt angesichts der sehr unübersichtlichen Hauseinfahrt erforderlich gewesen wäre.

Ein Idealfahrer anstelle des Drittwiderbeklagten hätte sich mit Blick auf die ihm bekannten besonders problematischen Sichtverhältnisse gefahrvermeidend eines Einweisers bedient. Das wäre dem Drittwiderbeklagten ohne weiteres möglich und zumutbar gewesen, da sich ein Arbeitskollege, der nach dem Unfall hinzugekommen ist, in unmittelbarer Nähe auf dem Betriebsgelände aufgehalten hat.

Selbst wenn man die Inanspruchnahme eines Einweisers nicht für idealtypisch erforderlich halten würde, ist nicht bewiesen, dass der Drittwiderbeklagte beim Ausfahren die nach § 10 StVO erforderliche höchstmögliche Sorgfalt angewandt und sich so vorsichtig und langsam, ggfs. nur cm-weise, in den Bereich des Gehweges hineingetastet hat (zu den Pflichten von Ein- und Ausfahrenden vgl. Hentschel a.a.O. Rn. 12, 13 zu § 10 StVO mwNw), wie das in der sehr unübersichtlichen Ausfahrt geboten war.

Der Drittwiderbeklagte hat in beiden Anhörungen angegeben, er sei aus der ihm bekannten unübersichtlichen Ausfahrt im Wissen um deren Gefährlichkeit langsam vorgefahren, und zwar mit der Vorderkante der Stoßstange bis an ein im Boden eingelassenes Gitter. Dann habe er angehalten und sich nach links und rechts orientiert, in welcher Reihenfolge wisse er nicht genau. In der Anhalteposition habe er den Gehweg sowohl links als auch rechts einsehen können. Die Klägerin, die er zuvor nicht gesehen habe, sei von rechts kommend gegen das stehende Fahrzeug gefahren. Zur Fahrgeschwindigkeit der Klägerin konnte der Drittwiderbeklagte nichts sagen.

Diese vom Gericht für glaubhaft erachtete Unfallhergangsschilderung begegnet bei näherer Betrachtung durchgreifenden Bedenken:

Denn das in den Boden eingelassene Gitter, bis zu dem der Drittwiderbeklagte mit der Vorderkante des Stoßfängers gefahren sein und an dem er angehalten haben will, befindet sich ausweislich der Lichtbilder in der Bußgeldakte unmittelbar am Übergang der Ausfahrt zum Gehweg (Fotos Bl. 8 der BA). Das Gitter ist ca. 40 cm breit. Die Reifenabdruckspur des Mountainbike und die durch den Anstoß verursachte Eindellung am Kotflügel des Kleintransporters Citroen „Jumpy“ liegen etwa 50 cm hinter der Vorderkante des Stoßfängers (Lichtbilder Bl. 16 d. BA). Die Beklagte hat in der zweitinstanzlichen Parteianhörung plausibel und glaubhaft erklärt, sie sei mit ihrem Mountainbike auf dem Gehweg etwa in der Mitte zwischen dem Pfosten des in ihrer Fahrtrichtung unmittelbar vor der Einfahrt befindlichen Halteverbotsschilds und der Häuserfront durchgefahren, da – was objektiv zutrifft – der Platz rechts von dem Pfosten für eine Durchfahrt nicht ausreichend war (Lichtbilder Bl. 8 d. BA).

Hiervon ausgehend kann die vom Drittwiderbeklagten behauptete Halteposition nicht richtig sein. Wäre der Drittwiderbeklagte mit der Vorderkante des Stoßfängers nämlich nur bis zum Gitterrost vorgefahren, müsste sich der Anstoß technisch zwingend in der Einfahrt ereignet haben. Dafür, dass die Beklagte, wie von der Prozessbevollmächtigten der Klägerin und des Drittwiderbeklagten – allerdings erst nach entsprechendem Vorhalt des Senats – in der mündlichen Verhandlung spekulativ in den Raum gestellt, ihr Fahrrad beim Versuch, dem (angeblich) zu spät bemerkten Verkehrsschild auszuweichen ruckartig nach links in Richtung Einfahrt gesteuert hätte, gibt es keinerlei Anhalt. Ein derart auffälliges Fahrmanöver hat der Drittwiderbeklagte in der Anhörung nicht behauptet. Er hat lediglich angegeben, die Beklagte sei von rechts kommend in das stehende Fahrzeug hineingefahren.

Die Unfallschilderung des Drittwiderbeklagten ist jedoch noch aus einem weiteren Grund technisch nicht nachvollziehbar und widerlegt. Berücksichtigt man die bauliche Ausgestaltung der Ausfahrt, die rechts vollständig ummauert ist (vgl. Lichtbild Bl. 9 unten der BA) und die Länge des Vorderbaus des Kleintransporters, konnte der Drittwiderbeklagte, selbst wenn er sich mit dem Oberkörper und dem Kopf sehr weit nach vorne gebeugt hätte, von dem behaupteten Anhaltepunkt den rechten Gehweg nicht einzusehen.

Bei dem Citroen Jumpy handelt es sich ausweislich der Polizeifotos um ein Fahrzeug der ersten, von 1995 bis 2006 hergestellten Baureihe. In der Kurzversion beträgt die Gesamtlänge des Fahrzeugs etwa 4,50 m. Der Vorderbau von Fahrzeugen der ersten Generation ist zwar nach den im Internet abrufbaren Herstellerangaben geringfügig kürzer als derjenige von Fahrzeugen der zweiten Generation. Dennoch musste der Drittwiderbeklagte, um wie behauptet von der Halteposition den rechten Gehweg einsehen zu können, mit der Vorderkante des Stoßfängers des Kleintransporters mindestens 1,10 bis 1,20 m auf den Bürgersteig fahren.

Damit steht fest, dass die Unfallhergangsschilderung des Drittwiderbeklagten in wesentlichen Aspekten falsch ist. Sollte der Drittwiderbeklagte bis zu einem Punkt vorgefahren sein, an dem er den Gehweg in beide Richtungen einsehen konnte, müsste er deutlich über den Gitterrost hinaus gefahren sein; und zwar so weit, dass der Kleintransporter den an der Unfallörtlichkeit nur etwa 1,30 m breiten Gehweg nahezu völlig blockierte.

Die Parteiangaben der Beklagten erlauben ebenfalls keine nähere Festlegung des Ausfahrverhaltens des Drittwiderbeklagten. Die Beklagte hat den Kleintransporter vor dem Anstoß eigenen Angaben zufolge überhaupt nicht wahrgenommen. Soweit die Beklagte erklärte, das Fahrzeug habe nach dem Anstoß den Bürgersteig komplett versperrt, ist zu berücksichtigen, dass der Drittwiderbeklagte in der Parteianhörung unwiderlegt angegeben hat, er sei nach dem Anstoß noch ein Stück vorgefahren, da sich die Fahrertür in der Anstoßposition nicht habe öffnen lassen.

Da die technischen Plausibilitätsdefizite in der Unfallversion des Drittwiderbeklagten so gravierend sind, dass sie nicht irrtumsgetragen sein können, muss es einen Grund dafür geben, dass der Drittwiderbeklagte sein Fahrverhalten beim Ausfahren unrichtig darstellt. Hätte der Drittwiderbeklagte sich verkehrsgerecht im Sinne von § 10 StVO verhalten und wäre es dennoch zu einem Anstoß gekommen, würde aus seiner Sicht ein einleuchtendes Motiv fehlen, den Unfallhergang unzutreffend darzustellen.

Der Senat hat daher keine Bedenken anzunehmen, dass der Drittwiderbeklagte nicht mit der nach § 10 StVO gebotenen höchstmöglichen Sorgfalt ausgefahren ist.

Weshalb der Erstrichter den Schadensfotos und dem Polizeibericht aus eigener Sachkunde entnehmen zu können glaubt, dass die Beklagte in das stehende Fahrzeug der Klägerin gefahren ist, erschließt sich nach den Entscheidungsgründen nicht.

Nach dem Ergebnis der Parteianhörung kann jedenfalls nicht mit dem Beweismaß des § 286 Abs.1 ZPO festgestellt werden, dass sich der Drittwiderbeklagte beim Ausfahren aus der Einfahrt idealtypisch verhalten hat und dass der Unfall selbst bei Aufbietung höchstmöglicher Sorgfalt unabwendbar war.

III.

Bei nicht geführtem Entlastungsbeweis nach §§ 17 Abs.3, 18 Abs.1 StVG müssen sich der geschädigte Fahrzeughalter und der Fahrzeugführer in erweiternder Auslegung von § 9 StVG, § 254 BGB auch gegenüber Radfahrern die Gefährdungshaftung entgegenhalten lassen. Die Abwägung des ursächlichen Verhaltens der Beteiligten gegeneinander richtet sich nach den zu § 17 Abs.1 und 2 StVG entwickelten Grundsätzen, d.h. es sind nur solche Umstände zu berücksichtigen, die unstreitig, zugestanden oder bewiesen sind und die sich nachweisbar unfallursächlich ausgewirkt haben (Hentschel a.a.O. Rn. 6 und 7 zu § 9 stVG mwNw).

1.

Beanstandungsfrei hat das Gericht einen unfallursächlichen Verkehrsverstoß der Beklagten bejaht:

Es steht außer Streit, dass die zum Unfallzeitpunkt 19 Jahre alte Beklagte mit ihrem Mountainbike unter Verstoß gegen § 2 Abs.1 und 5 StVO auf dem (für sie) linken Bürgersteig der … Straße fuhr. Der Verkehrsverstoß war für den Unfall adäquat ursächlich. Hätte die Klägerin sich nämlich verkehrsgerecht verhalten und als erwachsene Radfahrerin die in ihrer Fahrtrichtung rechte Fahrbahnhälfte der … Straße benutzt, oder, falls ihr das zu gefährlich erschien, ihr Fahrrad auf dem gegenüberliegenden Gehweg stadteinwärts geschoben, wäre es nicht zu dem Verkehrsunfall gekommen.

Der Berufung ist einzuräumen, dass die Zurechnung von adäquaten Unfallursachen durch den Schutzzweck der verletzten Norm begrenzt wird, die zumindest auch den Zweck haben muss, die eingetretenen Unfallschäden nach Art und Entstehungsweise zu verhindern.

a.

In der Literatur wird die Auffassung vertreten, § 2 Abs.1 StVO – die Vorschrift gilt nicht nur für Kraftfahrzeugführer, sondern auch für Radfahrer (Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 39. Aufl. Rz. 24 zu § 2 StVO) – diene nicht dem Schutz des aus einem Grundstück ausfahrenden Verkehrs, sondern sie bezwecke nur den Schutz des Längsverkehrs (so Hentschel a.a.O. Rz. 1). Auch wird argumentiert, das Verbot der Benutzung von Gehwegen für Radfahrer über 10 Jahre (§ 2 Abs.5 StVO) solle nur den Fußgängerverkehr schützen.

b.

Dem auf den Schutz von Fußgängern verengten Regelungsverständnis des § 2 Abs.5 StVO kann sich der Senat nicht anschließen. Denn es lässt unberücksichtigt, dass Gehwege als Sonderwege nicht nur Fußgängern vorbehalten sind. Wenn das Erreichen oder Verlassen eines Grundstücks, das nicht dem fließenden Verkehr dient, etwa eines Parkplatzes, oder im Streitfall eines von Kraftfahrzeugen nur durch eine Hauseinfahrt erreichbaren rückwärtigen Firmengeländes, lediglich über einen Gehweg möglich ist, so darf dieser Gehweg mit dem Fahrzeug überquert werden (Hentschel a.a.O. Rz. 29 zu § 2 StVO mwNw.).

Dass der Gesetzgeber vorschreibt, dass Kinder bis zu 8 Jahren mit Fahrrädern die Gehwege benutzen müssen und dass er dies Kindern bis zu 10 Jahren gestattet, dient wesentlich deren Schutz. Die hieraus resultierenden Gefahren müssen berechtigte Benutzer von Gehwegen – seien es Fußgänger oder Kraftfahrzeugführer, die aus Grundstücken über Gehwege in den fließenden Verkehr ausfahren wollen – im Interesse der Sicherheit und Gesundheit von Kindern in Kauf nehmen.

Berechtigte Benutzer müssen aber nicht hinnehmen, dass erwachsene Radfahrer die Gehwege „bevölkern“. Durch die zunehmend festzustellende Missachtung des Verbots des Befahrens der Gehwege durch erwachsene Radfahrer werden die für berechtigte Benutzer bestehenden Gefahren signifikant erhöht. Mit der Zahl der Radfahrer auf Gehwegen steigen naturgemäß die Unfallrisiken für berechtigte Benutzer erheblich, nicht zuletzt aufgrund der deutlich höheren Fortbewegungsgeschwindigkeit von erwachsenen Radfahrern.

Das Radfahren Erwachsener auf Gehwegen stellt daher nicht nur gegenüber Fußgängern, sondern auch gegenüber Fahrzeugführern, die Grundstücksein- und -ausfahrten über Gehwege befahren müssen, einen groben Verkehrsverstoß dar (OLG Celle MDR 2003, 928; OLG Karlsruhe NZV 91, 154; Hentschel a.a.O. Rz. 29 zu § 2 StVO mwNw.).

Erwachsene Radfahrer können sich bei einem Verstoß gegen § 2 Abs.5 StVO nicht erfolgreich mit dem Argument verteidigen, es habe sich statt ihrer auch ein Kind und damit ein berechtigter Gehwegbenutzer mit dem Fahrrad nähern können. Überlegungen zur hypothetischen Kausalität können den Schädiger nur entlasten, wenn er nachweist, dass die Reserveursache tatsächlich eingetreten wäre und den konkreten Schaden verursacht hätte.

2.

Ist ein unfallursächlicher schuldhafter Verkehrsverstoß der Beklagten somit bewiesen, kommt es nach den §§ 9 StVG, 254 BGB darauf an, ob die Beklagte ihrerseits einen über die Betriebsgefahr des Fahrzeugs der Klägerin hinausgehenden unfallursächlichen Verkehrsverstoß des Drittwiderbeklagten mit dem Beweismaß des § 286 ZPO belegen konnte.

a.

Der Beklagten wird die entsprechende Beweisführung nicht in Anwendung der zum Anscheinsbeweis entwickelten Grundsätze erleichtert. Ein Kraftfahrer, der bei der Ausfahrt aus einem Grundstück einen Gehweg überquert, ist zwar nach § 10 StVO zur höchstmöglichen Sorgfalt verpflichtet, um eine Gefährdung der Benutzer des Gehweges auszuschließen. Kommt es beim Ausfahren zu einer Kollision mit dem fließenden Verkehr oder einem auf dem Gehweg befindlichen Fußgänger bzw. einem berechtigterweise dort Rad fahrenden Kind, spricht zunächst ein Anscheinsbeweis für das Alleinverschulden des aus dem Grundstück Fahrenden (Hentschel a.a.O. Rz. 11, 14 zu § 10 StVO).

Bei Fallgestaltungen, in denen Erwachsene Gehwege verkehrswidrig mit dem Fahrrad „auf der falschen Seite“ befahren, ist für die Anwendung der Regeln des Anscheinsbeweises jedoch kein Raum.

2.

Folglich kommt es darauf an, ob ein schuldhafter unfallursächlicher Verstoß des Drittwiderbeklagten gegen § 10 StVO mit dem Maßstab des § 286 Abs.1 ZPO bewiesen ist, wovon das Gericht aufgrund der „anschaulichen“ Bekundungen des Drittwiderbeklagten in der Anhörung vom 17.6.2010 (Bl. 67 d.A.) nicht ausgeht (LGU 5, 6).

a.

Der Senat hat aus den bereits dargelegten Gründen keinen Zweifel daran, dass die Unfallhergangsschilderung des Drittwiderbeklagten falsch ist und er hat auch keine Probleme anzunehmen, dass Grund der evident unrichtigen Unfalldarstellung ein Ausfahren aus der Grundstücksausfahrt unter Verletzung der nach § 10 StVO gebotenen höchstmöglichen Sorgfalt ist.

b.

Schwierigkeiten bereitet vielmehr die Feststellung der Unfallursächlichkeit des Verkehrsverstoßes, und zwar deshalb, weil das genaue Ausfahrverhalten des Drittwiderbeklagten und die von der Beklagten gefahrene Geschwindigkeit nicht sicher feststehen und weil insbesondere auch der Abstand der Beklagten zu dem Kleintransporter bei Einleitung des Ausfahrvorganges nicht bekannt ist. Hierzu konnten weder der Drittwiderbeklagte noch die Beklagte verwertbare Angaben machen. Obwohl die Beklagte beim unerlaubten Befahren des ihr bekannten Gehweges die dort befindlichen Haus- und Grundstücksausfahrten als potentielle Gefahrenstellen besonders im Auge behalten musste, will sie den Kleintransporter vor dem Anstoß überhaupt nicht gesehen haben. Das erlaubt nicht den vorschnellen Schluss, dass Grund der Nichtwahrnehmung gewesen sein muss, dass der Drittwiderbeklagte den Ausfahrvorgang erst eingeleitet hat, als sich die Beklagte mit ihrem Fahrrad bereits im Bereich der Einfahrt befand. Alternativ ist eine situative Unaufmerksamkeit der Beklagten ungewisser Dauer in Betracht zu ziehen, die keine eindeutige Festlegung ermöglicht, dass der Unfall bei verkehrsgerechtem Verhalten des Drittwiderbeklagten vermeidbar war, deren Unfallursächlichkeit aber ebenfalls nicht mit dem Beweismaß des § 286 Abs.1 ZPO feststeht.

3.

Mithin bleibt als nachgewiesener Mitverursachungsbeitrag der Klägerin und des Drittwiderbeklagten im Rahmen der Gefährdungshaftung nur die Betriebsgefahr des Fahrzeugs.

Ein erwachsener Radfahrer, der unerlaubt (und zudem auf der falschen Seite) den Gehweg befährt, kann – darin ist dem Gericht im Prinzip zuzustimmen – einem Kraftfahrzeugführer ggfs. sogar allein haften. Das gilt jedenfalls dann, wenn feststeht, dass sich der Kraftfahrzeugführer beim Verlassen des Grundstücks vorschriftsmäßig verhalten hat (Hentschel a.a.O. mwNw.). Die von der Berufung zum Nachweis des Gegenteils zitierte Entscheidung des OLG Hamburg (veröffentlicht in NZV 1992, 281) steht schon deshalb nicht entgegen, weil dort eine Mithaftung des Kraftfahrzeugführers im Umfang von 30 % unstreitig war.

In der Regel kommt bei einem Zusammenstoß zwischen einem aus einer Ausfahrt ausfahrenden Kraftfahrzeug und einem verbotswidrig den Gehweg befahrenden Radfahrer eine Schadensteilung in Betracht, die sich nach den Umständen des Einzelfalles richtet (vgl. die Rechtsprechungsbeispiele bei Grüneberg, Haftungsquoten bei Verkehrsunfällen, 10. Aufl. Rn. 381).

Ist ein unfallursächlicher schuldhafter Verkehrsverstoß des Kraftfahrzeugführers nicht nachgewiesen, kann grundsätzlich auch die Alleinhaftung des Radfahrers erwogen werden, wenn bei diesem ein grober Verkehrsverstoß feststeht. In Rechtsprechung und Literatur herrscht Einvernehmen, dass derjenige, dessen Verursachungsanteil und/oder Schuld so stark überwiegt, dass der des anderen Beteiligten dagegen zurücktritt, keinen Ausgleich erhält (BGH NZV 1996, 272; Hentschel-König a.a.O. Rn. 16 zu § 17 StVG mwNw).

Allerdings ist eine ausdehnende Anwendung dieser Rechtsprechung zu vermeiden, da sie mit dem Grundgedanken der Gefährdungshaftung nicht ohne weiteres kompatibel ist. Ihre Anwendung setzt in der Regel neben einer nicht erheblich ins Gewicht fallenden mitursächlichen Betriebsgefahr des einen, ein bezogen auf den Unfallablauf (objektiv und subjektiv) grobes Verschulden des anderen Beteiligten voraus (BGH NZV 90, 229; Hentschel a.a.O. Rn. 16 zu § 17 StVG mwNw).

Selbst wenn man einen in objektiver und subjektiver Hinsicht groben Verkehrsverstoß der Beklagten annehmen wollte, steht nicht fest, dass die unerlaubte Benutzung des Gehweges durch die Beklagte die alleinige Unfallursache war. Wie dargelegt ist von einer vorwerfbaren Verletzung der höchstmöglichen Sorgfalt des § 10 StVO durch den Drittwiderbeklagten auszugehen. Lediglich die Unfallursächlichkeit des Verkehrsverstoßes ist nicht nachgewiesen.

Die Rechtsfrage, ob auch bei so gelagerter Fallgestaltung die Annahme gerechtfertigt ist, dass die Haftung aufgrund der Betriebsgefahr zurücktritt, kann auf sich beruhen und bedarf keiner Entscheidung, weil es an dem weiteren Erfordernis einer nicht erheblich ins Gewicht fallenden mitursächlichen Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeugs fehlt. Die Betriebsgefahr des Kleintransporters war wegen des gefährlichen Ausfahrens aus einem Grundstück über einen Gehweg situativ erhöht.

Erhöht ist die Betriebsgefahr, wenn die Gefahren, die regelmäßig und notwendigerweise mit dem Kfz.-Betrieb verbunden sind, durch das Hinzutreten besonderer unfallursächlicher Umstände vergrößert werden (BGH NZV 2005, 249; NJW 2000, 3069). In Rechtsprechung und Schrifttum ist anerkannt, dass in der StVO als besonders risikohaft angesehene Fahrmanöver wie etwa das Überholen, das Wenden oder das Abbiegen in ein Grundstück die Betriebsgefahr des Fahrzeuges unfallursächlich erhöhen können. Entsprechendes gilt für das Ausfahren aus einem Grundstück in den Verkehr, insbesondere, wenn ein Gehweg zu überqueren ist und sich der Unfall auf dem Gehweg ereignet.

Der Senat hält mit Blick auf die erhöhte Betriebsgefahr des klägerischen Kleintransporters eine Haftungsverteilung von 30 % zu 70 % zum Nachteil der Beklagten für sachgerecht.

IV.

Hiervon ausgehend hat die Berufung bezogen auf die Klage, deren Abweisung die Beklagte mit ihrem Rechtsmittel anstrebt, insofern einen Teilerfolg, als die Klageanträge zu 1. und 2. nur in Höhe von 70 % begründet sind. Ersatz außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten kann die Klägerin dementsprechend nur aus einem Geschäftswert von 1.396,84 € (70 % von 1.995,49 €) beanspruchen. Die 1,3-fache Geschäftsgebühr nach RVG 2300 aus diesem Geschäftswert beträgt 136,50 €. Addiert man die Auslagenpauschale in geltend gemachter Höhe von 20 € hinzu, ergeben sich außergerichtliche Rechtsanwaltskosten von 156,50 € (netto), die die Beklagte der vorsteuerabzugsberechtigten Klägerin zu ersetzen hat.

V.

Die Widerklage ist im aus der Urteilsformel zu ersehenden Umfang begründet.

1.

Unter Berücksichtigung des Mitverursachungsanteils der Beklagten von 70 % ist ein Schmerzensgeld in Höhe von 1.500 € gerechtfertigt.

Nach gefestigter Rechtsprechung verfolgt das Schmerzensgeld vordringlich das Ziel, dem Geschädigten einen Ausgleich für diejenigen Schäden zu verschaffen, die nicht vermögensrechtlicher Art sind (Ausgleichsfunktion). Die Genugtuungsfunktion spielt bei Verkehrsunfällen hingegen keine maßgebliche Rolle.

Für die Bemessung des Schmerzensgeldes sind Größe, Heftigkeit und Dauer der Schmerzen und Leiden die wesentlichen Kriterien (BGHZ 18, 149, 154). Als objektivierbare Umstände besitzen vor allem die Art der Verletzungen, Art und Dauer der Behandlung sowie die Dauer der Arbeitsunfähigkeit besonderes Gewicht. Darüber hinaus sind die Auswirkungen des Schadensereignisses auf die konkrete Lebensführung des Betroffenen, auch die Freizeitgestaltung und insbesondere mögliche Dauerschäden zu berücksichtigen (Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, 3. Aufl. Rdnr. 10 zu § 253 mwNw).

Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes verbietet sich eine schematische, in einzelne Verletzungen und Verletzungsfolgen zergliedernde Betrachtungsweise. Die Schmerzensgeldhöhe ist vielmehr in einer Gesamtschau aller Bemessungskriterien des konkreten Falles zu ermitteln. Dabei können in vergleichbaren Fällen von der Rechtsprechung zugesprochene Schmerzensgelder einen gewissen Anhalt bieten, ohne jedoch zwingend zu einer bestimmten „richtigen“ Schmerzensgeldhöhe zu führen (BGH VersR 1986, 59; 1976, 967 f.).

Im Streitfall ist unstrittig und durch den vorgelegten OP-Bericht des Klinikums … vom … belegt, dass die Beklagte bei dem Unfall eine subcapitale 4-Fragmenthumeruskopffraktur rechts erlitten hat, die durch eine winkelstabile Philosplattenosteosynthese operativ versorgt wurde. Bei dem Eingriff brach ein zum Verbohren der insgesamt 10 Schraublöcher benutzter Bohrer im Knochen der Beklagten ab (vgl. den OP-Bericht Bl. 29, 30 d.A. und den Arztbericht Bl. 63, 64 d.A.). Das abgebrochene Bohrerstück befindet sich laut OP-Bericht und glaubhafter Darstellung der Beklagten in der Anhörung weiter in deren Oberarmknochen und lässt sich nicht (mehr) entfernen. Die Beklagte befand sich unfallverletzungsbedingt vom … bis … in stationärer Behandlung. Es schlossen sich Krankengymnastik- und Rehabilitationsmaßnahmen an.

Die Beklagte, die von Beruf Krankenschwester ist, hat in der Anhörung durch den Senat anschaulich beschrieben, dass sie weiterhin belastungs- und witterungsabhängig unter Schmerzen im Bereich der rechten Schulter leidet, die mitunter so stark sind, dass sie – im Durchschnitt etwa einmal pro Woche – Schmerzmittel einnehmen muss. Vor dem Unfall habe sie problemlos Patienten allein anheben können. Seit dem Unfall sei das wegen der Schmerzen und weil ihr die Kraft fehle nicht mehr möglich. Die fortbestehenden Funktionsbeeinträchtigungen der rechten Schulter finden ihre Bestätigung im Arztbericht der Dres. … und … vom …. Die behandelnden Ärzte gehen davon aus, dass es sich um einen bleibenden Schaden handelt (Bl. 64 d.A.).

Die implantierte Titanplatte ist bislang nicht operativ entfernt worden. Der entsprechende Eingriff steht noch aus. Da der erstbehandelnde Arzt die Operationswunde – so die Beklagte – nicht genäht, sondern geklammert hat, ist eine große sichtbare Narbe im Schulterbereich zurückgeblieben (bestätigt durch den ärztlichen Zwischenbericht des Dr. … Bl. 63, 64 d.A.). Die Beklagte hat nachvollziehbar erklärt, sie trage auch im Sommer Kleidung, die die unschöne Narbe bedecke.

Soweit die Klägerin und der Drittwiderbeklagte den Standpunkt vertreten, Gesundheitsbeeinträchtigungen, die Folgen ärztlicher Behandlungsfehler sind, seien ihnen nicht zurechenbar (Bl. 45 d.A.), übersehen sie, dass der Erstschädiger bei Verkehrsunfällen nach allgemeiner Auffassung dem Verletzten im Rahmen seiner Mitverursachungsquote auch den Schaden zu ersetzen hat, der auf einem Zwischenfall während der Behandlung oder einer ärztlichen Fehlbehandlung nach dem Unfall beruht, soweit kein grober Behandlungsfehler vorliegt (Pardey, Berechnung von Personenschäden, 4. Aufl., Teil 1, Rn. 343 mwNw). Für grobe, also unverständliche ärztliche Fehlleistungen, die nur Kopfschütteln auslösen können, gibt es im Streitfall keinen Anhalt.

Nach den eingangs dargelegten Bemessungskriterien würde sich – bei unterstellter voller Haftung der Klägerin und des Drittwiderbeklagten – ein Schmerzensgeld in einer Größenordnung von 5.000 € ergeben.

Die Beklagte stellt auch im Berufungsrechtszug einen unbezifferten Schmerzensgeldantrag. Soweit sie zweitinstanzlich niedrigere Mindestvorstellungen in einer Größenordnung von 3.000 € entwickelt, ist das nicht darauf zurückzuführen, dass sie von den in Vorinstanz entwickelten Schmerzensgeldvorstellungen abrückt, sondern der Minimierung des Kostenrisikos wegen des ihr anzulastenden Verkehrsverstoßes geschuldet. Die Festlegung des Schmerzensgeldes auf 5.000 € begegnet daher keinen Bedenken im Hinblick auf § 308 ZPO. Maßgeblich ist das letztlich zuerkannte Schmerzensgeld, das – allerdings nur bei beziffertem Antrag – den von der Beklagten geforderten Betrag nicht übersteigen darf.

Legt man der Schmerzensgeldbemessung die eingangs dargestellten Kriterien zugrunde, waren zunächst die von der Beklagten glaubhaft beschriebenen und durch Arztattest belegten fortdauernden belastungs- und witterungsabhängigen Schmerzen und Funktionseinschränkungen im Bereich der rechten Schulter, die die Beklagte insbesondere in ihrem beruflichen Alltag als Krankenschwester verständlicherweise belasten und beeinträchtigen, zu berücksichtigen. Aber auch die Notwendigkeit eines Folgeeingriffs zur Entfernung der Titanplatte nebst Verschraubung und die nach ärztlicher Beurteilung „sehr unschöne hypertrophe Narbenbildung“ im Bereich der rechten Schulter, die nach der vorliegenden ärztlichen Bescheinigung nur im Wege operativer Exzision mit plastisch-chirurgischer Deckung behandelbar ist, rechtfertigen in der Zusammenschau mit den dauerhaften Funktionsbeeinträchtigungen der Schulter ein Schmerzensgeld in einer Größenordnung von 5.000 €. Eine ausgedehnte Narbenbildung im Schulterbereich wird gerade von einer jungen Frau wie der Klägerin als optisch besonders störend empfunden (Bl. 63, 64 d.A.). Unter Berücksichtigung des Mitverursachungsanteils der Beklagten von 70 % ergibt sich demzufolge ein Schmerzensgeldanspruch von 1.500 €.

2.

Der Senat ist ferner überzeugt, dass das Mountainbike der Klägerin bei dem Unfall neben einem Reifen- einen Rahmenschaden erlitten hat. Entsprechende Feststellungen finden sich in der polizeilichen Verkehrsunfallanzeige (Bl. 3 d. BA), der eine aussagekräftige Fotodokumentation des Rahmenschadens beiliegt (Lichtbilder Bl. 10 bis 16 der Beiakte). Die Klägerin hat glaubhaft angegeben, dass es sich bei dem Fahrrad um ein Geschenk ihrer Eltern handelt, dass das Fahrrad zum Unfallzeitpunkt erst ein bis zwei Jahre alt war und dass es einen Neupreis von etwa 300 € hatte. Hiervon ausgehend schätzt der Senat den Zeitwert nach § 287 ZPO auf 200 €. Unter Berücksichtigung der Mithaftungsquote von 70 % ergibt sich ein Schadensersatzanspruch wegen der Beschädigung des Fahrrades in Höhe von 60 €.

3.

Der Feststellungsantrag ist zulässig und mit der Maßgabe begründet, dass der Mitverursachungsanteil der Beklagten von 70 % zu berücksichtigen ist.

a.

Das nach § 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ist bei der Verletzung eines absoluten Rechtsguts zu bejahen, wenn künftige Schadensfolgen (wenn auch nur entfernt) möglich, ihre Art und ihr Umfang noch ungewiss sind (BGH MDR 2007, 792; NJW 2001, 1432).

b.

Zwar sind nach den von der Klägerin nicht substantiiert in Zweifel gezogenen Feststellungen im Arztbericht der Dres. … und … vom 28.5.2010 die bei der Beklagten fortbestehenden belastungsabhängigen Funktionsbeeinträchtigungen und die witterungsabhängigen Beschwerden im Bereich der rechten Schulter als schon jetzt absehbarer Dauerschaden einzustufen.

Dennoch ist mit künftigen unfallbedingten Schäden materieller und immaterieller Art ernsthaft zu rechnen, weshalb der Feststellungsantrag mit der eingangs dargestellten Einschränkung begründet ist:

Zukünftige Schäden sind denkbar, wenn es bei der (nach ärztlicher Einschätzung nicht einfachen, Bl. 63 d.A.) operativen Entfernung der Titanplatte und der Titanschrauben zu Komplikationen kommt. Sollte sich die Beklagte zu einer kosmetischen Korrektur der unschönen Narbe entschließen, würden auch dieser Eingriff und der anschließende Heilungsprozess gesundheitliche Risiken mit sich bringen. Außerdem sind degenerative Veränderungen im Bereich der rechten Schulter als künftige unfallbedingte Folgeschäden zumindest nicht auszuschließen.

Auf die Berufung der Beklagten war das angefochtene Urteil daher unter Abweisung der Klage und der Widerklage im Übrigen sowie unter Zurückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels wie geschehen abzuändern.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 92 Abs.1, 100 Abs. 2,4 ZPO.

Bei der Kostenentscheidung war zu berücksichtigen, dass der Streitwert des Berufungsverfahrens um 3.000 € niedriger ist als der des erstinstanzlichen Verfahrens, weshalb die Beklagte im Berufungsrechtszug anteilig in größerem Umfang obsiegt hat, als dies im ersten Rechtszug der Fall war. Weiter war zu bedenken, dass der Drittwiderbeklagte am Erfolg und Misserfolg der Klage, deren Streitwert 1.995,49 € beträgt (die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten erhöhen den Streitwert nicht), nicht beteiligt ist.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr.10, 713 ZPO.

Die Revision war mangels Zulassungsgrund (§ 543 Abs.2 ZPO) nicht zuzulassen.

 

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