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Verkehrsunfall – Wiederbeschaffungswert Abzug von Umsatzsteuer

AG Halle (Saale)

Az.: 93 C 3231/12

Urteil vom 10.01.2013


1.) Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 440,56 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19. September 2011 aus 404,16 € zu bezahlen.

2.) Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

3.) Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 9 % und die Beklagten 91 %.

4.) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung, auch zu einem Teilbetrag, durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

5.) Die Berufung der Beklagten wird zugelassen.

und beschlossen:

Der Streitwert wird auf 405,16 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin verlangt restlichen Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall.

Am 30. August 2011 gegen 8.40 Uhr verursachte der Beklagte zu 1. mit dem PKW Opel, amtliches Kennzeichen HAL – …, dessen Halterin die Beklagte zu 2. ist und der bei der Beklagten zu 3. pflichtversichert ist, in H… in der K… Straße einen Verkehrsunfall, bei welchem das im Eigentum der Klägerin stehende Taxi, ein PKW Mercedes E 200 CDi Classic, Erstzulassung 30. November 1999, amtliches Kennzeichen HAL –…, beschädigt wurde. Es entstand wirtschaftlicher Totalschaden. Die Alleinhaftung der Beklagten für die Schäden am Taxi der Klägerin dem Grunde nach zu 100 % ist zwischen den Parteien unstreitig.

Die vorsteuerabzugsberechtigte Klägerin verlangt auf Grund eines von ihr eingeholten Gutachtens des Sachverständigenbüros … Partner einen Wiederbeschaffungswert von 2.500,00 €, welcher im Gutachten schon als „steuerneutral“ bezeichnet wurde, abzüglich eines von ihr mit 84,03 € angegebenen Restwertes. In dem Gutachten ist auch ausgeführt: „Aufgrund des Fahrzeugtyps, des Fahrzeugalters und / oder der Laufleistung werden derartige Fahrzeuge kaum noch oder nicht mehr beim seriösen, gewerbsmäßig betriebenen Gebrauchtwagenhandel angeboten. Die Ermittlung des Wiederbeschaffungswertes basiert auf Angeboten des Privatmarktes. Der oben genannte Wert enthält somit keine Umsatzsteuer.“ Wegen der Einzelheiten wird auf das Gutachten des Sachverständigenbüros S… & Partner vom 31. August 2011 Bl. 37 – 50 d. A. verwiesen. Die Beklagten zahlten hierauf nur 2.100,84 € abzüglich des Restwertes von 84,03 €. Zudem verlangt die Klägerin eine Kostenpauschale von 26,00 €, worauf die Beklagten nur 20,00 € zahlten. Die Differenzbeträge macht die Klägerin mit der vorliegenden Klage geltend. Weitere Schadenspositionen (Gutachterkosten und An- und Abmeldekosten) sind vollständig reguliert und nicht streitgegenständlich.

Zudem verlangte die Klägerin aus einem Gegenstandswert von 3.009,17 € vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 357,50 €, wobei sie eine 1,5-Gebühr gemäß Nr. 2300 VV RVG ansetzt. Die Beklagten zahlten hierauf nur 277,70 €. Den Differenzbetrag von 79,50 verlangt die Klägerin ebenfalls mit der vorliegenden Klage.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Beklagten die gesamten vom Gutachter als steuerneutral bezeichneten Wiederbeschaffungskosten von 2.500,00 € (abzüglich des Restwertes) ersetzen müssten, da diese Kosten nach den Ausführungen des Sachverständigen gerade keine Umsatzsteuer enthielten. Eine Mehrwertsteuer falle somit für die Klägerin nicht an, sodass es nicht gerechtfertigt sei, von dem vom Sachverständigen ermittelten Betrag von 2.500,00 € noch Mehrwertsteuer abzuziehen.

Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an die Klägerin 405,16 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten der EZB hieraus seit dem 19. September 2011 zu zahlen.

2. die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an die Klägerin 79,80 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB hieraus seit dem 10. November 2011 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen. Die Beklagten sind der Ansicht, von dem Wiederbeschaffungswert laut Gutachten in Höhe von 2.500,00 € sei die Mehrwertsteuer abzuziehen, da die Klägerin beim Kauf des Taxis die auf den Kaufpreis entfallende Mehrwertsteuer im Rahmen des Vorsteuerabzugsverfahrens bereits erhalten habe. Bei einem hypothetischen Verkauf ihres Fahrzeuges für 2.500,00 € hätte die Klägerin die Mehrwertsteuer auch abführen müssen. Die Kostenpauschale sei nur in Höhe von 20,00 € erstattungsfähig. Eine Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 VV RVG von mehr als 1,3 könne vorliegend für die vorgerichtliche Tätigkeit des Anwalts der Klägerin nicht verlangt werden.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 13. Dezember 2012 verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist weitgehend begründet. Anspruchsgrundlage gegen den Beklagten zu 1. ist § 18 StVG. Anspruchsgrundlage gegen die Beklagte zu 2. ist § 7 StVG. Anspruchsgrundlage gegen die Beklagte zu 3. ist § 115 Abs. 1 Nr. 1 StVG.

Die Klägerin kann den von dem von der Klägerin beauftragten Sachverständigen ermittelten Wiederbeschaffungswert in Höhe von 2.500,00 € abzüglich des Restwertes netto von 84,03 € verlangen, somit 2.415,97 €. Der Sachverständige hat ausdrücklich ausgeführt, dass dieser Wiederbeschaffungswert steuerneutral sei und dass dieser Wert keine Umsatzsteuer enthalte, da ein dem Fahrzeug der Klägerin entsprechendes Fahrzeug beim seriösen, gewerbsmäßig betriebenen Gebrauchtwagenhandel nicht mehr angeboten werde. Diese Ausführungen können der Schadensschätzung gemäß § 287 ZPO zu Grunde gelegt werden, zumal die Beklagte die Feststellungen nicht substantiiert angegriffen hat. Daher ist auch das von den Beklagten angebotene Sachverständigengutachten, bei welchem nicht klar ist, auf welches Beweisthema es sich beziehen soll, nicht einzuholen. Vielmehr geht es um eine reine Rechtsfrage, wie die Beklagte im übrigen selbst zutreffend erkannt hat, auch wenn sie diese Rechtsfrage falsch beantwortet hat. Wenn der Sachverständige ausdrücklich ausführt, dass in dem Wiederbeschaffungswert keine Umsatzsteuer enthalten ist, kann nicht gleichwohl ein Umsatzsteueranteil an diesem Wiederbeschaffungswert abgezogen werden. Zwar würde es dem schadensrechtlichen Bereicherungsverbot widersprechen, wenn man dem vorsteuerberechtigten Unfallgeschädigten Mehrwertsteuer auf den Schadensersatzbetrag zusprechen würde, weil er dann die Mehrwertsteuer zweimal erhielte, nämlich einmal vom Finanzamt und einmal vom Schädiger (BGH, Urteil vom 22. Mai 1989, Az. X ZR 25/88, zitiert nach juris). Daher ist beispielsweise die Mehrwertsteuer auf die Reparaturkosten des vorsteuerabzugsberechtigten Geschädigten nicht zu ersetzen (BGH, Urteil vom 6. Juni 1972, Az. VI ZR 49/71, zitiert nach juris). Vorliegend ist diese Rechtsprechung allerdings aus dem einfachen Grunde nicht einschlägig, dass der vom Sachverständigen ermittelte Wiederbeschaffungswert gerade keine Mehrwertsteuer enthält. Die Differenz zwischen den geschuldeten 2.415,97 € und den gezahlten 2.016,81 € (angeblicher Wiederbeschaffungswert von 2.100,84 € abzüglich Restwert von 84,03 €), somit 399,16 €, kann die Klägerin von den Beklagten noch verlangen.

Zudem haben die Beklagten an die Klägerin eine restliche Kostenpauschale von weiteren 5,00 € zu bezahlen. Das Gericht spricht die allgemein übliche Kostenpauschale stets in Höhe von 25,00 € zu, und es ist schon unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung aller Rechtsunterworfener kein Grund zu erkennen, hiervon nach oben (wie es die Klägerin will) oder nach unten (wie es die Beklagten wollen) abzuweichen.

Die Klägerin hat daher folgende Ansprüche:

Restlichen Wiederbeschaffungswert: 399,16 €

Restliche Kostenpauschale: 5,00 €

Summe: 404,16 €

Der Zinsanspruch beruht insoweit auf §§ 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3, 288 Abs. 1 BGB.

Hinsichtlich der außergerichtlichen Anwaltskosten hat die Klägerin einen Anspruch in folgender Höhe:

Auszugehen ist von einem Gegenstandswert von 3.008,17 € entsprechend den Angaben der Klägerin bis auf die gebührenrechtlich irrelevante Zuvielforderung von 1,00 € bei der Kostenpauschale

Dies ergibt folgende Berechnung:

1,3-Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 VV RVG 282,10 €

Pauschale gemäß Nr. 7002 VV RVG: 20,00 €

Akteneinsichtskosten gemäß Nr. 7000 VV RVG: 12,00 €

Summe: 314,10 €

Bezüglich der Höhe der Geschäftsgebühr ist durch das Urteil des BGH vom 11. Juli 2012 (Az. VIII ZR 323/11, zitiert nach juris) endgültig geklärt, dass im Regelfall der Rechtsanwalt nur die 1,3-Gebühr gemäß Nr. 2300 VV RVG verlangen kann und dass angesichts des eindeutigen Gesetzeswortlautes auch die „Toleranzrechtsprechung“ kein Überschreiten der Schwellengebühr um 20 % rechtfertigt. Mehr als eine 1,3-Gebühr steht dem Rechtsanwalt nach Gesetzeswortlaut nur zu, wenn die Angelegenheit umfangreich oder schwierig war. Dazu fehlt aber jeglicher Vortrag. Daher kann auch vorliegend der Rechtsanwalt der Klägerin nur eine 1,3-Gebühr fordern. Abzüglich der bereits gezahlten 277,70 € kann die Klägerin daher noch weitere 36,40 € verlangen.

Insgesamt hat die Klägerin folgende Ansprüche:

Schadensersatz: 404,16 €

Vorgerichtliche Anwaltskosten: 36,40 €

Summe: 440,56 €

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Auch wenn die Klägerin bei der Hauptforderung nur in Höhe von 1,00 € und im übrigen nur bei der streitwertneutralen Nebenforderung (vorgerichtliche Anwaltskosten) unterlegen ist, ist es angemessen, auf den Grundlage eines fiktiven Kostenquotenstreitwertes eine Kostenquote zu bilden und hierbei das Unterliegen bei den vorgerichtlichen Anwaltskosten zu berücksichtigen. Das hartnäckige Fordern einer die Schwellengebühr von 1,3 übersteigende Geschäftsgebühr von 1,5 entgegen dem Gesetzeswortlaut soll kostenrechtlich nicht risikolos bleiben. Daher ist davon auszugehen, dass auf der Grundlage eines fiktiven Kostenquotenstreitwertes von 484,96 € (405,16 € + 79,80 €) die Klägerin in Höhe von 440,56 €, somit zu 91 %, obsiegt hat, woraus sich die Kostenquote ergibt.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht für die Klägerin auf §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO und für die Beklagte auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Die Berufung der Beklagten ist gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 4 ZPO zuzulassen, weil die Frage, inwieweit auch von dem vom Sachverständigen ermittelten Wiederbeschaffungswert die Mehrwertsteuer abzuziehen ist, soweit ersichtlich, noch nicht höchstrichterlich geklärt ist. Die Berufung der Klägerin ist hingegen nicht zuzulassen. Die Frage der Überschreitung der 1,3-Schwellengebühr bei der Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 VV RVG ist durch das erwähnte BGH-Urteil vom 11. Juli 2012 nunmehr endgültig und abschließend höchstrichterlich geklärt. Die Zubilligung einer Kostenpauschale von (nur) 25,00 € entspricht der Rechtsprechung des Berufungsgerichts.

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