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Verkehrsunfallprozess –  Darlegungslast des Klägers bei bestrittenem Eigentumserwerb

OLG Frankfurt, Az.: 4 U 182/13, Beschluss vom 04.03.2014

Gründe

I.

Der Kläger nimmt den Beklagten wegen eines Verkehrsunfalls auf Ersatz materiellen Schadens in Anspruch.

Das Landgericht hat die Klage mit dem angefochtenen Urteil abgewiesen und zur Begründung u.a. ausgeführt, dass der Kläger sich zum Nachweis der behaupteten Eigentümerstellung nicht auf die Vorschrift des § 1006 Abs. 1 S. 1 BGB berufen könne. Zwar knüpfe die gesetzliche Vermutung, dass der Besitzer Eigentümer der Sache sei, an den bloßen Besitz an, so dass es grundsätzlich Sache des Gegners sei, diese Vermutung zu widerlegen. Gleichwohl obliege dem Kläger im Falle eines zulässigen Bestreitens der Beklagten eine sekundäre Darlegungslast, wonach er gehalten sei, zu den Umständen seines Besitz- und Eigentumserwerbs vorzutragen. Andernfalls wäre den Beklagten von vornherein jede Möglichkeit genommen, den ihnen obliegenden Gegenbeweis zu führen, da sie außerhalb der insoweit maßgeblichen Geschehensabläufe stünden. Der Kläger habe sich jedoch auf den Standpunkt gestellt, zu den Umständen seines Besitz- und Eigentumserwerbs nicht weiter vortragen zu müssen.

Anstelle einer Darstellung weiterer Einzelheiten wird auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Der Kläger verfolgt mit der Berufung seine erstinstanzlichen Klageanträge weiter. Der Kläger beruft sich darauf, dass er das Fahrzeug zum Unfallzeitpunkt selbst geführt habe und daher zu seinen Gunsten die Vermutung des § 1006 BGB eingreife, wonach er nicht nur Besitzer, sondern zugleich Eigentümer des unfallbeschädigten Fahrzeugs sei. Der Besitzer, der sich auf die Eigentumsvermutung des § 1006 BGB berufe, müsse nur deren Anknüpfungstatsachen beweisen, also die Erlangung seines gegenwärtigen oder früheren Besitzes. Er brauche demgegenüber weder seinen Eigentumserwerb darzulegen und zu beweisen, noch die den Eigentumserwerb begründenden Tatsachen. Die Vermutung betreffe nicht nur die Beweislast, sondern bereits die Darlegungslast für den Grund des Erwerbes. Soweit die Beklagte auf einen ggf. bestehendes Leasingvertragsverhältnis abgestellt habe, sei auch zu berücksichtigen, dass sich dieser Einwand allenfalls auf den Anspruch hinsichtlich der Reparaturkosten und der Wertminderung, nicht aber auf die anderen streitigen Schadensersatzansprüche wie Nutzungsausfallentschädigung, Sachverständigenkosten oder Nebenkostenpauschale beziehen könne.

II.

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main hat nach der einstimmigen Überzeugung des Senats in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.

Die angefochtene Entscheidung beruht weder auf einer Rechtsverletzung im Sinne des § 546 ZPO, noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 Abs. 1 ZPO).

Das Landgericht hat einen Anspruch des Klägers auf Ersatz des an dem Pkw Marke1 durch den Verkehrsunfall vom ….2012 entstandenen Schadens zu Recht deshalb verneint, weil der Kläger zu den Umständen eines Eigentumserwerbs an dem Pkw keine Tatsachen vorgetragen hat, obwohl die behauptete Eigentümerstellung für die in Betracht kommenden Schadensersatzansprüche gemäß § 7 Abs. 1 StVG und § 823 BGB jeweils Anspruchsvoraussetzung ist. Zwar geht der Kläger zunächst zutreffend davon aus, dass die gesetzliche Eigentumsvermutung des § 1006 BGB den Besitzer grundsätzlich nicht nur von der Beweis-, sondern auch von der Darlegungslast dafür enthebt, dass und auf welcher Grundlage er mit dem Besitz das Eigentum erworben hat (BGH, Urteil v. 16.10.2003, IX ZR 55/02, Rn. 31; BGH, Urteil v. 04.02.2002, II ZR 37/00, Rn. 7; jeweils zit. nach juris). Die Vermutungswirkung des § 1006 Abs. 1 BGB erstreckt sich damit insbesondere auch auf den Erwerb von Eigenbesitz (BGH, Urteil v. 03.03.2005, I ZR 133/02, Rn. 18, zit. nach juris; Baldus, MüKo BGB 6. Aufl., § 1006 Rn. 33), so dass der Besitzer regelmäßig nur seinen (ggf. früheren) Besitz beweisen muss (Fritzsche, Bamberger/Roth, BeckOK BGB, Stand: 1.11.2013, § 1006, Rn. 13). Die Regelung des § 1006 BGB schließt es aber nicht aus, nach den in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannten prozessualen Grundsätzen der sekundären Darlegungslast (vgl. dazu BGH Urteil v. 17.01.2008, III ZR 239/06, Rn. 16, zit. nach juris, m.w.N.) einen konkreten Tatsachenvortrag des Besitzers zu den tatsächlichen Grundlagen seines Eigentumserwerbs zu verlangen, wenn der Prozessgegner den Rechtserwerb bestreitet (Baldus, a.a.O., § 1006 Rn. 45). Dementsprechend sind die Regeln über die sekundäre Darlegungslast in jüngerer Zeit in der bereits vom Landgericht zitierten Rechtsprechung (OLG Hamm, Beschluss v. 01.02.2013, 9 U 238/12, Rn. 5; KG Berlin, Urteil v. 30.08.2010, 12 U 175/09, Rn. 30 f.; jeweils zit. nach juris) gerade in Bezug auf Schadensersatzansprüche wegen unfallbedingter Schäden an Kraftfahrzeugen angewendet worden. Den Besitzer, der sich auf die Eigentumsvermutung des § 1006 BGB beruft, trifft danach dann eine sekundäre Darlegungslast für die Umstände des von dem Prozessgegner bestrittenen Eigentumserwerbs, wenn er anders als der außerhalb des darzulegenden Geschehensablaufes stehende Prozessgegner nähere Kenntnis der maßgebenden Tatsachen besitzt und ihm nähere Angaben zumutbar sind (vgl. OLG Hamm, a. a. O.). Die Beklagten haben im vorliegenden Rechtsstreit die vom Kläger behauptete Eigentümerstellung erstinstanzlich bereits in der Klageerwiderung vom 03.12.2012 wirksam bestritten. Es liegt entgegen der erstinstanzlich von dem Kläger vertretenen Rechtsauffassung schon mangels näherer Kenntnisse der insoweit außerhalb des Geschehensablaufs stehenden Beklagten kein unwirksames Bestreiten vor, da die Voraussetzungen für ein zulässiges Bestreiten mit Nichtwissen im Sinne des § 138 Abs. 4 ZPO gegeben sind. Die Beklagten haben ihr Bestreiten in der Klageerwiderung zudem plausibel damit begründet, dass es sich bei dem vom Kläger geführten Fahrzeug Marke1 um ein erst wenige Monate vor dem Verkehrsunfall erstzugelassenes Fahrzeug der Luxusklasse handelte, das von einem Erwerber häufig finanziert oder geleast wird. Da der Kläger auch keine Tatsachen vorgetragen hat, nach denen ihm ein näheres Vorbringen unzumutbar sein könnte, trifft ihn in Bezug auf die Umstände eines Eigentumserwerbs eine sekundäre Darlegungslast, der er – trotz des Bestreitens der Beklagten – mangels jeglichen diesbezüglichen Tatsachenvortrags nicht nachgekommen ist. Es fehlt damit an einer hinreichenden tatsächlichen Grundlage für die Feststellung, dass der Kläger – wie von ihm behauptet – Eigentümer des unfallbeschädigten Fahrzeugs war.

Soweit der Kläger die Berufung darauf stützt, dass ein Teil der geltend gemachten Schadenspositionen zu seinen Gunsten auch dann ersatzfähig wäre, wenn er den Besitz des Fahrzeugs lediglich aufgrund eines Leasingvertrages erlangt hätte, vermag dies seinem Begehren auch nicht teilweise zum Erfolg zu verhelfen. Es fehlt insoweit an einem im Berufungsverfahren ohnehin gem. §§ 529Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 ZPO nur unter engen Voraussetzungen zulässigen neuen Sachvortrag des Klägers zu einem Eingriff in ein ihm zustehendes Besitzrecht. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil v. 11.01.2005, VI ZR 34/04, Rn. 16; Urteil v. 04.11.1997 , VI ZR 348/96, Rn. 26, jeweils zit. nach juris) kommt ein Schadensersatzanspruch wegen einer Verletzung des berechtigten Besitzes in Betracht, wenn der berechtigte Besitz gerade dazu dienen soll, eine bestimmte Nutzung der Sache zu ermöglichen und der Besitzer an dieser Nutzung durch einen rechtswidrigen Eingriff gehindert wird. Es bedarf danach zur Darlegung eines Schadensersatzanspruchs eines näheren Sachvortrags zu Art und Umfang eines etwaigen Besitzrechts. Der Kläger hat indes zu einem seinem Besitz zugrunde liegenden Besitzrecht insbesondere wegen eines Vertragsverhältnisses – ebenso wie zu einem Eigentumserwerb – selbst nichts vorgetragen. Der Kläger kann sich insoweit auch kein Vorbringen der Beklagten zu eigen machen, weil diese mangels entsprechender Tatsachenkenntnis ihrerseits zu einem Besitzrecht des Klägers nicht konkret vorgetragen, sondern sich lediglich auf die Plausibilität eines etwaigen Leasingverhältnisses oder einer Finanzierung des Fahrzeugs berufen haben.

Die weiteren Voraussetzungen für eine Zurückweisung der Berufung durch Beschluss liegen nach einstimmiger Überzeugung des Senats ebenfalls vor: Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts. Eine mündliche Verhandlung ist wegen der zutreffenden Begründung des angefochtenen Urteils auch unter Berücksichtigung der Bedeutung der Sache nicht geboten.

III.

Der Kläger hat innerhalb von drei Wochen Gelegenheit zur Stellungnahme. Der Senat regt unter Berücksichtigung der für neues Tatsachenvorbringen geltenden Beschränkungen der §§ 529Abs.1 Nr. 2, 531 Abs. 2 ZPO an, dass der Kläger prüft, ob die Berufung zur Reduzierung der Kosten des Berufungsverfahrens innerhalb der gesetzten Frist zurückgenommen werden kann.

 

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