Bundesgerichtshof
Az: VI ZR 131/07
Urteil vom 15.01.2008
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat im schriftlichen Verfahren nach Schriftsatzfrist bis zum 20. Dezember 2007 für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil der 20. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld vom 17. April 2007 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger macht gegen den Beklagten restliche Schadensersatzansprüche in Höhe von 387,05 EUR aus einem Verkehrsunfall geltend, an dem der Beklagte als Führer und Halter eines bei der ursprünglich mitverklagten Beklagten zu 2 haftpflichtversicherten Pkw beteiligt war. Der Kläger und der Beklagte wohnen im selben Ort in Nordrhein-Westfalen. Der ursprünglich mitverklagte Haftpflichtversicherer hat seinen Sitz in einem anderen Bundesland.
Das Amtsgericht hat die Klage gegen den Beklagten als unzulässig abgewiesen, weil keine außergerichtliche Streitschlichtung gemäß § 10 Abs. 1 GüSchlG NRW stattgefunden hatte. Die Klage gegen den mitverklagten Haftpflichtversicherer hat es nach Beweisaufnahme als unbegründet abgewiesen. Das Amtsgericht hat die Berufung lediglich insoweit zugelassen, als es die Klage gegen den beklagten Versicherungsnehmer als unzulässig abgewiesen hat. Das Landgericht hat die entsprechende Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren gegen den Beklagten weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht ist mit dem erstinstanzlichen Gericht der Auffassung, die Klage gegen den Beklagten sei unzulässig, weil keine außergerichtliche Streitschlichtung gemäß § 10 Abs. 1 GüSchlG NRW stattgefunden habe. Dem stehe nicht entgegen, dass nur hinsichtlich des Beklagten, nicht aber hinsichtlich des gleichzeitig mitverklagten Haftpflichtversicherers, der seinen Sitz in einem anderen Bundesland habe, der räumliche Anwendungsbereich gemäß § 11 GüSchlG NRW gegeben sei, denn die Vorschrift setze bereits nach ihrem Wortlaut nicht voraus, dass sämtliche am Rechtsstreit beteiligten Parteien im gleichen Landgerichtsbezirk wohnten. Darüber hinaus müssten im Falle der hier vorliegenden einfachen Streitgenossenschaft die besonderen Prozessvoraussetzungen bei jedem Streitgenossen selbständig vorliegen. Im Übrigen sei die Notwendigkeit, die obligatorische Streitschlichtung als Institut zu etablieren, höher zu bewerten als die im Einzelfall verursachten zusätzlichen Kosten und längere Verfahrensdauer. Eine Einigung allein mit dem in Anspruch genommenen Halter ohne Zustimmung des Haftpflichtversicherers sei auch nicht von vornherein faktisch aussichtslos. Es erscheine durchaus denkbar, dass gerade bei geringfügigen Blechschäden und unstreitiger Verursachung der Schädiger im Rahmen eines Schlichtungsverfahrens zur gütlichen Einigung auch ohne Zustimmung des Versicherers bereit sei, weil er auf diese Weise durch eigene Regulierung eine Prämienrückstufung vermeiden könne.
II.
Das Urteil des Berufungsgerichts hält im Ergebnis revisionsrechtlicher Nachprüfung stand.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kommt es allerdings auf die von ihm als rechtsgrundsätzlich erachtete Frage des räumlichen Anwendungsbereichs des § 11 GüSchlG NRW unter den besonderen Umständen des Streitfalls nicht an.
1. Nach § 3 Nr. 8 PflVG wirkt das rechtskräftige klageabweisende Urteil, das zwischen dem Kläger und dem Versicherer ergangen ist, auch zugunsten des beklagten Versicherungsnehmers. Dies gilt nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats auch dann, wenn der Direktanspruch und der Haftpflichtanspruch nicht in getrennten, nacheinander geführten Prozessen geltend gemacht, sondern – wie im Streitfall – Versicherer und Schädiger als – einfache (vgl. BGHZ 63, 51, 53 ff.) – Streitgenossen gemeinsam im selben Rechtsstreit in Anspruch genommen worden sind (vgl. Senatsurteile vom 13. Dezember 1977 – VI ZR 206/75 – VersR 1978, 862, 865; vom 29. Mai 1979 – VI ZR 128/77 – VersR 1979, 841 f.; vom 14. Juli 1981 – VI ZR 254/79 – VersR 1981, 1156 f.; ebenfalls vom 14. Juli 1981 – VI ZR 304/79 – VersR 1981, 1158 f.; vom 24. Juni 2003 – VI ZR 256/02 – VersR 2003, 1121, 1122 und vom 10. Mai 2005 – VI ZR 366/03 – VersR 2005, 1087).
2. Zweck der Regelung ist es, dem Geschädigten keine Ansprüche gegen den Versicherer über das materielle Haftpflichtrecht hinaus zuwachsen zu lassen. Ist in einem solchen Fall die Klageabweisung gegen einen Beklagten rechtskräftig, ist auch gegen den anderen nur noch eine Klageabweisung möglich (vgl. Senatsurteil vom 14. Juli 1981 – VI ZR 254/79 – VersR 1981, 1156 f.). Eine erneute Überprüfung der Haftungsfrage im Verfahren gegen den Versicherungsnehmer oder den Versicherer ist danach nicht mehr zulässig. Dies gilt insbesondere auch zu Lasten des Geschädigten und zugunsten des Versicherungsnehmers, wenn und soweit vorab die Klage gegen den Haftpflichtversicherer abgewiesen ist. Dieser soll nicht Gefahr laufen, trotz des für ihn günstigen Urteils im Falle der Verurteilung seines Versicherungsnehmers aufgrund seiner Zahlungspflicht aus dem Deckungsverhältnis doch noch in Anspruch genommen zu werden (vgl. Senatsurteil vom 14. Juli 1981 – VI ZR 254/79 – aaO 1157).
3. Das Amtsgericht hat im Streitfall die Klage gegen den Haftpflichtversicherer des Beklagten als unbegründet abgewiesen. Da die Berufungssumme nicht erreicht war und das erstinstanzliche Gericht die Berufung gegen sein klageabweisendes Urteil gegen den mitverklagten Haftpflichtversicherer nicht zugelassen hat, ist das Urteil insoweit rechtskräftig geworden. Dies hat nach § 3 Nr. 8 PflVG zur Folge, dass im Verhältnis zum beklagten Versicherungsnehmer eine erneute Überprüfung der Haftungsfrage ausgeschlossen ist. Auf die Frage, ob der Klage gegen den beklagten Versicherungsnehmer ein Schlichtungsverfahren im Sinne der §§ 10, 11 GüSchlG NRW hätte vorausgehen müssen, kommt es unter diesen Umständen nicht mehr an.
III.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.