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Verkehrszentralregister – Tilgung von Punkten

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT

Az.: BVerwG 3 C 21.07

Urteil vom 25.09.2008

Vorinstanz: VG Karlsruhe, Az.: VG 6 K 563/06, Urteil vom 11.06.2007


Leitsatz:

Hat der Inhaber einer Fahrerlaubnis einen Punktestand erreicht, der nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 StVG die mangelnde Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen zur Folge hat, ist eine danach eintretende Tilgung von Punkten im Verkehrszentralregister für die Rechtmäßigkeit der Fahrerlaubnisentziehung ohne Bedeutung.


In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 25. September 2008 für Recht erkannt:

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 11. Juni 2007 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger zu Recht die Fahrerlaubnis entzogen wurde.

Am 29. Oktober 2004 teilte das Kraftfahrt-Bundesamt dem Beklagten mit, dass der Kläger 21 Punkte im Verkehrszentralregister erreicht habe. Darauf entzog der Beklagte dem Kläger, gestützt auf § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 StVG, mit Bescheid vom 25. November 2004 die Fahrerlaubnis der Klassen 1 und 3 und untersagte ihm das Führen von Kraftfahrzeugen dieser Klassen. Hiergegen legte der Kläger rechtzeitig Widerspruch ein.

Aus einer Mitteilung des Kraftfahrt-Bundesamts an den Beklagten vom Oktober 2005 ergab sich, dass das Punktekonto des Klägers im Verkehrszentralregister nach einer Tilgung von Verstößen nur noch mit 10 Punkten belastet sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 24. Januar 2006 wies das Regierungspräsidium Karlsruhe den Widerspruch des Klägers zurück und führte zur Begründung aus: Zwar seien nun nur noch Verstöße im Verkehrszentralregister eingetragen, die zusammen 10 Punkte ergäben. Doch folge aus dem anzuwendenden materiellen Recht, dass für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Entziehungsverfügung auf den Zeitpunkt ihrer Bekanntgabe abzustellen sei, nachträgliche Änderungen blieben unberücksichtigt.

Die Klage hat das Verwaltungsgericht Karlsruhe mit Urteil vom 11. Juni 2007 abgewiesen. Zur Begründung heißt es: Abweichend vom Regelfall komme es für die Rechtmäßigkeit einer Fahrerlaubnisentziehung nach dem Mehrfachtäter-Punktsystem allein auf den Zeitpunkt der Bekanntgabe der Verfügung an. In § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 StVG sei unmissverständlich geregelt, dass ein Fahrerlaubnisinhaber ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen sei, wenn sich 18 oder mehr Punkte ergäben. In einem solchen Fall solle nach dem erkennbaren Gesetzeszweck möglichst schnell und gemäß § 4 Abs. 10 StVG jedenfalls für die Dauer von sechs Monaten der Ausschluss von der Teilnahme am Kraftfahrverkehr erfolgen. Auch nach Ablauf dieser sechs Monate solle der Betroffene nicht ohne Weiteres wieder ein Kraftfahrzeug führen dürfen, vielmehr habe er in der Regel ein Gutachten über seine Fahreignung beizubringen. Dass es dem Gesetzgeber um eine schnell durchzusetzende Maßnahme gehe, zeige § 4 Abs. 7 Satz 2 StVG, wonach Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung hätten. Dieser gesetzlichen Systematik widerspräche es, wenn im Laufe des Widerspruchsverfahrens eingetretene Veränderungen zugunsten des Fahrerlaubnisinhabers berücksichtigt würden und er allein deshalb von einer Fahrerlaubnisentziehung verschont bliebe. Auch könnte der Fahrerlaubnisinhaber dann durch das Einlegen eines Widerspruchs und eine eventuelle Verzögerung des Widerspruchsverfahrens die Punktzahl zu seinen Gunsten beeinflussen.

Mit seiner Sprungrevision macht der Kläger geltend: Grundsätzlich sei die Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsakts nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung zu beurteilen. Ausnahmen gebe es dann, wenn das materielle Recht dies anordne. Dem Wortlaut von § 4 Abs. 3 StVG könne nicht entnommen werden, dass die Löschung von Punkten im Verkehrszentralregister während eines Verwaltungsverfahrens ohne Einfluss auf die Beurteilung der Fahreignung sei. Selbst wenn der Gesetzgeber gewollt habe, dass eine Kumulation von Verkehrsverstößen und damit Punkten die Vermutung mangelnder Fahreignung begründe, so komme dies im Gesetzestext doch nicht mit der notwendigen Deutlichkeit zum Ausdruck. Das Mehrfachtäter-Punktsystem sehe vor, dass Punkte durch bestimmte Maßnahmen und durch Zeitablauf entfielen und sich das auf die Beurteilung der Kraftfahreignung auswirke. Bereits wegen dieser im Gesetz selbst angelegten Dynamik lasse sich § 4 StVG nicht entnehmen, dass eine mangelnde Eignung beim Erreichen von 18 oder mehr Punkten starr und für die Zukunft unabänderbar feststehe. Außerdem habe der Bürger einen Anspruch darauf, dass die Widerspruchsbehörde die Ausgangsentscheidung eigenständig überprüfe. Dies sei nur gewährleistet, wenn die Widerspruchsbehörde auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung abstelle. Der vom Gesetzgeber angeordnete Sofortvollzug stehe der Annahme nicht entgegen, dass der Adressat einer Fahrerlaubnisentziehung die zwischenzeitlich verlorene Kraftfahreignung durch eine Tilgung von Punkten wiedergewinnen könne.

Der Beklagte tritt der Revision entgegen.

Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich am Verfahren.

II.

Die Revision des Klägers bleibt ohne Erfolg. Hat ein Fahrerlaubnisinhaber im Verkehrszentralregister 18 Punkte erreicht, so ist die Fahrerlaubnis wegen fehlender Eignung zu entziehen. Eine spätere Tilgung von Punkten ist hierfür ohne Bedeutung. Dies gilt unabhängig davon, ob die Tilgung vor oder nach dem Erlass der Entziehungsverfügung eingetreten ist. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts steht daher nicht im Einklang mit Bundesrecht, soweit es den Erlass des Ausgangsbescheides als maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage angesehen hat (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), da danach eine vor diesem Zeitpunkt eingetretene Tilgung zu berücksichtigen wäre. Das angegriffene Urteil entspricht jedoch im Ergebnis der Rechtslage.

Gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 StVG in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. März 2003 (BGBl I S. 310) gilt der Betroffene, wenn sich 18 oder mehr Punkte ergeben, als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen; die Fahrerlaubnisbehörde hat die Fahrerlaubnis zu entziehen. Dass eine später eintretende Tilgung von Punkten daran nichts mehr ändert, ergibt sich zwar nicht zwingend aus dem Wortlaut dieser Norm, ihr Sinn und Zweck lässt jedoch keinen anderen Schluss zu.

a) Der in der Vorschrift verwendete Sprachgebrauch gibt keinen Aufschluss darüber, wie der maßgebliche Punktestand zu ermitteln ist, und insbesondere darüber, ob dabei nachträgliche Tilgungen zu berücksichtigen sind.

In § 4 StVG werden unterschiedliche Begriffe verwendet, wenn es darum geht festzulegen, bei welchem Punktestand die Fahrerlaubnisbehörde eine bestimmte Maßnahme zu ergreifen hat oder wann sich sonst bestimmte Rechtsfolgen ergeben. So wird in § 4 Abs. 3 StVG für die Unterrichtung und Verwarnung des Betroffenen (Nr. 1), die Anordnung der Teilnahme an einem Aufbauseminar (Nr. 2) und die Entziehung der Fahrerlaubnis (Nr. 3) jeweils vorausgesetzt, dass sich eine bestimmte Punktzahl „ergibt“. In § 4 Abs. 4 bis 6 StVG werden die Rechtsfolgen dagegen daran geknüpft, dass ein bestimmter Punktestand „erreicht“ ist. Doch ergibt sich aus dieser divergierenden Terminologie kein sachlicher Unterschied, vielmehr ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber die genannten Begriffe synonym verwendet hat. Dafür spricht insbesondere die Gesetzesbegründung. Dort wird in Bezug auf § 4 Abs. 3 StVG ausgeführt, dass dieser Absatz die Maßnahmen regele, die zu ergreifen seien, wenn bestimmte Punktestände „erreicht“ seien (BRDrucks 821/96 S. 53 und 72), obgleich in der Norm selbst die Formulierung „ergeben sich“ gewählt wurde.

Ebenso wenig lässt § 4 StVG erkennen, dass der Gesetzgeber die Formulierung „sich ergeben“ nur verwendet hat, wenn es um den Erlass von Verwaltungsakten geht und damit auch ein Widerspruchsverfahren in Betracht kommt (vgl. § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und 3 StVG), den Begriff „erreichen“ dagegen, wenn daran unmittelbar kraft Gesetzes Rechtsfolgen geknüpft werden (vgl. § 4 Abs. 4 und 5 StVG). Denn auch bei der Unterrichtung und Verwarnung des Betroffenen nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 StVG, die erkennbar auch nach dem Verständnis des Gesetzgebers keine Verwaltungsaktqualität hat (vgl. § 4 Abs. 7 Satz 2 StVG, s. auch Beschluss vom 15. Dezember 2006 BVerwG 3 B 49.06 Buchholz 442.10 § 4 StVG Nr. 100), wird die Formulierung „ergeben sich“ verwendet.

b) Sinn und Zweck der Regelung zwingen jedoch zu dem Schluss, dass zugunsten des Betroffenen, der 18 Punkte erreicht hat und dem deshalb die Fahrerlaubnis zu entziehen ist, eine nach dem Überschreiten dieser Schwelle eingetretene Punktetilgung nicht mehr berücksichtigt werden kann.

Das Mehrfachtäter-Punktsystem bezweckt ausweislich § 4 Abs. 1 Satz 1 StVG den Schutz vor Gefahren, die von Fahrzeugführern und haltern ausgehen, die wiederholt gegen Verkehrsvorschriften verstoßen haben (so auch BRDrucks 821/96 S. 71). Dabei bildet die Entziehung der Fahrerlaubnis bei 18 oder mehr Punkten nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 StVG in dem abgestuften Maßnahmensystem des § 4 StVG die letzte Eingriffsstufe. Die Entziehung der Fahrerlaubnis, weil der Betreffende diese Punktzahl trotz Hilfestellung durch Aufbauseminare und verkehrspsychologische Beratung, trotz Bonus-Gutschriften und trotz der Möglichkeit von zwischenzeitlichen Tilgungen im Verkehrszentralregister erreicht, beruht nach der Gesetzesbegründung auf dem Gedanken, dass die weitere Teilnahme derartiger Kraftfahrer am Straßenverkehr für die übrigen Verkehrsteilnehmer eine Gefahr darstellen würde: Hierbei falle besonders ins Gewicht, dass es sich um Kraftfahrer handele, die eine ganz erhebliche Anzahl von im Verkehrszentralregister erfassten und noch nicht getilgten Verstößen begangen haben (vgl. BRDrucks 821/96 S. 53). Dem Gesetzgeber liegt somit daran, Personen, die sich wegen des von ihnen erreichten Punktestandes als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen haben, rasch und wirksam von der Teilnahme am Kraftfahrverkehr auszuschließen. Diese Zielsetzung wird auch in § 4 Abs. 7 Satz 2 StVG deutlich, wonach Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Entziehung einer Fahrerlaubnis nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 StVG keine aufschiebende Wirkung haben. Die Gesetzesbegründung verweist hierzu darauf, dass es im öffentlichen Interesse liege, bei auffällig gewordenen Fahrerlaubnisinhabern deren mangelnde Erfahrungsbildung oder Risikobereitschaft alsbald nach einem Verkehrsverstoß zu korrigieren (BRDrucks 821/96 S. 71 und 73).

Die danach im Interesse der Verkehrssicherheit zwingend durch Fahrerlaubnisentziehung zu ahndende fehlende Kraftfahreignung steht nach der dargestellten Konzeption mit dem Erreichen von 18 Punkten fest. Der Gesetzgeber hat besonderen Wert auf ein abgestuftes System behördlicher Maßnahmen gelegt. Es sieht, bevor es zur Fahrerlaubnisentziehung kommt, als Vorstufen mindestens eine Verwarnung (vgl. § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 StVG) und bei weiteren Verkehrsverstößen die Anordnung der Teilnahme an einem Aufbauseminar, ersatzweise eine weitere Verwarnung (vgl. § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 StVG) vor. § 4 Abs. 5 StVG enthält eine Rückstufungsregelung, die sicherstellen soll, dass der Betroffene diese Vorstufen tatsächlich durchlaufen hat und ihn die mit dem Aufbauseminar und der verkehrspsychologischen Beratung beabsichtigte Hilfestellung auch erreichen konnte, bevor er 18 oder mehr Punkte erreicht. Der Betroffene hat danach die Möglichkeit, durch eigene Bemühungen zum Abbau vorhandener Einstellungsmängel und damit zur Verringerung seiner Punktzahl beizutragen. Er kann bis zum Überschreiten der jeweiligen Punkteschwellen durch die freiwillige Teilnahme an einem Aufbauseminar oder an einer verkehrspsychologischen Beratung einen Punktabzug herbeiführen. Zudem kommt ihm eine zwischenzeitliche Tilgung von Punkten wegen Zeitablaufs gemäß § 29 StVG zugute. Erreicht der Betroffene trotzdem 18 oder mehr Punkte und damit zugleich den Endpunkt des Mehrfachtäter-Punktsystems und erweist sich damit als nicht empfänglich für alle Warnungen und Hilfsangebote, hält der Normgeber eine gesetzliche Ungeeignetheitsvermutung für gerechtfertigt, die wie der Gesetzesbegründung ebenfalls zu entnehmen ist grundsätzlich nicht widerleglich sein soll (BRDrucks 821/96 S. 53). All das sind hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass für die Rechtmäßigkeit einer Maßnahme nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 StVG eine nach dem Überschreiten dieser Ungeeignetheitsschwelle eintretende Tilgung von Punkten nicht mehr berücksichtigt werden kann. Dementsprechend sind nach dem Erreichen dieser Schwelle auch Bonus-Gutschriften wegen der Teilnahme an einer verkehrspsychologischen Beratung ausgeschlossen (vgl. § 4 Abs. 4 Satz 2 StVG). Es ist nicht zu erkennen, weshalb für Punktetilgungen etwas anderes gelten sollte.

Daraus, dass in der Gesetzesbegründung von „im Verkehrszentralregister erfassten und noch nicht getilgten Verstößen“ die Rede ist (BRDrucks 821/96 S. 53), folgt nichts Gegenteiliges. Gemeint sind damit allein die Punktetilgungen, die bis zum Erreichen von 18 Punkten eintreten. Dies wird bereits in der Gesetzesbegründung selbst deutlich, wo im selben Kontext auf das Erreichen von 18 oder mehr Punkten trotz der Möglichkeit von „zwischenzeitlichen“ Punktetilgungen abgestellt wird.

c) Für diese Auslegung spricht darüber hinaus der systematische Zusammenhang, in dem § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 StVG innerhalb des Mehrfachtäter-Punktsystems nach § 4 StVG steht.

Der Gesetzgeber hat über die zwingend angeordnete Fahrerlaubnisentziehung hinaus weitere Sicherungen hinsichtlich einer Neuerteilung der Fahrerlaubnis vorgesehen, und zwar sowohl in zeitlicher als auch in materieller Hinsicht. Er geht auf der Grundlage der Erfahrungen der Verkehrsbehörden davon aus, dass in aller Regel die Eignungsmängel, die zur Entziehung führen, nicht ohne Weiteres beseitigt werden können und dass deshalb nach der Entziehung der Fahrerlaubnis bis zu deren Neuerteilung ein bestimmter Mindestzeitraum vergehen soll (BRDrucks 821/96 S. 73 f.). Er hat daher in § 4 Abs. 10 Satz 1 StVG geregelt, dass eine neue Fahrerlaubnis frühestens sechs Monate nach Wirksamkeit der Entziehung nach Absatz 3 Satz 1 Nr. 3 erteilt werden darf, wobei diese Frist nach Satz 2 mit der Ablieferung des Führerscheins beginnt. Außerdem soll sichergestellt werden, dass die Gründe für die fehlende Eignung nicht fortbestehen. Der Gesetzgeber sieht sie bei Mehrfachtätern weniger in der mangelnden Kenntnis der Verkehrsvorschriften und/oder der unzureichenden Beherrschung des Fahrzeugs als vielmehr in einer falschen Einstellung zum Straßenverkehr, einer fehlerhaften Selbsteinschätzung und einer erhöhten Risikobereitschaft (vgl. BRDrucks 821/96 S. 53). Aus diesem Grund gibt § 4 Abs. 10 Satz 3 StVG vor, dass die Fahrerlaubnisbehörde unbeschadet der weiteren Voraussetzungen für die Erteilung der Fahrerlaubnis zum Nachweis, dass die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen wiederhergestellt ist, in der Regel die Beibringung eines Gutachtens einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Kraftfahreignung anzuordnen hat.

Diese strengen Voraussetzungen für die erneute Teilnahme eines Mehrfachtäters am Kraftfahrverkehr würden aber unterlaufen, wenn bereits ein Absinken des Punktestandes unter 18 Punkte infolge einer Tilgung von Punkten dazu führte, dass die einmal begründete und nach dem Verständnis des Gesetzgebers unwiderlegliche Vermutung der mangelnden Eignung ohne Weiteres wieder entfiele.

Auch die Vorschrift des § 29 Abs. 8 Satz 1 StVG zwingt nicht dazu, nachträgliche Punktetilgungen zu berücksichtigen. Nach dieser Regelung dürfen, wenn eine Eintragung über eine gerichtliche Entscheidung im Verkehrszentralregister getilgt ist, die Tat und die Entscheidung dem Betroffenen für die Zwecke des § 28 Abs. 2 StVG nicht mehr vorgehalten und nicht zu seinem Nachteil verwertet werden. Dieses Verwertungsverbot greift in Ansehung der Fahrerlaubnisentziehung nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 StVG nur, bevor 18 Punkte erreicht sind.

d) Mit dem Abstellen auf den Zeitpunkt des Erreichens von mindestens 18 Punkten wird die Möglichkeit des Betroffenen, Rechtsmittel gegen die Fahrerlaubnisentziehung einzulegen, weder in unzulässiger Weise beschnitten noch sind mit der Einlegung Nachteile für ihn verbunden. Die materielle Prüfung beschränkt sich lediglich auf die Frage, ob der Betroffene 18 Punkte erreicht hat; wie sich der Punktestand im Weiteren entwickelt hat, ist demgegenüber unerheblich. Gleichgültig ist daher auch, wann die Behörde diesen Umstand prüft. Ausgangs- und Widerspruchsbehörde haben gleichermaßen zu ermitteln, ob die 18 Punkte Grenze überschritten war. Sachliche Veränderungen zwischen Ausgangs- und Widerspruchsbescheid hat die Widerspruchsbehörde nur zu berücksichtigen, wenn das materielle Recht dies gebietet. Die nachträgliche Tilgung von Punkten ändert aber nichts daran, dass die 18 Punkte Grenze überschritten war, und ist deshalb nicht nur für die Widerspruchsbehörde, sondern auch anders als das Verwaltungsgericht meint für die Ausgangsbehörde rechtlich unerheblich.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

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