Bayerischer Verfassungsgerichtshof – Az.: Vf. 18-VI-21 – Entscheidung vom 20.12.2021
1. Das Endurteil des Amtsgerichts München vom 30. Oktober 2020 Az. 174 C 3682/20, berichtigt durch Beschluss vom 30. Dezember 2020, verstößt gegen das Grundrecht auf rechtliches Gehör (Art. 91 Abs. 1 BV). Es wird aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht München zurückverwiesen.
2. Dem Beschwerdeführer sind die durch das Verfassungsbeschwerdeverfahren verursachten notwendigen Auslagen aus der Staatskasse zu erstatten.
Gründe
I.
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen
- das Endurteil des Amtsgerichts München vom 30. Oktober 2020 Az. 174 C 3682/20, berichtigt durch Beschluss vom 30. Dezember 2020, durch das eine Zahlungsklage des Beschwerdeführers teilweise abgewiesen wurde, und gegen
- den Beschluss des Amtsgerichts vom 30. Dezember 2020, durch den die Anhörungsrüge des Beschwerdeführers zurückgewiesen wurde.
1. Der Beschwerdeführer schloss im November 2018 mit dem Betreiber eines Sportstudios in M. (im Folgenden auch: Beklagter) mündlich einen Vertrag, wonach der Beschwerdeführer innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten (1. Dezember 2018 bis 31. Mai 2019) berechtigt war, zweimal wöchentlich an einem von einem angestellten Kursleiter abgehaltenen „Spinning-Kurs“ (Indoorcycling-Kurs) teilzunehmen. Für die insgesamt 48 Termine bezahlte er im Voraus pauschal insgesamt 150 €. Nachdem er an 35 Terminen teilgenommen hatte, erfuhr der Beschwerdeführer, dass das Studio zum 26. April 2019 geschlossen werde, weil der Mietvertrag über die Räume vom Vermieter wider Erwarten nicht verlängert worden war und das Mietobjekt geräumt werden musste. Darauf vom Beschwerdeführer angesprochen, zog ein Angestellter des Sportstudios nach einer verbalen Auseinandersetzung mit dem Beschwerdeführer dessen Mitgliedskarte ein und erteilte ihm ein Hausverbot. Der Beschwerdeführer forderte den Studiobetreiber mit Schreiben vom 17. April 2019 unter Fristsetzung bis zum 2. Mai 2019 vergeblich auf, ihm Ersatz für die entgangenen 13 Termine zu beschaffen. Nach Fristablauf erholte er Vergleichsangebote mehrerer in der Nähe seiner Wohnung gelegener anderer Studios und buchte am 6. Mai 2019 bei dem günstigsten Anbieter für die Zeit vom 9. Mai bis 25. Juni 2019 zwölf Kurstermine zum Preis von 119,85 €. Diesen Betrag forderte er mit Schreiben vom 7. Mai 2019 vom Studiobetreiber als Schadensersatz. Dieser war jedoch nur bereit, 25 € als Ersatz für entgangene Trainingsmöglichkeiten im Mai 2019 zu erstatten.
2. Unter dem 18. Februar 2020 erhob der Beschwerdeführer, nunmehr vertreten durch einen Rechtsanwalt, nach vorausgegangenem Mahnverfahren Klage zum Amtsgericht München auf Zahlung von 119,85 € mit der Begründung, er habe wegen der vom Beklagten zu vertretenden Vertragsverletzung Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung nach § 281 Abs. 1 BGB. Dieser Schadensersatz umfasse auch die Kosten für eine Ersatzbeschaffung.
Das Amtsgericht führte ein vereinfachtes Verfahren ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495 a ZPO durch. Mit Verfügung vom 30. April 2020 erteilte das Gericht einen Hinweis nach § 139 ZPO, wonach es einen Anspruch auf Schadensersatz wegen Buchung einer Ersatzleistung für nicht gegeben erachte. Eine Anspruchsgrundlage sei nicht ersichtlich. Der Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen, ein „Ersatzangebot“ zur Verfügung zu stellen. Es bestehe jedoch ein Anspruch auf Erstattung der überzahlten Entgelte für Mai 2019 in Höhe von 25 €. Das Klagevorbringen zur Erteilung des Hausverbots Mitte April 2019 könne möglicherweise einen Anspruch auf weitere 12,50 € rechtfertigen. Deshalb schlug das Gericht einen Vergleich vor, der die Zahlung von 37,50 € vorsah.
Der Beschwerdeführer nahm den Vergleichsvorschlag nicht an. Er trug mit Schriftsatz vom 20. Mai 2020 vor, dass bei Nichterbringung der vertragsgemäßen Leistung trotz Fristsetzung „das Mehrentgelt, das an einen neuen Dienstverpflichteten zu zahlen ist (vgl. Palandt, Rn. 44 zu § 281 BGB)“, zu ersetzen sei.
Das Gericht wies mit Verfügung vom 27. Mai 2020 ohne Begründung darauf hin, dass es derzeit bei seiner Ansicht verbleibe, wonach der durch die Verletzung des Dienstvertrags kausal eingetretene Schaden in den überzahlten Beträgen, nicht aber in der Ersatzleistung eines anderen Fitnessstudios bestehe, und schlug nun einen Vergleich auf der Grundlage einer Zahlung von 60 € vor.
Der Beschwerdeführer lehnte auch diesen Vorschlag ab. Im Schriftsatz vom 29. Juli 2020 legte er unter Anführung mehrerer wörtlich zitierter Fundstellen zu § 249 und § 611 BGB aus dem Standardkommentar Palandt (jetzt Grüneberg) zum Bürgerlichen Gesetzbuch die Rechtsauffassung dar, wonach sich „[…] der Schadensersatzanspruch aus den Mehrkosten für die Ersatzkraft: höhere Vergütung, Spesen, usw. (VersR 76, 401/402)“ ergebe und „[…] die Ersatzpflicht zusätzliche Aufwendungen für eine Ersatzkraft“ umfasse. Im Schriftsatz vom 18. September 2020 wurde erneut ausgeführt: „Abschließend wird nochmals darauf hingewiesen, dass bei einem Schadenersatz aus §§ 249, 281 BGB grundsätzlich das volle Erfüllungsinteresse zu ersetzen ist (sog. Erfüllungsschaden). Der Gläubiger ist so zu stellen, wie er stehen würde, wenn der Schuldner den Vertrag ordnungsgemäß erfüllt hätte (BGH, NJW 1998, 2902; Palandt, Rdnr. 16 zu Vorb von § 249 BGB; speziell für Dienstvertrag: Palandt, Rdnr. 15 und Rdnr. 17 zu § 611 BGB sowie Rdnr. 45 zu § 249 BGB). Rechtsfehlerhaft ist daher die Annahme, dass im vorliegenden Fall der Kläger lediglich einen Anspruch auf zeitanteilige Rückerstattung der an den Beklagten voraus bezahlten Beträge für die Teilnahme an den Cycling-Kursen im ehemaligen Fitness-Studio des Beklagten habe. Vielmehr hat der Kläger gemäß §§ 249, 281 BGB einen Anspruch auf Ersatz der Kosten, die ihm durch die Ersatzbeschaffung der vertraglichen Leistungen bei einem anderen Anbieter entstanden sind.“
Mit dem angegriffenen Endurteil vom 30. Oktober 2020 verurteilte das Amtsgericht den Beklagten zur Zahlung von „81,25 €“ nebst Zinsen. Zur Begründung führte es aus, der Beschwerdeführer habe gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von 37,50 € gemäß §§ 611, 280 Abs. 1 und 3, § 281 Abs. 2 BGB. Der Schadensersatzanspruch sei „auf das positive Interesse gerichtet“. Das bedeute, dass der Beschwerdeführer so zu stellen sei, wie er stünde, wenn der Beklagte den Vertrag ordnungsgemäß erfüllt hätte. Bei Nichtvornahme sei „der Schadensersatz daher auf die Befreiung von der Vergütungspflicht gerichtet“. Vorliegend betrage das verbliebene Entgelt für sechs Wochen 37,50 €. Diesen Betrag habe der Beklagte zu erstatten. Ein darüber hinausgehender Schadensersatzanspruch bestehe nicht. Bei einem „Vergleich der Vermögenslage mit und ohne dem schädigenden Ereignis (Verunmöglichung der Kursteilnahme)“ sei die vom Beschwerdeführer vorgenommene Ersatzvornahme durch Buchung eines anderen Fitnessstudiovertrags nicht von dem ersatzfähigen Schaden umfasst. Dies gelte „auch unter Berücksichtigung der von der Klagepartei zitierten Kommentierung von Grüneberg in Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, Kommentar, 78. Aufl. 2019, § 281 Rz. 44“. Denn diese Kommentierung beziehe sich „ausdrücklich auf eine Schlecht- und nicht wie streitgegenständlich auf eine Nichtleistung“.
Einen Ausspruch zur Zulassung der Berufung (§ 411 Abs. 2 Satz 2, Abs. 4 ZPO) enthält das Urteil nicht.
Die Zustellung des Urteils an den Prozessbevollmächtigten des Beschwerdeführers erfolgte am 2. November 2020.
3. Mit Schriftsatz vom 13. November 2020 erhob der Beschwerdeführer Anhörungsrüge nach § 321 a ZPO. Hilfsweise beantragte er die Zulassung der Berufung gegen das Endurteil. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, das Amtsgericht habe das rechtliche Gehör des Beschwerdeführers verletzt, indem es dessen durch Kommentarzitate belegte Rechtsausführungen nicht zur Kenntnis genommen und berücksichtigt habe, wonach bei Nichterfüllung eines Dienstvertrags die Ersatzpflicht den Erfüllungsschaden und damit auch zusätzliche Aufwendungen für eine Ersatzkraft umfasse. Weil das Urteil gegen sämtliche einschlägige Rechtsprechung zu dieser Rechtsfrage verstoße, wäre das Gericht gehalten gewesen, die Berufung gemäß § 511 Abs. 4 ZPO zuzulassen.
Mit Beschluss vom 30. Dezember 2020 berichtigte das Gericht das Endurteil im Tenor dahin, dass der Beklagte zur Zahlung von 37,50 € nebst Zinsen verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen wurde. Gegen den Berichtigungsbeschluss wurde kein Rechtsmittel eingelegt. Eine mit dem Urteil verbundene Abschrift des Beschlusses wurde dem Bevollmächtigten des Beschwerdeführers am 13. Januar 2021 zugestellt.
Durch weiteren Beschluss vom 30. Dezember 2020 wies das Gericht die Anhörungsrüge zurück. Diese sei unbegründet, weil sich das Gericht im Endurteil hin-reichend mit der Frage befasst habe, in welcher Höhe Schadensersatz zu leisten sei. Dass der Beschwerdeführer und sein Prozessbevollmächtigter hierzu eine andere rechtliche Auffassung verträten, werde zur Kenntnis genommen. Die Berufung sei nicht zuzulassen gewesen, weil weder die Sache von grundsätzlicher Bedeutung sei noch die Rechtsfortbildung oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordere. Dieser Beschluss wurde dem Bevollmächtigten des Beschwerdeführers am 12. Januar 2021 zugestellt.
II.
1. Die am 24. Februar 2021 eingegangene Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen das Endurteil des Amtsgerichts vom 30. Oktober 2020 und gegen den die Anhörungsrüge zurückweisenden Beschluss vom 30. Dezember 2020. Den Berichtigungsbeschluss vom 30. Dezember 2020 greift der Beschwerdeführer nicht an, meint jedoch, auch dieser sei aufzuheben, weil er „in Zusammenhang mit der falschen Grundentscheidung“ stehe.
Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung des Grundrechts auf rechtliches Gehör (Art. 91 Abs. 1 BV), des Willkürverbots (Art. 118 Abs. 1 BV) und des Grundrechts auf den gesetzlichen Richter (Art. 86 Abs. 1 S. 2 BV).
a) Das Endurteil vom 30. Oktober 2020 verletze das Willkürverbot und den Anspruch auf rechtliches Gehör.
Der Beschwerdeführer habe dem Gericht ausführlich dargelegt, dass er einen Anspruch auf Ersatz des ihm entstandenen Erfüllungsschadens habe und dass dieser in den Mehrkosten für die Buchung von Kursen bei einem Ersatzanbieter bestehe. Er habe dazu zahlreiche Entscheidungen des Bundesgerichtshofs und Fundstellen in Kommentaren zitiert. Speziell die Kommentierung zum Anspruch auf Ersatz der Mehrkosten für die Bezahlung einer Ersatzkraft im Zusammenhang mit Dienstverträgen sei wiederholt schriftsätzlich wiedergegeben worden. Das angegriffene Urteil beschränke den Anspruch des Beschwerdeführers auf eine anteilige Rückerstattung der geleisteten Zahlungen und lasse den Anspruch auf Ersatz des Erfüllungsschadens und damit elementare Grundsätze des deutschen Schuldrechts in krasser Weise außer Acht. Weshalb keine weitergehenden Schadensersatzansprüche bestehen sollten, werde nicht ausgeführt. Hier liege Willkür vor.
Eine Gehörsverletzung liege darin, dass das Gericht die Rechtsausführungen des Beschwerdeführers nicht zur Kenntnis genommen und sich damit auch nicht auseinandergesetzt habe. Die Verletzung des rechtlichen Gehörs sei auch entscheidungserheblich, weil bei Berücksichtigung der vorgetragenen Rechtsauffassung unter Berücksichtigung der offensichtlich einschlägigen §§ 249, 281 BGB eine andere Entscheidung hätte ergehen müssen.
b) Der Beschluss vom 30. Dezember 2020 über die Zurückweisung der Anhörungsrüge verletze das Willkürverbot. Der Beschwerdeführer habe in seiner Gehörsrügeschrift hilfsweise die Zulassung der Berufung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gemäß § 511 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 ZPO beantragt. Dem sei das Gericht nicht gefolgt, obgleich das Urteil vom 30. Oktober 2020 gegen die Rechtsprechung des Landgerichts München I zum Anspruch aus §§ 249, 281 BGB auf Ersatz des Erfüllungsschadens verstoße. Das Landgericht wende insoweit die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs an, die der Beschwerdeführer mehrfach vorgetragen habe.
Der Beschluss verstoße auch gegen das Grundrecht auf rechtliches Gehör, weil angesichts seiner lapidaren Begründung davon ausgegangen werden müsse, dass die Richterin die nach dem 29. Juli 2020 eingegangenen Schriftsätze der Klägerseite gar nicht gelesen habe. Das Gericht habe sich mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers nicht im Geringsten auseinandergesetzt.
Auch das Recht des Beschwerdeführers auf den gesetzlichen Richter sei verletzt, weil die Entscheidung über die Nichtzulassung der Berufung willkürlich sei.
2. Das Bayerische Staatsministerium der Justiz hat von einer Stellungnahme zu der Verfassungsbeschwerde abgesehen.
3. Dem Beklagten des Ausgangsverfahrens wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Er hält die Verfassungsbeschwerde für unzulässig, zumindest aber unbegründet. Der Beschwerdeführer versuche, über die Verfassungsbeschwerde die Regelung des § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zu umgehen. Er wende sich gegen die Vorschrift des § 511 ZPO. Dies falle nicht unter die Prüfungskompetenz des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs.
III.
Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist begründet.
1. Die Verfassungsbeschwerde ist entgegen der vom Beklagten des Ausgangsverfahrens geäußerten Auffassung nicht deshalb unzulässig, weil der Beschwerdeführer unter anderem einen Verfassungsverstoß in Zusammenhang mit der nicht erfolgten Berufungszulassung nach § 511 ZPO geltend macht.
Die Verfassungsmäßigkeit des § 511 ZPO stellt er ersichtlich nicht in Frage. Er rügt vielmehr die Auslegung und Anwendung dieser Vorschrift durch das Amtsgericht. Soweit ein Gericht, wie hier, Bundesrecht anwendet, das wegen seines höheren Rangs nicht am Maßstab der Bayerischen Verfassung überprüft werden kann, prüft der Verfassungsgerichtshof, ob das Gericht willkürlich gehandelt hat (Art. 118 Abs. 1 BV). In verfahrensrechtlicher Hinsicht überprüft er Entscheidungen, die in einem bundesrechtlich geregelten Verfahren ergangen sind, auch daraufhin, ob ein Verfahrensgrundrecht der Bayerischen Verfassung verletzt wurde, das, wie z. B. der Anspruch auf rechtliches Gehör gemäß Art. 91 Abs. 1 BV oder das Recht auf den gesetzlichen Richter gemäß Art. 86 Abs. 1 Satz 2 BV, mit gleichem Inhalt im Grundgesetz gewährleistet ist (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 21.3.1997 VerfGHE 50, 60/62; vom 13.4.2015 BayVBl 2016, 193 Rn. 11; vom 15.10.2020 – Vf. 49-VI-18 – juris Rn. 17 m. w. N.). Damit unterläge hier – worauf es im Ergebnis aber nicht ankommt (dazu unter 3.) – auch die Anwendung des § 511 ZPO durch das Fachgericht grundsätzlich der Überprüfung am vorstehend dargelegten Maßstab der Bayerischen Verfassung (vgl. VerfGH vom 14.7.2014 VerfGHE 67, 175 Rn. 17 ff.). Das Gericht hatte im angegriffenen Urteil keinen ausdrücklichen Ausspruch über die Zulassung der Berufung nach § 511 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 4 ZPO getroffen. Damit war das Rechtsmittel nicht zugelassen (vgl. BGH vom 28.3.2012 NJW-RR 2013, 131 Rn. 4 zum gleichgelagerten Fall der Zulassungsbeschwerde; Ball in Musielak/Voit, ZPO, 18. Auflage 2021, § 511 ZPO Rn. 42; Rimmelspacher in Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Auflage 2020, § 511 ZPO Rn. 85).
2. Das Urteil vom 30. Oktober 2020 verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf rechtliches Gehör (Art. 91 Abs. 1 BV).
a) Das Grundrecht auf rechtliches Gehör hat eine zweifache Ausprägung: Zum einen untersagt es dem Gericht, seiner Entscheidung Tatsachen und Beweisergebnisse zugrunde zu legen, zu denen sich die Beteiligten nicht äußern konnten (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 29.10.1993 VerfGHE 46, 293/296; vom 6.4.2001 VerfGHE 54, 29/31; vom 20.4.2021 – Vf. 44-VI-20 – juris Rn. 32). Zum anderen gibt es den Beteiligten einen Anspruch darauf, dass rechtzeitiges und möglicherweise erhebliches Vorbringen vom Gericht zur Kenntnis genommen und bei der Entscheidung in Erwägung gezogen wird, soweit es aus verfahrens- oder materiellrechtlichen Gründen nicht ausnahmsweise unberücksichtigt bleiben muss oder kann (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 20.4.2021 – Vf. 44-VI-20 – juris Rn. 32 m. w. N.).
Hat das Gericht die Ausführungen eines Beteiligten entgegengenommen, so ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sie bei der Entscheidung erwogen worden sind. Das Gericht wird durch den Grundsatz des rechtlichen Gehörs nämlich nicht verpflichtet, auf alle Ausführungen oder Anliegen eines Beteiligten einzugehen (VerfGH vom 29.6.2004 VerfGHE 57, 62/66; vom 8.10.2013 – Vf. 71-VI-13 – juris Rn. 58; vom 7.7.2020 – Vf. 68-VI-19 – juris Rn. 30). Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist nur dann verletzt, wenn sich aus den besonderen Umständen des Einzelfalls klar und deutlich ergibt, dass das Gericht ein tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei seiner Entscheidung ersichtlich nicht in Erwägung gezogen hat (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 8.7.2020 – Vf. 93-VI-19 – juris Rn. 35 m. w. N.). Geht das Gericht etwa auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags einer Partei zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht ein, so lässt dies auf die Nichtberücksichtigung des Vorbringens schließen, sofern es nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder aber offensichtlich unsubstanziiert war (VerfGH vom 9.2.1994 VerfGHE 47, 47/52; vom 8.10.2013 NStZ-RR 2014, 50; vom 8.7.2020 – Vf. 93-VI-19 – juris Rn. 35). Entsprechendes gilt für die wesentlichen Rechtsausführungen einer Partei (vgl. BVerfG vom 14.9.1989 NJW 1989, 3007/3008; vom 27.2.2018 – 2 BvR 2821/14 – juris Rn. 18 m. w. N.). Hingegen ergibt sich aus Art. 91 Abs. 1 BV kein Anspruch darauf, dass sich das Gericht der Bewertung eines Beteiligten anschließt, also „auf ihn hört“. Die Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör kann auch nicht damit begründet werden, die vom Gericht vertretene Auffassung sei unrichtig (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 8.7.2020 – Vf. 93-VI-19 – juris Rn. 35 m. w. N.).
b) An diesem Maßstab gemessen, liegt eine entscheidungserhebliche Gehörsverletzung durch das Amtsgericht vor.
aa) Der Beschwerdeführer hat in den Schriftsätzen vom 20. Mai, 29. Juli und 18. September 2020, wie oben im Einzelnen ausgeführt, unter Hinweis auf Zitate aus Rechtsprechung und Literatur seine Rechtsauffassung eingehend dargelegt, wonach der Anspruch auf Ersatz des positiven Interesses bei Dienstverträgen auch den Ersatz der Kosten umfasse, die durch die Ersatzbeschaffung der vertraglich geschuldeten Leistung bei einem anderen Anbieter entstanden sind.
bb) Auf dieses Vorbringen, das die wesentlichen Rechtsausführungen, den Kern des Parteivorbringens des Beschwerdeführers darstellte und im Hinblick auf die erteilten Hinweise vom 30. April und 20. Mai 2020 für den Prozessausgang erkennbar von zentraler Bedeutung war, ist das Amtsgericht im angegriffenen Urteil vom 30. Oktober 2020 nicht eingegangen.
Das Amtsgericht führte aus, dass der Anspruch des Beschwerdeführers auf das positive Interesse gerichtet sei. Er sei so zu stellen, wie er stünde, wenn der Beklagte den Vertrag ordnungsgemäß erfüllt hätte. Bei Nichtvornahme der Leistung sei der Schadensersatz allerdings auf die Befreiung von der Vergütungspflicht gerichtet. Deshalb sei lediglich das Entgelt für sechs Wochen zu erstatten. Ein darüber hinausgehender Anspruch bestehe nicht. Die Ersatzvornahme durch Buchung eines anderen Fitnessstudiovertrags sei nicht von dem ersatzfähigen Schaden umfasst. Zu der entscheidenden Frage, aus welchen Gründen diese Kosten trotz Annahme der Ersatzfähigkeit des positiven Interesses des Beschwerdeführers nicht vom ersatzfähigen Schaden umfasst sein sollen, verhält sich das Gericht im Urteil jedoch nicht. Das Amtsgericht führte hierzu lediglich aus, dass sich „die vom Beschwerdeführer zitierte ‚Kommentierung von Grüneberg in Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, Kommentar, 78. Aufl. 2019, § 281 Rz. 44‘ […] ausdrücklich auf eine Schlecht- und nicht wie streitgegenständlich auf eine Nichtleistung“ beziehe. Mit dieser Begründung ließ das Amtsgericht zum einen unberücksichtigt, dass der Beschwerdeführer seine Ausführungen ausdrücklich auf die Nichtleistung des Beklagten im Ausgangsverfahren bezogen und hierzu unter Verweis auf mehrere, teils wörtlich zitierte weitere Fundstellen darauf hingewiesen hatte, dass sich auch hieraus die Ersatzfähigkeit der Mehrkosten für die Buchung der Kurstermine bei dem anderen Anbieter ergebe. Zum anderen begründete das Amtsgericht nicht, warum nach seiner Rechtsauffassung bei einer Nichtleistung die Ersatzfähigkeit der Mehrkosten nach § 281 BGB – anders als offenbar angenommen bei einer Schlechtleistung – ausgeschlossen sein soll.
cc) Das angegriffene Urteil vom 30. Oktober 2020 beruht auch auf dem Verstoß gegen Art. 91 Abs. 1 BV. Hätte das Amtsgericht die Argumentation des Beschwerdeführers zur Ersatzfähigkeit der Kosten für eine Ersatzbeschaffung zur Kenntnis genommen und erwogen, ist nicht auszuschließen, dass es zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre.
Bei ordnungsgemäßer Erfüllung des Vertrags hätte der Beschwerdeführer nicht 37,50 € erstattet erhalten, sondern zwölf weitere Trainingseinheiten im Sportstudio des Beklagten im Ausgangsverfahren absolvieren können. Dass er diese Termine ersatzweise zu einem höheren Preis bei einem anderen Studio gebucht hat, steht seinem Begehren nicht von vornherein entgegen, denn der Schadensersatz statt der Leistung nach § 281 BGB umfasst grundsätzlich auch die Mehrkosten für ein Deckungsgeschäft (vgl. BGH vom 3.7.2013 NJW 2013, 2959 Rn. 27; Emmerich in Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl. 2019, Vorbem. zu § 281 BGB Rn. 45).
3. Da das angegriffene Urteil bereits wegen Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 91 Abs. 1 BV) aufzuheben ist, kann offenbleiben, ob darüber hinaus auch eine Verletzung des Willkürverbots (Art. 118 Abs. 1 BV) oder des Rechts auf den gesetzlichen Richter (Art. 86 Abs. 1 Satz 2 BV) vorliegt.
4. Mit der Aufhebung des Endurteils vom 30. Oktober 2020 wird der Beschluss über die Zurückweisung der Anhörungsrüge vom 30. Dezember 2020 gegenstandslos (VerfGHE 67, 175 Rn. 26; vom 5.3.2020 – Vf. 65-VI-18 – juris Rn. 32). Eine gesonderte Aufhebung ist nicht geboten. Gleiches gilt für den Beschluss vom 30. Dezember 2020, mit dem das angegriffene Urteil berichtigt wurde (vgl. zum Tatbestandsberichtigungsbeschluss BVerfG vom 8.5.2002 – 1 BvR 485/01 – juris Rn. 14).
IV.
Das Verfahren ist kostenfrei (Art. 27 Abs. 1 Satz 1 VfGHG). Dem Beschwerdeführer sind die durch das Verfassungsbeschwerdeverfahren verursachten notwendigen Auslagen aus der Staatskasse zu erstatten (Art. 27 Abs. 4 Satz 1 VfGHG).