OLG Nürnberg
Az.: 3 U 856/02
Urteil vom 06.08.2002
In Sachen hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Nürnberg aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 18. Juni 2002 für Recht erkannt:
I. Auf die Berufung der Beklagten zu 2) wird das Schlußurteil des Landgerichts Regensburg – Az. 4 O 1567/01 – vom 8.2.2002 abgeändert.
II. Die Klage gegen die Beklagte zu 2) wird abgewiesen.
Gegen den Beklagten zu 1) bleibt die Klage, soweit sie über das bereits erlassene Teilanerkenntnisurteil des Landgerichts Regensburg vom 19.11.2002 hinausgeht, abgewiesen.
III. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz trägt die Klägerin die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2). Von den Gerichtskosten in erster Instanz tragen die Klägerin 11/15 und der Beklagte zu 1) 4/15. Von den außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1) trägt die Klägerin 2/10, der Beklagte zu 1) trägt 4/10 der außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
IV. Das Urteil ist für die Beklagte zu 2) vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des von Seiten der Beklagten zu 2) zu vollstreckenden Betrages abwenden.
Der Beklagten zu 2) wird gestattet, eine etwa notwendige Sicherheitsleistung auch durch selbstschuldnerische Bürgschaft der Deutschen Bank AG, einer anderen Großbank- oder öffentlichen Sparkasse zu erbringen.
Beschluß:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 134.603,30 Euro festgesetzt.
Tatbestand:
Das Verfahren erster Instanz ist zunächst von dem Ehemann der Klägerin (= früherer Kläger zu 1) und der Klägerin (= frühere Klägerin zu 2) eingeleitet worden. Der Ehemann der Klägerin ist während des Verfahrens verstorben. Die Klägerin ist seine Alleinerbin, und hat das Verfahren ausdrücklich im Namen des Klägers zu 1) aufgenommen.
Die Beklagte zu 2), die sich als Vermögensberatungs- und Vermittlungs AG bezeichnet, vermittelte der Klägerin und ihrem verstorbenen Ehemann über ihren Mitarbeiter, den Beklagten zu 1) verschiedene Vermögensanlagen. So eröffneten die Klägerin und ihr Ehemann im Juli 1999 ein Investmentkonto bei der D Investment S in 2 L. Dort legte der Ehemann der Klägerin u.a. 58.000,30 DM in den Fond A und weitere 20.000,– DM in den Fond Technologie auf dem Investmentkonto Nr. an. Die Klägerin ihrerseits legte u.a. 133.000,68 DM ebenfalls in den Fond A an. Mit schriftlichen Anträgen vom 8.2.2000 und 15.2.2000, gerichtet an die D-Bank in L beantragten die Klägerin und ihr Ehemann diese genannten Fondanlagen in D-Finanzwert-Fonds umzutauschen, was von der D Investment SA auch durchgeführt wurde.
Zwischen den Parteien ist unstreitig, daß diese Umtauschanträge von der Klägerin und ihrem Ehemann unterschrieben worden sind. Am 16.2.2000 (per Fax) bzw. am 21.2.2000 (Original) wurde bei der D Investment SA ein Antrag auf Auflösung des Investmentkontos (= Konto des Ehemanns der Klägerin) durch Verkauf aller D-Anteile gestellt. Der Verkaufserlös sollte laut Antrag auf das Konto Nr. bei der D Bank überwiesen werden; es handelte sich dabei um das Konto des Beklagten zu 1), eines Mitarbeiters der Beklagten zu 2). Mit Datum vom 8.5.2000 ging ein weiterer Antrag auf Auflösung des Investmentkontos (= Konto der Klägerin) durch Verkauf der dort vorhandenen D-Anteile ein. Auch hier sollte die Überweisung auf das oben angegebene Konto des Beklagten zu 1) erfolgen. Beide Anträge waren mit den Namen der Klägerin und ihres Ehemannes unterschrieben.
Die D Investment SA überwies entsprechend dieser Anträge im Februar 2002 einen Betrag von 44.522,73 Euro und im Mai einen weiteren Betrag von 90.080,58 Euro auf das Konto des Beklagten zu 1). Beide Beträge verwendete der hoch verschuldete Beklagte für sich. Im Juli 2000 entließ die Beklagte zu 2) den Beklagten zu 1). Im Jahr 2001 ist gegen den Beklagten zu 1) u.a. wegen dieser Vorfälle ein Strafverfahren von der Staatsanwaltschaft Regensburg, Zweigstelle Straubing, unter dem Aktenzeichen 133 Js 90935/01 eingeleitet worden.
Die Klägerin trägt vor:
Der Umtausch der Fonds in eine D-Anlage sei noch mit Hilfe des Beklagten zu 1) in dem S Büro der Beklagten zu 2) mit Wissen und Wollen der Kläger erfolgt. Die ab 16.2.2000 gestellten Auflösungs- und Verkaufsanträge seien jedoch nie von der Klägerin oder ihrem Ehemann unterschrieben worden. Die auf den Anträgen vorhandenen Unterschriften habe der Beklagte zu 1) gefälscht. Auch wenn die Beklagte zu 2) dies so behaupten würde, sei es unrichtig, daß der verstorbene Ehemann der Klägerin damit einverstanden gewesen sei, daß der Verkaufserlös aus seinem Investmentkonto zunächst auf dem Privatkonto des Beklagten zu 1) „zwischengelagert“ und dann mit Hilfe des Beklagten zu 1) neu angelegt werden sollte.
Die Beklagte zu 2) müsse sich das strafbare Verhalten des Beklagten zu 1) auf jeden Fall zurechnen lassen und dafür einstehen. Ihre vertragliche Haftung folge daraus, daß das strafbare Verhalten des Beklagten zu 1) in dem für die Anwendbarkeit des § 278 BGB erforderlichen unmittelbaren sachlichen Zusammenhang mit der Aufgabe stehe, die ihm im Hinblick auf die Vertragserfüllung zugewiesen sei. Er hätte die zugeleiteten Gelder der Kläger nur in deren Sinne verwenden dürfen. Selbst wenn der Beklagte zu 1) erst durch eine vorsätzliche Straftat, nämlich die Fälschung der Verkaufsanträge einschließlich der damit verbundenen Umleitung der Gelder auf sein (= Beklagten zu 1) Konto eine vorsätzliche Straftat begangen habe, müsse die Beklagte zu 2) dafür haften, da der Beklagte zu 1) die ihm anvertraute Stellung ausgenutzt habe. Die Beklagte zu 2) firmiere als „B Vermögensberatung und Vermittlung, D Bank Gruppe“. Die vom Beklagten zu 1) vermittelten Geldanlagen seien entsprechend dessen vertraglicher Bindung mit der Beklagten zu 2) alle bei Tochtergesellschaften der D Bank Gruppe erfolgt. Letztendlich müsse sich dann die Beklagte zu 2) auch wie eine Bank behandeln lassen und haften, d.h. für die Straftat des Beklagten zu 1) auch finanziell einstehen.
Im übrigen sei die Beklagte zu 2) auch noch aus einem weiteren Grund zum Schadensersatz verpflichtet:
Die Beklagte zu 2) habe dem Beklagten zu 1) Ende Juli 2000 bereits gekündigt und diese Kündigung u.a. auf die Veruntreuung von Kundengeldern gestützt. Die Beklagte zu 2) wäre verpflichtet gewesen, dies der Klägerin und ihrem Ehemann unverzüglich mitzuteilen. Ende Juli 2000 wäre es möglich gewesen, sowohl in Form einer Strafanzeige als auch in Form eines Arrestes gemäß § 916 ZPO noch Geldbeträge beim Beklagten zu 1) sicherzustellen. Die Beklagte zu 2) hätte auch wissen müssen, daß der Beklagte zu 1) im Juli 1999 von seinem früheren Arbeitgeber, der Raiffeisenbank F wegen ähnlicher Vorkommnisse entlassen wurde.
Der Beklagte zu 1) hat in erster Instanz seine Verpflichtung anerkannt, an die Klägerin die von der D Investment SA überwiesenen Gelder zurückzuzahlen. Am 19.11.2001 ist dementsprechend das aus den Akten ersichtliche Teilanerkenntnisurteil über, insgesamt 263.261,19 DM samt Zinsen ergangen; es wird insoweit auf die Akten Bezug genommen. Nach Erlaß dieses Teilanerkenntnisurteils hat die Klägerin den aus Bl. 5 des Tatbestands des Ersturteils ersichtlichen Klageantrag gestellt; ihre Hauptsacheanträge gegen beide Beklagten gingen über die vom Beklagten zu 1) anerkannten Beträge noch hinaus, weil die Klägerin der Auffassung war, der Beklagte zu 1) habe noch weitere Beträge veruntreut.
Die Beklagte zu 2) hat in erster Instanz Klageabweisung mit folgender Begründung beantragt:
Entgegen den Behauptungen der Klägerin hätten sie und ihr Ehemann die Auflösung ihrer Investmentkonten durch Verkauf noch selbst in die Wege geleitet. Auf ausdrückliche Wunsch beider Eheleute sei eine Überweisung auf das Privatkonto des Beklagten zu 1) bei der D Bank erfolgt. Die Klägerin und ihr Ehemann hätten so erst die Unterschlagung der Gelder durch den Beklagten zu 1) ermöglicht. Für dieses Vorgehen des Beklagten zu 1) müsse die Beklagte nicht mehr haften, der Beklagte zu 1) habe nämlich eine der Beklagten zu 2) überhaupt zuzurechnende Vermittlungs- oder Beratertätigkeit bei weitem überschritten. Die Vorgänge um die Auflösung des Investmentkontos durch Verkauf und die anschließende Überweisung beträfen allein die Rechtsbeziehungen zwischen der D Investment SA einerseits und der Klägerin und ihrem Ehemann andererseits.
Sie habe den Beklagten zu 1) auch bedenkenlos einstellen können. Das vom Beklagten zu 1) vorgelegte Arbeitszeugnis der … bank sei ebenso wie eine am 27.4.1999 erholte A-Auskunft sowie eine Schufa-Anfrage ohne Auffälligkeiten gewesen. Seinen nach 19 Jahren Tätigkeit bei der … bank erfolgten Wechsel zur Beklagten zu 2) habe der Beklagte zu 1) damit begründet, daß er mehr verdienen wolle.
Eine Schadensersatzpflicht der Beklagten zu 2) resultiere auch nicht daraus, daß sie die Kläger nicht schon im Juli 2000, sondern erst Anfang des Jahres 2001 informiert habe. Eine frühere Information der Klägerin und ihres Ehemannes über die ihr im Juli 2000 bekannt gewordenen Verdachtsmomente hätte nichts genützt, da der Beklagte zu 1), wie seine eigene Einlassung in der Selbstanzeige zeige, bereits im Mai 2000 die Gelder endgültig veruntreut hatte.
Das Erstgericht hat am 8.2.2000 ein Schlußurteil erlassen, welches auszugsweise lautet wie folgt:
1. Die Beklagte zu 2) wird gesamtschuldnerisch neben dem bereits verurteilten Beklagten zu 1) verurteilt, an die Klägerin 134.603,30 Euro nebst 5 % Zinsen hieraus über dem Basiszinssatz seit 3.4.2001 zu zahlen.
2. Im übrigen wird die Klage gegen den Beklagten zu 1) und die Beklagte zu 2), abgewiesen.
Zur Begründung hat das Erstgericht im wesentlichen ausgeführt:
Die Beklagte zu 2) schulde Schadensersatz aus culpa in contrahendo. Das Verhalten des Beklagten zu 1) müsse sie sich über § 278 BGB zurechnen lassen. Die Beklagte zu 2) habe nämlich im Schriftsatz vom 12.11.2001 selbst dargelegt, daß die Auflösung der Investmentkonten durch Verkauf, mit Wissen und Wollen der Klägerin und ihres verstorbenen Ehemannes erfolgt sei, weil diese das Geld mit Hilfe des Beklagten zu 1) neu anlegen wollten. Diese Neuanlage sollte wieder im Rahmen der Anlagevermittlungs- und Beratungstätigkeit des Beklagten zu 1) für die Beklagte zu 2) erfolgen. Deshalb müsse sich die Beklagte zu 2) das strafbare Verhalten des Beklagten zu 1) über § 278 BGB zurechnen lassen. Es sei als nicht vertretbare Aufspaltung eines einheitlichen Lebensvorganges zu betrachten, wenn man davon ausgehen wollte, daß die Geschäftsbeziehungen zwischen der Klägerin und ihrem Ehemann und dem Beklagten zu 2) spätestens mit der Überweisung der Gelder auf das Privatkonto des Beklagten zu 1) beendet gewesen wären.
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte zu 2) Berufung eingelegt.
Sie stellt sich wie in erster Instanz auf den Standpunkt, daß sie deswegen, weil der Verkauf und die Überweisung des Verkaufserlöses auf das Privatkonto des Beklagten zu 1) auf ausdrücklichen Wunsch der Klägerin erfolgt sei, dafür nicht mehr haften müsse. Denn die Beklagte zu 2) müsse nicht mehr für eine Gefahrenanlage einstehen, die die beiden Eheleute ohne ihr Wissen und Zutun begründet hätten.
Im übrigen bezieht sich die Beklagte zu 2) auf ihr Vorbringen in erster Instanz.
Die Beklagte beantragt:
I. Das Schlußurteil des Landgerichts Regensburg – 4. Zivilkammer – Aktenzeichen: 4 O 1567/01, vom 8.2.2002 wird abgeändert und die Klage gegen die Beklagte zu 2) insgesamt abgewiesen.
II. Der Beklagten zu 2) wird gestattet, eine etwa notwendige Sicherheitsleistung auch durch selbstschuldnerische Bürgschaft der Deutschen Bank AG, einer anderen Großbank oder öffentlichen Sparkasse zu erbringen.
Die Klägerin beantragt Zurückweisung der Berufung.
Sie läßt nochmals mit Nachdruck bestreiten, daß sie oder ihr verstorbener Ehemann den Verkauf der Anlagen einschließlich der Überweisung des Verkaufserlöses auf das Privatkonto des Beklagten zu 1) in irgendeiner Weise veranlaßt hätten. Die dafür geleisteten Unterschriften seien vom Beklagten zu 1) gefälscht worden.
Im übrigen bezieht sich die Klägerin ebenfalls auf ihren erstinstanzlichen Sachvortrag.
Eine Beweisaufnahme hat nicht stattgefunden.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten zu 2) ist begründet. Die Beklagte zu 2) ist nicht verpflichtet, der Klägerin die vom Beklagten zu 1) vereinnahmten Beträge zu erstatten.
I.
Zur Klarstellung ist zunächst auf folgendes hinzuweisen:
Wie in der mündlichen Verhandlung bereits ausführlich erörtert, muß ein Gericht bei der Prüfung der Schlüssigkeit einer Klage im Zivilprozeß grundsätzlich den Sachvortrag der Klagepartei zugrunde legen. Das Berufungsgericht geht deshalb bei der Beantwortung der Frage, ob der Klägerin ein Schadensersatzanspruch zusteht, davon aus, daß bereits der Verkauf der Fond-Anlagen und die Überweisung des Verkaufserlöses auf das Konto des Beklagten zu 1) ohne Wissen und Wollen der Klägerin und ihres Ehemannes aufgrund einer Urkundenfälschung und anschließenden Unterschlagung durch den Beklagten zu 1) erfolgte. Dies hat die Klägerin sowohl in der ersten als auch in der zweiten Instanz wiederholt vorgetragen.
Das gleiche gilt hinsichtlich des vom Erstgericht angenommenen Sachverhalts:
Auch der Ausgangspunkt des Erstgerichts, der Verkaufserlös sei mit Einverständnis der Kläger zwecks Neuanlage durch den Beklagten zu 1) auf das Konto des Beklagten zu 1) geflossen, wird von der Klägerin ausdrücklich erneut in der zweiten Instanz bestritten. Diese Sachverhaltsvariante muß ebenso bei der Prüfung der Schlüssigkeit außer Betracht bleiben.
II.
Ausgehend von dem Sachvortrag der Klagepartei, nämlich daß der Beklagte zu 1) die Unterschriften auf den Verkaufsanträgen gefälscht und den Verkaufserlös ohne Wissen und Wollen der Beklagten auf sein Konto umgeleitet hat, kann eine Haftung der Beklagten zu 2) für dieses strafbare Verhalten des Beklagten zu 1) nicht bejaht werden.
1) Ansprüche aus positiver Vertragsverletzung bestehen nicht.
a) Eine vertragliche Haftung der Beklagten zu 2) für das Verhalten des Beklagten zu 1) aufgrund einer positiven Vertragsverletzung setzt voraus, daß der Beklagte zu 1) mit seiner Straftat gerade gegen eine vertragsspezifische Schutzpflicht verstoßen hat, die die Beklagte zu 1) in ihrer Eigenschaft als Vertragspartnerin der Klägerin trifft (siehe Staudinger/Löwisch, BGB, 13. Aufl., Rn. 31 ff zu §278 BGB, sowie MünchKomm/Hanau, BGB, 2. Aufl., Rn. 33 zu § 278 BGB). Denn über § 278 BGB kann der Pflichtenkreis eines Vertragspartners nicht erweitert werden, vielmehr muß auch vom Erfüllungsgehilfen eine für das Vertragsverhältnis typische Haupt- oder Nebenpflicht verletzt worden sein, damit die Einstandspflicht des eigentlichen Vertragspartners für das fremde Verschulden überhaupt diskutiert werden kann (so auch OLG Düsseldorf, NJW-RR 97, 1097 f).
Das zwischen den Parteien geschlossene Vertragsverhältnis hatte die Vermittlung von Vermögensanlagen zum Gegenstand. Es ist als ein Auftragsverhältnis zu qualifizieren, aus dem sicherlich die Pflicht resultierte, die Klägerin und ihr Ehemann, die eine Altersversorgung wünschten, bei der eigentlichen Vermögensanlage möglichst risikoarm zu beraten. Wie die aus den Akten ersichtliche Wertentwicklung der vom Beklagten zu 1) vermittelten Anlagen zeigt, hat der Beklagte zu 1) die Klägerin und ihren Ehemann insoweit durchaus positiv beraten.
Eine vertragsspezifische Pflicht der Beklagten zu 2), das Vermögen der Klägerin über ihre unmittelbar durch den Vertrag geschuldete Vermittlungs- und Beratungstätigkeit hinaus schlechthin zu schützen, kann jedoch nicht angenommen werden. Dies ist vielmehr eine allgemeine, durch das Deliktsrecht sanktionierte Pflicht, aber nicht eine aus dem hier vorliegenden Vertragsverhältnis resultierende Pflicht. So ist auch in der Rechtsprechung bei vorsätzlichen unerlaubten Handlungen eine Haftung für den Erfüllungsgehilfen meist nur dann bejaht worden, wenn dieser ebenso wie der eigentliche Vertragspartner mit der Verwahrung oder Bewachung von Vermögensgegenständen beauftragt war (siehe Beispiele bei BGH VersR 1966, 1154; BGH VersR 1981, 732 sowie OLG Hamburg, VersR 1983, 352 sowie die Beispiele bei Staudinger a.a.O. Rn. 45 zu § 278 BGB). Aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertragsverhältnis resultieren jedoch keine Verwahrungspflichten der Beklagten zu 2) hinsichtlich der von den Klägern getätigten Anlagen. Zu Recht weist die Beklagte zu 2) darauf hin, daß diese Verpflichtungen allein die Anlagenbank, nämlich die D Investment SA treffen.
Wie das OLG München in seinem Urteil vom 22.12.1992 (OLG R 1993, 33 ff) ausführt, hat sich die Frage, ob eine vertragsspezifische Pflichtverletzung vorliegt, letztendlich an einer gerechten Risikoverteilung zu orientieren. § 278 BGB sieht nunmehr einmal die Einschränkung vor, daß der Erfüllungsgehilfe gerade in dem Bereich, der die vertragsspezifische Haupt- oder Nebenpflicht beinhaltet, straffällig geworden sein muß, um dem eigentlichen Vertragspartner die Verantwortung dafür zu überbürden. Hätte der Beklagte zu 1) anläßlich der von der Klägerin und ihrem Ehemann noch mit Wissen und Wollen vorgenommenen Umtauschaktion ihrer Fond-Anlagen in D-Anlagen die Anträge manipuliert, wäre dies sicherlich der Beklagten zu 2) zuzurechnen gewesen, da der Beklagte zu 1) hier eine Straftat in dem ihm übertragenen Pflichtenkreis, nämlich die Klägerin auch bei der rein technischen Abwicklung der Vermögensanlage zu unterstützen, begangen hat. Dieses Risiko wäre für die Beklagte zu 2) durch entsprechende Kontrollen auch beherrschbar gewesen. Hier aber hat der Beklagte zu 1) aufgrund eines selbständigen Entschlusses eigenhändig entsprechende Formulare ausgefüllt und – so Sachvortrag der Klägerin – Unterschriften verfälscht. Er hat damit den ihm übertragenen Pflichtenkreis verlassen und eine tatsächliche günstige Gelegenheit ausgenützt, um Vermögensteile der Klägerin und ihres Ehemannes an sich zu bringen. Allein dieser äußere, zeitliche und örtliche Zusammenhang genügt nicht.
Der von Palandt/Heinrichs, BGB, 61. Aufl., Rn. 19 zu § 278 BGB vertretenen Meinung, nämlich daß § 278 BGB immer angewendet werden sollte, wenn dem Gehilfen die Schädigung durch die übertragene Tätigkeit erheblich erleichtert worden ist, geht zu weit:
Es geht nicht an, daß die vertragliche Haftung des Vertragspartners über die Verletzung von vertragsspezifischen Pflichten hinaus nur deswegen erweitert wird, weil er sich dritter Personen bedient. Mit Recht weist das OLG München darauf hin, daß sich hier vielmehr das allgemeine Lebensrisiko verwirklicht, Opfer einer Straftat zu werden. Dieses Risiko fällt aber in den Bereich des Geschädigten.
Ebenso wenig kann die Klägerin damit argumentieren, daß Beklagte und die die Fond-Anteile verwahrende D Investment SA als Einheit zu betrachten seien und eine Bank schließlich für das Verhalten des Beklagten zu 1) haften müßte. Dieses Argument kann allenfalls dafür verwendet werden, daß sich die bei der Auszahlung ohnehin sehr sorglos handelnde D Investment SA ihrerseits das Verhalten des Beklagten zu 1) über § 278 BGB anrechnen lassen müßte. Da die D im vorliegenden Fall jedoch nicht verklagt ist, erübrigt sich ein Eingehen darauf.
2) Auch eine deliktische Haftung der Beklagten zu 2) nach § 831 BGB für die Straftat des Beklagten zu 1) kann nicht bejaht werden.
Bei § 831 BGB wird ebenfalls wie bei der Prüfung des § 278 BGB danach unterschieden, ob eine unerlaubte Handlung „in Ausführung der Verrichtung“ oder nur „bei Gelegenheit der Verrichtung“ begangen worden ist. Auch dort muß ein unmittelbarer innerer Zusammenhang zwischen der dem Gehilfen aufgetragenen Verrichtung nach ihrer Art und ihrem Zweck und der Straftat bestehen (siehe Staudinger a.a.O., Rn. 79 zu § 831 BGB, OLG Hamm in VersR 2000, 213 sowie BGH NJW-RR 89, 723 f). Aufgetragen war dem Beklagten zu 1) wie oben dargelegt lediglich eine Anlagevermittlung mit gewissen Beratungspflichten bezogen auf die konkrete Anlage, nicht aber die Vermögensbetreuung schlechthin. Auch hier erfolgte die vom Beklagten zu 1) begangene Straftat nur bei Gelegenheit der Verrichtung. Vergleichbar ist der hier vorliegende Fall mit dem bei Staudinger a.a.O. Rn. 85 zitierte Fall: Der Sparkassenangestellte, der von dem Anleger mit der Einzahlung auf ein Sparbuch beauftragt ist und das durch Mißbrauch des Sparbuchs erlangte Geld unterschlägt (siehe Staudinger a.a.O. unter Hinweis auf die Entscheidung des Reichsgerichts in DRW 1943, 984) löst keine Haftung der Sparkasse aus.
Auf das weitere Problem, ob der Beklagte zu 1) wegen seiner Bezeichnung als „freier Handelsvertreter“ in dem mit der Beklagten zu 2) geschlossenen Vertrag überhaupt Verrichtungsgehilfe i.S.d. § 831 BGB sein kann (verneinend z.B. BGH in GRUR 80, 116 ff) muß nicht eingegangen werden, da bereits die anderen Voraussetzungen des § 831 BGB nicht vorliegen.
III.
Auch der weitere Sachvortrag der Klägerin, nämlich daß die Beklagte zu 2) die Person des Beklagten zu 1) bei ihrer Anstellung zu wenig sorgfältig überprüft habe, vermag eine Schadensersatzpflicht der Beklagten zu 2) aus positiver Vertragsverletzung nicht zu begründen, da es auf jedem Fall an einem Verschulden der Beklagten zu 2) fehlt.
Die Beklagte zu 2) hat das dem Beklagten zu 1) ausgestellte Arbeitszeugnis vom 22.6.1999 vorgelegt. Aus diesem ergeben sich keinerlei konkrete Verdachtspunkte. Allein die Tatsache, daß es dort heißt: „Herr K verläßt uns auf eigenem Wunsch hin“, genügt noch nicht, um einen solchen Verdacht auch nur annähernd zu begründen. Schließlich hat der Beklagte zu 1) diesen Wechsel nach dem nicht bestrittenen Sachvortrag der Beklagten zu 2) mit besseren Verdienstmöglichkeiten begründet.
IV.
Ebenso wenig schuldet die Beklagte zu 2) deswegen Schadensersatz, weil sie nicht bereits im Juli 2000 die Klägerin von der fristlosen Kündigung des Beklagten zu 1) informiert hat. Zu Recht weist der Klägervertreter in diesem Zusammenhang auf die A-Auskunft vom 3.8.2000 hin, aus der sich ergibt, daß die Beklagte zu 2) die fristlose Kündigung auf den „Verdacht auf finanzielle Schädigung von Kunden der B AG“ aussprach. Allerdings hätte die Klägerin konkret darlegen müssen, daß diese verspätete Mitteilung der Beklagten zu 2) überhaupt zu einem Schadenseintritt auf Seiten der Klägerin führte oder einen eingetretenen Schaden wieder hätte reduzieren können.
Bereits in der mündlichen Verhandlung wurde die Klägerin nachdrücklich darauf hingewiesen, daß sie dazu ganz konkret hätte darlegen müssen, daß Ende Juli 2000 überhaupt noch irgendwelche Gelder beim Beklagten zu 1) vorhanden gewesen wären. Mit Recht nimmt die Beklagte zu 2) insoweit auf die Selbstanzeige des Beklagten zu 1) Bezug, aus der sich ergibt, daß der Beklagte zu 1) bereits am 24.7.2000 auf Grund erheblicher Schulden die Vermögensanlagen der Klägerin und ihres Ehemannes an sich gebracht hatte, mit diesen Geldern zwecks Schuldentilgung erfolgreich spekulieren wollte, sich jedoch völlig verspekulierte. Es wäre Sache der Klagepartei gewesen, hier z.B. mit Hilfe der aus den Strafakten gewonnenen Erkenntnisse darzulegen, daß der Beklagte zu 1) im Juli 2000 überhaupt noch über relevantes Vermögen verfügte.
Auch eine Verschlechterung der Position der Klägerin gegenüber der D Investment SA, die möglicherweise zu unvorsichtig den vom Beklagten zu 1) – so Sachvortrag der Klägerin – gefälschten Verkaufsantrag ausgeführt hat und so möglicherweise gar nicht mit befreiender Wirkung an den Beklagten zu 1) leisten konnte, ist nicht ersichtlich.
Die Klage erweist sich damit, soweit auf den klägerischen Sachvortrag gestützt wird, bereits als unschlüssig.
Auf die rechtliche Würdigung des Erstgerichts, die auf einen von der Klägerin gerade bestrittenen Sachvortrag, nämlich Transferierung der Gelder auf das Konto der Beklagten zu 1) mit Einverständnis der Klägerin und ihres Ehemannes zwecks Neuanlage, beruht, muß unter diesen Umständen nicht eingegangen werden.
über die Kosten und die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 91, 97, 100, 708 Nr. 10, 711