Landgericht Münster
Az.: 05 T 376/09
Beschluss vom 25.08.2009
Vorinstanz: AG Borken, Az.: 11a M 52/09
Der angefochtene Beschluss wird unter Zurückweisung des
weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und wie folgt
neu gefasst:
Der Gerichtsvollzieher wird angewiesen, den Schuldner zur
Nachbesserung seiner Angaben im Vermögensverzeichnis vom
07.01.2009 zu laden und ihn zur Beantwortung nachfolgender
Frage unter Glaubhaftmachung durch Abgabe der
eidesstattlichen Versicherung anzuhalten:
Wer ist Inhaber des Kontos Nummer ######## Bankleitzahl
######## (Namen und Anschrift)?
Der Gerichtsvollzieher wird ferner angewiesen, die
Kostenrechnung vom 12.02.2009 über 12,50 EUR für
gegenstandslos zu erachten.
Die weitergehende Erinnerung des Gläubigers wird
zurückgewiesen.
Die Gerichtsgebühr für das Beschwerdeverfahren wird auf die
Hälfte ermäßigt.
Die außergerichtlichen Kosten des Erinnerungs- und
Beschwerdeverfahrens werden dem Schuldner zur Hälfte
auferlegt.
Der Beschwerdewert wird auf 300 EUR festgesetzt.
Gründe:
I.
Der Schuldner hat am 07.01.2009 die eidesstattliche Versicherung abgegeben.
Mit Schriftsatz vom 26.01.2009 beantragte der Gläubiger, den Schuldner zur
Nachbesserung seines Vermögensverzeichnisses vom 07.01.2009 zu laden,
wobei er einen Katalog von Fragen vorlegte, die der Schuldner seines Erachtens
noch nicht bzw. nicht ordnungsgemäß und vollständig beantwortet habe. Der
Gläubiger stellte dabei ausdrücklich klar, dass sein Antrag nicht als Antrag nach
§ 903 ZPO umzudeuten sei. Der Gerichtsvollzieher wies den Antrag des
Gläubigers unter dem 12.02.2009 kostenpflichtig zurück mit der Begründung, der
Schuldner habe sich vollständig erklärt, der eingereichte Fragenkatalog
bezwecke lediglich die (unzulässige) Ausforschung der Vermögensverhältnisse
des Schuldners. Die gegen die Ablehnung der Nachbesserung und die
Auferlegung der Kosten gerichtete Erinnerung des Gläubigers vom 24.03.2009
hat das Amtsgericht mit dem angefochtenen Beschluss vom 13.05.2009
zurückgewiesen und ausgeführt, es lägen weder die Voraussetzungen des § 807
ZPO für eine Nachbesserung des Vermögensverzeichnisses noch die
Voraussetzungen des § 903 ZPO für eine Neuversicherung vor. Gegen diesen
ihm am 19.05.2009 zugestellten Beschluss hat der Gläubiger mit Schriftsatz vom
28.05.2009, beim Amtsgericht eingegangen am 30.05.2009, Beschwerde
eingelegt, diese näher begründet und die Zulassung der Rechtsbeschwerde
beantragt. Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie mit der
Sachakte der Kammer zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Das Rechtsmittel des Gläubigers ist als sofortige Beschwerde zulässig, §§ 793,
567, 569 ZPO, insbesondere wurde es rechtzeitig eingelegt. In der Sache hat es
jedoch nur zu einem geringen Teil Erfolg.
1.
Hat – wie hier – ein Schuldner die eidesstattliche Versicherung im Sinne des §
807 ZPO bereits abgegeben, so ist er gemäß § 903 ZPO innerhalb einer
Dreijahresfrist zur wiederholten eidesstattlichen Versicherung auf Antrag eines
Gläubigers nur dann verpflichtet, wenn glaubhaft gemacht wird, dass er später
Vermögen erworben hat oder dass ein bisher bestehendes Arbeitsverhältnis
aufgelöst ist. Liegen diese Voraussetzungen – wie im vorliegenden Fall, in dem
der Gläubiger einen Antrag nach § 903 ZPO ausdrücklich nicht gestellt hat –
nicht vor, so kann nach einhelliger Meinung in Rechtsprechung und Literatur ein
Gläubiger die Nachbesserung der eidesstattlichen Versicherung nur dann
verlangen, wenn die eidesstattlich versicherten Angaben des Schuldners unklar
oder lückenhaft waren und damit den Vorgaben des § 807 ZPO nicht genügten.
§ 807 ZPO verpflichtet den Schuldner unter bestimmten Voraussetzungen zur
Vorlage eines Vermögensverzeichnisses, in dem er für seine Forderungen den
Grund und die Beweismittel zu bezeichnen hat; er hat die Richtigkeit und
Vollständigkeit seiner Angaben an Eides statt zu versichern. Bei der Erstellung
des Vermögensverzeichnisses ist die Verwendung eines amtlichen Vordrucks
zwar üblich, aber im Gesetz nicht vorgeschrieben und damit nicht zwingend.
Maßgeblich ist allein, dass die Auskünfte und Angaben des Schuldners den
Erfordernissen des § 807 ZPO entsprechen. Da es Sinn und Zweck einer
Vermögensoffenbarung nach § 807 ZPO ist, den Gläubiger umfassend über die
Vermögenswerte zu informieren, auf die er im Wege der Zwangsvollstreckung
Zugriff nehmen kann, hat der Schuldner alle Vermögenswerte, die er besitzt, zu
bezeichnen, und zwar so genau und vollständig, dass der Gläubiger
entsprechende Vollstreckungsmaßnahmen einleiten kann. Auskunft zu geben
hat der Schuldner über den gegenwärtigen Stand seines Vermögens, in den
Ausnahmefällen des § 807 II Nr. 11 und 2 ZPO auch über ihm nicht mehr
gehörende Vermögensgegenstände, nicht aber über alle nur denkbaren und
eventuell möglichen künftigen Ansprüche. Der Gläubiger ist, soweit es zu seiner
hinreichenden Information erforderlich ist, grundsätzlich zu weiteren zusätzlichen
Fragen an den Schuldner berechtigt, wenn konkrete Anhaltspunkte bestehen,
dass das Vermögensverzeichnis des Schuldners unvollständig ist und dass es
weiteres verwertbares Vermögen des Schuldners gibt, das nicht angegeben
wurde. Sein Fragerecht bezieht sich dabei nur auf solche Punkte, die nicht
bereits Gegenstand der Vermögensaufstellung des Schuldners gewesen und
vom Schuldner bereits beantwortet sind, wobei sich der Gläubiger, zumal der
Fragenkatalog des amtlichen Vordrucks teilweise sehr abstrakt formuliert und
wenig detailliert ist, mit ganz allgemein gehaltenen Angaben des Schuldners
nicht zufrieden geben muss. Ergänzende und vertiefende Fragen des
Gläubigers, die über den Fragenkatalog des amtlichen Vordrucks hinausgehen
bzw. ihn präzisieren, sind zudem nur unter der Voraussetzung zuzulassen, dass
es sich um einzelfallbezogene Fragen handelt, die sich an der konkreten
Lebenssituation des Schuldners orientieren, denn der Schuldner ist nicht
verpflichtet, sich einer extensiven Befragung zu stellen und alle Fragen zu
beantworten, die allein der Ausforschung seiner persönlichen Verhältnisse
dienen, ohne dem Gläubiger weitere Zugriffsmöglichkeiten auf
Schuldnervermögen zu eröffnen.
Gemessen an diesen Grundsätzen gilt für die im vorliegenden Fall vom
Gläubiger genannten Zusatzfragen folgendes:
Frage 1:
Die Frage, welche Versicherungen (insbesondere Unfall-, Hausrat-, Glas-, Sturm
-, Wasser-, Haftpflicht- und Kfz-Versicherung) der Schuldner unterhält, wird nicht
zugelassen, denn es wird nach Versicherungsverhältnissen gefragt, bei denen
völlig ungewiss ist, ob der Versicherungsfall jemals eintritt. Konkrete
Anhaltspunkte für den Abschluss von Versicherungen, die bei
Nichtinanspruchnahme Beitragsrückerstattungen vorsehen, sind nicht ersichtlich.
Frage 2:
Die Frage nach einer Krankenhaustagegeld- und
Berufsunfähigkeitsversicherung ist unzulässig. Es gibt keine konkreten
Anhaltspunkte, dass der Schuldner derartige Versicherungen abgeschlossen
hat. Naheliegend sein mag der Abschluss einer
Krankenhaustagegeldversicherung bei (ehemals) selbständig Erwerbstätigen,
der Schuldner war jedoch ausweislich seines Verzeichnisses Bergmann und ist
jetzt Rentner. Eher fernliegend ist der Abschluss einer
Berufsunfähigkeitsversicherung bei einem 68jährigen Rentner wie dem Schuldner.
Frage 3:
Die Frage nach Einkünften aus Schwarzarbeit wäre nur dann zuzulassen, wenn
es konkrete Anhaltspunkte dafür gäbe, dass der Schuldner neben der von ihm
im Vermögensverzeichnis angegebenen Altersrente und den ergänzenden
Sozialleistungen zusätzliche Einkünfte aus Schwarzarbeit hat. Das ist aber nicht
der Fall. Der Hinweis des Gläubigers auf den früheren Beruf des Schuldners
(Bergmann) und die Höhe seiner angegebenen Einkünfte (insgesamt 706 EUR)
begründet für sich genommen die Annahme von Schwarzarbeit nicht. Bloße
Vermutungen des Gläubigers reichen insoweit nicht aus.
Frage 4:
Die Frage, ob der Schuldner unwiderruflich Bezugsberechtigter einer
Lebensversicherung eines Dritten ist, wird ebenfalls nicht zugelassen. Die Frage
ist zwar vom Schuldner noch nicht beantwortet, denn die Frage Nummer 15 des
amtlichen Vordrucks bezieht sich ersichtlich auf den Schuldner als
Versicherungsnehmer und nicht auf von Dritten abgeschlossene
Versicherungen. Es gibt aber keinerlei konkrete Anhaltspunkte dafür, dass, von
wem und warum der Schuldner unwiderruflich zum Bezugsberechtigten einer
Lebensversicherung bestimmt worden sein sollte.
Frage 5:
Die Frage nach der Nutzung fremder Konten durch den Schuldner ist hingegen
jedenfalls insoweit zuzulassen, als der Schuldner verpflichtet ist, Namen und
Anschrift des Inhabers des Kontos Nummer XX Bankleitzahl YY anzugeben. Der
Schuldner hat im Vermögensverzeichnis unter Nummer 14 die Fragen nach
Bankkonten verneint. Aus dem vom Gläubiger auszugsweise vorgelegten
Sozialhilfebescheid ergibt sich aber, dass die dem Schuldner gewährten
Leistungen auf das vorgenannte Konto überwiesen werden. Ist der Schuldner
nicht selbst Inhaber dieses Kontos, so steht ihm jedenfalls ein diesbezüglicher
pfändbarer Auszahlungsanspruch gegen den Kontoinhaber zu, so dass er
dessen Namen und Anschrift anzugeben hat. Inwiefern die Frage, ob der
Schuldner für das genannte Konto eine Vollmacht besitzt, für den Gläubiger von
Bedeutung ist, ist nicht ersichtlich, die Frage braucht deshalb nicht beantwortet
zu werden.
Frage 6:
Die Frage, ob und auf der Grundlage welchen Vertragsverhältnisses der
Schuldner ein fremdes Kraftfahrzeug nutzt, wird hingegen nicht zugelassen. Es
handelt sich um reine Ausforschung, denn es gibt keinerlei konkrete
Anhaltspunkte für die Annahme, der Schuldner nutze ein fremdes Fahrzeug.
Naheliegend mag eine solche Annahme sein bei angestellten oder
selbstständigen Erwerbstätigen, nicht aber bei einem 68jährigen Rentner.
Frage 7:
Zur Angabe des Namens und der Anschrift seines Vermieters ist der Schuldner
nicht verpflichtet. Unter Nummer 18 des vom Schuldner ausgefüllten
Vermögensverzeichnisses wird ausdrücklich nach seinen mietvertraglichen
Ansprüchen gefragt, der Schuldner hat die Frage verneint. Ob es jemals zu
pfändbaren Erstattungsansprüchen wegen zu viel gezahlter Heiz- und
Nebenkosten kommt, ist völlig ungewiss. Bei einem Monatseinkommen von nur
rund 700 EUR ist es im Gegenteil eher unwahrscheinlich, dass der Schuldner
monatliche Heiz- und Nebenkostenabschläge in einer Größenordnung zahlt, die
zu einem pfändbaren Erstattungsanspruch nach der Jahresabrechnung führen
werden.
Frage 8:
Die Frage nach der Mietkaution ist unzulässig, weil der Schuldner sie bereits
beantwortet hat. Unter Nummer 18 des Vermögensverzeichnisses wurde
ausdrücklich auch nach „Ansprüchen auf Rückzahlung hinterlegter Mietkaution“
gefragt, die der Schuldner verneint hat.
Frage 9:
Der Schuldner ist auch nicht verpflichtet, Angaben zu den
Energieversorgungsunternehmen zu machen, die ihn mit Gas, Wasser, Wärme
beliefern. Auch insoweit gilt, dass es völlig ungewiss ist, ob es jemals zu
pfändbaren Erstattungsansprüchen wegen zu viel erbrachter
Abschlagszahlungen kommen wird, und dass es angesichts der konkreten
Einkommensverhältnisse des Schuldners im Gegenteil eher unwahrscheinlich
erscheint, dass er monatliche Abschläge in einer Größenordnung zahlt, die zu
einem pfändbaren Erstattungsanspruch nach der Jahresabrechnung führen
werden.
2.
Der Gerichtsvollzieher durfte keine Kosten erheben, weil das Nachbesserungsverlangen
jedenfalls zum Teil berechtigt war und durch den
Nachbesserungsantrag das alte Verfahren zur Behebung des Mangels
kostenfrei fortgeführt wird.
3.
Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde besteht kein Anlass, da es sich bei
der streitigen Frage, ob und welche Zusatzfragen eines Gläubigers im Verfahren
nach § 807 ZPO zuzulassen sind, jeweils um eine Einzelfallentscheidung
handelt.
4.
Die Kostenentscheidung folgt aus Nr. 2121 KV GKG, § 92 I ZPO.