BUNDESFINANZHOF
Az.: X R 4/99
Urteil vom 27.09.2001
Vorinstanz: FG München
Leitsatz:
Führt der Steuerpflichtige seinen Betrieb ohne Aufgabeerklärung durch Verpachtung im Ganzen fort, so kann er für nach der Verpachtung angeschaffte oder hergestellte Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens keine Sonderabschreibung nach § 7g EStG in Anspruch nehmen.
Gründe
I.
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Der Kläger hat seit dem l. April 1985 seine als Einzelunternehmen betriebene Bauunternehmung im Ganzen an die Firma A-Bau GmbH (GmbH) verpachtet, ohne die Betriebsaufgabe zu erklären. An dem Stammkapital der GmbH von 100 000 DM (in den Streitjahren 1990 und 1991) waren der Kläger und die Klägerin mit je 47 500 DM und Herr A jun. mit 5 000 DM beteiligt. Zu den verpachteten Wirtschaftsgütern gehörten in den Streitjahren auch eine Zapfenschneidemaschine, verschiedene sonstige Maschinen, der Fuhrpark sowie Gerüst und Schalung, für die die Kläger in den Einkommensteuererklärungen für 1990 und 1991 Sonderabschreibungen gemäß § 7g des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 5 830 DM (1990) und 34 084 DM (1991) geltend machten.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt –FA–) versagte die Sonderabschreibungen mit den Einkommensteueränderungsbescheiden für 1990 und 1991 und erhöhte den Gewinn entsprechend. Der dagegen eingelegte Einspruch hatte keinen Erfolg.
Der daraufhin erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) statt. Sein Urteil ist veröffentlicht in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1999, 220.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 7g EStG.
Es beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Sie tragen vor, der Pachtbetrieb sei wirtschaftlich identisch mit dem ursprünglichen aktiven gewerblichen Betrieb. Sämtliche Wirtschaftsgüter dienten einem einheitlichen Unternehmenszweck und seien objektiv erkennbar zum unmittelbaren Einsatz im Pachtbetrieb bestimmt.
II.
Die Revision ist begründet. Das Urteil des FG wird aufgehoben und die Klage abgewiesen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–).
Zu Unrecht hat das FG die Sonderabschreibungen nach § 7g Abs. 1 EStG gewährt.
1. Nach § 7g Abs. 1 EStG in der für die Streitjahre geltenden Fassung durch das Steuersenkungs-Erweiterungsgesetz 1988 vom 14. Juli 1987 (BGBl I 1987, 1629, BStBl I 1987, 523) können zur Förderung kleiner und mittlerer Betriebe bei neuen beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens Sonderabschreibungen und Ansparabschreibungen in Anspruch genommen werden. Voraussetzung hierfür ist u.a., dass
– „der Einheitswert des Betriebs, zu dessen Anlagevermögen das Wirtschaftsgut gehört“, eine bestimmte Wertgrenze nicht überschreitet (§ 7g Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG),
– das Wirtschaftsgut mindestens ein Jahr nach seiner Anschaffung oder Herstellung „in einer inländischen Betriebsstätte dieses Betriebs verbleibt“ (§ 7g Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a EStG).
2. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt. Zwar können Wirtschaftsgüter, die der Verpächter eines Betriebs zeitlich nach der Verpachtung angeschafft, Betriebsvermögen des vermieteten Gewerbebetriebs sein (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 28. November 1991 IV R 58/91, BFHE 167, 19, BStBl II 1992, 521). Sie gehören aber nicht zu einem dem Kläger selbst zuzurechnenden werbenden Betrieb, den § 7g EStG voraussetzt.
a) Die von § 7g EStG verwendeten Tatbestandsmerkmale „Betrieb“ und „Betriebsstätte“ verlangen eine aktive Teilnahme am wirtschaftlichen Verkehr und eine in diesem Sinne werbende Tätigkeit. Danach ist die Verbleibensvoraussetzung nur erfüllt, wenn der Investor das angeschaffte Wirtschaftsgut tatsächlich selbst eigenbetrieblich nutzt, indem er unter Einsatz dieses Betriebsvermögens als Händler, Produzent oder Dienstleistender tätig wird.
Wenn § 7g Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a EStG voraussetzt, dass das Wirtschaftsgut mindestens ein Jahr lang „in einer . . . Betriebsstätte dieses Betriebs“ verbleibt, so wird hierdurch der den Anforderungen des vorangegangenen § 7g Abs. 2 Nr. 1 EStG entsprechende Betrieb des Steuerpflichtigen selbst als Tatbestandsmerkmal in Bezug genommen.
b) Die Auslegung der Begriffe „Betrieb“ und „Betriebsstätte“ dahin, dass es sich um einen „aktiven“ Betrieb (eine „aktive“ Betriebsstätte) handeln muss, folgt aus dem Sinn und Zweck der Bestimmung. Mit ihr will der Gesetzgeber Investitionen und insbesondere Existenzgründungen fördern. Die Wettbewerbssituation der geförderten Betriebe soll verbessert, ihre Liquidität und Eigenkapitalbildung unterstützt und ihre Investitions- und Innovationskraft gestärkt werden (BTDrucks 10/336, S. 1, 34; BTDrucks 11/257, S. 8 f.; 11/285, S. 45, 48; im Einzelnen Lambrecht in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, Kommentar, § 7g Rdnr. A 1, A 19 ff.). Dieser Gesetzeszweck, der demjenigen des Zulagenrechts entspricht (unten 3.), rechtfertigt es, die bloße Vermietungstätigkeit, die sich auf eine bloße Überlassung eines Betriebs zur Nutzung ohne eigene Teilnahme am wirtschaftlichen Verkehr beschränkt (vgl. zur Verpachtung eines Gewerbebetriebs Reiß in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 16 Rdnr. F 45), nicht in den Anwendungsbereich des § 7g EStG einzubeziehen.
3. Diese Auslegung steht im Einklang mit der Rechtsprechung des BFH zu investitionszulagerechtlichen Bestimmungen, die ebenso wie § 7g Abs. 2 EStG erfordern, dass ein Wirtschaftsgut für eine bestimmte Zeit „im Betrieb“ oder „in der Betriebsstätte des Steuerpflichtigen verbleibt“.
Der III. Senat des BFH hat für sämtliche investitionszulagenrechtlichen Tatbestände, die ausdrücklich eine Verwendung zu eigenbetrieblichen Zwecken verlangen (hierzu BFH-Urteil vom 22. Februar 1996 III R 91/93, BFHE 180, 293, BStBl II 1996, 428), die sog. Verbleibensvoraussetzung einheitlich in der Weise nach dem Sinn und Zweck der zulagerechtlichen Vorschriften ausgelegt, dass das zulagenbegünstigte Wirtschaftsgut durch den Investor selbst tatsächlich im Sinne einer eigenbetrieblichen Nutzung verwendet werden muss. Der Zielsetzung dieser investitionszulagenrechtlichen Regelungen wird nur ein aktiv am Wirtschaftsleben teilnehmender werbender Betrieb, nicht aber ein ruhender Gewerbebetrieb gerecht (vgl. zu §§ 1, 4a des Investitionszulagengesetzes –InvZulG– 1979 BFH-Urteil vom 28. Juni 1991 III R 74/89, BFHE 165, 432, BStBl II 1991, 932; zur Regionalzulage nach § 1 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 2 c InvZulG 1977 BFH-Urteil vom 9. August 1991 III R 88/89, BFH/NV 1992, 340, m.w.N.; zu § 2 Satz 1 Nr. 6 a und b der Investitionszulagenverordnung –InvZV– vom 4. Juli 1990, Gesetzblatt der DDR I Nr. 41, S. 621, und § 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 InvZulG 1991 BFH-Entscheidungen vom 27. April 1999 III R 32/98, BFHE 188, 475, BStBl II 1999, 615 – Betriebseinstellung; vom 7. September 2000 III R 44/96, BFHE 193, 182, BStBl II 2001, 37, und vom 11. Februar 1999 III B 91/98, BFH/NV 1999, 1122). Auch das zu § 1 Abs. 3 Nr. 1 InvZulG 1979 ergangene Urteil in BFHE 165, 432, BStBl II 1991, 932 setzt eine eigenbetriebliche Nutzung durch den Steuerpflichtigen selbst voraus.
4. Zu diesen aktiv am Wirtschaftsleben Teilnehmenden gehört ein Steuerpflichtiger nicht, der lediglich durch Verpachtung seines Betriebs unternehmerisch tätig wird, auch wenn die begünstigten Wirtschaftsgüter nach der Verpachtung nicht aus dem Betriebsvermögen ausgeschieden sind und bei einem sog. ruhenden Betrieb der bisherige Betrieb in einkommensteuerrechtlicher Hinsicht als fortbestehend angesehen wird (vgl. BFH-Urteile vom 13. November 1963 GrS 1/63 S, BFHE 78, 315, BStBl III 1964, 124; in BFH/NV 1992, 340).
a) In einem solchen Fall kann sich der Zweck der Förderung nach den zulagerechtlichen Vorschriften oder wie im Streitfall nach § 7g EStG, die Investitions- und Innovationskraft von Unternehmen zu stärken, nur auf den durch den Pächter fortgeführten Betrieb, nicht aber auf die vom Verpächter betriebene Verpachtung erstrecken (vgl. BFH-Urteil in BFHE 193, 182, BStBl II 2001, 37). Nur dadurch ist gewährleistet, dass die begünstigten Wirtschaftsgüter auch tatsächlich dem Förderungszweck entsprechend genutzt werden (vgl. BFH-Entscheidung in BFH/NV 1992, 340). Denn einer zweckwidrigen Verwendung durch den Pächter des Betriebs könnte der Verpächter aufgrund seiner begrenzten Einflussmöglichkeiten allenfalls eingeschränkt entgegenwirken. Im Übrigen rechtfertigt nach der BFH-Rechtsprechung eine fortbestehende Möglichkeit zur Einflussnahme des Investors auf die Wirtschaftsgüter keine Ausnahme von der Verbleibensregelung (vgl. BFH-Urteile vom 20. Mai 1988 III R 86/83, BFHE 153, 481, BStBl II 1988, 739, unter 3. d; in BFHE 165, 432, BStBl II 1991, 932; in BFH/NV 1992, 340; vom 29. Januar 1997 XI R 85/95, BFHE 182, 237, BStBl II 1997, 377, sowie Beschluss vom 11. Februar 1999 III B 51/98, BFH/NV 1999, 970).
b) Nur wenn es zur Erfüllung der Verbleibensvoraussetzung –wie nach § 2 Nr. 5 b (später Nr. 6) InvZV– genügt, dass das Wirtschaftsgut in irgendeiner Betriebsstätte des Fördergebietes –also nicht unbedingt in einer Betriebsstätte des Anspruchsberechtigten– verbleibt, ist eine auch längerfristige Verpachtung zulagenunschädlich, solange das Wirtschaftsgut einer Betriebsstätte eines Dritten im Fördergebiet zuzuordnen ist, dieser also die Verbleibensvoraussetzungen insoweit erfüllt (vgl. BFH-Urteil vom 15. März 1991 III R 18/88, BFH/NV 1991, 626, mit umfangreichen Nachweisen; Beschluss in BFH/NV 1999, 970). Gleiches ergibt sich im Anwendungsbereich des § 19 des Berlinförderungsgesetzes (BerlinFG), der gleichfalls nur ein räumliches Verbleiben des begünstigten Wirtschaftsguts in irgendeinem Betrieb oder irgendeiner Betriebstätte in Berlin (West) voraussetzt; die Vermietung von beweglichen Wirtschaftsgütern innerhalb von Berlin (West) steht unter dem Gesichtspunkt des sog. räumlichen Verbleibens grundsätzlich der Gewährung von Investitionszulage nach dem BerlinFG nicht entgegen, soweit die Wirtschaftsgüter bei einem Käufer oder Mieter in einem Betrieb verbleiben (BFH-Urteile vom 21. Februar 1986 III R 179/81, BFHE 146, 325, BStBl II 1986, 493; vom 17. Dezember 1997 III R 38/91, BFH/NV 1998, 744, jeweils m.w.N.). Diese zur Verbleibensvoraussetzung des § 19 BerlinFG ergangene Rechtsprechung kann für die Auslegung des anders –enger– formulierten § 7g Abs. 2 EStG nicht herangezogen werden.
5. Die hiergegen gerichteten Einwände der Kläger verhelfen der Klage nicht zum Erfolg.
a) Der Rechtsauffassung des Senats steht nicht die Regelung in Abschn. 83 Abs. 5 Satz 3 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) 1990 (= R 83 Abs. 6 Satz 4 EStR 1999) entgegen, nach der „die Veräußerung, Vermietung oder Verpachtung im Rahmen einer entgeltlichen Übertragung, der Vermietung oder der Verpachtung des begünstigten Betriebs unschädlich ist, solange der begünstigte Betrieb in der Hand des Erwerbers, Mieters oder Pächters bestehen bleibt“. Dabei kann der Senat offen lassen, ob diese Regelung mit § 7g Abs. 2 Nr. 2 EStG vereinbar ist. Denn sie betrifft –ebenso wie die vom FG in Bezug genommene Literatur– allein den Fall einer Betriebsübertragung, -vermietung oder -verpachtung nach Anschaffung oder Herstellung der geförderten Wirtschaftsgüter, nicht aber Fälle, in denen die Wirtschaftsgüter wie hier erst im Anschluss an die Betriebsverpachtung und damit nicht mehr für einen werbenden Betrieb angeschafft oder hergestellt werden.
b) Auch die Rechtsprechung zu den Verbleibensvoraussetzungen für die Inanspruchnahme der Steuerbegünstigungen in § 2 InvZulG oder in § 2 Nr. 2 des Fördergebietsgesetzes in Fällen der Betriebsaufspaltung stützt die Rechtsauffassung der Kläger nicht. Danach sind die für das Besitzunternehmen erworbenen und dem Betriebsunternehmen überlassenen Wirtschaftsgüter der Betriebsstätte des Besitzunternehmens zuzurechnen, wenn Besitz- und Betriebsunternehmen sachlich miteinander verflochten sind (BFH-Urteile vom 10. Dezember 1998 III R 50/95, BFHE 188, 176, BStBl II 1999, 607; vom 28. Januar 1999 III R 77/96, BFHE 188, 194, BStBl II 1999, 610; zu Besonderheiten bei Zugehörigkeit der Wirtschaftsgüter zum Sonderbetriebsvermögen BFH-Urteil vom 7. Dezember 2000 III R 35/98, BFHE 194, 294, BStBl II 2001, 316). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall schon mangels personeller Verflechtung zwischen dem Kläger und der GmbH nicht gegeben (vgl. dazu BFH-Urteil vom 24. Februar 2000 IV R 62/98, BFHE 191, 295, BStBl II 2000, 417, m.w.N.).