VG Magdeburg – Az.: 1 B 36/20 – Beschluss vom 28.04.2020
Gründe
Der Antragsteller begehrt einstweiligen Rechtsschutz gegen einen Bescheid der Antragsgegnerin, mit dem diese eine dem Antragsteller zuvor erteilte Erlaubnis zur Haltung eines als gefährlich festgestellten Hundes widerrief und dem Antragsteller aufgab, den Hund in einem Tierheim abzugeben.
Der Antragsteller ist Eigentümer des im Jahre 2011 geborenen männlichen Dogo Argentino Mixes „H.“ (Transponder Nr. 276 ……). Ursprüngliche Halterin dieses Hundes war Frau T., eine Nachbarin des Antragstellers. Am 15. November 2015 kam es zu einem Beißvorfall, bei dem dieser Hund einen anderen Hund zu Tode biss. Mit Bescheid vom 12. Februar 2016 stellte die Antragsgegnerin die Gefährlichkeit des Hundes „H.“ fest. Im Folgenden beantragte Frau T. bei der Antragsgegnerin die Erlaubnis zur Haltung eines gefährlichen Hundes. Frau T. verfügt über einen Sachkundenachweis vom 30. Mai 2016, den sie mit dem Hund „H.“ abgelegt hat. Mit Bescheid vom 2. Juni 2016 versagte die Antragsgegnerin Frau T. die beantragte Erlaubnis. Unter dem 14. Juni 2016 meldete Frau T. den Hund „H.“ bei der Antragsgegnerin ab.
Ebenfalls am 14. Juni 2016 beantragte der Antragsteller bei der Antragsgegnerin die Erlaubnis zur Haltung des von der Antragsgegnerin als gefährlich eingestuften Hundes. Mit Bescheid vom 27. Juli 2016 erteilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller die beantragte Erlaubnis. In der Begründung wies die Antragsgegnerin darauf hin, dass der Antragsteller den Hund „H.“ außerhalb ausbruchssicherer Grundstücke nur persönlich führen dürfe oder lediglich eine Person damit beauftragen dürfe, die eine Bescheinigung nach § 11 Abs. 4 HundeG LSA zum Führen des Hundes besitze.
Am 28. Juli 2019 kam es gegen 9:00 Uhr im Ortsteil C-Stadt erneut zu einem Beißvorfall, bei dem „H.“ einen anderen Hund zu Tode biss. An diesem Tag führte nicht der Antragsteller selbst, sondern Frau T. “H.“ zum Spazierengehen in der Ortslage C-Stadt aus. Dabei überquerte Frau T. mit „H.“ die H-Straße auf Höhe des Kindergartens und ging mit dem Hund in Richtung des Verbindungsweges zwischen Wohngebiet und H-Straße. Im Einmündungsbereich des Verbindungsweges kam Frau T. ein Jack Russell entgegengelaufen. Im Folgenden kam es zu einer Rangelei zwischen „H.“ und dem Jack Russel, in deren Folge „H.“ dem Jack Russel tödliche Bissverletzungen zufügte. Mit Schreiben vom 16. September 2019 hörte die Antragsgegnerin den Antragsteller zu einer beabsichtigten Untersagung der Haltung des Hundes „H.“ an.
Am 24. September 2019 stellte Frau T. erneut einen Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis zur Führung eines gefährlichen Hundes. Mit Bescheid vom 12. Dezember 2019 wurde dieser Antrag abgelehnt.
Mit Bescheid vom 12. Dezember 2019 widerrief die Antragsgegnerin die dem Antragsteller erteilte Erlaubnis vom 27. Juli 2016 (Nr. 1). Der Antragsteller habe den Hund bis zum 12. Januar 2020 dem Tierheim Hundepension „A.“, G-Straße, G-Stadt zur Sicherstellung und Verwahrung zu übergeben (Nr. 2). Für den Fall, dass der Antragsteller der Anordnung unter Ziffer 2 nicht oder nicht fristgerecht nachkomme, werde sie die Sicherstellung des Hundes im Wege des unmittelbaren Zwangs zu Lasten des Antragstellers vornehmen und die Unterbringung im Tierheim veranlassen (Nr. 4). Der Antragsteller habe die für die Unterbringung des Hundes im unter Ziffer 2) genannten Tierheim entstehenden Kosten zu tragen (Nr. 5).
Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 19. Dezember 2019 legte der Antragsteller gegen den Bescheid vom 12. Dezember 2019 Widerspruch ein.
Am 2. Januar 2020 hat der Antragsteller um Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nachgesucht.
Der Jack Russel habe „H.“ angegriffen und habe ihm mehrere Bissverletzungen zugefügt, worauf sich „H.“ seinerseits gewehrt und dem Jack Russell tödliche Bissverletzungen zugefügt habe. Frau T. besitze als seine Nachbarin einen Schlüssel zu seiner Wohnung. Eine Abrede, dass Frau T. den Hund ausführen dürfe, bestehe zwischen ihm und Frau T. nicht.
Der Antragsteller beantragt, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 19. Dezember 2019 gegen die mit der Anordnung der sofortigen Vollziehung versehenen Regelungen aus dem Bescheid der Antragsgegnerin vom 12. Dezember 2019 wieder herzustellen.
Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag abzulehnen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird verwiesen auf den Inhalt der Gerichtsakte und den von der Antragsgegnerin vorgelegten Verwaltungsvorgang. Diese Unterlagen sind Gegenstand der Beratung und Entscheidung gewesen.
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg.
Gemäß § 80 Abs. 1 S. 1 VwGO haben Widerspruch und Anfechtungsklage grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO entfällt die aufschiebende Wirkung in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird. Das Gericht kann nach § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs nach § 80 Abs. 1 S. 1 VwGO gegen einen für sofort vollziehbar erklärten Verwaltungsakt ganz oder teilweise wiederherstellen. In dem Verfahren nach § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO soll eine vorläufige Regelung über die Vollziehbarkeit des Verwaltungsaktes bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens getroffen werden. Das Verfahren soll grundsätzlich nicht an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten. Aufgrund dieses summarischen Charakters soll in der Regel keine umfassende Sachverhaltsaufklärung mittels förmlicher Beweisaufnahme erfolgen, sondern die Entscheidung auf präsente, also umgehend erreichbare Beweismittel, auf glaubhaft gemachte Tatsachen und überwiegende Wahrscheinlichkeiten gestützt werden. Das Gericht spricht zunächst die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung aus, wenn die formellen Voraussetzungen der Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4, Abs. 3 VwGO nicht vorliegen. Andernfalls trifft es seine Entscheidung durch eine Interessenabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an einem sofortigen Vollzug des Verwaltungsaktes und dem Interesse des Antragstellers an einer Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung. Bei der Interessenabwägung kommt es vorrangig auf die Erfolgsaussichten in der Hauptsache an. Lässt sich der Erfolg in der Hauptsache sicher prognostizieren, da der Verwaltungsakt nach summarischer Prüfung rechtswidrig ist, fällt die Interessenabwägung grundsätzlich zugunsten des Antragstellers aus, weil kein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung von rechtswidrigen Verwaltungsakten besteht. Erweist sich der Rechtsbehelf dagegen in der Hauptsache als erfolglos und die materiellen Voraussetzungen der Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO liegen vor, fällt die Interessenabwägung regelmäßig zulasten des Antragstellers aus. Sind die Erfolgsaussichten offen, hat eine allgemeine Interessenabwägung zu erfolgen, bei der u.a. das Gewicht der durch den Verwaltungsakt betroffenen Rechtsgüter sowie die Schwere der Beeinträchtigung der Rechtsgüter, die durch die Vollziehung bzw. Aussetzung des Verwaltungsakts betroffen werden, berücksichtigt werden. Von zentraler Bedeutung ist dabei, ob irreversible Folgen eintreten könnten, wenn die Entscheidung im vorläufigen Rechtsschutzverfahren von der Entscheidung in der Hauptsache abweicht (vgl. zum Ganzen: Schenke in Kopp/Schenke, VwGO Kommentar, 23. Auflage 2017, § 80 Rn. 152; Bostedt in Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 4. Auflage 2016, § 80 VwGO Rn. 157 ff.; Gersdorf in Posser/Wolff, BeckOK VwGO, Stand: 01.07.2018, § 80 Rn. 187 ff.).
Unter Zugrundelegung dieses Maßstabes ist der Antrag des Antragstellers abzulehnen, da die Anordnung der sofortigen Vollziehung unter Ziff. 3 des angefochtenen Bescheides formal nicht zu beanstanden ist, die Interessenabwägung zulasten des Antragstellers ausfällt und die materiellen Voraussetzungen der Anordnung der sofortigen Vollziehung vorliegen.
Nach § 80 Abs. 3 S. 1 VwGO ist in den Fällen des § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Durch die Begründungspflicht soll der Behörde der Ausnahmecharakter der Vollziehungsanordnung vor Augen geführt werden und sie zu einer sorgfältigen Prüfung der Anordnungsvoraussetzungen veranlasst werden. Weiterhin soll der Betroffene durch die Kenntnisnahme der maßgeblichen Gründe für die Vollziehungsanordnung in die Lage versetzt werden, seine Rechte wirksam wahrzunehmen und die Erfolgsaussichten eines Rechtsbehelfs abzuschätzen (vgl. zum Ganzen: Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 27. Oktober 2014 – 2 M 58/14 –, juris; Schenke in Kopp/Schenke, a.a.O., § 80 Rn. 84; Gersdorf in Posser/Wolff, a.a.O., § 80 Rn. 86). An die Begründung sind jedoch keine übermäßig hohen Anforderungen zu stellen. Um ihre Funktionen zu wahren, darf sie sich allerdings nicht in formelhaften Ausführungen erschöpfen, die nahezu uneingeschränkt auf jede Fallgestaltung anwendbar sind. Die Begründung muss erkennen lassen, dass die Behörde den konkreten Einzelfall berücksichtigt hat. Das Erfordernis der Berücksichtigung des Einzelfalls hindert die Behörde jedoch nicht daran, für gleichartige Fallgestaltungen, bei denen die Interessen des Betroffenen am Suspensiveffekt regelmäßig gegen die öffentlichen Interessen an der sofortigen Vollziehung zurücktreten, gruppentypisierte Begründungen oder ggf. formblattmäßige Begründungen zu verwenden. Bei der Verwendung solcher gruppentypisierten oder formblattmäßigen Begründungen muss jedoch gewährleistet bleiben, dass auch die Besonderheiten des Einzelfalls einfließen. Ausnahmsweise kann bei der Begründung (lediglich) auf die Begründung des zu vollziehenden Verwaltungsaktes Bezug genommen werden, wenn aus dieser bereits die besondere Dringlichkeit der Regelung des Sofortvollzuges hervorgeht (z.B. bei unmittelbaren Gefahren für wichtige Rechtsgüter). In diesem Fall muss die Behörde jedoch erkennen lassen, was allgemeine Begründung des Verwaltungsaktes ist und was spezifisch Grund für die Vollziehungsanordnung ist (vgl. zum Ganzen: Oberverwaltungsgericht für das Land Schleswig-Holstein, Beschluss vom 2. März 2005 – 2 MB 1/05 –, juris; Schenke in Kopp/Schenke, a.a.O., § 80 Rn. 85 f.).
Diesen Anforderungen wird die Begründung in dem Bescheid der Antragsgegnerin vom 12. Dezember 2019 gerecht. So hat die Antragsgegnerin die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung getrennt von der Begründung des zu vollziehenden Verwaltungsaktes vorgenommen. Die Begründung geht des Weiteren über die bloße Nennung der Rechtsgrundlage für den Sofortvollzug hinaus und enthält nicht nur inhaltsleere oder formelhafte Wendungen. Die Antragsgegnerin hat dem Schutz von Leib und Leben der Allgemeinheit eine so hohe Bedeutung beigemessen, dass die Interessen des Antragstellers an einem Aufschub bis zu einer Entscheidung über den Widerspruch zurücktreten müssen. Nach der Begründung der Antragsgegnerin bestünde die Gefahr, dass es mehrmals zu typischen Gefahrensituationen kommen könnte, in denen sich der gefährliche Hund des Antragstellers außerhalb ausbruchsicherer Grundstücke befindet. Weiter müsse der gefährliche Hund des Antragstellers zur effektiven Durchsetzung des Bescheides artgerecht untergebracht werden. Darüber hinaus ist anhand der Begründung davon auszugehen, dass die Antragsgegnerin bei der Entscheidung über den Sofortvollzug auch die Umstände des Einzelfalls berücksichtigt hat.
Das Interesse des Antragstellers an dem Suspensiveffekt unterliegt dem öffentlichen Interesse an dem Vollzug der Anordnungen, da die Ziffern 1 und 2 des Bescheides vom 12. Dezember 2019 mit überwiegender Wahrscheinlichkeit rechtmäßig sind und dementsprechend der Widerspruch des Antragstellers mit überwiegender Wahrscheinlichkeit erfolglos verlaufen wird.
Der Widerrufsbescheid der Antragsgegnerin vom 12. Dezember 2019 erweist sich bei summarischer Prüfung als rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die gegen die Verfügung gerichteten Einwendungen des Antragstellers greifen nicht durch.
Rechtsgrundlage für den Widerruf der dem Antragsteller mit Bescheid vom 27. Juli 2015 gemäß § 6 Abs. 1 des Gesetzes zur Vorsorge gegen die von Hunden ausgehenden Gefahren (Hundegesetz – HundeG LSA) vom 27. Juli 2016 erteilten Erlaubnis zum Halten von Hunden ist mangels einer spezialgesetzlichen Grundlage im Hundegesetz § 49 Abs. 2 VwVfG. Danach darf ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt auch nach Unanfechtbarkeit ganz oder teilweise für die Zukunft widerrufen werden, wenn die Behörde aufgrund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde (§ 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG).
Die Voraussetzungen des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG liegen vor.
Die Erlaubnis nach § 6 Abs. 1 HundeG LSA ist zu erteilen, wenn die Hundehalterin oder der Hundehalter u. a. die zum Halten des gefährlichen Hundes erforderliche Zuverlässigkeit (§ 7) nachweist. Der Antrag des Antragstellers auf Erteilung einer Erlaubnis zur Haltung eines gefährlichen Hundes ist abzulehnen, wenn es dem Antragsteller an der notwendigen Zuverlässigkeit fehlt (vgl. OVG LSA, Beschluss vom 12. Dezember 2014 – 3 M 483/14 -, juris). Damit darf die Erlaubnis nach § 6 Abs. 1 HundeG LSA nur erteilt werden, wenn die Hundehalterin oder der Hundehalter u. a. die zum Halten des gefährlichen Hundes erforderliche Zuverlässigkeit (§ 7) nachweist.
Im für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt wäre ein Antrag des Antragstellers auf Erteilung einer Erlaubnis zur Haltung seines Hundes „H.“ jedenfalls deshalb abzulehnen gewesen, weil es dem Antragsteller an der notwendigen Zuverlässigkeit fehlt. § 7 Satz 1 Nr. 2 HundeG LSA ordnet insoweit an, dass die erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt, wer wiederholt oder gröblich gegen Vorschriften dieses Gesetzes verstoßen hat.
Der Antragsteller ist seiner Verpflichtung aus § 2 Abs. 1 HundeG LSA, wonach Hunde so zu halten und zu führen sind, dass von ihnen keine Gefahren für die öffentliche Sicherheit ausgehen, gröblich nicht nachgekommen. Ihm fehlt damit die für die Erteilung einer Erlaubnis zur Haltung eines gefährlichen Hundes notwendige Zuverlässigkeit im Sinne der §§ 6 Abs. 1 Nr. 1, 7 Satz 1 Nr. 2 HundeG LSA. Die von ihm hiergegen vorgetragenen Erwägungen tragen eine andere Beurteilung nicht.
Bei dem Begriff der Zuverlässigkeit im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 7 S. 1 Nr. 2 HundeG LSA handelt es sich um einen auslegungsbedürftigen unbestimmten Rechtsbegriff. Die Grenze der Auslegung ist der Wortlaut des Gesetzes. Hat der Gesetzgeber selbst geregelt, was unter mangelnder Zuverlässigkeit zu verstehen ist, ist für eine darüberhinausgehende Auslegung kein Raum. § 7 HundeG LSA enthält eine umfassende und abschließende Regelung der Zuverlässigkeit im Sinne des HundeG LSA (vgl. auch im Folgenden: OVG LSA, Beschluss vom 12. Dezember 2014 – 3 M 483/14 -, juris).
Die erforderliche Zuverlässigkeit besitzt danach nicht, wer wegen vorsätzlichen Angriffs auf das Leben oder die Gesundheit, Vergewaltigung, Zuhälterei, Menschenhandels, Land- und Hausfriedensbruchs, Widerstands gegen die Staatsgewalt, einer gemeingefährlichen Straftat, einer Straftat gegen das Eigentum, das Vermögen oder wegen vorsätzlichen oder fahrlässigen Vollrausches (§ 7 Satz 1 Nr. 1 lit. a), einer Straftat nach dem Tierschutzgesetz, dem Waffengesetz, dem Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen, dem Sprengstoffgesetz, dem Bundesjagdgesetz oder dem Betäubungsmittelgesetz (§ 7 Satz 1 Nr. 1 lit. b), oder einer anderen, vorsätzlich begangenen Straftat zu einer Geldstrafe von mehr als 50 Tagessätzen oder zu einer Freiheitsstrafe oder Jugendstrafe (§ 7 Satz 1 Nr. 1 lit. c), rechtskräftig verurteilt worden ist, wenn seit dem Eintritt der Rechtskraft der letzten Verurteilung fünf Jahre noch nicht verstrichen sind, oder (§ 7 Satz 1 Nr. 2) wiederholt oder gröblich gegen Vorschriften dieses Gesetzes verstoßen hat.
Insofern unterscheidet sich das HundeG LSA etwa vom Regelungswerk der Gewerbeordnung, die in § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO eine nicht näher bestimmte Gewerbebezogenheit des Unzuverlässigkeitskriteriums vorsieht, so dass für eine Auslegung des Begriffs der Unzuverlässigkeit unter Einbeziehung des betroffenen Gewerbes und des Schutzzwecks des Gesetzes Raum ist. Einer solchen Auslegung anhand des Schutzzwecks des Gesetzes bedarf es im Rahmen des § 7 HundeG LSA aufgrund der vollständigen Regelung jedoch nicht.
Schutzzweck des Gesetzes ist zudem nicht allein, die Bevölkerung und Allgemeinheit, insbesondere die körperliche Integrität, Gesundheit und Leben, vor Angriffen von Hunden zu schützen. Der ausdrückliche Schutzzweck ist vielmehr, Gefahren für die öffentliche Sicherheit vorzubeugen und abzuwehren, die mit dem Halten und Führen von Hunden verbunden sind, § 1 HundeG LSA. Neben der von Hunden im Allgemeinen ausgehenden Gefahr wird damit auch der Halter in den Blick genommen, dessen Verhalten ebenfalls zu einer Erhöhung oder Verringerung der von Hunden ausgehenden Gefahren beiträgt. Auch an den Halter werden daher Anforderungen gestellt wie etwa der Sachkundenachweis (§ 9 HundeG LSA) oder die persönliche Zuverlässigkeit (§ 7 HundeG LSA) zeigen.
Dabei ist der Gesetzgeber offenkundig davon ausgegangen, dass sich in wiederholten oder gröblichen Verstößen gegen die Vorschriften des Hundegesetzes eine erhebliche wie verfestigte innere Einstellung, die eine mangelnde Achtung und Akzeptanz der Rechtsordnung zum Ausdruck bringt, widerspiegelt, die die Einhaltung der notwendigen Vorkehrungen, die mit der Haltung eines gefährlichen Hundes verbunden sind (§ 11 HundeG LSA, etwa: Leinen- und Maulkorbzwang beim Führen des Hundes außerhalb ausbruchsicherer Grundstücke), als nicht gesichert erscheinen lässt.
Es kommt danach allein darauf an, dass bei Personen, die wiederholt und gröblich gegen die Vorschriften des Hundegesetzes verstoßen haben die Vermutung naheliegt, sie könnten auch in Zukunft gegen solche Normen verstoßen, die dem Schutz bedeutender Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit vor den von Hunden und ihren Haltern ausgehenden Gefahren dienen.
Der Antragsteller hat gröblich gegen die Vorschriften des Hundegesetzes LSA verstoßen. Denn er ist gröblich seinen Halterpflichten nach § 2 Abs. 1 HundeG LSA nicht hinreichend nachgekommen. Danach sind Hunde so zu halten und zu führen, dass von ihnen keine Gefahren für die öffentliche Sicherheit ausgehen. Diese Pflicht wird in § 11 Abs. 1 HundeG LSA dahingehend konkretisiert, dass die Hundehalterin oder der Hundehalter einen gefährlichen Hund nach § 3 Abs. 3 außerhalb ausbruchsicherer Grundstücke nur persönlich führen oder eine Person damit beauftragen, die eine Bescheinigung nach Absatz 4 Satz 1 besitzt, darf. Dabei kann aus dem jeweiligen Schadenseintritt im Einzelfall grundsätzlich und denklogisch auf einen vorausgegangenen Pflichtenverstoß geschlossen werden.
Der Antragsteller darf als Halter des als gefährlich festgestellten Hundes „H.“ diesen außerhalb ausbruchsicherer Grundstücke nur persönlich führen oder eine Person damit beauftragen, die eine Bescheinigung nach Absatz 4 Satz 1 besitzt. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass der Antragsteller Dritten, die keine Bescheinigung nach Absatz 4 Satz 1 besitzen, keinen Auftrag zum Führen des Hundes außerhalb ausbruchsicherer Grundstücke erteilen darf. Er darf darüber hinaus allgemein Dritten keine Erlaubnis zum Führen des Hundes außerhalb ausbruchsicherer Grundstücke erteilen.
Aus diesem Verbot folgt darüber hinaus allerdings auch die Verpflichtung des Hundehalters, dafür zu sorgen, dass der gefährliche Hund sich nicht ohne von ihm selbst oder einer Person, die eine Bescheinigung nach Absatz 4 Satz 1 besitzt, geführt zu werden, außerhalb ausbruchsicherer Grundstücke gelangen und sich dort aufhalten oder bewegen kann (Sicherungspflicht).
Zwar ergibt sich dies nicht unmittelbar aus dem Wortlaut des § 11 HundeG LSA. Denn dem Wortlaut nach wird nur der Personenkreis derjenigen, die den gefährlichen Hund außerhalb ausbruchsicherer Grundstücke führen dürfen, eingegrenzt. Diese Verpflichtung ergibt sich jedoch aus der Auslegung des § 11 Abs. 1 HundeG LSA nach seinem Sinn und Zweck. Sinn und Zweck des Hundegesetzes allgemein und damit auch des § 11 Abs. 1 HundeG LSA ist der Schutz der Allgemeinheit vor gefährlichen Hunden außerhalb ausbruchsicherer Grundstücke. § 11 Abs. 1 HundeG LSA stellt die Regelung einer Ausnahme von einem grundsätzlichen Verbot, gefährliche Hunde außerhalb ausbruchsicherer Grundstücke zu führen, dar. Nach § 1 HundeG LSA ist Zweck des Gesetzes, Gefahren für die öffentliche Sicherheit vorzubeugen und abzuwehren, die mit dem Halten und Führen von Hunden verbunden sind. Nach § 2 Abs. 1 HundeG LSA sind Hunde so zu halten und zu führen, dass von ihnen keine Gefahren für die öffentliche Sicherheit ausgehen. Nach § 3 Abs. 1 HundeG LSA sind gefährliche Hunde im Sinne dieses Gesetzes Hunde, deren Gefährlichkeit festgestellt wird (§ 3 Abs. 1 HundeG LSA). Ein gefährlicher Hund nach § 3 Abs. 3 HundeG LSA darf nur mit einer Erlaubnis gehalten werden (§ 4 Abs. 2 HundeG LSA).
Im Rahmen der Haltung des gefährlichen Hundes innerhalb eines ausbruchsicheren Grundstücks ist die Allgemeinheit durch die vom Gesetz geforderte und von dem jeweiligen Halter sicherzustellende Ausbruchsicherheit des Grundstücks hinreichend geschützt. Erst wenn der gefährliche Hund das ausbruchsichere Grundstück verlässt, entfällt dieser Schutz der Allgemeinheit. Der Gesetzgeber hat durch die Regelung des § 11 Abs. 1 HundeG die Sicherstellung des Schutzes der Allgemeinheit vor dem sich außerhalb des ausbruchsicheren Grundstücks aufhaltenden gefährlichen Hund dem Erlaubnisinhaber übertragen, indem er bestimmt, dass nur der Erlaubnisinhaber den gefährlichen Hund außerhalb ausbruchsicherer Grundstücke persönlich führen oder eine dritte Person, die eine Bescheinigung nach § 11 Abs. 4 Satz 1 besitzt, damit beauftragen darf. Diese Übertragung der Sicherstellung des Schutzes der Allgemeinheit umfasst allerdings auch die Verpflichtung des Erlaubnisinhabers, dafür zu sorgen, dass der gefährliche Hund nicht ohne von einer nach § 11 Abs. 1 HundeG hierzu berechtigten Person geführt zu werden außerhalb des ausbruchsicheren Grundstücks gelangen und sich dort aufhalten oder bewegen kann.
Inhalt dieser Sicherungspflicht des Erlaubnisinhabers ist es unter anderem, dafür Sorge zu tragen, dass der durch die von § 11 Abs. 1 HundeG vorausgesetzte Ausbruchsicherung des Grundstücks vorhandene Schutz der Allgemeinheit auch fortbesteht. Diese Pflicht zur Sicherung beinhaltet nicht nur die Anwendung der vorhandenen Sicherungsmittel, wie etwa ein Verschließen von Wohnungsfenstern oder –türen. Der Erlaubnisinhaber muss darüber hinaus auch für den Fortbestand dieser Sicherung sorgen. Dazu gehört auch, Unbefugte von der Möglichkeit zur Aufhebung dieser Sicherung, etwa durch ein mögliches Aufschließen der Wohnungstür, auszuschließen. Zur Aufhebung dieser Sicherung befugt sind nur der Erlaubnisinhaber selbst und der von ihm beauftragte Dritte, der eine Bescheinigung nach § 11 Abs. 4 Satz 1 HundeG besitzt.
Gegen diese Sicherungspflicht hat der Antragsteller als Erlaubnisinhaber verstoßen, indem er Frau T. seinen Wohnungsschlüssel anvertraute, ohne sich zuvor zu vergewissern, dass diese eine Bescheinigung nach § 11 Abs. 4 Satz 1 besitzt, mithin zur Aufhebung der Sicherung durch Aufschließen der Wohnungstür befugt gewesen wäre.
Auf die Frage, ob Frau T. für das Führen von „H.“ hinreichend sachkundig war, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. § 11 Abs. 1 HundeG fordert das Vorliegen einer Bescheinigung nach § 11 Abs. 4 S. 1 HundeG. Diese wird auf Antrag von der Behörde ausgestellt, wenn die Person die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 1 HundeG erfüllt. Frau T. verfügt, soweit für das Gericht ersichtlich, nicht über eine solche Bescheinigung. Ihr Antrag vom 12. Februar 2016 auf Erteilung einer solchen Bescheinigung wurde mit dem Bescheid vom 2. Juni 2016 und ihr weiterer Antrag vom 24. September 2019 mit dem Bescheid vom 12. Dezember 2019 abgelehnt. Ob Frau T. einen Anspruch auf Erteilung einer solchen Bescheinigung zugestanden hätte, ist für das vorliegende Verfahren unerheblich. Denn Frau T. hat gegenüber der Antragsgegnerin einen solchen Anspruch nicht weiter verfolgt oder durchgesetzt.
Es handelt sich auch um einen gröblichen Verstoß. Dabei ist für die Annahme eines nach § 7 Satz 1 Nr. 2 HundeG LSA gröblichen Verstoßes nicht erforderlich, dass der Halter eine vorsätzliche Ordnungswidrigkeit nach § 16 HundeG LSA begangen hat.
Bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs „gröblich“ ist davon auszugehen, dass nicht jeder – regelmäßig bußgeldbewehrte – Verstoß gegen Verhaltens- oder Mitwirkungspflichten nach dem HundeG LSA genügt (vgl. auch im Folgenden: OVG LSA, Beschluss vom 13. August 2018 – 3 M 230/18 -, juris Rdnr. 18 ff.). Zu der Frage, wann ein Verstoß gegen Vorschriften des HundeG LSA „gröblich“ ist, lassen sich der Gesetzesbegründung (LT-Drs. 5/1011) keine Anhaltspunkte entnehmen. Nach Ziffer 7.1.2 Abs. 2 der vom Ministerium für Inneres und Sport des Landes Sachsen-Anhalt erlassenen Verwaltungsvorschrift zum Hundegesetz (VwV-HundeG LSA, MBl. LSA 2016, S. 210, ber. S. 246) sind jedenfalls solche Verstöße gegen das Hundegesetz, die vorsätzliche Ordnungswidrigkeiten nach § 16 HundeG LSA darstellen, in der Regel auch gröblich im Sinne des Hundegesetzes. Dies schließt schon nach dem Wortlaut der Verwaltungsvorschrift weder aus, dass auch fahrlässige Verstöße gegen das Hundegesetz im Einzelfall als gröblich im Sinne des § 7 Satz 1 Nr. 2 HundeG LSA angesehen werden können, noch bedeutet dies, dass die vorsätzliche Verwirklichung eines der in § 16 HundeG LSA benannten Tatbestande zwingend als gröblicher Verstoß anzusehen ist. Im Übrigen hat das OVG LSA bereits mit Beschluss vom 13. August 2018 (a. a. O.) darauf hingewiesen, dass diese rechtsauslegende Verwaltungsvorschrift die Gerichte nicht bindet (vgl. auch OVG LSA, Beschluss vom 08. März 2016 – 3 M 23/16 -). Entscheidend für die Annahme eines gröblichen Pflichtenverstoßes sind vielmehr die Umstände des jeweiligen Einzelfalles unter Berücksichtigung der Zielsetzung des Gesetzes, Beißvorfälle mit Hunden weitgehend zu minimieren (LT-Drs. 6/4359, S. 7). Der Begriff des „gröblichen“ Verstoßes gegen Rechtsvorschriften im Zusammenhang mit der Zuverlässigkeit einer Person findet sich auch in anderen Gesetzen, die der Abwehr von Gefahren dienen, wie etwa in § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG, § 17 Abs. 4 Nr. 2 BJagdG, § 8a Abs. 2 Nr. 5 SprengG. Im Waffenrecht ist anerkannt, dass ein gröblicher Verstoß dann vorliegt, wenn er nach seinem objektiven Gewicht und dem Grad der Vorwerfbarkeit eine schwerwiegende Zuwiderhandlung darstellt (BayVGH, Beschluss vom 21. November 2016 – 21 ZB 15931 -, juris, RdNr. 10). Entscheidend ist, ob im Einzelnen die Rechtsverletzung gemessen an den Zielsetzungen des Gesetzes objektiv schwer wiegt und in subjektiver Hinsicht im Besonderen dem Betreffenden als grobe Pflichtverletzung zuzurechnen ist, sei es, weil er vorsätzlich gehandelt oder sich als besonders leichtsinnig, nachlässig oder gleichgültig gezeigt hat (OVG NW, Urteil vom 31. August 2006 – 20 A 524/05 -, juris, RdNr. 31). Diese Grundsätze lassen sich auf die Auslegung des Begriffs „gröblich“ im Sinne von § 7 Satz 1 Nr. 2 HundeG LSA übertragen.
Gemessen daran ist der Verstoß gegen § 11 Abs. 1 HundeG LSA als gröblich anzusehen.
Nach § 1 HundeG LSA ist es Zweck des Gesetzes, Gefahren für die öffentliche Sicherheit vorzubeugen und abzuwehren, die mit dem Halten und Führen von Hunden verbunden sind. Nach § 11 Abs. 1 HundeG LSA darf die Hundehalterin oder der Hundehalter einen gefährlichen Hund nach § 3 Abs. 3 außerhalb ausbruchsicherer Grundstücke nur persönlich führen oder eine Person damit beauftragen, die eine Bescheinigung nach Abs. 4 Satz 1 besitzt. Nach § 11 Abs. 4 S. 1 HundeG LSA hat die Behörde einer anderen Person als der Hundehalterin oder dem Hundehalter auf Antrag eine Bescheinigung auszustellen, dass sie einen gefährlichen Hund nach § 3 Abs. 3 außerhalb ausbruchsicherer Grundstücke führen darf, wenn die Person die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 1 erfüllt.
Das Gesetz geht daher davon aus, dass ein gefährlicher Hund im Sinne von § 3 Abs. 3 HundeG LSA nur von Personen geführt werden darf, denen von der zuständigen Behörde die Erlaubnis zum Halten des gefährlichen Hundes oder eine Bescheinigung, dass sie die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 1 HundeG LSA erfüllen, erteilt worden ist und die dadurch nachweislich die hinreichende Gewähr dafür bieten, dass von dem Hund keine Gefahr für Leben oder Gesundheit von Menschen oder Tieren ausgeht. Diese Gewähr besteht dann nicht mehr, wenn der gefährliche Hund von einer anderen Person geführt wird, der nicht von der zuständigen Behörde eine Bescheinigung nach § 11 Abs. 4 Satz 1 HundeG LSA erteilt worden ist.
Dem entsprechend ist der Verstoß gegen die Verpflichtung aus § 11 Abs. 1 HundeG LSA, dafür zu sorgen, dass der gefährliche Hund sich nicht ohne von ihm selbst oder einer Person, die eine Bescheinigung nach Absatz 4 Satz 1 besitzt, geführt zu werden, außerhalb ausbruchsicherer Grundstücke gelangen und sich dort aufhalten oder bewegen kann, in der Regel objektiv als schwerwiegender Verstoß gegen Vorschriften des HundeG LSA anzusehen. Dadurch entfällt der von dem Hundegesetz bezweckte Schutz der Öffentlichkeit vor dem gefährlichen Hund.
Dieses Verhalten dürfte auch als besonders nachlässig zu bewerten sein und es dürfte zu befürchten sein, dass der Halter auch künftig nicht ausreichend dafür Sorge trägt, dass der gefährliche Hund nicht ohne von ihm selbst oder einer Person, die eine Bescheinigung nach Absatz 4 Satz 1 besitzt, geführt zu werden, außerhalb ausbruchsicherer Grundstücke gelangen und sich dort aufhalten oder bewegen kann.
Dass das Amtsgericht Haldensleben mit Beschluss vom 28. Februar 2020 (11 OWi 1107/19 (725 Js 37088/19)) das Ordnungswidrigkeitenverfahren nach § 16 Abs. 1 Nr. 12 HundeG LSA wegen des Vorwurfs, der Antragsteller habe vorsätzlich oder fahrlässig den Hund „H.“ von Frau T., die hierzu nicht befugt war, ausführen lassen, eingestellt hat, führt nicht zu einer anderen Beurteilung. Denn die Unzuverlässigkeit des Antragstellers folgt vorliegend aus dem – nicht bußgeldbewehrten – Umstand, dass er pflichtwidrig nicht für die notwendige Sicherheit seines Grundstücks bzw. seiner Wohnung gesorgt hat. Nur deshalb war es Frau T. möglich, ohne eine ausdrückliche Einwilligung des Antragstellers den gefährlichen Hund „H.“ mitzunehmen und auszuführen, so dass es zu der weiteren tödlichen Beißattacke kommen konnte.
Ein hinreichender Grund, der das Verhalten des Antragstellers den Vorschriften des Hundegesetzes LSA zuwider rechtfertigt, ist nicht ersichtlich.
Der erkennenden Kammer drängt sich damit auf, dass der von dem Antragsteller gehaltene Hund auch in Zukunft nicht im Rahmen der durch das HundeG LSA normierten Verpflichtungen gehalten würde, wenn die dem Antragsteller erteilte Erlaubnis nicht widerrufen würde. Der Antragsteller war zu einer den Vorschriften des Hundegesetzes LSA entsprechenden Hundehaltung entweder nicht willens oder nicht fähig.
Für die nötige Gefährdung des öffentlichen Interesses nach § 49 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG reicht es aus, dass auch im Weiteren dem Hundegesetz LSA widersprechende Zustände drohen.
Die Frist nach § 49 Abs. 2 Satz 2, 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG beginnt erst ab Kenntnis der Behörde von allen Tatsachen einschließlich aller für die Ermessensausübung relevanten Gesichtspunkte zu laufen und ist vorliegend unproblematisch eingehalten.
Der Widerruf ist auch ermessensfehlerfrei erfolgt. Es liegt der Fall einer Ermessensreduzierung auf Null vor.
Eine gebundene und keine Ermessensentscheidung liegt dann vor, wenn ausnahmsweise nur eine bestimmte Entscheidung rechtmäßig ist, wenn sich also das Ermessen durch „Verdichtung der Ermessensgrenzen“ auf Null reduziert hat und jeder Verwaltungsakt mit einem anderen Regelungsinhalt rechtsfehlerhaft wäre (vgl. BSG, Urteil vom 7. April 2016 – B 5 R 26/15 R -, juris; BVerwG, Urteil vom 27. Mai 1993 – 5 C 7.91 -, juris; OVG LSA, Beschluss vom 10. August 2017 4 L 219/16 -, juris). Die Ermessensreduzierung auf Null stellt einen seltenen Ausnahmefall dar und setzt voraus, dass es nach dem festgestellten Sachverhalt ausgeschlossen ist, dass Umstände vorliegen, die eine anderweitige – den Betroffenen ganz oder teilweise begünstigende – Entscheidungsfindung rechtsfehlerfrei zuließen, was in aller Regel nicht der Fall ist (so BSG, Urteil vom 11. April 2002 – B 3 P 8/01 R -, juris, m. w. N.). Sie kann nur dann in Betracht gezogen werden, wenn ermessensrelevante Gesichtspunkte weder vom Antragsteller geltend gemacht noch sonst wie ersichtlich sind (so BSG, Urteil vom 20. Mai 2014 – B 10 EG 2/14 R -, juris).
Im vorliegenden Fall ergibt sich die Ermessensreduzierung auf Null daraus, dass die Antragsgegnerin allein wegen der mangelnden Zuverlässigkeit des Antragstellers einen entsprechenden Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis zur Haltung des Hundes „H.“ abzulehnen hätte. Allein mit dem Widerruf der zuvor erteilten Erlaubnis kann die Antragsgegnerin für eine mit den Regelungen des Hundegesetzes LSA vereinbare Situation sorgen. Ermessensrelevante Gesichtspunkte, die eine andere Entscheidung notwendig machen könnten, liegen nicht vor. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Antrag keine außergewöhnlichen, vom Gesetz nicht beabsichtigten Härten aufzeigt und diese für das Gericht auch nicht anderweitig ersichtlich sind.
Zur Abwehr dieser sich gerade aus der mangelnden Zuverlässigkeit des Antragstellers hinsichtlich der notwendigen Ausbruchsicherung des Grundstücks bzw. der Wohnung ergebenden Gefahr musste sich die Antragsgegnerin auch nicht mit „milderen Mitteln“, wie etwa einer weiteren Beauflagung des Antragstellers bei der sonstigen Hundehaltung begnügen. Weder die Beauflagung mit einer Maulkorbpflicht noch die Auflage mit dem Verbot, den Hund an Dritte zu überlassen, sind angesichts dieser Unzuverlässigkeit des Antragstellers ausreichend, den vom Gesetzgeber beabsichtigten Schutz der Allgemeinheit hinreichend sicherzustellen.
Wenn sich die Erfolgsaussichten des durch den Antragsteller erhobenen Widerspruchs hinsichtlich der Frage, ob er durch die Weitergabe des Schlüssels seiner Wohnung, in der er den als gefährlich festgestellten Hund „H.“ hielt, an Frau T. seine Pflichten aus § 11 Abs. 1 HundeG LSA gröblich verletzt hat, als offen erweisen würden, hätte das Gericht gemäß § 80 Abs. 5 VwGO eine umfassende Interessenabwägung vorzunehmen (Kopp/Schenke, a. a. O., § 80 Rn. 158 m. w. N.) und hierbei das private Interesse des Antragstellers an der Aufhebung des Widerrufs gegen das gegenläufige staatliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Bescheides unter Berücksichtigung der jeweiligen Folgen der Entscheidung abzuwägen. Diese Abwägung würde zu Lasten des Antragstellers ausfallen:
Die angegriffene Maßnahme dient aus den bereits dargestellten Gründen dem Schutz der Öffentlichkeit vor Bissverletzungen. Der Hund des Antragstellers ist bereits zweimal in der Öffentlichkeit durch Beißvorfälle aufgefallen, bei denen der jeweils andere Hund in der Folge zu Tode kam. Da der Antragsteller den Schlüssel seiner Wohnung auch an Dritte, die zum Führen des als gefährlich festgestellten Hundes „H.“ nicht berechtigt sind, weitergegeben und so, wie auch im Zusammenhang mit dem Beißvorfall vom 28. Juli 2016, pflichtwidrig die Kontrolle über diesen Hund an Nichtberechtigte abgegeben hat, ist nicht auszuschließen, dass sich solche Beißattacken wiederholen werden. Wie der jüngste Vorfall zeigt, ist es unter diesen Umständen nicht zu vermeiden, dass ggf. unabsichtlich Situationen entstehen, die ein Angreifen und / oder Zubeißen des Hundes ermöglichen.
Dass demgegenüber der Widerruf der Erlaubnis und das hiermit einhergehende Haltungsverbot den Antragsteller oder seinen Hund unverhältnismäßig belasten würden, hat der Antragsteller nicht vorgetragen; hierfür ist auch sonst nichts ersichtlich. Damit tritt das private Interesse des Antragstellers, bis zur rechtskräftigen Klärung der hier streitigen Fragen von den mit dem Widerruf der Erlaubnis verbundenen Folgen verschont zu bleiben, hinter dem Interesse der Allgemeinheit, vor den schweren Folgen des Zubeißens eines gefährlichen Hundes bewahrt zu werden, zurück. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber dem wirksamen Schutz vor Gefahren, die von Hunden ausgehen, einen hohen Stellenwert eingeräumt hat (vgl. OVG LSA, Beschluss vom 3. April 2019 – 3 M 45/19 -, juris Rn. 21 ff. unter Hinweis auf Beschluss vom 13. August 2018 – 3 M 230/18 -, juris Rn. 22).
Die Antragsgegnerin hat auch zu Recht die Sicherstellung und Verwahrung des Hundes angeordnet. Nach § 45 Nr. 1 SOG LSA können Sicherheitsbehörden und die Polizei eine Sache sicherstellen (und im Anschluss verwahren, § 46 Abs. 1 Satz 1 SOG LSA), um eine gegenwärtige Gefahr abzuwehren. Eine gegenwärtige Gefahr im Sinne des § 45 Nr. 1 SOG LSA liegt nach § 3 Nr. 3 Buchst. b SOG LSA dann vor, wenn ein schädigendes Ereignis bereits begonnen hat oder unmittelbar oder in allernächster Zeit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bevorsteht. Eine solche gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Sicherheit liegt auch dann vor, wenn ein Hundehalter einen im Einzelfall gefährlichen Hund i. S. d. § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 HundeG LSA hält, ohne für die notwendige Ausbruchsicherheit seines Grundstücks bzw. seiner Wohnung zu sorgen.
Zur Abwehr dieser Gefahr musste die Antragsgegnerin sich auch nicht mit „milderen Mitteln“ wie etwa einer weiteren Beauflagung des Antragstellers bei der Hundehaltung begnügen. Hierzu gelten die obigen Ausführungen. Die Haltung eines gefährlichen Hundes ohne gleichzeitige Herstellung und Aufrechterhaltung der notwendigen Ausbruchsicherheit des Grundstücks bzw. der Wohnung ist angesichts des ausgesprochenen und sofort vollziehbaren Widerrufs der Erlaubnis grundsätzlich verboten. Andere Mittel als die Sicherstellung des Hundes kommen zur dann notwendigen Gefahrenabwehr nicht mehr in Betracht. Soweit die Antragsgegnerin zur Sicherstellung des Hundes des Antragstellers angeordnet hat, dass dieser bis zum 12. Januar 2020 in einem bestimmten Tierheim abzugeben sei, hat sie auch zu Recht für den Fall, dass der Antragsteller dieser Verpflichtung nicht nachkommt, angedroht, den Hund unter Anwendung unmittelbaren Zwangs wegzunehmen, § 58 Abs. 1 SOG LSA. Andere Zwangsmittel kamen nicht in Betracht und versprachen auch nicht den notwendigen zeitnahen Erfolg, § 58 Abs. 6 SOG LSA.
Eine Ersatzvornahme, § 55 Abs. 1 SOG LSA, kommt nicht in Betracht, weil es sich bei der angeordneten Besitzaufgabe und Abgabe des Hundes an das Tierheim nicht um eine vertretbare Handlung handelt. Ein Zwangsgeld, § 56 SOG LSA, versprach nicht den notwendigen unmittelbaren Erfolg der Gefahrenabwehr.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 1 und 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG unter Berücksichtigung der Empfehlungen in den Ziffern 35.2 und 1.5 des Streitwertkataloges der Verwaltungsgerichtsbarkeit.