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Restschuldbefreiung – Versagung vor Beendigung Insolvenzverfahren

Amtsgericht Wuppertal

Az: 145 IN 453/04

Beschluss vom 17.08.2011


Dem Schuldner wird die Restschuldbefreiung versagt.

Die durch den Versagungsantrag verursachten Kosten des Verfahrens trägt der Schuldner; für die Gerichtskosten haftet jedoch im Verhältnis zur Staatskasse vorrangig der Versagungsantragsteller.

Gegenstandswert (§ 28 RVG): -4.000,00 EUR.

Gründe

I.

Der Schuldner ist selbständiger Architekt. Über sein Vermögen wurde am 12.05.04 das Insolvenzverfahren eröffnet, vgl. Bl. 16 f. GA, welches bis heute noch nicht abgeschlossen ist. Die Stundung wurde unter dem 08.12.05 wegen ausreichender Massekostendeckung aufgehoben, vgl. Bl. 135 GA.

Da der Schuldner weiter freiberufl. als Architekt tätig sein wollte, schlossen der Verwalter und der Schuldner unter dem 24.05.04 eine Freigabevereinbarung, wonach der Schuldner u.a. seine Betriebsergebnisse durch monatliche Einnahmen-Überschussrechnungen nachzuweisen hatte und dem Verwalter ein Einsichtsrecht in die Buchhaltungsunterlagen zukam, sowie der Schuldner -70 % des Betriebsüberschusses, der 1.000 Euro monatlich übersteigt, an den Insolvenzverwalter abzuführen hatte, vgl. Bl. 48 f. GA. In seinem Bericht v. 14.07.11, Bl. 59 GA, gibt der Insolvenzverwalter trotz der Unterschrift des Schuldners auf Bl. 48 GA hingegen an, dass der Schuldner die mehrfach übersandte Freigabe – und Abführungsvereinbarung ihm erst in 2008 unterschrieben zurück gesandt habe, vgl. den Bericht vom 20.10.07 des Insolvenzverwalters, Bl. 176 GA.

Jedenfalls erteilte der Schuldner während der gesamten Dauer der Wohlverhaltensphase keine Auskünfte über seine Einnahmen und führte keine Beträge ab. Der Schuldner musste zudem mehrfach zur Mitwirkung aufgefordert werden, vgl. z.B. Bl. 153 GA. Auch ergingen Vorführbefehle, vgl. z.B. Bl. 166 GA.

Im Termin zur Auskunftserteilung am 29.06.10 erklärte der Schuldner, dass er nicht wisse, warum er die Einnahmen- und Ausgabenrechnungen dem Insolvenzverwalter nicht vorgelegt habe. Diese befänden sich in seinem Büro, seien aber noch nicht vollständig. Auch lese er seine Post nicht mehr, weil ihn das sehr angreife. Dies erledigten seine Söhne, vgl. Bl. 225 GA.

Der Insolvenzverwalter erstattete Strafanzeige gegen den Schuldner. Die Staatsanwaltschaft lehnte hingegen die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens ab, vgl. Bl. 234 GA.

Unter dem 13.07.11 hat das Insolvenzgericht nach Ablauf der Laufzeit der Abtretungserklärung eine 3-Wochenfrist zur Stellung eines Versagungsantrags (vor Beendigung des Insolvenzverfahrens) gesetzt, vgl. Bl. 273 GA.

Die Insolvenzgläubigerin … stellte unter dem 20.07.11 einen Restschuldbefreiungsversagungsantrag unter Bezugnahme auf die Nichterteilung von Auskünften und die Nichtabführung von Gewinnanteilen hins. des freigegebenen Gewerbebetriebs an den Insolvenzverwalter. Insofern berief sie sich auf die eigene Aussage des Schuldners im Termin vom 29.06.10 und den Bericht des Insolvenzverwalters vom 12.07.10, vgl. Bl. 278 GA.

Die Insolvenzgläubigerin Frau B (vgl. Bl. 52 GA) stellte durch ihren Verf.bev. unter dem 28.07.11 einen Versagungsantrag mit gleicher Begründung.

Gleiches gilt für das .. als weitere Insolvenzgläubigerin unter dem 12.08.11. Allerdings verweist das … zusätzl. auf Erklärungs- und Zahlungspflichtverletzungen seitens des Schuldners ihm gegenüber in Bezug auf das freigegebenen Gewerbe, vgl. Bl. 290 ff. GA.

Der Schuldner äußerte sich innerhalb der gesetzten Anhörungsfrist nicht weiter.

II.

1.

Die Versagungsanträge sind zulässig und begründet gem. §§ 300 I, II, 295 II (entsprechend), 35 II, 290 I Nr. 5 InsO.

a)

Die Antragsteller sind alle Insolvenzgläubiger und haben den Antrag binnen der gesetzten Frist gestellt. Einer Glaubhaftmachung bedurfte es aufgrund des unstreitigen Sachverhaltes im Übrigen nicht.

b)

Nach der hier vertretenen Auffassung ist als Versagungsgrund § 290 I Nr. 5 InsO und nicht § 295 II InsO einschlägig. Diesen hat der Schuldner erfüllt (ebenso wie er auch den Versagungsgrund des § 295 II InsO erfüllt hätte, wenn man diesen für einschlägig hielte).

So hat der Schuldner während des Insolvenzverfahrens kein fiktives Nettoeinkommen gem. § 295 II InsO an den Insolvenzverwalter zu zahlen, sondern nur die tatsächlich erzielten Einkünfte im Sinne einer Leistungspflicht. Denn im Insolvenzverfahren besteht keine Erwerbspflicht für den Schuldner, sondern nur die Verpflichtung zur Auskunftserteilung und Mitwirkung gem. § 97 InsO. Auch gehört seine Arbeitskraft nicht zur Masse. Eine solche Erwerbsobliegenheit folgt auch nicht im Restschuldbefreiungsverfahren aus § 295 I, Nr. 1 InsO. Denn die Obliegenheiten dieser Norm beginnen unstreitig erst ab Aufhebung des Insolvenzverfahrens und Ankündigung der Restschuldbefreiung. Das Gesetz nimmt es insofern hin, dass es von der Dauer des Insolvenzverfahrens abhängt, wann eine Erwerbsobliegenheit eingreift. In den Fällen wie dem hiesigen, in denen das Insolvenzverfahren auch noch nach 6 Jahren fortdauert, ist folglich während der gesamten Wohlverhaltensphase keine Erwerbsobliegenheit entstanden. An dieser gesetzlichen Grundsatzentscheidung kann auch § 35 II InsO, welcher § 295 II InsO im Insolvenzverfahren für den selbständig tätigen Schuldner bei Freigabeerklärung durch den Verwalter für entsprechend anwendbar erklärt, nichts ändern, vgl. ebenso zu allem: Wischemeyer, ZInsO 10, 2068 ff., 2071, f.. Daher hat der Schuldner im eröffneten Insolvenzverfahren den tatsächlich erwirtschafteten pfändbaren Anteil seines selbständigen Einkommens gem. §§ 35 II, 295 II InsO an die Masse abzuführen und hierüber Auskunft zu erteilen gem. § 97 InsO. Ein Verstoß begründet einen Versagungsgrund nach § 290 I Nr. 5 InsO.

Dieser Obliegenheit ist der Schuldner unstreitig nicht nachgekommen. Denn der Schuldner erteilte während der gesamten Dauer der Wohlverhaltensphase trotz mehrfacher Aufforderungen seitens des Insolvenzverwalters keine Auskünfte über seine Einnahmen und führte keine Beträge ab. Dies bestätigte er im Termin zur Auskunftserteilung am 29.06.10 ohne die Auskünfte im Folgenden nachzuholen. Einer Glaubhaftmachung bedurfte es folglich nicht.

Die vom Finanzamt angeführte Verletzung der Pflichten aus der aktuellen Selbständigkeit, begründet hingegen keinen Versagungsgrund.

Die allein erforderliche Gläubigergefährdung (vgl. z.B. Hamburger Kommentar, 3. Auflg., § 290, Rn 35) folgt daraus, dass der Schuldner als selbständiger Architekt nach der Lebenserfahrung pfändbares Einkommen erwirtschaftet haben dürfte und zum Gegenteil auch nichts vorgetragen hat.

Die absolute Verweigerungshaltung des Schuldners übersteigt auch die Unwesentlichkeitsgrenze der Obliegenheitsverletzung.

Auch hat sich der Schuldner hinsichtlich des indizierten Verschuldens in Form von Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit durch das Verweigern jeglicher Auskünfte trotz mehrfacher Nachfragen nicht exkulpiert. Die Aussage, er sei überfordert gewesen und habe seine Söhne die Post öffnen lassen, genügt nicht. Vielmehr hätte er sich notfalls um kompetente Hilfe, z.B. durch seinen Steuerberater, bemühen müssen.

2.

Der Gegenstandswert war auf bis 4.000 Euro festzusetzen.

Denn der Gegenstandwert für die Rechtsanwaltsgebühren ist grds. nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des wirtschaftlichen Interesses, welches der Gläubiger mit dem Versagungsantrag verfolgt, zu bestimmen, §§ 28 III, 23 III 2 RVG.

Vertritt der Rechtsanwalt den Gläubiger, so ist als Ausgangsbetrag die Forderung des Gläubigers, von dessen Haftung der Schuldner durch die Restschuldbefreiung frei wird, anzusetzen. Hier ist nur die Antragstellerin Frau … anwaltlich vertreten. Diese hat Forderungen in Höhe von insgesamt 11.663,29 Euro angemeldet. Im Einzelfall sind diese Forderungen jedoch auf einen Bruchteil herabzusetzen, wenn absehbar ist, dass der Schuldner die Forderung niemals vollständig erfüllen wird, vgl. Münchner Kommentar zur InsO, 2. Auflg., § 269, Rn 43.

Inwieweit die Forderungen erfolgreich vollstreckt werden können, ist hier ungewiss. Ergibt sich ein sehr hoher Forderungsbestand und ist wertmäßig nicht abzuschätzen, in welchem Umfang bei unterbliebener Restschuldbefreiung eine Befriedigung erfolgen wird, dann ist der Regelgegenstandswert von 4.000 Euro festzusetzen, vgl. Münchner Kommentar zur InsO, 2. Auflg., § 269, Rn 44.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 4 InsO, § 91 ZPO sowie § 23 Abs. 2 GKG.

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