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Versandverkauf – Sorgfaltsanforderungen bei Übersendung teurer Waren

AG Altötting – Az.: 2 C 180/18 – Urteil vom 13.09.2018

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Streithelferin. Diese hat ihre außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.

4. Der Streitwert wird auf 2.998,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin macht einen Kaufpreiszahlungsanspruch aus abgetretenem Recht geltend.

Der Beklagte und die Fa. KK Königliche Kunst GmbH schlossen am 12.09.2017 einen Kaufvertrag über die Buchreihe „Heilige Schriften III“ zum Preis von 2998 € (vgl. K1). Der entstandene Anspruch der Fa. KK Königliche Kunst GmbH auf Zahlung des Kaufpreises wurde mit Erklärung vom 13.07.2018 an den Kläger, die Fa. KK Media & Art GmbH, abgetreten (vgl. S. 41).

Am 18.09.2017 brachte die mit der Versendung beauftrage Streithelferin, die DHL Paket GmbH, durch ihre Mitarbeiterin K. L. das streitgegenständliche Paket mit der gekauften Buchreihe zum Anwesen des Beklagten nach Burg 29a in 84543 Winhöring. Dort legte sie das Paket in einen Durchgangsbereich zwischen Garage und Garten. Hinsichtlich dieses Ablageorts existierte eine schriftliche Vereinbarung zwischen der Deutschen Post AG und der 2012 verstorbenen Ehefrau des Beklagten. Auf diese Vereinbarung vom 18.06.2002 (Anlage B1, Bl. 19) wird verwiesen.

Die Klägerin mahnte den Beklagten letztmalig am 22.02.2018 (siehe Anlage K12) und forderte ihn auf, den aus seiner Sicht ihm zustehenden Kaufpreis in Höhe von 2998,00 € zu zahlen.

Der Beklagte hatte sich schon vorher darauf berufen, er habe das Paket nicht erhalten. Er hatte der Klägerin eine Frist mit anwaltlichem Schreiben vom 13.11.2017 eine Frist zur Nacherfüllung gesetzt (Anlage K7) und war, nachdem eine solche nicht erfolgte, mit Anwaltschreiben vom 23.11.2017 (Anlage K8) vom Vertrag zurückgetreten.

Die Klägerin trägt vor, dass die Buchreihe die „Heiligen Schriften III“ vereinbarungsgemäß geliefert und am 18.09.2017 am Wunschablageort zugestellt worden sei. Hierbei habe sie dem Beklagten den Besitz an den Schriften verschafft und somit ihrer Pflicht zur Übergabe und Übereignung gem. § 433 I 1 Genüge getan.

Die DHL Paket GmbH als Streithelferin gibt zudem an, dass nach zahlreichen vergangenen Zustellungen am Wunschort keinerlei Reklamation erfolgt seien.

Die Klägerin führt zudem aus, dass der zwischen der verstorbenen Ehefrau des Beklagten und der DHL Paket GmbH vereinbarte Ablagevertrag ohnehin gem. § 1357 für den Beklagten gelten müsse. Jedenfalls aber läge sonst eine Duldungsvollmacht vor.

Zudem trägt die Klägerpartei vor, dass aus ihrer Sicht hier auch keine Pflicht zur besonderen Sicherung der wertvollen Sache bestünde, nachdem die Ware dem Beklagten tatsächlich zugegangen sei. Ohnehin aber reiche die vorgenommene Art der Versendung aus, da es für die Klägerin nicht ersichtlich gewesen sei, dass eine Wunschortvereinbarung zwischen dem Beklagten und der Streithelferin bestanden habe, und sie somit ohnehin von einer klassischen persönlichen Übergabe ausgegangen sei. Schließlich sei der Ablagevertrag nach § 4 Nr. 2 S. 3 der AGB der DHL Paket GmbH der einzige Grund, weshalb es nicht zu einer persönlichen Übergabe gekommen sei.

Die Klägerin hat folgende Anträge gestellt:

I. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2,998,00 € Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 23.02.2018 zu zahlen.

II. Den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 221,00 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte hat kostenpflichtige Klageabweisung beantragt.

Der Beklagte trägt vor, dass die Ware trotz Kaufvertrags vom 12.09.2017 nie an ihn ausgeliefert worden sei. Als vereinbarter Liefertermin sei der 15.09.2017 angegeben worden. Ob er am Tag der Zustellung, dem 18.09.2017 zuhause gewesen sei, könne er nicht mehr sicher sagen. Jedenfalls aber habe er keinen Zustellungsschein erhalten.

Der Beklagte trägt weiter vor, dass er zu keiner Zeit Kenntnis von dem Ablagevertrag zwischen seiner verstorbenen Frau und der Deutschen Post AG gehabt habe. Im letzten Jahr seien vielleicht 5-8 mal Zustellungen im Durchgangsbereich abgelegt wurden. Er habe nie einen Grund gesehen, sich hiergegen zu verwahren.

Der Beklagte führt weiter an, dass es aus seiner Sicht eine vertraglichen Neben-, wenn nicht sogar Hauptpflicht darstelle, wertvolle Ware so zu verpacken und zu kennzeichnen, dass eine persönliche Übergabe zu erfolgen hat. Dies wäre nach Ansicht des Beklagten für den Kläger auch unschwer möglich gewesen.

Hinsichtlich des weiteren Parteivortrages wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst den überreichten Anlagen Bezug genommen.

Das Gericht hat am 05.07.2018 mündlich verhandelt. In dem Termin wurde der Beklagte persönlich angehört. Die bei der Deutschen Post beschäftigte Zeugin L. wurde uneidlich einvernommen. Auf das Sitzungsprotokoll (Bl. 26/31) wird verwiesen.

Beide Parteien haben sich im Nachgang zu der Verhandlung mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt, woraufhin das Gericht am 10.08.2018 beschlossen hat, mit Zustimmung der Parteien ohne (weitere) mündliche Verhandlung zu entscheiden (Bl. 46/47).

Die Klägerin hat der Fa. DHL Paket GmbH mit Schriftsatz vom 06.06.2018 den Streit verkündet. Diese ist dem Rechtsstreit mit Schriftsatz vom 27.06.2018 auf Seiten der Klägerin beigetreten und hat sich den Klageanträgen angeschlossen.

Entscheidungsgründe

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(Symbolfoto: Von Chansom Pantip/Shutterstock.com)

Die zulässige Klage erwies sich als unbegründet.

Aufgrund des berechtigten Rücktritts des Beklagten steht dem Kläger kein Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises gem. § 433 II BGB zu.

Das Gericht gelangt zu dem Ergebnis, dass der Beklagte aufgrund Nichtleistung der Klägerin und der ohne Nachleistung verstrichenen Frist zur Nacherfüllung ihrer Verbindlichkeit berechtigt vom Kaufvertrag zurückgetreten ist, §§ 346 I, 323 I BGB. Der Beklagte ist deshalb von seiner Zahlungsverpflichtung frei geworden.

Der Beklagte hat nach dem Beweisaufnahmetermin vom 05.07.2018 unstreitig gestellt, dass die DHL Paket GmbH durch die Zeugin L., am 18.09.2017 das Paket an den Wohnort des Beklagten auslieferte, wobei dieser jedoch nicht angetroffen wurde. Die Postbotin legte das Paket an dem „Wunschort“ ab, welcher ihr durch den Scanner angezeigt wurde, und warf den ausgedruckten Benachrichtigungszettel in den Postkasten ein. Diese Vorgehensweise ist nicht zu beanstanden, zumal es regelmäßig bei Abwesenheit des Beklagten so gehandhabt wurde.

Dennoch hat der Beklagte im Termin vom 05.07.2018 glaubwürdig versichert, das Paket nicht erhalten zu haben und auch in dem Durchgang neben der Garage oder in der Garage nicht vorgefunden zu haben. Das Gericht geht deshalb davon aus, dass eine unbekannte Person das Paket aus dem nicht versperrten Zugang genommen und entwendet hat.

Den Umstand, dass der Beklagte das Paket mit der Sendung nicht erhalten hat, hat aus Sicht des Gerichts eindeutig die Klägerin zu vertreten. Diese hätte es unschwer in der Hand gehabt, für die sichere Auslieferung des wertvollen Pakets (Kaufpreis.: 2.998 € !!) zu sorgen. Den Absender trifft stets eine Pflicht zur gehörigen Verpackung und Versendung. Hier jedoch wählte die Klägerin trotz des ungewöhnlich hohen Wertes des Pakets eine Standard-Verpackungsart. Im Interesse des Beklagten hätte die Klägerin vorliegend als Nebenpflicht die Verpflichtung getroffen, im Hinblick auf den hohen Wert des Pakets eine Wertpaketverpackung zu wählen. Wäre eine für ein Paket solchen Wertes mögliche Service-Transportversicherung abgeschlossen worden, so wäre nach § 4 II der AGB der DHL nur eine persönliche Aushändigung an den Beklagten und folglich eine ordnungsgemäße Übergabe möglich gewesen. Ein Verkäufer, der außergewöhnlich hochpreisige Kaufgegenstände per Post verschickt, hat als Nebenpflicht in besonderem Maße für den sicheren Zugang Sorge zu tragen. Das Gericht ist überzeugt, dass mit dem Kaufabschluss für Teil III der Schriftenreihe ohnehin eine extreme hohe Gewinnerwartung für die Klägerin verbunden war. Um so mehr war ihr zumutbar, durch die Wahl der Verpackungsart für einen sicheren Zugang zu sorgen. Diese Verpflichtung hat die Klägerin aus Gründen der Gewinnmaximierung schuldhaft verletzt.

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Auch kann sich der Klägerin nicht darauf berufen, dass die persönliche Übergabe nur deshalb scheiterte, weil aufgrund des vermeintlichen Ablagevertrags, von welchem sie nichts wusste, von der DHL eine andere Zustellungsart gewählt wurde. Mit dieser Möglichkeit hätte sie zumindest rechnen können, ohnehin aber hätte die Klägerin durch eine einfache Weisungserteilung an die DHL Paket GmbH für eine persönliche Zustellung sorgen können.

Mithin hat die Klägerin ihre Pflicht gem. § 241 II BGB, die Interessen des B durch eine den sicheren Zugang gewährende Übersendungsart zu wahren, missachtet. Hätte sie im Interesse der anderen Vertragspartei gehandelt, so hätte sie eine persönliche Zustellung veranlasst und wäre somit ihrer Übergabepflicht nachgekommen. Dann hätte der Beklagte auch tatsächlich Besitz an den „Heiligen Schriften III“ erlangt.

So aber war der Beklagte mangels klägerischer Leistung in Form der Übergabe und sodann erfolgter Fristsetzung zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigt.

Aus diesem Grunde war die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §91 I ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Ziff. 11 und 711 ZPO.

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