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Versicherungsfall – unvertretbares Sachverständigengutachten

Oberlandesgericht Koblenz

Az: 10 U 100/07

Urteil vom 16.11.2007


Der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat auf die mündliche Verhandlung vom 26. Oktober 2007 für Recht erkannt:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des Landgerichts Bad Kreuznach vom 12. Dezember 2006 teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 10.671,05 EUR zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 1/5 und die Beklagte 4/5 zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt von der Beklagten Verzugszinsen wegen verspäteter Zahlung von Leistungen aus einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung, und zwar erstrebt er die Verzinsung sowohl für die ihm zu zahlende rückständige Rente als auch für die von ihm bis zur schließlich erfolgten Anerkennung seiner Berufsunfähigkeit durch die Beklagte gezahlten Beiträge. Das Landgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung.

II.

Die zulässige Berufung ist teilweise begründet.

Das Rechtsmittel hat Erfolg, soweit die Beklagte sich dagegen wendet, dass dem Kläger auch auf die vertragsgemäß von ihm weiter gezahlten Versicherungsprämien Zinsen zuerkannt wurden. Der vom Landgericht hier angenommene Anspruch gemäß §§ 812, 818 Abs. 1 BGB kommt nicht in Betracht. Sowohl die Verpflichtung zur Fortzahlung der Versicherungsbeiträge während der Zeit der Prüfung, ob ein Versicherungsfall vorliegt, als auch deren Rückzahlung nach Feststellung des Versicherungsfalles sind in § 1 Nr. 4 der Besonderen Bedingungen für die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung der Beklagten, die Bestandteil des zwischen den Parteien bestehenden Versicherungsvertrages sind, geregelt. Da somit ein vertraglicher Rückzahlungsanspruch besteht, scheiden gesetzliche Ansprüche auf Rückforderung, insbesondere solche aus ungerechtfertigter Bereicherung, aus (BGH Urteil vom 25.10.1989 – Az: IVa ZR 221/88; Urteil vom 26.2.1992 – Az: IV ZR 339/90). Ein Verzug der Beklagten in Bezug auf die Rückzahlung der weiter geleisteten Prämien ist nicht erkennbar. Damit scheidet auch eine Verzinsung aus diesem Grunde aus.

Keinen Erfolg hat die Berufung, soweit die Beklagte sich gegen eine Verzinsung der rückständigen Rentenbeträge wendet. Entgegen ihrer Auffassung geriet sie durch die Ablehnung ihrer Leistungspflicht trotz Vorliegens der Voraussetzungen in Verzug. Ihrer Auffassung, in Bezug auf ihre Nichtleistung treffe sie kein Verschulden, da sie nicht habe erkennen können, dass die Voraussetzungen ihrer Leistungspflicht vorlagen, weil der von ihr beauftragte Sachverständige das Vorliegen des Versicherungsfalles verneint habe, kann nicht gefolgt werden.

Zum einen sind der Beklagten Fehler des von ihr beauftragten Sachverständigen im Rahmen der Verschuldensprüfung zuzurechnen. Der von ihr beauftragte Sachverständige, der den Gesundheitszustand des Klägers und die sich daraus ergebenden Konsequenzen für das Versicherungsverhältnis überprüfen sollte, handelte insoweit als Erfüllungsgehilfe der Beklagten, für den diese gemäß § 278 BGB einzustehen hat. Nach dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. A. ist die in dem zunächst von der Beklagten eingeholten Gutachten des Dr. B. enthaltene Bewertung wissenschaftlich nicht haltbar. Damit ist dieses Gutachten als grob fehlerhaft anzusehen, so dass festzustellen ist, dass die in ihm enthaltene Beurteilung des Gesundheitszustandes des Klägers schuldhaft falsch war. Dies muss sich die Beklagte zurechnen lassen, so dass sie durch die auf der Grundlage dieses Gutachtens ausgesprochene Ablehnung der Ansprüche des Klägers in Verzug geriet.

Ein verzugsbegründendes Verschulden kann aber auch auf Seiten der Bediensteten der Beklagten darin gesehen werden, dass diese gestützt auf das Gutachten des Dr. B. die begründeten Leistungsansprüche des Klägers abgelehnt haben. Es kann auch hier nicht davon ausgegangen werden, dass die Bediensteten der Beklagten, die über die Ansprüche des Klägers entschieden haben, sich in einem unverschuldeten Rechtsirrtum befunden hätten, weil sie gestützt auf das Gutachten des Dr. B. davon hätten ausgehen können, dass eine Berufsunfähigkeit des Klägers nicht vorliege. Unverschuldet ist ein Rechtsirrtum dann, wenn der Versicherer nach sorgfältiger Prüfung der Sach- und Rechtslage mit einem Unterliegen im Rechtsstreit nicht zu rechnen braucht. Der Versicherer verschuldet den Verzug dann, wenn sich seine Deckungsablehnung bei objektiver Beurteilung nicht durch ausreichende Tatsachen stützen lässt. So muss der Versicherer auch die Beweisbarkeit der von ihm behaupteten Tatsachen berücksichtigen. Er kommt in Verzug, wenn er mit der Beweismöglichkeit nicht einigermaßen sicher rechnen konnte (Gruber in Berliner Kommentar zum VVG § 11 Rdn. 35, 36, 37; Römer in Römer/Langheid VVG, 2. Aufl. § 11 Rdn. 26/27; Prölss in Prölss/Martin VVG 27. Aufl. § 11 Rdn. 18/19). Umgekehrt gerät er aber auch dann in Verzug, wenn er aufgrund der vorliegenden Unterlagen damit rechnen muss, dass dem Versicherungsnehmer der von diesem zu erbringende Nachweis für die Begründetheit seiner Ansprüche durchaus gelingen kann. Vorliegend hatte die Beklagte im Zeitpunkt ihrer Ablehnungsentscheidungen einander widersprechende ärztliche Stellungnahmen vorliegen, ohne dass für sie erkennbar war, dass die Stellungnahme des von ihr beauftragten Arztes richtiger war als die Stellungnahmen der den Kläger behandelnden Ärzte. Bei der gebotenen sorgfältigen Prüfung der ihr vorliegenden Unterlagen musste sich die Beklagte bei dieser Sachlage sagen, dass die Frage der Berufsunfähigkeit des Klägers zumindest zweifelhaft sei und dass sie in einem Rechtsstreit damit unterliegen könnte. Damit hatte sie die Verweigerung ihrer Leistung zu vertreten. Es kann ihr nicht gestattet sein, das Risiko einer zweifelhaften Sach- und Rechtslage dem Kläger zuzuschieben (BGH Urteil vom 27.9.1989 – AZ: IVa ZR 156/88).

Auf die Berufung der Beklagten ist das landgerichtliche Urteil damit insoweit abzuändern, als dem Kläger auch eine Verzinsung der von ihm weitergezahlten Versicherungsbeiträge zuerkannt wurde. Im Übrigen ist die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92, 97, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen gemäß § 543 Abs. 2 ZPO n. F. nicht gegeben sind.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 13.649,04 EUR festgesetzt.

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