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Versicherungsvertreter – Rückzahlung von Provisionsvorauszahlungen

Landgericht Freiburg

Az: 1 O 312/07

Urteil vom 20.03.2008


In dem Rechtsstreit wegen Rückforderung u.a. hat die 1. Zivilkammer des Landgerichts Freiburg auf die mündliche Verhandlung vom 06. März 2008 für Recht erkannt:

1. Der Beklagte 1 wird verurteilt, an die Klägerin € 488.372,04 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit 12. Oktober 2007 zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Der Beklagte 1 hat von den Gerichtskosten, den außergerichtlichen Kosten der Klägerin und seinen eigenen außergerichtlichen Kosten 14,2 % zu tragen. Die übrigen Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die klagende Versicherung nimmt den Beklagten 1 auf Rückzahlung einer Versicherungsvertreterausgleichszahlung in Anspruch und verlangt Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten wegen Kündigungen von Versicherungsnehmern der Klägerin; ferner verlangt sie von den Beklagten die Unterlassung bestimmter Einflussnahmen auf Kunden der Klägerin.

Der Beklagte 1 war seit 1973 für die Klägerin im Außendienst tätig, seit Mitte 1987 als Versicherungsvertreter. Der Vertrag enthält in § 9 Abs. 2 folgende Klausel:

„Der Vertreter verpflichtet sich, nach einer eventuellen Beendigung des Vertragsverhältnisses keine Versuche zu unternehmen, Angestellte oder Vertreter der x zu einer Tätigkeit für ein anderes Unternehmen zu veranlassen. Desgleichen verpflichtet er sich, in dem von ihm für x betreuten Bestand keine unzulässige Werbung zu betreiben.“

Mit ausdrücklicher Zustimmung der Klägerin durfte der Beklagte 1 die Übernahme von Risiken, die die Klägerin nicht versicherte, anderen Versicherern anbieten. In diesem Zusammenhang bestanden zuletzt circa 180 Makler- und Betreuungsverträge. Außerdem war der Beklagte 1 mit Zustimmung der Klägerin zu diesem Zweck an einer Fremdversicherungen verwaltenden, von ihm gegründeten xxx beteiligt, über die Kunden Versicherungen anderer Versicherer als der Klägerin vermittelt wurden.

Er schied bei der Klägerin Ende 2006 wegen Erreichens der Altersgrenze aus und erhielt nach § 89 b Abs. 5 HGB eine Ausgleichszahlung in Höhe von € 925.981,18, die nach von den Spitzenverbänden der Versicherungswirtschaft und des Versicherungsaußendienstes erarbeiteten Grundsätzen (im folgenden „Grundsätze“) ermittelt worden war.

VII. der Grundsätze lautet wie folgt:

„Da bei Befriedigung des Ausgleichsanspruchs davon ausgegangen wird, daß der wirtschaftliche Vorteil des ausgeglichenen Bestandes dem Versicherungsunternehmen verbleibt, wird vorausgesetzt, daß der Vertreter keine Bemühungen anstellt oder unterstützt, die zu einer Schmälerung des Bestandes führen, für den er einen Ausgleich erhalten hat.“

Die Beklagten 2 und 3 sind die Söhne des Beklagten 1.

Nach längeren Verhandlungen mit einem entscheidenden Gespräch im Herbst 2006 schloss die Klägerin mit dem Beklagten 2 am 19. Dezember 2006 einen Agenturvertrag mit Wirkung ab 1.1.2007 und übertrug auf ihn den gesamten, bis Jahresende 2006 vom Beklagten 1 betreuten Versicherungsvertragsbestand. Aufgrund Nachtragsvertrages durfte auch der Beklagte 2 sich an der xx beteiligen.

Aufgrund der Tätigkeit für die Klägerin war für den Beklagten 2 mit einem jährlichen Provisionseinkommen in Höhe von mehr als € 700.000,- zu rechnen. Diesen Vertrag hat der Beklagte 2 zum 31. Dezember 2007 gekündigt.

Der Beklagte 3 ist seit etwa 2004 als Versicherungsmakler tätig.

Alle drei Beklagten sind unter gleicher Büroadresse erreichbar.

Bereits am 22. November 2006 hatte die Klägerin bekannt gegeben, dass sie mit Ablauf des Jahres 2007 ihr Vertriebssystem ausgliedern werde. Seit 1. Januar 2008 obliegt der Vertrieb einer Vertriebsgesellschaft, deren von der Klägerin gehaltene Anteile später auf die xxx übergehen sollen, an der der Mutterkonzern der Klägerin beteiligt ist. Dadurch verliert die Tätigkeit der xxx an Bedeutung.

Nachdem der Beklagte 1 seine Ausgleichszahlung erhalten hatte, schlossen in der Zeit vom 22. Februar bis 2. August 2007 nahezu alle der bis Ende 2006 vom Beklagten 1 betreuten Kunden der Klägerin Maklerverträge mit dem Beklagten 3. 74 dieser Verträge, betreffend 74 Kunden mit 373 Versicherungsverträgen mit einem Prämienvolumen von rund 2 Mio. €, unterzeichnete der Beklagte 1 für den Beklagten 3. Möglicherweise unterzeichnete der Beklagte Ziff. 2 Maklerverträge zumindest mit den vom Beklagten 3 angeschriebenen drei Kunden der Klägerin vvvvv (K 4).

Am 6. August 2007 erhielt die Klägerin vom Beklagten 32.398 auf den 3. August 2007 datierte Kündigungen bestehender Versicherungsverträge frühestens zum 31. Dezember 2007, alle aus dem vormals vom Beklagten 1 betreuten Bestand, mit einem Jahresprämienvolumen von 3,9 Mio. €. Zwischen dem 25. Juli und 26. September 2007 schloss der Beklagte 3 weitere 103 Maklerverträge und kündigte kraft Vollmacht 282 weitere Versicherungsverträge. Insgesamt macht dies ungefähr die Hälfte des ursprünglich vom Beklagten 1 betreuten Vertragsbestandes aus.

Der verbliebene Stand nach der ersten Abwerbewelle hätte nur zu einem Ausgleichsanspruch des Beklagten 1 in Höhe von € 492.055,94, nach einer zweiten Welle in Höhe von € 437.609,14 geführt.

Die KIägerin wirft den Beklagten vor, der Beklagte 1 habe planmäßig unter Einsatz der „willfährigen“ Beklagten 2 und 3 den Bestand an Versicherungsverträgen der Klägerin geplündert, und zwar aufgrund eines bereits im November 2006 getroffenen Entschlusses, obwohl im Zuge der Vertragsbeendigung die Klägerin und der Beklagte 1 übereinstimmend die Anwendung der „Grundsätze“ vorgesehen und den strittigen Ausgleichsbetrag festgestellt hätten. Damit sei gegen die Nachfolgeregelung verstoßen worden.

Sie behauptet, die drei Verträge mit vvvvv trügen die Unterschrift des Beklagten 2.

Sie ist der Auffassung, da der Versicherungsvertreter einen Ausgleich für den Verlust von Provisionen für die Vermittlung neuer Verträge erhalte und nach den „Grundsätzen“ bei Befriedigung des Ausgleichsanspruches davon ausgegangen werde, dass der wirtschaftliche Vorteil des ausgeglichenen Bestandes dem Versicherungsunternehmen verbleibe und der Vertreter keine Bemühungen anstelle oder unterstütze, die zu einer Schmälerung des Bestandes führen, für die er einen Ausgleich erhalten habe, bestünde entweder eine Art Wettbewerbsverbot für den Versicherungsvertreter oder der schon gezahlte Ausgleich könne zurückgefordert werden.

Die „Grundsätze“ seien den Beklagten 1 und 3 bekannt, dem Beklagten 1 schon als Mitglied des nnnnnnn., der seine Mitglieder zur Vereinbarung der Grundsätze anhalte und sie darüber informiere. Sie hätten kraft Parteivereinbarung Wirksamkeit. Jedenfalls aber habe die Klägerin nur unter Geltung der „Grundsätze“ einen Ausgleich gewähren wollen und deshalb, falls sie nicht gelten sollten, ohne Rechtsgrund geleistet. Außerdem hätte ein bei der Klägerin geführter Verein XXXXX, dessen Mitglied der Beklagte 1 war, stets darauf hingewiesen, die Entgegennahme einer nach den „Grundsätzen“ ermittelten Abfindung verpflichte dazu, den eigenen Versicherungsbestand nach dem Ausscheiden unangetastet zu lassen.

Die Kenntnis der „Grundsätze“ ergebe sich außerdem aus ihrer Erwähnung in der mit dem Beklagten 2 geschlossenen Vereinbarung und aus der Korrespondenz an lässlich der Ermittlung des dem Beklagten 1 zustehenden Ausgleichsanspruchs (Anlage 1 zum SS vom 18. Februar 2008).

Für den Übergang der Agentur sei zwischen den Parteien am 17. Juli 2006 verbindlich das „xxx“ vereinbart worden. (Dabei handelt es sich nach den Schilderungen der Klägerin auf S. 2 – 4 ihres Schriftsatzes vom 21. Dezember 2007 um ein Modell, nach dem sich auf Außendienstmitarbeiterseite der Generationswechsel derart vollzieht, dass der scheidende Mitarbeiter eine Abfindung und der neu hinzukommende den Versicherungsbestand des Ausscheidenden bekommt.)

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Auch deshalb, weil die Rechtsgrundlage infolge dieser nachträglichen Äquivalenzstörung entfallen sei – oder wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage -, sei der dem Beklagten 1 zugeflossene Betrag an die Klägerin zurückzuzahlen. Außerdem schulde der Beklagte 1 den geltend gemachten Betrag als Teil des für das erste Jahr in Höhe von 1,3 Mio € eingetretenen Schadens.

Alle drei Beklagten hafteten nach wettbewerbsrechtlichen Regeln und unerlaubter Handlung nach §§ 830, 840 BGB auf Schadensersatz, weil das Abwerben wettbewerbswidrig sei, und zwar deshalb, weil der Beklagte 2 und seine Mittäter sich nach §§ 86,90,92 a HGB jeglichen Wettbewerbs hätten enthalten und jeden Abwerbeversuch hätten unterbinden müssen. Im Übrigen seien die Beklagten heimlich in den betriebsinternen Schutzbereich eingedrungen; die Beklagten 1 und 3 hätten den Beklagten 2 zum Vertragsbruch verleitet und schlagartig Kunden zu einem Wechsel veranlasst.

Die Klägerin beantragt,

1. den Beklagten 1 zu verurteilen, an die Klägerin € 925.981,18 zuzüglich Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszins seit 15. Februar 2007 zu zahlen,

2 festzustellen dass die Beklagten 1 – 3 als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin sämtliche Schäden zu ersetzen, die dieser infolge der 2.398 Versicherungsvertrags-Kündigungen vom 3. August 2007 erwachsen,

3. den Beklagten 1 – 3 aufzugeben, es bei Meidung des jeweils höchstzulässigen Ordnungsmittels zu unterlassen, Versicherungskunden der Klägerin dazu zu bewegen, mit ihnen – den Beklagten – Maklerverträge abzuschließen und/oder ihnen die Vollmacht zu erteilen, Versicherungsverträge mit der KIägerin zu kündigen, soweit es sich um solche Versicherungsverträge handelt, die am 31. Dezember 2006 ungekündigt waren und bis zu diesem Zeitpunkt vom Beklagten 1 betreut wurden.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten 1 und 3 machen geltend, der radikale Wechsel des Vertriebssystems der Klägerin und ihrer Geschäftsausrichtung durch Konzentration auf das Vorsorgegeschäft und die Schaffung von für den strukturierten Vertrieb typischen Absatzstrukturen hätten sich verheerend auf die Agentur des Beklagten 2 ausgewirkt, weil nunmehr die Möglichkeit, außer als Vertreter der Klägerin als Makler tätig zu sein, entfallen sei.

Erst als der Beklagte 2 eine vom Beklagten 1 nicht mittragbare zurückhaltende Haltung gegenüber der Klägerin gezeigt habe, habe sich der Beklagte 1 im Jahre 2007 entschlossen, ein Angebot des Beklagten 3 anzunehmen, in sein Maklergeschäft einzusteigen.

Die Beklagten hätten sich nicht unbefugt Kundendaten der Klägerin beschafft oder auf Kundelisten der Klägerin zurückgegriffen, vielmehr habe der Beklagte 1 aufgrund seiner langjährigen Tätigkeit für die Klägerin und aufgrund des von ihm unterhaltenen Büros für Arbeitssicherheit über jahrzehntelang gewachsene Kontakte zu den kirchlichen Großkunden der Klägerin verfügt und Namen und Anschriften eines Großteils im Gedächtnis präsent und in seiner Kundendatei des Büros für Arbeitssicherheit gehabt. Ferner habe er sich der Personalschemata des xxxx bedient und diese Daten ergänzt. Ergänzend habe der Beklagte 3 Adressen von Großkunden genutzt, die mit bei der Klägerin nicht platzierbaren Risiken anderweitig versichert waren, und Adressen zugekauft. Weiteren Zulauf habe der Beklagte 3 über eine Informationskampagne anlässlich der Änderung des Versicherungsvermittlerrechts zum 22. Mai 2007 gehabt.

Die Klägerin habe an den gekündigten Verträgen gar kein wirtschaftliches Interesse mehr gehabt, wie ihre Untätigkeit nach Erhalt der Kündigungen zeige.

Die „Grundsätze“ seien dem Beklagte 1 unbekannt gewesen und nicht vereinbart worden.

Der Beklagte 2 macht geltend, er habe angesichts der Unzufriedenheit von Kunden mit der von der Klägerin vorgenommenen Umstrukturierung einen Großteil seiner Arbeitskraft dazu verwendet, intensive Betreuungsgespräche mit abwanderungswilligen Kunden zu führen; nahezu bei allen sei die Vertriebsumstrukturierung auf einhellige Ablehnung gestoßen.

Zu keinem Zeitpunkt habe er mit den Beklagten 1 und 3 vereinbart, Kunden der Klägerin anderweitig abzuwerben. Er habe den Beklagten 1 und 3 auch keine Kundendaten aus seinem Versicherungsbestand weitergegeben. Im Übrigen sei die Klägerin auch nicht bereit gewesen, einzelne abgewanderte Kunden wieder bei sich aufzunehmen (vgl. Absagen B 1- 3) und habe insgesamt kein Interesse mehr, die privaten Risiken der kirchlichen Mitarbeiter zu versichern.

Falls die Verträge vvvvvv seine Unterschrift trügen, sei dies darauf zurückzuführen, dass sie ihm versehentlich zur Unterschriftsleistung vorgelegt worden seien, was er angesichts der Vielzahl täglich zu leistender Unterschriften nicht bemerkt habe.

Wegen der weiteren Feststellungen wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Klage ist nur zum Teil und dies nur gegen den Beklagten 1 begründet..

1. Antrag 1

Die Klägerin kann vom Beklagten 1 nur Rückzahlung eines Teils des gezahlten Handeisvertreterausgleichs verlangen.

1.1 Ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung steht der Klägerin nicht zu.

1.1.1 Ein Anspruch aus Leistungskondiktion scheitert schon daran, dass die Zahlung an den Beklagten 1 mit Rechtsgrund erfolgte, denn die Parteien waren sich unstreitig über den Ausgleich und dessen Höhe einig. Diese Vereinbarung besteht nach wie vor.

Der in der Vereinbarung liegende Rechtsgrund ist nicht deswegen entfallen, weil – wie die Klägerin meint – eine nachträgliche Äquivalenzstörung nach § 138 BGB zur Nichtigkeit der Vereinbarung geführt hätte. Für § 138 Abs. 2 BGB fehlt es bei der Klägerin als einem erfahrenen Versicherungsunternehmen an den dort aufgeführten Merkmalen. Ob das Vorgehen des Beklagten 1 gegen die guten Sitten im Sinne von § 138 Abs. 1 BGB verstieß, kann an dieser Stelle dahinstehen, denn es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass bei der Beurteilung der Sittenwidrigkeit einer Vereinbarung grundsätzlich auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts abzustellen ist (BGH 20.09.199311 ZR 104/92 = BGHZ 123, 281). Für diesen Zeitpunkt ist eine Äquivalenzstörung nicht feststellbar.

1.1.2 Ein Anspruch nach § 812 Abs. 1 Satz 2 2. AT BGB (Zweckverfehlung) scheitert daran, dass die Parteien sich über den Zweck der Ausgleichszahlung, nämlich (auch) den Versicherungsbestand der Klägerin zu bewahren, nicht geeinigt haben (vgl. zu diesem Erfordernis BGH 10.11.2003 II ZR 250/01 = NJW 2004, 512). Vereinbart wurde VII. der „Grundsätze“ zwischen den Parteien nämlich nicht.

1.2 Der Klägerin steht auch kein Anspruch auf Schadensersatz wegen nachvertraglicher Pflichtverletzung zu, denn der Beklagte 1 war vertraglich nicht dazu verpflichtet, den von ihm der Klägerin vermittelten Versicherungsbestand nach Beendigung des Vertreterverhältnisses unangetastet zu lassen.

1.2.1 Ein ausdrückliche Wettbewerbsabrede, die den Beklagten 1 in seiner gewerblichen Tätigkeit nach Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses mit der Klägerin entsprechend beschränkt hätte, haben die Parteien unstreitig nicht getroffen. § 9 Abs. 2 des Vertrages enthält eine solche Beschränkung nicht.

1.2.2 Eine Ausgleichszahlung an den Versicherungsvertreter allein führt nicht zu einer Wettbewerbsbeschränkung (beispielsweise OLG Hamm 12.01.1989 4 U 77/88 = BB 1989,1221).

1.2.3 Ein Unterlassungspflichten durch Bezugnahme auf die „Grundsätze“ konkludent begründetes nachvertragliches Wettbewerbsverbot liegt nicht vor. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob eine nach oder zur sofortigen Beendigung des Vertragsverhältnisses getroffene Wettbewerbsbeschränkung der Form des § 90 a HGB bedarf (bejahend OLG Köln 23.08.1996 22 U 10/96 = VersR 1998, 97, verneinend BGH 05.12.1968 VII ZR 102/66 = BGHZ 51, 184). Selbst wenn die Wettbewerbsbeschränkung nicht formbedürftig wäre, ist aber jedenfalls erforderlich, dass sich die Parteien mit hinreichender Deutlichkeit über die in § 90 a Abs. 1 HGB angesprochenen Punkte einigen. Das ist nicht erfolgt.

Eine solche Einigung dem Zusammenspiel von Ausgleichsvereinbarung, Nachfolgeregelung und den „Grundsätzen“ zu entnehmen, genügt den Anforderungen an eine vertragliche Vereinbarung nicht.

Die Grundsätze sind auch nicht durch ihre schlichte Erwähnung in der Überschrift einiger der von der Klägerin vorgenommenen Berechnungen (Anlagen 3, 5 zum klägerischen Schriftsatz vom 18. Februar 2008) oder durch die Bezugnahme auf ein Abkommen zwischen dem Gesamtverband der Versicherungswirtschaft und den Vermittlerverbänden (vgl. Anlage 9 zum genannten Schriftsatz) in die Ausgleichsvereinbarung einbezogen worden, denn dafür fehlt es am Vorliegen der in § 305 Abs. 2 BGB aufgeführten Umstände.

1.3 Ein auf Zahlung des genannten Betrages gerichteter deliktischer Schadensersatzanspruch scheitert daran, dass dem Beklagten im Zusammenhang mit einer Abwerbung von Kunden der Klägerin kein Verstoß gegen eine sonstige Pflicht zur Last fällt, die nach § 823 Abs. 1 BGB (unter dem Gesichtspunkt des Eingriff in den Gewerbebetrieb), § 823 Abs. 2 BGB oder § 826 BGB den Beklagten 1 zum Schadensersatz verpflichten würde.

Insbesondere verstieß das Verhalten des Beklagten 1 (und erst recht des Beklagten 3) nicht gegen § 4 Nr. 10 UWG.

Für die Annahme eines nach dieser Vorschrift unlauteren Verhaltens ist es nicht ausreichend, dass der Versicherungsvertreter gezielt versucht, dem Unternehmer, mit dem er früher zusammengearbeitet hat, die Kunden auszuspannen. Denn die Klägerin hat aus wettbewerbsrechtlicher Sicht grundsätzlich keinen Anspruch auf den Fortbestand eines einmal begründeten Vertragsverhältnisses. Der Kundenkreis ist kein geschütztes Rechtsgut. Der Kaufmann muss mit einer Kündigung seiner Kunden und dem Wettbewerb seiner Mitbewerber rechnen. Das Abwerben von Kunden gehört zum Wesen des Wettbewerbs, auch wenn die Kunden noch an den Mitbewerber gebunden sind. Das Bestimmen zu ordnungsgemäßer Vertragsauflösung unter Beachtung der gesetzlichen oder vertraglichen Kündigungsfristen ist daher wettbewerbsrechtlich grundsätzlich nicht zu beanstanden (zu allem BGH 08.11.2001 I ZR 124/99 = GRUR 2002,548 ff „Mietwagenkostenersatz“) .

Wettbewerbswidrig wird ein Einbrechen in fremde Vertragsbeziehungen erst dann, wenn besondere Unlauterkeitsumstände hinzutreten (BGH aaO). Das planmäßige Eindringen in fremde Versicherungsbestände ist zwar nach Nr. 56 der Wettbewerbsrichtlinien der Versicherungswirtschaft unzulässig, aber deshalb noch nicht unlauter (BGH 8.11.1990 I ZR 48/89 = GRUR 1991, 462; BGH 28.1.1993 – I ZR 294/90 = NJW 1993, 1786 „Mietwagenersatz“; Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 25. Auflage 2007, Randnummer 10.46 zu § 4 UWG).

Dass nach der Behauptung der Klägerin die Beklagten beim Beklagten 1 vorhandenes Adressenmaterial verwendet haben sollen, reicht für die Annahme von Unlauterkeit nicht aus. Zwar ist zutreffend, dass die Daten von Kunden, die der Beklagte 1 der Klägerin vermittelt hat, nicht ihm sondern der Klägerin „gehören“, für die der Beklagte 1 tätig war. Zwischen der Klägerin und den Kunden besteht das dafür relevante Vertragsverhältnis, nicht zwischen den Kunden und dem Beklagten 1. Ein vertrags- oder wettbewerbswidriges Verhalten liegt aber jedenfalls dann nicht vor, wenn ein ausgeschiedener Vertreter Kundenadressen verwertet, die in seinem Gedächtnis geblieben sind (BGH 14.1.1999 I ZR 2/97 = NJW-RR 1999, 1131 ‚Weinhändler“). Erst recht ist die Nutzung von Daten zu Wettbewerbszwecken, über die der Beklagte 1 unwiderlegt aus seinem Büro für Arbeitssicherheit verfügte oder von Daten, die er sich aufgrund seiner Kontakte zu den von ihm betreuten kirchlichen Kreisen beschaffte, nicht unlauter.

1.4 Allerdings kann die Klägerin nach § 313 Abs. 1 BGB eine Anpassung der nach den „Grundsätzen“ ermittelten und entsprechend zwischen ihr und dem Beklagten 1 vereinbarten Ausgleichszahlung verlangen, denn durch die mit Beteiligung des Beklagten 1 durch den Beklagten 3 erfolgte Abwerbung hat sich zumindest die objektive Geschäftsgrundlage geändert (vgl. dazu z. B. Jauernig, BGB, 12. Auflage 2007, Anmerkung 3 zu § 313).

1.4.1 Dass der Beklagte 1, wenn er sich mit der nach den „Grundsätzen“ ermittelten Ausgleichszahlung einverstanden erklärt und sie angenommen hat, jedenfalls für eine gewisse Zeit den von ihm der Klägerin vermittelten Bestand unangetastet lässt, ist objektiv Geschäftsgrundlage der Ausgleichsvereinbarung geworden. Damit haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrages geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert, und die Parteien hätten den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, hätten sie diese Veränderung vorausgesehen.

1.4.1.1 Es unterliegt keinem Zweifel, dass die Klägerin, als sie nach den „Grundsätzen“ den Ausgleichsanspruch des Beklagten 1 errechnete, davon ausging, dass der Beklagte 1 keine Bemühungen anstellen oder unterstützen würde, die zu einer Schmälerung des Bestandes führen, für den er einen Ausgleich erhalten hat.

1.4.1.2 Dieser Umstand allein macht eine der Erwartung entsprechende Verhaltensweise des Beklagten 1 zwar noch nicht zur Geschäftsgrundlage; vielmehr musste sie jedenfalls nach der Rechtsprechung vor Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes grundsätzlich auch in den dem Ausgleichsvereinbarung zugrunde liegenden Geschäftswillen des Beklagten 1 aufgenommen werden (vgl. BGH 16.02.1989 IX ZR 256/87 = NJW-RR 1989, 753), Diese Aufnahme in seinen Geschäftswillen stellt der Beklagte 1 mit der behaupteten Unkenntnis der „Grundsätze“ in Abrede. Schon nach früherem Recht war aber die Feststellung der Umstände, auf die sich der Geschäftswille aufbaut, kein empirisch-psychologischer, sondern ein wertender Vorgang (Palandt, BGB, 61. Auflage 2002, Randnummer 122 zu § 242); die Umstände, die für einen Vertrag als sinnvolle Regelung von ausschlaggebender Bedeutung sind, gehörten in wertender Beurteilung auch dann zur Geschäftsgrundlage, wenn sie von den Vertragsparteien während ihrer Verhandlungen nicht angesprochen worden sind (BGH 05.01.1995 IX ZR 85/94 = BGHZ 128, 237). Erst Recht gilt dies nach der die Geschäftsgrundlage objektiv regelnden Formulierung von § 313 Abs. 1 BGB.

1.4.1.3 Diese Geschäftsgrundlage hat sich bei einer an Treu und Glauben orientierten Betrachtung nach Auffassung der Kammer maßgeblich geändert. Der dem Beklagten 1 gewährte Ausgleich gründete sich auch auf die Annahme der Klägerin, der Beklagte werde ihren Bestand an Versicherungsverträgen respektieren. Auch dafür erhielt der Beklagte 1 seinen Ausgleich. Damit wäre es nicht vereinbar, könnte er zwar in den Bestand eingreifen und ihn „abgraben“, gleichwohl aber den ihm auch für ein Unterlassen solcher Aktivitäten geleisteten Ausgleich behalten. Das wäre eine mit der Ausgleichsvereinbarung nicht vereinbare Äquivalenzstörung.

1.4.2 Bei der nach § 313 Abs. 1 BGB von der Kammer vorzunehmenden Vertragsanpassung orientiert sich die Kammer daran, dass der nach den „Grundsätzen“ ermittelte Ausgleichsanspruch des Beklagten, hätte er lediglich einen Ausgleich für die bei der Klägerin nach der „zweiten Abwerbewelle“ verbliebenen Verträge erhalten, lediglich € 437.609,14 betragen. Damit hat der Beklagte 1 der Klägerin die Differenz zum erhaltenen Ausgleich mit € 488.372,04 zu erstatten.

1.4.3 Soweit die Klägerin geltend gemacht hat, nach der „zweiten Abwerbewelle“ sei es zu weiteren Abwerbungen gekommen, ist dies nicht hinreichend substantiiert, um einen höheren Rückzahlungsanspruch zu begründen.

2. Der Antrag 2 ist unbegründet.

2.1 Für den gegen den Beklagten 1 gerichteten Feststellungsantrag gilt dies aus den bereits unter 1.2 dargelegten Gründen. Ihm fällt eine mit einer Schadensersatzpflicht sanktionierte Pflichtverletzung nicht zur Last.

2.2 Auch der Beklagte 2 ist nicht schadensersatzpflichtig. Einziger von der Klägerin vorgetragener objektiver Umstand für eine Schadensersatzpflicht ist die Tatsache, dass der Beklagte 2 bei drei Abschlüssen von Maklerverträgen zwischen dem Beklagten 3 und Kunden der Klägerin mitgewirkt hat. Dies wäre, träfe es zu, weder vom Umfang noch von der Intensität her ein anspruchsauslösendes Verhalten. Schon gar nicht rechtfertigt es die von der Klägerin begehrte Feststellung einer Ersatzpflicht für die Folgen von 2.398 Vertragskündigungen.

2.3 Dass der Beklagte 3 als unabhängiger Makler sich vertragsrechtlich nicht schadensersatzpflichtig gemacht hat, liegt auf der Hand. Deliktsrechtlich haftet er nicht nach § 830 BGB, weil es an einer unerlaubten Handlung fehlt, an der er beteiligt sein könnte.

3. Der Antrag 3 ist ebenfalls unbegründet, denn die Klägerin verlangt von den Beklagten Unterlassung von nach den obigen Ausführungen erlaubter, lediglich zu einer Anpassung der Ausgleichsvereinbarung führender Maßnahmen.

4. Unbegründet ist die Klage auch, soweit die Klägerin mehr als die zugesprochenen Zinsen verlangt. Zu einem Verzug vor Rechtshängigkeit fehlt jeder Tatsachenvortrag. Eine für einen Anspruch auf Verzinsung mit 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz erforderliche Entgeltforderung (vgl. § 288 Abs. 2 BGB) liegt nicht vor.

II.

Die Einwände, die der Beklagte 1 in seinem Schriftsatz vom 18. März 2008 erhebt, stehen der Annahme einer Änderung der Geschäftsgrundlage nicht entgegen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91, 92, 100 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.


In dem Rechtsstreit wegen Rückforderung u.a.
1. Auf den Antrag der Klägerin wird der Tatbestand des Urteils vom 20. März 2008 wie folgt korrigiert:

zu 1. Der Satz „Mit ausdrücklicher Zustimmung der Klägerin durfte der Beklagte 1 die Übernahme von Risiken, die die Klägerin nicht versicherte, anderen Versicherer anbieten“ wird wie folgt gefasst

„Nach der Behauptung des Beklagte 2 durfte der Beklagte 1 die Übernahme von Risiken, die die Klägerin nicht versicherte, anderen Versicherern anbieten.“

zu 3. Der Satz“ Insgesamt macht dies ungefähr die Hälfte des ursprünglich vom Beklagten 1 betreuten Vertragsbestandes aus.“ entfällt.

2. Der weitergehende Antrag wird abgewiesen.

Gründe:

zu 1. Dass der Beklagte 1 mit ausdrücklicher Zustimmung der Klägerin die Übernahme von Risiken, die die Klägerin nicht versicherte, anderen Versicherer anbieten durfte, hat der Beklagte 2 auf S. 5 des Schriftsatzes vom 7. Februar 2008 (AS 211) vorgetragen. Die Klägerin hat demgegenüber geltend gemacht, es sei dem Beklagten 1 nicht gestattet gewesen, von der Klägerin nicht abgedeckte Risiken über Maklerverträge in anderen Unternehmen unterzubringen (Schriftsatz vom 29. Februar 2008, S. 2 unten, AS 267).

zu 2. Der beanstandete Satz gibt korrekt den dahingehenden Beklagtenvortrag in zusammengefasster Form wieder. Es ist nicht erkennbar, dass er mit der Formulierung auf S. 4 des Schriftsatzes vom 29. Februar 2008 (AS 271) bestritten werden sollte.

zu 3.: Die Formulierung im Tatbestand beruht auf einem Missverständnis der Ausführungen auf S. 10 und 11 des Schriftsatzes vom 21. Dezember 2007.

zu 4. Der zu dem beanstandeten Satz führende Vortrag ist im klägerischen Schriftsatz vom 27. Februar 2008 auf S. 3 unten nicht bestritten worden. Vielmehr hat die Klägerin den Vortrag auf S. 2 ihres Schriftsatzes vom 29. Februar 2008 (AS 267) aufgegriffen, ohne ihn zu bestreiten.

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