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Vermögensschadenshaftpflichtversicherung – versickertes Trinkwasser

Kammergericht Berlin

Az: 6 U 204/09

Beschluss vom 29.10.2010


In dem Rechtsstreit hat der Senat nunmehr über die Sache beraten und beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der Zivilkammer 7 des Landgerichts Berlin vom 3. November 2009 durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

Gründe

Die Berufung kann gemäß § 513 Abs. 1 ZPO nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Keine dieser Voraussetzungen ist hier erfüllt.

Die Klägerin rügt die Rechtsfehlerhaftigkeit der Auffassung des Landgerichts, wonach die Beklagte nicht verpflichtet sei, ihr wegen der Inanspruchnahme durch die Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) ……..auf Ersatz eines Wasserverlustschadens im Zeitraum vom 12.07.2005 bis 09.11.2005 Versicherungsschutz zu gewähren.

Diese Auffassung trifft jedoch zu. Denn bei dem seitens der WEG geltend gemachten Schaden in Form einer erhöhten Entgeltforderung der Wasserbetriebe für ungenutzt im Erdreich versickertes Trinkwasser aus einer Grundleitung auf dem Grundstück der WEG handelt es sich um einen Vermögensschaden, der sich aus einem Sachschaden herleitet und gemäß § 1 Ziffer 1 der vereinbarten Allgemeinen Versicherungsbedingungen zur Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung – AVB – nicht versichert ist.

1. Entgegen der Berufungsbegründung kann es für die maßgebliche Einordnung des von der WEG geltend gemachten Schadens nicht darauf ankommen, dass es in dem Schadenersatzprozess der WEG gegen die Klägerin nicht um einen Sachschaden am gemeinschaftlichen Eigentum gehe, die WEG der Klägerin vielmehr vorwerfe, durch die behauptete Pflichtverletzung – nicht ausreichende Veranlassung der Überprüfung der Wasserleitung – eine erhöhte Wasserrechnung, also einen Vermögensschaden verursacht zu haben. Denn im Verhältnis zwischen den Parteien besteht eine Eintrittspflicht der Beklagten gemäß § 1 Ziffer 1 S. 1 AVB nur dann, wenn durch den der Klägerin zur Last gelegten Verstoß ein unmittelbarer Vermögensschaden entstanden ist. Vermögensschäden sind gemäß § 1 Ziffer 1 Satz 2 AVB solche Schäden, die weder Personenschäden … noch Sachschäden (Beschädigung, Verderben, Vernichten, Abhandenkommen von Sachen) sind, noch sich aus solchen von dem Versicherungsnehmer … verursachten Schäden herleiten. Der Vermögensschaden, den die WEG von der Klägerin erstattet verlangt, leitet sich jedoch aus einem solchen Sachschaden her.

2. Die Beklagte hat sich darauf berufen, dass das Trinkwasser der WEG „abhanden“ gekommen und die hierauf zurückzuführende erhöhte Wasserrechnung als mittelbarer Vermögensschaden nicht versichert sei. Dem ist das Landgericht gefolgt, wobei es die Entscheidung auch darauf gestützt hat, dass das Wasser unbrauchbar geworden sei. Die Klägerin tritt dem mit dem Argument entgegen, dass es sich bei dem Abhandenkommen von Sachen um einen Vermögensschaden handele.

Daran ist richtig, dass das Abhandenkommen einer Sache als solches zwar weder Beschädigung noch Vernichtung, sondern Besitzentziehung und damit als Verletzung eines absoluten Rechts zu werten ist. Das Abhandenkommen wird deshalb nach verbreiteter Auffassung als „reiner“, also unmittelbarer Vermögensschaden angesehen (vgl. BGH VersR 1962, 559; Prölss/Martin-Voit/Knappmann, VVG, 27. Auflage, AHB § 1 Rz. 25; Späte, Haftpflichtversicherung, § 1 Rn. 11; Wussow, AHB, 8. Auflage, 1. 60; Kuwert, Allgemeine Haftpflichtversicherung, Rn. 1059), während andere vertreten, dass es sich um eine rechtlich selbständige Kategorie handele (so u.a. Schimikowski in: Rüffer/Halbach/Schimikowski, VVG, Kommentar, AHB Ziff. 2 Rz. 10). Auf diese Fragen kommt es jedoch nicht an, wenn – wie geschehen – nach dem Willen der Bedingungsverfasser das „Abhandenkommen von Sachen“ eindeutig entweder aus dem Begriff der Sachschäden (so in der Regel in den Allgemeinen Haftpflichtversicherungsbedingungen – AHB -) oder aus dem Begriff der Vermögensschäden (so in der Regel in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen zur Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung – AVB – durch die Zuordnung zu den Sachschäden in § 1 Ziffer 1 Satz 2 AVB) ausgenommen wird. Letzteres ist hier der Fall. Damit ist klargestellt, dass es auf die rechtlich zweifelhafte und erst recht für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer kaum zu beurteilende Zuordnung des Abhandenkommens von Sachen zu der Kategorie der Vermögensschäden einerseits oder Sachschäden andererseits nicht ankommt. Die Zuordnung zu den jeweils nicht versicherten Schäden in der Allgemeinen Haftpflichtversicherung einerseits, die Personen- und Sachschäden abdeckt, und in der Vermögensschadenhaftpflichtversicherung andererseits, durch die „reine“ Vermögensschäden versichert werden, zeigt zwar, dass das Abhandenkommen von Sachen – abgesehen von Wiedereinschlüssen – in der Haftpflichtversicherung weitgehend überhaupt nicht versichert ist. Dies ist jedoch rechtlich unbedenklich, ohne dass dem Versicherungsnehmer die dahinter stehenden versicherungswirtschaftlichen Gesichtspunkte (vgl. Späte aaO. Rz. 120 a. E.; Bruck/Müller/Johannsen, VVG 8. Auflage G 79; Kuwert aaO. Rz.1060 a. E.) bekannt sein müssten, wenn in den seinem jeweiligen Versicherungsvertrag zugrunde liegenden Bedingungen klar bestimmt ist, dass hierfür in der abgeschlossenen Versicherung kein Versicherungsschutz besteht. Diese Voraussetzungen liegen hier vor, weil der Begriff des Sachschadens durch die in Klammern aufgeführten Tatbestände ohne einen Zusatz, dass es sich etwa um bloße Beispiele handele, definiert wird.

3. Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse, bei dem es sich vorliegend um einen Immobilienverwalter handelt, für den die AVB in Verbindung mit den Besonderen Vereinbarungen verwendet werden, wird bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs das unbemerkte Austreten von Trinkwasser aus einer defekten Grundleitung unterhalb des Gebäudes auch als Sachschaden im Sinne der Bedingungen begreifen.

Dass es sich bei in Behältnissen gefasstem Trinkwasser im Gegensatz zu einem Gewässer in der freien Natur um eine Sache handelt, an der Eigentum und Besitz begründet werden kann, wird er jedenfalls nicht bezweifeln.

Der Begriff des Abhandenkommens ist ein fest umrissener Rechtsbegriff, der sich u. a. in § 935 BGB findet und bedeutet, dass der Besitzer den unmittelbaren Besitz an der Sache ohne seinen Willen verloren hat; Abhandenkommen ist also unfreiwilliger Verlust des unmittelbaren Besitzes. Dabei sind die in § 935 BGB aufgeführten Fälle des Diebstahls oder des Verlustes lediglich Beispiele und keine vollständige Aufzählung, wie sich aus dem Wortlaut ergibt: „… oder sonst abhanden gekommen war“. Im gleichen Sinne – von „Verlorengehen“ (eine Sache, die man zuvor besaß, ist plötzlich nicht mehr da) – wird dieses Wort auch in der Alltagssprache gebraucht (vgl. RGZ 101, 224; Schimikowski, aaO. Rz. 8).

Ob ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer unter den vorbeschriebenen Voraussetzungen nun das unbemerkte Versickern des Trinkwassers im Erdreich als „abhanden gekommen“, da verloren, ansieht, mag zwar deshalb zweifelhaft sein, weil er den Schwerpunkt des Schadens auch darin sehen kann, dass es zugleich mit dem Austreten aus dem gebrochenen Rohr schon unbrauchbar wurde, bevor es im Boden versickerte und damit endgültig dem Zugriff entzogen war. Auch dann würde er den unmittelbaren Schaden jedoch als Sachschaden begreifen, nämlich in Form des Verderbens oder der Vernichtung. Dem entspricht die rechtliche Einordnung in der Allgemeinen Haftpflichtversicherung. Nach allgemeiner Auffassung in Rechtsprechung und Literatur liegt eine Vernichtung und damit ein Sachschaden vor, wenn die Sache mit dem Abhandenkommen zugleich vernichtet wird oder dies die adäquate Folge ist (vgl. BGH VersR 1959, 559; Prölss/Martin-Voit/Knappmann, VVG, 27. Auflage, AHB § 1 Rz. 26; Späte, Haftpflichtversicherung, § 1 Rn. 120; Wussow, AHB, 8. Auflage, 1. 60; Kuwert, Allgemeine Haftpflichtversicherung, Rn. 1061; Schimikowski in: Rüffer/Halbach/Schimikowski, VVG, Kommentar, AHB Ziff. 2 Rz. 13; Dengler, Die Haftpflichtversicherung im privaten und gewerblichen Bereich, 3. Auflage S. 151), wie gerade bei dem Versickern von flüssigen, in Behältern gefassten Sachen im Erdreich, wenn eine Rückgewinnung nicht möglich ist, beispielsweise bei aus einem Tank auslaufendem Heizöl oder Bier aus einem Fass.

4. Unzweifelhaft besteht damit eine Deckungslücke in dem Versicherungsschutz der Klägerin insoweit, als durch Verwalterpflichtverletzungen hervorgerufene Sachschäden und hierdurch ausgelöste Vermögensschäden des Auftraggebers nicht abgedeckt sind. Dies liegt schon darin begründet, dass es sich vorliegend nicht um eine Allgemeine Haftpflichtversicherung handelt, die Personen- und Sachschäden abdeckt, sondern um eine Vermögensschadenhaftpflichtversicherung handelt, deren Bedingungen für Berufe entwickelt wurden, bei denen Verstöße vornehmlich reine Vermögensschäden auslösen, wie etwa für Rechtsanwälte und Steuerberater. Die Spezifizierung des versicherten Risikos in Ziffer 1 der Besonderen Vereinbarungen vermag daran nichts zu ändern. Dort wird lediglich die versicherte berufliche Tätigkeit konkretisiert. Eine Regelung der versicherten Schäden ist dort nicht enthalten.

5. Auch unter Berücksichtigung des Zwecks der abgeschlossenen Versicherung, Schäden aus Verstößen bei der Ausübung typischer Verwaltertätigkeiten abzudecken, ergibt sich nichts anderes. Zwar handelt es sich bei der Pflicht des WEG-Verwalters, für die Instandhaltung des Gebäudes zu sorgen (§ 27 Abs. 1 Nr. WEG), um eine ganz wesentliche Verpflichtung des Verwalters, durch deren Verletzung Sachschäden und hieraus resultierende Vermögensschäden ausgelöst werden können, die ein Verwalter nicht ohne weiteres „aus eigener Tasche“ ausgleichen kann. Allein die – möglicherweise berechtigte – abweichende Erwartungshaltung und das berechtigte Bedürfnis zur Abdeckung bestimmter mittelbarer Vermögensschäden kann den Versicherungsschutz jedoch nicht erweitern. Denn der durchschnittliche Versicherungsnehmer wird bei Anlegung der oben beschriebenen Anforderungen erkennen, dass gemäß § 1 Ziffer 1 AVB Sachschäden gerade nicht versichert sind.

6. Soweit die Klägerin auf S. 7 der Berufungsbegründung einen von Köhler in: Deckert, Die Eigentumswohnung, Sept. 2004, Gruppe 9 II zu Ziffer 172 S. 100 dargestellten Fall des OLG Köln anführt, wonach der Verwalter für den Mietausfallschaden eines Sondereigentümers infolge verzögerter Instandsetzung haftet, heißt es dort nicht, dass dieser Schaden in der Vermögenshaftpflichtversicherung gedeckt sei, sondern nur, dass eine solche Versicherung in der Vermögenshaftpflichtversicherung „möglich“ ist. Dem ist ohne weiteres beizutreten, wenn – wie von Köhler aaO. Rz. 165 vorgeschlagen – schuldhaft am Objekt verursachte Schäden eingeschlossen werden. So sind in anderen Sparten der Vermögensschadenhaftpflichtversicherung Bedingungen geläufig, in denen Sachschäden an beweglichen Sachen, die das Objekt der versicherten Tätigkeit bilden, wieder eingeschlossen werden (vgl. Prölss/Martin-Voit/Knappmann, VVG, 27. Auflage, § 1 AVB Vermögen/WB S. 1504). Ohne einen Wiedereinschluss von Schäden an dem zu verwaltenden Objekt, der hier nicht vereinbart wurde, besteht ein solcher Versicherungsschutz jedoch nicht. Es ist vielmehr Sache des Versicherungsnehmers bzw. seines Verbandes, einen auf seine Bedürfnisse zugeschnittenen Versicherungsschutz anzufordern, bei dem es bei der Verwendung von konventionellen, ursprünglich auf andere Risikogruppen zugeschnittenen Bedingungen fehlen mag (so Köhler aaO. Rz. 162).

Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Auch zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist keine Entscheidung des Senats durch Urteil unter Zulassung der Revision geboten.

Die Klägerin erhält Gelegenheit, zu den vorstehenden Hinweisen binnen dreier Wochen Stellung zu nehmen und ggfs. ihre Berufung zurückzunehmen.

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