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Versorgungsausgleich und Barwertverordnung: Regelungen sind teilweise verfassungswidrig

OBERLANDESGERICHT OLDENBURG

Az.: 11 UF 61/06

Beschluss vom 28.07.2006

Vorinstanz: Amtsgericht Osnabrück, Az.: 12 F 336/05


Leitsatz:

Die bisher übliche Umrechnung von Versorgungsanrechten führt nicht zu einer gleichen Aufteilung der in der Ehe erworbenen Versorgungswerte im Versorgungsausgleich. Die betreffenden Vorschriften (BarwertVO) sind verfassungswidrig und durch andere Umrechnungskriterien zu ersetzen.


In der Familiensache hat das Oberlandesgericht Oldenburg am 28. Juli 2006 beschlossen:

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2) Osnabrück vom 8. Mai 2006,- wird das Urteil des Amtsgerichts – Familiengericht berichtigt durch Beschluss vom 23. Mai 2006, im Ausspruch zum Versorgungsausgleich geändert und insoweit neu gefasst:

Auf dem Versicherungskonto Nr. … der Antragsgegnerin bei der Beteiligten zu 1) werden Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 321,84 EUR, bezogen auf den 30.11.2005, begründet, davon in Höhe von monatlich 221,18 EUR zu Lasten der Versorgungsanrechte des Antragstellers bei der Beteiligten zu 2) (Vers.Nr….) und in Höhe von monatlich 100,66 EUR zu Lasten der Versorgungsanrechte des Antragstellers bei der Beteiligten zu 3) ((Vers.Nr….).

Der Monatsbetrag der zu begründenden Rentenanwartschaften ist in Entgeltpunkte umzurechnen.

Die Parteien tragen ihre eigenen außergerichtlichen Kosten sowie je 1/2 der weiteren im Beschwerdeverfahren entstandenen Kosten nach einem Beschwerdewert von 2.000 EUR.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

I.
1.)

Nach den vom Amtsgericht im Einzelnen unter Bezugnahme auf die Auskünfte der Versorgungsträger dargelegten, vom Senat überprüften und von den Verfahrensbeteiligten nicht angegriffenen Feststellungen haben die Parteien in der Ehezeit (01.12.1994 bis 30.11.2005; § 1587 Abs. 2 BGB) die nachstehend aufgeführten, in Monatsbeträgen angegebenen Versorgungsanrechte erworben, die jeweils eine Altersversorgung ab dem 65. Lebensjahr vorsehen und das Risiko der Berufs oder Erwerbsunfähigkeit abdecken. Ein Versicherungsfall ist bisher nicht eingetreten:

Antragsteller (Ehemann; geb. 1959):

Ärzteversorgung W… (Beteiligte zu 2)) 1.017,62 EUR,
Kirchliche Zusatzversorgung (Beteiligte zu 3)) 585,42 EUR
(im Urteil des Amtsgerichts irrtümlich mit 584,42 EUR angegeben).

Antragsgegnerin (Ehefrau; geb. 1967):

Rentenanwartschaften (Beteiligte zu 1)) 253,02 EUR,
Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst (Kommunale
Versorgungskassen für W…; Beteiligte zu 4)) 84,24 EUR.

2.)

Die Anrechte bei der Ärzteversorgung W… und die Rentenanwartschaften hat das Amtsgericht als volldynamisch behandelt. Die Anrechte aus der jeweiligen Zusatzversorgung hat es als nur im Leistungsstadium dynamisch angesehen und nach Tabelle 1 der BarwertVO i.d.F. vom 26.5.2003 i.V.m. Anm. 2 (Erhöhung der Werte um 65 %) umgerechnet in Rentenanrechte von 209,76 EUR (Antragsteller) bzw. 18,90 EUR (Antragsgegnerin).

Das Amtsgericht hat einen Ausgleichsbetrag in Höhe von insgesamt 477,73 EUR ermittelt, diesen Betrag jedoch mit Rücksicht auf den Höchstbetrag gem. § 1587b Abs. 5 BGB auf 321,84 EUR herabgesetzt und den Ausgleich durch QuasiSplitting gem. § 1587b Abs. 2 BGB i.V.m. § 1 Abs. 2 VAHRG (gemeint wohl: § 1 Abs. 3 VAHRG) in vollem Umfang zu Lasten der Ärzteversorgung vorgenommen. Den weitergehenden Ausgleich hat es dem schuldrechtlichen Ausgleich vorbehalten.

3.)

Mit der zulässigen Beschwerde rügt die Beteiligte zu 2), dass das Amtsgericht die beim Ausgleich gem. § 1 Abs. 3 VAHRG gebotene Quotierung im Verhältnis der bei den beteiligten Versorgungsträgern begründeten Anrechte unterlassen habe.

II.
1.)

Das Amtsgericht hat in zutreffender Weise die Frage der Dynamik beurteilt (vgl. zur Ärzteversorgung BGH FamRZ 96, 95; zur Zusatzversorgung u.a. BGH FamRZ 05, 1532 m.w.N.) und den Höchstbetrag (in Übereinstimmung mit der Auskunft der Rentenversicherung B…) ermittelt.

Die Beteiligte zu 2) rügt jedoch zu Recht, dass die gem. § 1 Abs. 3 VAHRG gebotene Quotierung fehle. Die Anrechte des ausgleichspflichtigen Ehemannes bei der Ärzteversorgung und der Zusatzversorgung sind, weil sich beide gegen öffentlichrechtliche Versorgungsträger richten und die Voraussetzungen der Realteilung nicht vorliegen, gem. § 1 Abs. 3 VAHRG auszugleichen. Im Rahmen dieser einen Ausgleichsform ist bei mehreren beteiligten Versorgungsträgern eine Aufteilung des Höchstbetrages von 321,84 EUR nach dem Wertverhältnis der Anrechte vorzunehmen (BGH FamRZ 1984, 1214, 1216; 2001, 477, 478). Das ist schon deshalb geboten, um eine übermäßige Belastung eines Versorgungsträgers (hier der Beteiligten zu 2)) zu vermeiden. Das gilt unabhängig davon, dass der (auf den Höchstbetrag begrenzte) Ausgleichsbetrag zugunsten der Antragsgegnerin nicht verändert und demzufolge ihre wirtschaftlichen Interessen nicht berührt werden (weil sie insgesamt Rentenansprüche gegenüber der Beteiligten zu 1) erwirbt).

2.)

Eine zutreffende Quotierung setzt voraus, dass das Wertverhältnis der Anrechte korrekt bestimmt, mithin der Wert jedes einzelnen Anrechts richtig ermittelt wird. Der Senat hat deshalb von Amts wegen die Wertermittlung durch das Amtsgericht überprüft. Dies führt zu deutlich abweichenden Beträgen:

a) Die vom Amtsgericht gewählte Form der Umrechnung mit Hilfe der BarwertVO entspricht dem Gesetz (§ 1587a Abs. 3 Nr. 2, Abs. 4 BGB). Der Umrechnungsmodus mit Hilfe von Umrechnungsfaktoren setzt aber voraus, dass der Verordnungsgeber wirksame Tabellen zur Verfügung stellt. Das ist nicht der Fall. Die Umrechnungstabellen sind auch in ihrer neuesten Fassung inhaltlich verfassungswidrig. Sie sind auch als Übergangsrecht nicht mehr anwendbar. Die Vorschrift des § 1587a Abs. 3, 4 BGB läuft deshalb leer (sie ist gegenstandslos, obsolet geworden; vgl. dazu Bergner, NJW 2006, 1558, 1560; Beilage zu NJW 2006, bis zur Schaffung eines neuen Rechts im- Heft 25) und ist Rahmen der geplanten Strukturreform oder eines spezifischen, die Umrechnung betreffenden durch andere Umrechnungsmodalitäten, möglichst ebenfalls in- Reparaturgesetzes der Form von verallgemeinerungsfähigen Regelungen (vgl. dazu unten zu 2) c)), zu ersetzen.

b) Die Tabellen der BarwertVO i.d.F. vom 3.5.2006 (BGBl. I 1144; abgedr. in FamRZ 2006, 914 ff) sind unanwendbar:

aa) Die Tabellen der BarwertVO i.d.F. vom 22.05.1984 sind verfassungswidrig (Beschl. des BVerfG vom 02.05.2006, FamRZ 2006, 1000 u. 1002 m. Anm. Borth/Glockner). Das BVerfG bekräftigt die frühere Rechtsprechung (BVerfGE 66, 324, 330; 87, 348, 456), dass der Halbteilungsgrundsatz nur dann gewahrt sei, wenn eine Entscheidung über den Versorgungsausgleich „wirklich zu einer gleichmäßigen Aufteilung des Erworbenen“ führe, und zwar in Bezug auf die tatsächlichen (nicht fiktiven) ehezeitbezogenen „Versorgungswerte“ („Vermögenswerte“).

Die Tabellen der BarwertVO in der (rückwirkend zum 1.1.2003 in Kraft gesetzten, bis zum 31.05.2006 geltenden) Fassung vom 26.05.2003 waren gleichfalls verfassungswidrig wegen weiterhin krasser Verfehlung der Halbteilung durch Unterbewertung der umzurechnenden Anrechte (ausführlich Bergner, NJW 2003, 1625, 1627 f. mit zahlreichen Beispielen; vgl. ferner den Hinweis am Ende des Beschl. des BVerfG vom 02.05.2006 in der Sache 1 BvR 1275/97; FamRZ 2006, 1000, 1002 unter c)). Die inhaltlich nicht näher begründete pauschale Billigung durch den BGH (FamRZ 2003, 1639, 1640; 2005, 1464, 1467; vgl. dazu Bergner a.a.O. und NJW 2003, 3527; Rehme, FuR 2006, 112, 113) konnte allenfalls für eine inzwischen abgelaufene Übergangszeit gelten (vgl. auch BGH FamRZ 2005, 2052, 2054: „derzeit keine durchgreifenden Bedenken“).

Die Tabellen der seit dem 01.06.2006 (und bis zum 30.6.2008) geltenden Neufassung der BarwertVO (FamRZ a.a.O.) enthalten inhaltlich eine Fortschreibung der Verfassungswidrigkeit auf reduziertem Niveau, aber mit einer immer noch unvertretbaren Verfehlung des Halbteilungsgrundsatzes (ausführlich dazu mit Beispielen und Listen Bergner, FPR 2006, 55; NJW 2006, 1558; Rehme, a.a.O., 113 ff.). Soweit ersichtlich werden die neuen Faktoren der BarwertVO von keiner Seite als angemessenes, eine tatsächliche Halbteilung im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG bewirkendes Tabellenwerk angesehen. Zur Verteidigung wird erneut auf den Übergangscharakter (kurze Geltungsdauer) verwiesen (so die kurze Notiz von Rotax, ZFE 2006, 122). Dieses Argument ist nicht geeignet, eine inzwischen mehrfache Fortführung verfassungswidriger Normen zu rechtfertigen, auch nicht in Bezug auf Anwartschaftsfälle.

bb) Die Folge der materiellen Verfassungswidrigkeit einer Norm ist ihre Unanwendbarkeit; sie kann bei einer Verordnung vom Richter ohne Einschaltung des BVerfG festgestellt werden. Ob und inwieweit für einen Übergangszeitraum Ausnahmen denkbar sind, kann letztlich offen bleiben (ausführlich hierzu Rehme, a.a.O., 115 f.). In Betracht käme eine Übernahme der vom BVerfG für die Weitergeltung verfassungswidriger Gesetze entwickelten Grundsätze. Danach können zur Vermeidung eines regellosen, der Verfassung noch weniger entsprechenden Zustandes („Chaos“, „rechtloses Vakuum“) an sich nichtige Gesetze weiterhin angewandt werden, jedoch regelmäßig nur für eine vom BVerfG kraft seiner Autorität als Verfassungsorgan gesetzte kurze Frist (soweit erkennbar, mit einer Dauer von nicht mehr als 4 Jahren bzw. bis zum Ende der nächsten Legislaturperiode, zumeist jedoch deutlich kürzer; vgl. die Nachweise bei v. Mangoldt/Klein/Starck/Voßkuhle, Komm. zum GG, 5. Aufl., Art. 93 Rn. 48 f. mit Fußn. 231).

cc) Eine Übertragung dieser Grundsätze auf die Weitergeltung verfassungswidriger untergesetzlicher Normen ist schon deshalb fraglich, weil hier eine vergleichbare Instanz mit quasilegislatorischer Kompetenz fehlt (zweifelhaft, zumindest ungewöhnlich insoweit die Weitergeltungsanordnung des BGH im Beschl. vom 5.9.2001; FamRZ 2001, 1695). Jedenfalls ist auch die Weitergeltung einer verfassungswidrigen untergesetzlichen Norm nur in absoluten Ausnahmefällen und nur für eine kurze Übergangszeit möglich. Beides fehlt hier (im Einzelnen Rehme, a.a.O.; zust. Bergner, NJW 2006, 1558, 1559).

Seit dem Beschl. des BGH vom 5.9.2001 ist inzwischen ein Zeitraum von knapp 5 Jahren abgelaufen. Damit werden die vom BVerfG regelmäßig gewährten „Reparaturfristen“ deutlich überschritten. Dem Normgeber ist es nicht gelungen, in diesem langen Zeitraum eine brauchbare Lösung des Umrechnungsproblems zu schaffen. Die Kompliziertheit der Gesamtmaterie „Versorgungsausgleich“, die Anlass für die Planung einer Strukturreform und die Einsetzung einer entsprechenden Kommission war, rechtfertigt nicht die fortgesetzte Produktion verfassungswidriger Verordnungen in Teilbereichen, die sofort regelungsbedürftig sind wie beim Problem der Umrechnung.

Es drohte auch kein rechtliches Chaos bei Nichtanwendung der BarwertVO. Das Problem der Umrechnung hätte vorab geregelt werden können. Anstelle der Umrechnung mit Hilfe der BarwertVO liegen seit langem brauchbare Alternativen vor, auch als formulierte Gesetzgebungsvorschläge, die sofort, ohne weitere gesetzgeberische Vorbereitungen und jedenfalls mit „besserer“ Verwirklichung des Halbteilungsgrundsatzes hätten umgesetzt werden können (vgl. insbesondere die Vorschläge von Bergner, u.a. NJW 2003, 1625, 1630; DRV 2005, 72, 80 ff; ferner Staudinger/Rehme, Neubearb. 2004, § 1587a, Rn. 458 ff; KKFamR/Rehme, 2. Aufl., § 1587a, Rn. 188 f; Rehme, FuR 2003, 50, 57 ff; 2005, 214).

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Dem Verordnungsgeber waren die materiellen und formalen Einwendungen gegen die BarwertVO auf Grund der genannten Veröffentlichungen (vor Erlass der jetzigen BarwertVO vom 3.5.2006) bekannt, ebenso die Abhilfemöglichkeiten; er ist nicht darauf eingegangen und kann nicht erwarten, dass die Rechtsprechung weiterhin sehenden Auges verfassungswidrige Normen anwendet.

Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass nicht zu erwarten ist, dass die Strukturreform bis zum 30.6.2008 abgeschlossen wird. Entgegen den Ausführungen in der Begründung des Entwurfs der BarwertVO (BRDrucks. 123/06, S. 11) sind nicht nur „Detailfragen“ zu klären, sondern grundlegende Probleme mit Verfassungsrelevanz (ausführlich Bergner, Beilage zu FuR 2006, Heft 4; vgl. ferner Rehme, FuR 2005, 214, 216 ff m.w.N.).

dd) Unter diesen Umständen hält der Senat die Annahme einer zur Unanwendbarkeit führenden Nichtigkeit für zwingend. Das gilt auch in Fällen, in denen (wie hier) der Leistungsfall bei beiden Ehegatten noch nicht eingetreten ist und angesichts ihres Alters (zur Zeit 47 bzw. 38 Jahre) bei normalem Verlauf nicht nahe bevorsteht. Denn es ist nicht erkennbar, weshalb eine falsche Entscheidung getroffen werden sollte, wenn eine näherungsweise richtige möglich ist (Bergner, NJW 2006, 1559, 1561). Abgesehen davon hätte eine Entscheidung auf der Grundlage der Umrechnungsfaktoren der neuen BarwertVO schon jetzt konkrete Auswirkungen wegen einer ungerechtfertigt hohen Belastung der Beteiligten zu 2) (vgl. dazu unten zu 3)).

c) Die Lücke als Folge der Unanwendbarkeit der BarwertVO ist bis auf Weiteres (ggf. bis zur Lösung des Problems der Umrechnung im Rahmen der Strukturreform) auf andere Weise zu schließen:

aa) Das BVerfG hält es für „naheliegend“, in bestimmten Fällen ein Gutachten zur Ermittlung des Werts des umzurechnenden Anrechts einzuholen (FamRZ 2006, 1000, 1002 unter c) a.E.). Das mag im Einzelfall, vor allem nach Eintritt des Leistungsfalles, geboten erscheinen. In Anwartschaftsfällen (insbesondere bei voraussichtlich langer Dauer bis zum Versorgungsfall wie hier; s. vorstehend) führt diese Lösung nicht notwendig zu einer wesentlich größeren Genauigkeit. Eine verlässliche, exakte Vorausbestimmung des maßgeblichen künftigen Versorgungswerts wird wegen der Möglichkeit erheblicher rückwirkender Veränderungen der wertbestimmenden Faktoren regelmäßig ausscheiden. Die Wertermittlung darf und muss sich deshalb auf eine möglichst weitgehende Annäherung an den Halbteilungsgrundsatz und eine Ausschaltung deutlich erkennbarer grober Verfehlungen (wie im Falle der BarwertVO) beschränken. Mit Rücksicht darauf rechtfertigt eine nur vorläufige und möglicherweise scheinbare Genauigkeit nicht die praktischen Mängel (Verfahrensverzögerung, zusätzliche Kosten) einer Wertermittlung durch regelmäßige Einholung von Gutachten.

bb) Soweit keine individuelle Wertbestimmung durch Gutachten geboten erscheint, sollte die Umrechnung (bis zu einer neuen verfassungsmäßigen Regelung durch den Normgeber) in ähnlicher Weise wie gem. § 1587a Abs. 3 BGB i.V.m. der BarwertVO auf Grund von pauschalen, tabellenartigen Regelungen erfolgen, die gleichwohl strukturell dem vorstehend angedeuteten Ziel der Wertermittlung entsprechen, nämlich einer möglichst weitgehenden Annäherung an eine Halbteilung der voraussichtlichen künftigen Versorgungswerte. Ferner sollten die jeweiligen Anrechte weiterhin entsprechend ihrer Dynamik im Verhältnis zur Dynamik der Rentenversicherung bewertet werden; damit wird die gesetzliche (wenn auch zur Zeit unvollständige, leerlaufende), vom BVerfG als solche bestätigte Vorgabe in § 1587a Abs. 3 BGB fortgeführt (vgl. dazu BVerfG FamRZ 2006, 1000, 1001 unter 2. a) aa): Bündelung der Versorgungsanwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung als grundsätzlich geeigneter Weg, um die gleiche Berechtigung der Eheleute am Versorgungsmögen zu realisieren; ferner a.a.O., 1002 unter 2. b) bb): Dynamik als wichtiges wertprägendes Merkmal von Versorgungsanwartschaften, während demgegenüber alle sonstigen qualitativen Unterschiede von Versorgungsrechten für die Durchführung des Versorgungsausgleichs unwesentlich sind). Überdies ist eine solche Bewertung sachgerecht, weil die gesetzliche Rentenversicherung ganz überwiegend (trotz der Entwicklung weiterer Formen der Altersvorsorge) die maßgebliche Säule der Alterssicherung darstellt.

Eine diesen Maßstäben entsprechende tabellenartige Prognose wird neuerdings von Bergner vorgeschlagen (NJW 2006, 1558, 1562 f und ausführlich NJW 2006, Beilage zu Heft 25). Vor allem die in NJW 2006, Beilage zu Heft 26 veröffentlichten Dynamisierungstabellen lehnen sich eng an die konkreten, im Rentenversicherungsbericht 2005 (veröffentlich unter www.bmas.bund.de und BTDrucks. 16/905) niedergelegten Planungen der Bundesregierung hinsichtlich der Entwicklung der Rentenversicherung an (weitere „Nullrunden“, d.h. keine Anhebung des aktuellen Rentenwerts bis 2008, von 2009 bis 2019 stufenweise Anhebung des aktuellen Rentenwerts auf Werte von zur Zeit 26,13 bis 31,43 EUR im Jahre 2019; im Einzelnen zu den Zahlen Bergner, a.a.O., S. 2).

Bergner hat dementsprechend u.a. für im Anwartschaftsteil statische Anrechte (wie im vorliegenden Fall) eine Dynamisierungstabelle entwickelt (a.a.O., S. 4), die für die Jahre bis 2019 die vorgesehene Entwicklung der aktuellen Rentenwerte berücksichtigt und für die Zeit danach von einem geschätzten Anstieg um jährlich 1 % ausgeht. Dies wird in der Tabelle im Einzelnen folgerichtig durchgeführt (keine Abwertung bei einem Leistungsfall bis zum Jahre 2008 wegen der bis dahin gleichen, nämlich statischen Entwicklung von Rentenanrecht und zu bewertendem Anrecht; das wird durch den rechnerisch neutralen Faktor 1 ausgedrückt; ab 2009 Abwertung je nach dem Zeitpunkt des Eintritts des Leistungsfalls mit einem stufenweise abnehmenden Dynamisierungsfaktor, um die sich von 2009 bis zum Leistungsfall steigernde Wertdifferenz auszudrücken).

cc) Der Senat hält es für sachgerecht, die durch die Unanwendbarkeit der BarwertVO entstandene Lücke in Fällen wie dem vorliegenden entsprechend der genannten Dynamisierungstabelle (Bergner, a.a.O., S. 4) zu schließen. Daraus ergeben sich für die beiderseitigen Zusatzversorgungen der Parteien folgende Werte:

2024)] + 65 =)[ Antragsteller (geb. 1959; Leistungsfall im Jahre
Ehezeitanteil 585,42 € x 0,7911 (Faktor für das Jahr 2024) = 463,13 EUR
Antragsgegnerin (geb. 1967; Vollendung des 65. Lebensjahres am … 2032; Leistungsfall 1.1.2033)
Ehezeitanteil 84,24 x 0,7234 (Faktor für das Jahr 2033) = 60,94 EUR

d) Insgesamt haben die Ehegatten danach in der Ehezeit volldynamische bzw. umgerechnete Anrechte in folgender Höhe erlangt:

Antragsteller:
1.017,62 (Ärzteversorgung) + 463,13 (Zusatzversorgung) = 1.480,75 EUR

Antragsgegnerin:
253,02 (GRV) + 60,94 (Zusatzversorgung) = 313,96 EUR

Die Differenz der beiderseitigen Anrechte beträgt 1.166,79 EUR,
der rechnerische Ausgleichsbetrag 583,40 EUR.

Mit Rücksicht auf § 1587b Abs. 5 BGB ist der öffentlichrechtliche Ausgleich durch Begründung von Rentenanwartschaften gem. § 1 Abs. 3 VAHRG auf einen Betrag von 321,84 EUR begrenzt. Der Ausgleich erfolgt quotenmäßig zu Lasten der Versorgungsanrechte des Antragstellers bei der Ärzteversorgung und der Zusatzversorgung entsprechend dem Wertverhältnis der Anrechte (s.o. zu 1)):

Ärzteversorgung:
1.017,62 : 1.480,75 (Gesamtbetrag) x 321,84 (Ausgleichsbetrag) = 221,18 EUR

Zusatzversorgung:
463,13 : 1.480,75 x 321,84 = 100,66 EUR

Gesamtausgleich 321,84 EUR.

Im Übrigen bleibt der schuldrechtliche Versorgungsausgleich vorbehalten.

3.)

Eine Bewertung der Anrechte bei Anwendung der Umrechnungsfaktoren der (nichtigen) BarwertVO i.d.F. vom 3.5.2006 (das Amtsgericht hat die Faktoren der BarwertVO vom 26.5.2003 angewandt) hätte folgendes Ergebnis (jeweils Tabelle 1 mit Anm. 2):

Zusatzversorgung des Antragstellers (Alter bei Ehezeitende: 46 Jahre):
585,42 x 12 x 5,0 x 1,5 = 52.687,80 EUR x 0,0001734318 = 9,1377 Entgeltpunkte x 26,13 (aktueller Rentenwert bei Ehezeitende) = 238,77 EUR.

Zusatzversorgung der Antragsgegnerin (Alter bei Ehezeitende: 37 Jahre):
84,24 x 12 x 3,4 x 1,5 = 5.155,49 EUR x 0,0001734318 = 0,8941 EP x 26,13 = 23,36 EUR.

Gesamtanrechte der Ehegatten:

Antragsteller:
1.017,62 (Ärzteversorgung) + 238,77 (Zusatzversorgung) = 1.256,39 EUR

Antragsgegnerin:
253,02 (GRV) + 23,36 (Zusatzversorgung) = 276,38 EUR.

Die Differenz der Anrechte beträgt 980,01 EUR
der rechnerische Ausgleichsbetrag 490,01 EUR.

Der quotenmäßige, gem. § 1587b Abs. 5 begrenzte Ausgleich wäre wie folgt vorzunehmen:

Ärzteversorgung:
1.017,62 : 1.256,39 (Gesamtbetrag) x 321,84 (Ausgleichsbetrag) = 260,68 EUR

Zusatzversorgung:
238,77 : 1.256,39 x 321,84 = 61,16 EUR

Gesamtausgleich 321,84 EUR.

Die Berechnung zeigt zum Einen eine gänzlich unrealistische Unterbewertung der Zusatzversorgung bei Anwendung der BarwertVO. Die falsche Berechnung hat zwar keine rechtlich bindende Wirkung für den späteren schuldrechtlichen Ausgleich; sie könnte jedoch in faktischer Hinsicht (insbesondere bei außergerichtlicher Regelung des schuldrechtlichen Ausgleich in Anlehnung an eine – verfehlte – Bewertung in der jetzigen gerichtlichen Entscheidung) die spätere Ermittlung des Ausgleichsbetrages beeinflussen (zum Nachteil der ausgleichsberechtigten Antragsgegnerin); das sollte vermieden werden.

Abgesehen davon hätte die falsche Anwendung der BarwertVO bereits jetzt erhebliche Nachteile für die Beteiligte zu 2); vom Gesamtausgleichsbetrag von 321,84 EUR würde zu ihren Lasten statt 221,28 EUR ein weiterer Ausgleich in Höhe von (260,68 – 221,18 =) 39,50 EUR erfolgen (diese relativ überhöhte Inanspruchnahme würde sich im Übrigen beim späteren schuldrechtlichen Ausgleich unter erneuter Anwendung der BarwertVO fortsetzen).

4.)

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 93a ZPO, 49 GKG.

Die Zulassung der Rechtsbeschwerde war gem. § 621e Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 543 Abs. 2 Nr. 1, 2 ZPO geboten zur Klärung der Frage der Anwendbarkeit der BarwertVO i.d.F. vom 3.5.2006.

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