BGH
Az: XII ZB 89/08
Beschluss vom 06.04.2011
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. April 2011 beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des 6. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main mit Sitz in Darmstadt vom 11. April 2008 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens – an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Wert des Beschwerdegegenstands: 2.000 €
Gründe
I.
Der am 6. August 1961 geborene Antragsteller (im Folgenden: Ehemann) und die am 31. Dezember 1962 geborene Antragsgegnerin (im Folgenden: Ehefrau) haben am 30. Dezember 2003 miteinander die Ehe geschlossen.
Der Ehemann erwarb während der Ehezeit Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 152,77 €, die Ehefrau solche in Höhe von 73,97 €, jeweils monatlich und bezogen auf das Ehezeitende. Der Ehemann verfügte darüber hinaus über mehrere am 1. Mai 2002 bei der A. Lebensversicherungs AG abgeschlossene Rentenlebensversicherungen mit Kapitalwahlrechten. Die Rechte aus den Versicherungsverträgen waren an die V. G. zur Besicherung einer am 31. Juli 2003 über die Laufzeit von 23 Jahren abgeschlossenen Baufinanzierung abgetreten, wobei die Darlehenssumme von insgesamt 1.500.000 € nicht laufend getilgt, sondern endfällig in einer Summe unter anderem mit der Ablaufleistung aus den hier streitigen Lebensversicherungen zurückgeführt werden sollte.
Auf den am 27. September 2006 zugestellten Scheidungsantrag hat das Familiengericht die Ehe der Parteien durch Verbundurteil geschieden. In der Regelung zum Versorgungsausgleich hat es nur die öffentlichrechtlichen Versorgungsanwartschaften ausgeglichen und vom Rentenkonto des Ehemanns 39,40 € auf das Rentenkonto der Ehefrau übertragen. Die hiergegen eingelegte Beschwerde der Ehefrau hat das Beschwerdegericht zurückgewiesen. Mit der insoweit zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Ehefrau die Einbeziehung der bei der A. Lebensversicherungs AG erworbenen Anrechte in den Versorgungsausgleich weiter.
II.
Das zulässige Rechtsmittel hat Erfolg und führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.
1.
Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, dass die bei der A. Lebensversicherungs AG erworbenen Anrechte nicht in den Versorgungsausgleich einzubeziehen seien, weil bei der vorliegenden Fallgestaltung nicht mehr davon ausgegangen werden könne, dass die Versorgungsanrechte im wirtschaftlichen Eigentum des Ehemanns stünden.
2.
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
a)
Auf den vorliegenden Fall ist gemäß § 48 Abs. 1 VersAusglG das bis August 2009 geltende materielle Recht des Versorgungsausgleichs anzuwenden. Gemäß § 1587 Abs. 1 BGB aF findet der Versorgungsausgleich in Bezug auf alle während der Ehezeit mit Hilfe des Vermögens oder der Arbeit der Ehegatten begründeten Anwartschaften statt. Zu den auszugleichenden Anrechten gehören grundsätzlich auch Rentenanwartschaften auf Grund privatrechtlicher Versicherungsverträge (§ 1587 a Abs. 2 Nr. 5 BGB). Handelt es sich um einen Rentenlebensversicherungsvertrag mit Kapitalwahlrecht, ist die Anwartschaft in den Versorgungsausgleich einzubeziehen, wenn der Berechtigte sein Wahlrecht bis zur Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags nicht ausgeübt hat (Senatsbeschluss BGHZ 153, 393 = FamRZ 2003, 664).
b)
Nicht einzubeziehen in den Versorgungsausgleich sind allerdings Anrechte, welche wirtschaftlich nicht dem Ehegatten, sondern einem Dritten zustehen (Staudinger/Rehme BGB [2004] § 1587 Rn. 12). Ob hierunter auch Anrechte aus einer Lebensversicherung fallen, die zur Kreditsicherung abgetreten sind und mit deren Ablaufleistung ein Baudarlehen bei dessen Endfälligkeit bestimmungsgemäß getilgt werden soll, wird in Rechtsprechung und Literatur nicht einheitlich beurteilt.
Nach einer Ansicht (OLG Nürnberg FamRZ 2007, 1246) ist es jedenfalls dann nicht gerechtfertigt, eine Rentenversicherung in den Versorgungsausgleich einzubeziehen, wenn die Rechte daraus von vornherein zur Tilgung des Darlehens bei Endfälligkeit abgetreten sind. In dem Fall träten die Beiträge zu der Rentenversicherung an die Stelle von Tilgungsleistungen, und es könne nicht mehr davon ausgegangen werden, dass die Versorgungsanrechte im wirtschaftlichen Eigentum des betreffenden Ehegatten stünden. Daran ändere auch die bloße Möglichkeit nichts, das Darlehen auf andere Weise als durch den Einsatz der abgetretenen Rentenversicherung zu tilgen.
Die Vertreter der Gegenauffassung (OLG Zweibrücken FamRZ 2004, 642; Borth Versorgungsausgleich 4. Aufl. Rn. 395; Staudinger/Rehme BGB [2004] § 1587 Rn. 12) berufen sich darauf, dass eine Sicherungsabtretung von Rechten aus einer Rentenversicherung deren Berücksichtigung im Versorgungsausgleich solange nicht entgegenstünde, bis die Sicherheit in Anspruch genommen oder das entsprechende Recht sonst aus dem Vermögen des betroffenen Ehegatten ausgeschieden sei.
Der Senat schließt sich letzterer Auffassung an. Die Rechte aus einer Rentenversicherung gehören auch dann zum Vermögen des Ehegatten, wenn sie zur Besicherung einer Baufinanzierung abgetreten sind. Denn mit der Sicherungsabtretung allein hat sich der Ehegatte seiner Rechte aus der Rentenversicherung noch nicht endgültig begeben. Die mit dem Darlehensgeber getroffene Sicherungs- und Tilgungsabrede, welche jenem im Zeitpunkt der Endfälligkeit des Darlehens eine Befriedigungsmöglichkeit durch die Ablaufleistung aus der Lebensversicherung gewährt, hindert den Darlehensnehmer nicht, das Darlehen auf andere Weise zu tilgen, insbesondere durch Veräußerung der Immobilie, welche dem Darlehensgeber ohnehin als weitere Sicherheit dient. Zwar wird der Abschluss einer Baufinanzierung über eine Lebensversicherung mit einer Laufzeit von 23 Jahren oftmals nicht darauf angelegt sein, das Darlehen auf andere Weise als über die Ablaufleistung aus der Lebensversicherung zu tilgen. Jedoch sind die Ehegatten an diese Planung nicht gebunden. Insbesondere kann das Scheitern der Ehe es erforderlich machen, Vermögensdispositionen abweichend von der ursprünglichen Lebensplanung zu treffen. Hierzu gehört nicht selten die vorzeitige Veräußerung einer in der Ehezeit erworbenen Immobilie. Soweit dadurch die Baufinanzierung abgelöst wird, wird die zur Sicherheit abgetretene Lebensversicherung frei und steht wirtschaftlich dem Versicherungsnehmer zu (vgl. bereits Senatsbeschluss vom 1. Juni 1988 – IVb ZB 132/85 – FamRZ 1988, 936, 939).
Bezieht sich die Baufinanzierung nicht auf ein Familienheim, sondern – wozu das Beschwerdegericht bisher keine ausreichenden Feststellungen getroffen hat – etwa auf ein mit Gewinnerzielungsabsicht errichtetes Mietshaus, ist umso mehr in Betracht zu ziehen, dass der Ehegatte sich von vornherein vorbehielt, die Immobilie – oder hier: seine Geschäftsanteile an der sie haltenden Besitzgesellschaft – im Zeitpunkt der Endfälligkeit des Darlehens zu veräußern, um mit dem Verkaufserlös das Darlehen abzulösen und aus der dadurch frei werdenden Lebensversicherung ein regelmäßiges Renteneinkommen zu erzielen. Dafür streitet hier bereits der Umstand, dass die Lebensversicherungen nicht als Kapitallebensversicherungen, sondern als Rentenlebensversicherungen mit lediglich einem Kapitalwahlrecht abgeschlossen waren. Auch als Folge eines so angelegten Geschäftsmodells stünden die Versorgungsanrechte wirtschaftlich zur jederzeitigen Disposition des Ehemanns.
c)
Der angefochtene Beschluss kann daher keinen Bestand haben. Die Sache ist an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen, um diesem Gelegenheit zu geben, Feststellungen darüber zu treffen, ob der Berechtigte sein Kapitalwahlrecht ausgeübt hat, sowie – wenn dies nicht der Fall sein sollte – die für eine Ermessensentscheidung nach § 3 b Abs. 1 VAHRG maßgeblichen Verhältnisse aufzuklären und den Versorgungsausgleich dann unter zusätzlicher Einbeziehung der nach Beschlussfassung des Beschwerdegerichts mit Schriftsatz vom 12. April 2008 mitgeteilten weiteren Rentenlebensversicherung durchzuführen.