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Versorgungssperre eines Mieteigentümers bei WEG

Landgericht München I

Az: 1 S 10608/10

Urteil vom 08.11.2010


Leitsatz:

Die WEG kann eine Versorgungssperre bzgl. des Sondereigentums eines Miteigentümers nur nach vorheriger Anmahnung und bei einem gravierenden Wohngeld/Hausgeld Rückstand (über 6 Monate) aussprechen.


Das Landgericht München I, 1. Zivilkammer, erlässt aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 08.11.2010 auf die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Amtsgerichts München vom 29.04.2010 folgendes Endurteil:

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.

II. Die Kläger tragen samtverbindlich die Kosten des Verfahrens.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

IV. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Von einer Darstellung des Sachverhalts wird gemäß §§ 540 II, 313a I 1 ZPO abgesehen, da ein Rechtsmittel gegen das vorliegende Urteil unzweifelhaft nicht in Betracht kommt: Die Revision wurde nicht zugelassen; eine Nichtzulassungsbeschwerde ist nach § 62 Abs 2 WEG n. F. ausgeschlossen, da es sich vorliegend um eine Streitigkeit nach § 43 Nr. 4 WEG handelt (Spielbauer/Then, WEG, § 62 Rz. 6).

II.

Die zulässige Berufung der Kläger ist unbegründet. Das Amtsgericht hat die Anfechtungsklage gegen den Beschluss, wonach eine Versorgungssperre bezüglich aller Versorgungsleitungen bezüglich der Sondereigentumseinheit des Klägers zu 3) durchzuführen sei, wenn mehr als sechs Wohngeldraten offen sind und die Maßnahme vier Wochen vorher durch eingeschriebenen Brief angedroht wird, zu Recht abgewiesen. Denn der Beschluss entspricht ordnungsgemäßer Verwaltung. Auf die zutreffende, in jeder Hinsicht überzeugende Begründung im Urteil des Amtsgerichts wird Bezug genommen.

1. Rechtsgrundlage für die Versorgungssperre ist § 273 BGB (BGH NZM 2005, 626, 627; KG NZM 2001, 761, 762): Danach ist die Gemeinschaft grundsätzlich berechtigt, von ihr erbrachte Versorgungsleistungen zurückzubehalten, wenn der Kläger zu 3) seiner Verpflichtung zur Wohngeldzahlung nicht nachkommt.

2. Eine Abmahnung vor der Beschlussfassung war nicht erforderlich. Es reicht, dass in dem Beschluss vorgesehen ist, dass eine solche vier Wochen vor der tatsächlichen Verhängung der Versorgungssperre zu erfolgen hat. Die Abmahnung muss lediglich dem Vollzug der Sperre – nicht schon der einen solchen nur vorbereitenden Beschlussfassung – vorausgehen (BGH NZM 2005, 626, 627). Eine andere Sichtweise wäre, worauf das Amtsgericht zutreffend hingewiesen hat, nicht mehr als sinnlose Förmelei, weil dann letztlich zwei im Wesentlichen inhaltsgleiche Beschlüsse (Abmahnbeschluss, Durchführungsbeschluss) gefordert würden.

3. Der Beschluss ist auch verhältnismäßig. Die Versorgungssperre ist ein gravierender Einschnitt für den betroffenen Eigentümer. Sie ist daher nur bei einem erheblichen Leistungsrückstand zulässig. Ein solcher liegt jedoch regelmäßig – und auch hier – vor, wenn ein Wohngeldrückstand von sechs Monatsraten angehäuft wurde (BGH NZM 2005, 626, 627; Spielbauer/Then, WEG, § 15 Rz. 15).

4. Der Eigentümergemeinschaft war es entgegen der Meinung der Kläger auch möglich, die Sperre auch auf die Stromversorgung zu beziehen.

a) Zwar ist insoweit zu beachten, dass der Kläger zu 3) den Strom nicht über die Gemeinschaft, sondern direkt vom Stromversorger SWM bezieht und auch in diesem Verhältnis direkt – ohne Zwischenschaltung der WEG – abgerechnet wird. Die Sperre des Strombezugs ist so gesehen also grundsätzlich kein Zurückbehalten einer Leistung der WEG und kann somit insoweit nicht auf § 273 BGB gestützt werden (Niedenführ, in: Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG, 9. Aufl., § 28 Rz. 196; Riecke, in: Riecke/Schmid, Anh zu § 13 Rz. 101).

b) Das bedeutet aber nicht, dass die Versorgungssperre diesbezüglich rechtswidrig wäre (vgl. Niedenführ, in: Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG, 9. Aufl., § 28 Rz. 196: „regelmäßig“).

Denn möglich ist die Versorgungssperre, wenn und soweit die Stromlieferung über eine im Gemeinschaftseigentum stehende Leitungsanlage erfolgt (Bärmann/Klein, WEG, 11. Aufl., § 10 Rz. 273). Dann liegt nämlich eine Leistung der WEG darin, dass sie den Eigentümern diese Gemeinschaftsleitungen zur Verfügung stellt (Bärmann/Klein, WEG, 11. Aufl., § 10 Rz. 273). Diese eigene Leistung kann die WEG gemäß § 273 BGB zurückhalten (Bärmann/Klein, WEG, 11. Aufl., § 10 Rz. 273). Letzteres gilt unabhängig davon, ob der Stromversorger im Verhältnis zur WEG oder direkt mit dem Sondereigentümer abrechnet: Die Zurverfügungstellung des Leitungsnetzes wird von der Frage, wem gegenüber der Strombezug abgerechnet wird, nicht berührt. Im übrigen werden die (Instandhaltungs)Kosten der WEG für das Leitungsnetz freilich im Verhältnis der WEG zum Kläger zu 3) abgerechnet; der Stromversorger hat damit nichts zu tun.

Diese Sichtweise wird durch die von den Klägern zitierte Entscheidung des Kammergerichts (KG IMR 2010, 13) bestätigt. Das Kammergericht hat in der Entscheidung, mit der es die Unzulässigkeit einer Versorgungssperre begründete, nämlich ausdrücklich darauf abgestellt, dass der dortige Antragsgegner den Antragsteller zu keinem Zeitpunkt mit Wasser versorgt „oder auch nur die Leitungen hierfür zur Verfügung gestellt“ hatte. Im Umkehrschluss lässt sich dem entnehmen, dass auch nach der Sichtweise des Kammergerichts das Zurverfügungstellen des Leitungsnetzes eine Sperre rechtfertigen kann. Dazu passt, dass das Kammergericht in der Entscheidung vom 21.05.2001 (NZM 2001, 761 f.) die Anwendung des § 273 BGB damit begründete, dass die Gemeinschaft dem Eigentümer die Versorgung „über die im Gemeinschaftseigentum gelegenen Versorgungsleitungen“ verschaffte.

c) In vorliegendem Fall stellen die Stromleitungen, die zu den Sondereigentumseinheiten führen, Gemeinschaftseigentum dar. Die Gemeinschaft stellt somit diese Leitungen den Eigentümern zur Verfügung; diese Leistung kann sie gemäß § 273 BGB zurückhalten und so die Stromversorgung einer Sondereigentumseinheit stoppen.

(1) Gemäß § 5 I WEG gehören zum Sondereigentum die zu den Räumen gemäß § 3 I WEG gehörenden Bestandteile des Gebäudes, die verändert, beseitigt oder eingefügt werden können, ohne dass dadurch das Gemeinschaftseigentum oder ein auf einem Sondereigentum beruhendes Recht über das nach § 14 WEG zulässige Maß hinaus beeinträchtigt wird.

Voraussetzungen für Sondereigentum gemäß § 5 I WEG sind also sowohl ein funktionaler als auch ein räumlicher Zusammenhang mit der Sondereigentumseinheit gemäß § 3 I WEG; ferner darf die Veränderung, Beseitigung oder Entfernung des betreffenden Bestandteils nicht zu einer nicht hinzunehmenden Beeinträchtigung führen (Bärmann/Armbrüster, WEG, 11. Aufl., § 5 Rz. 22).

(2) Demnach stehen die Stromleitungen, die vom gemeinschaftlichen Stromverteilerraum im Keller in die jeweiligen Sondereigentumseinheiten führen, nicht im Sondereigentum.

(a) Zwar liegt der nach § 5 I WEG erforderliche funktionale Zusammenhang vor, weil die Stromleitungen ab dem Verteilerraum direkt und ausschließlich zu der Sondereigentumseinheit, die sie versorgen, führen. Die jeweilige Stromleitung dient also nur der betreffenden Sondereigentumseinheit.

(b) Jedoch fehlt es am räumlichen Zusammenhang mit der Sondereigentumseinheit. Die Stromleitungen starten nämlich im gemeinschaftlichen Verteilungsraum im Keller. Ein räumlicher Zusammenhang besteht insoweit also mit dem im notwendigen Gemeinschaftseigentum stehenden Verteilerraum, nicht aber mit den entsprechenden Sondereigentumseinheiten. Insoweit unterscheidet sich die vorliegende Fallkonstellation entscheidend von denjenigen Fällen, in denen es um die Eigentumsverhältnisse von Leitungen geht, die in den Wänden einer Sondereigentumseinheit verlaufen, nachdem sie von den Hauptleitungen abgezweigt sind.

(c) Überdies ist es auch nicht möglich, die betreffenden Stromleitungen zu verändern, beseitigen, entfernen, ohne die anderen Eigentümer über das nach § 14 WEG hinzunehmende Maß hinaus zu beeinträchtigen: Eine Entfernung der im gemeinschaftlichen Verteilerraum startenden Leitung würde einen Aufbruch des dortigen Mauerwerks erfordern. Derartiges würde jedenfalls eine mehr als unerhebliche optisch nachteilige Veränderung des Gemeinschaftseigentums darstellen.

III.

1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 I ZPO.

2. Die Revision war gemäß § 543 I Nr. 1, II ZPO nicht zuzulassen, da die vorliegende Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erforderlich ist. Es ging nur um die Anwendung anerkannter Rechtsgrundsätze auf einen reinen Einzelfall: Es galt schlicht, die vorliegende Fallkonstellation unter § 273 BGB und unter § 5 I WEG zu subsumieren, wobei die vom BGH zur Versorgungssperre festgelegten Grundsätze herangezogen wurden.

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3. Eine Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit war nicht veranlasst, da ein Rechtsmittel gegen das Urteil nicht mehr gegeben ist. Die Revision wurde nicht zugelassen. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist gemäß §§ 62 II, 43 Nr. 4 WEG nicht gegeben.

4. Die Streitwertfestsetzung für die Berufungsinstanz ergibt sich aus § 49a GKG.

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