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Verspätete Ankunft am Flughafen – Schadensersatzansprüche aus Reisevertrag

AG Frankfurt – Az.: 32 C 1966/17 – Urteil vom 20.02.2018

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Kläger nehmen die Beklagte auf Aufwendungs- und Schadensersatz aus einem Reisevertrag in Anspruch.

Am 25.11.2016 buchte die Klägerin für sich und für den Kläger bei der Beklagten eine Flugreise nach Thailand für den Zeitraum vom 13. bis zum 26.01.2017 zu einem Gesamtreisepreis von 2.748 €. Enthalten war ein sogenanntes Rail & Fly-Ticket der Deutschen Bahn jeweils am Hin- und Rückflugtag für eine An- bzw. Rückreise zum/vom Flughafen Köln/Bonn. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die mit Anlage K1 in Kopie vorgelegte Buchungsbestätigung der Beklagten (Blatt 6 ff. d.A.) Bezug genommen.

Die Beklagte empfiehlt ihren Kunden, bei internationalen Flügen spätestens zwei Stunden vor Abflug einzuchecken. Hinsichtlich der Nutzung des Rail & Fly-Tickets empfiehlt die Beklagte ihren Kunden, wegen möglicher Verspätungen im Zugverkehr eine Zugverbindung zu wählen, die laut Fahrplan mindestens drei Stunden vor Abflug eine Ankunft am Abfertigungsschalter des Abflughafens gewährleistet. Hinsichtlich der Einzelheiten wird insoweit auf die Anlagen K10 und K12 (Blatt 50 ff., 92 f. d.A.) Bezug genommen.

Der ursprünglich für den 13.01.2017 um 11:00 Uhr terminierte Abflug von Köln/Bonn nach Phuket wurde auf 14:55 Uhr verschoben, was die Beklagte den Klägern bereits eine Woche vor der geplanten Abreise mitteilte.

Die Kläger nutzten an jenem Tag das Rail & Fly-Ticket für die Anreise zum Flughafen und fanden sich zur planmäßigen Abfahrt des Zuges ICE 726 um 9:55 Uhr am Hauptbahnhof in Würzburg ein. Planmäßige Ankunft des Zuges am Bahnhof Siegburg/Bonn wäre um 12:10 Uhr gewesen. Der Zug verspätete sich jedoch sowohl hinsichtlich seiner Abfahrt als auch auf der Strecke und traf in Siegburg/Bonn erst mit 103 Minuten Verspätung um 13:53 Uhr ein. Die Klägerin nahm diesbezüglich bereits während der Zugfahrt telefonisch Kontakt mit der Beklagten auf. Nach Ankunft der Kläger am Bahnhof Siegburg/Bonn begaben diese sich von dort mit dem Taxi zum Flughafen Köln/Bonn, wo der Check in-Schalter für den gebuchten Flug nach Phuket bei Ankunft der Kläger dort jedoch bereits geschlossen war.

Die Kläger buchten daraufhin am Flughafen Köln/Bonn einen Ersatzflug zum Preis von 609,50 € pro Person und übernachteten bis zu dessen Abflug in einem Hotel in Frankfurt am Main, wofür sie Kosten von 84,74 € pro Person aufwendeten. Sie erreichten ihr Urlaubsziel am Abend des 15.01.2017.

Mit vorgerichtlichem Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 06.04.2017 begehrten die Kläger von der Beklagten Erstattung der vorgenannten Kosten sowie Schadensersatz wegen entgangener Urlaubsfreude im Umfang von zwei Reisetagen. Die Beklagte lehnte eine Leistung unter Berufung auf eine verfristete Geltendmachung der Ansprüche ab.

Die Kläger behaupten, bereits im Rahmen des Telefonates zwischen der Klägerin und der Beklagten sowie auch im Rahmen der Buchung des Ersatzfluges Ansprüche angemeldet zu haben. Die Buchung des Ersatzfluges sei an einem Schalter der Beklagten erfolgt. Die Kläger sind der Auffassung, dass die Beklagte für die Zugverspätung einzustehen habe.

Die Kläger beantragen,

Verspätete Ankunft am Flughafen – Schadensersatzansprüche aus Reisevertrag
(Symbolfoto: Von skyNext/Shutterstock.com)

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 923,24 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 21.04.2017 zu zahlen;

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 923,24 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 21.04.2017 zu zahlen;

3. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 255,85 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 21.04.2017 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie behauptet, dass das mit der Klägerin geführte Telefonat lediglich die Frage einer Abhilfe zum Gegenstand gehabt habe. Weiterhin behauptet die Beklagte, dass der Schalter am Flughafen Köln/Bonn, an welchem die Kläger den Ersatzflug buchten, zur (…) GmbH gehört habe, bei der es sich um eine seinerzeit von der Beklagten separate Rechtspersönlichkeit gehandelt habe. Die Beklagte ist ferner der Auffassung, dass die Kläger ihre Obliegenheit zu einer rechtzeitigen Anreise verletzt hätten, indem sie einen Zug wählten, der auch planmäßig später als drei Stunden vor Abflug angekommen wäre.

Das Gericht hat die Kläger informatorisch angehört sowie Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin (…). Hinsichtlich des Ergebnisses der Anhörung und der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 20.02.2018 (Blatt 94 ff. d.A.) Bezug genommen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Die Kläger können weder Aufwendungs- noch Schadensersatz aus §§ 651 c Abs. 3, 651 f Abs. 2 BGB in Verbindung mit dem zwischen den Parteien geschlossenen Reisevertrag von der Beklagten verlangen.

Zwar scheitern Ansprüche der Kläger noch nicht an einer Versäumung der einmonatigen Ausschlussfrist zur Anspruchsanmeldung gemäß § 651 g Abs. 1 BGB. Das Gericht ist insoweit im Sinne des § 286 ZPO davon überzeugt, dass die Klägerin bereits im Rahmen ihres während der Zugfahrt geführten Telefonats mit der Beklagten Ersatzansprüche dem Grunde nach geltend gemacht hat. Die Klägerin hat im Rahmen ihrer informatorischen Anhörung das Erfolgtsein der Äußerung eines entsprechenden Begehrens glaubhaft bekundet. Auch die Zeugin (…), mit dem Gespräch befasste Mitarbeiterin der Beklagten, bekundete nichts Entgegenstehendes. Ihren Angaben nach würden telefonisch angemeldete Ersatzansprüche mangels Kompetenz ihrer Abteilung für deren weitere Bearbeitung zwar nicht im einzelnen erfasst, jedoch regelmäßig von Kunden geäußert und jene standardmäßig auf eine nachträgliche Prüfung einer etwaigen Kompensation durch die zuständige Abteilung verwiesen. Auch wenn beide Auskunftspersonen keine exakte Erinnerung mehr an den jeweils geäußerten Wortlaut hatten, erachtet das Gericht es bei lebensnaher Betrachtung auch der Situation, aus welcher heraus das Telefonat geführt wurde, als jenseits vernünftiger Zweifel wahrscheinlich, dass die Klägerin im Rahmen des Telefonates ein über ein bloßes Abhilfeverlangen hinausgehendes Kompensationsbegehren geäußert hat. Dafür spricht auch, dass die Beklagte unstreitig den Klägern keine kostenfreie Ersatzbeförderung angeboten hat. Eine solch mündliche Anspruchsanmeldung ist im Rahmen des § 651 g Abs. 1 BGB auch grundsätzlich hinreichend. Auf das weitere streitige Vorbringen betreffend eine etwaige Anspruchsanmeldung auch am Flughafen kommt es danach nicht an.

Die Beklagte hat für die Zugverspätung auch dem Grunde nach einzustehen. Maßgeblich ist insoweit, ob der Reiseveranstalter die Zugfahrt als eigene Leistung angeboten hat (vgl. BGH, Urteil vom 28.10.2010, Az. Xa ZR 46/10 = RRa 2011, 20). Dies ist vorliegend zu bejahen. Dafür spricht insbesondere, dass das Rail & Fly-Ticket auf der Buchungsbestätigung als „inklusive“ bezeichnet wird und dass die Beklagte in ihren Kundenhinweisen (Anlage K10, Blatt 50 d.A.) betreffend das Rail & Fly-Ticket ausführt: „Mit diesem Angebot bieten wir Ihnen in Kooperation mit der Deutschen Bahn AG eine bequeme und stressfreie Anreise.“ (Hervorhebungen durch das Gericht).

Ansprüche der Kläger sind aber gemäß bzw. entsprechend § 254 Abs. 1 BGB deshalb ausgeschlossen, weil diesen eine Verletzung der ihnen obliegenden Mitwirkungsobliegenheiten zur Last fällt, welche in entscheidender Weise mitursächlich für das Verpassen des ursprünglich gebuchten Fluges war.

Einem Reisenden obliegen bei der Durchführung einer Reise grundsätzlich Mitwirkungsobliegenheiten, wie etwa bei Flugreisen die Pflicht, rechtzeitig am Flughafen zur Abfertigung zu erscheinen und bei vereinbarter Bahnanreise die Pflicht, die Zugverbindung so zu planen, dass er rechtzeitig am Flughafen erscheinen kann. Diese vertraglichen Nebenpflichten werden bereits konkludent mit Abschluss des Reisevertrages vereinbart und durch anlässlich dessen oder nachträglich bis zum Reiseantritt gewährte Informationen des Reiseveranstalters inhaltlich konkretisiert. Beachtet der Reisende diese Informationen nicht, läuft er Gefahr, seine Mitwirkungsobliegenheiten zu verletzen und die Durchführung der Reise ernsthaft zu gefährden. Es liegt im Risiko des Reisenden, wenn er solche Hinweise nicht beachtet (vgl. LG Frankfurt am Main, Urteil vom 07.11.2017, Az. 2-24 S 40/17).

Vorliegend hat die Beklagte hinsichtlich der von den Klägern gewählten Bahnanreise zum Flughafen empfohlen, eine Zugverbindung zu wählen, die laut Fahrplan mindestens drei Stunden vor Abflug eine Ankunft am Abfertigungsschalter des Abflughafens gewährleistet. Dieser Hinweis war auch eindeutig und steht insbesondere nicht im Widerspruch zu der weiteren Empfehlung der Beklagten, bei internationalen Flügen spätestens zwei Stunden vor Abflug einzuchecken. Letzteres hat ersichtlich lediglich den Check in-Vorgang als solchen zum Gegenstand, nicht aber die Bahnanreise.

Die Kläger haben diese Empfehlung missachtet, in dem sie eine Zugverbindung wählten, welche auch planmäßig lediglich zwei Stunden und 45 Minuten vor Abflug eine Ankunft auch lediglich am Bahnhof Siegburg/Bonn zur Folge gehabt hätte. Hinzu kommt noch der erforderliche Transfer von dort zum Flughafen Köln/Bonn, für welchen nach den eigenen Bekundungen der Kläger noch eine Taxifahrt von bis zu zehn Minuten zu veranschlagen war. Die damit einhergehende Obliegenheitsverletzung der Kläger war auch entscheidend für das Verpassen des Fluges. Die Klägerin bekundete im Rahmen ihrer Anhörung, dass der Check in-Schalter lediglich fünf Minuten vor ihrer Ankunft dort geschlossen worden sei. Daraus folgt, dass die Kläger – hätten sie eine Zugverbindung gewählt, welche wie empfohlen mit einer etwa 25 Minuten früheren planmäßigen Ankunft am Flughafen einher gegangen wäre – trotz einer Zugverspätung des streitgegenständlichen Umfangs ihren ursprünglich gebuchten Flug noch erreicht hätten.

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Diese danach im konkreten Fall entscheidende Verletzung ihrer Mitwirkungsobliegenheiten hat zur Folge, dass Ansprüche der Kläger in Gänze ausgeschlossen sind und nicht etwa lediglich ein prozentualer Abzug vorzunehmen ist (vgl. LG Frankfurt am Main, a.a.O.). Entgegen der mit nicht nachgelassenem klägerseitigen Schriftsatz vom 23.03.2018 geäußerten Rechtsauffassung ist insoweit auch unerheblich, dass die Klägerin die Beklagte unstreitig bereits während der Zugfahrt über die Verspätung informiert hat. Dies vermag an der Kausalität der Obliegenheitsverletzung nichts zu ändern.

Mangels Bestehen von Ansprüchen in der Hauptsache können die Kläger auch weder Zinsen, noch Erstattung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten aus §§ 280 Abs. 1 und 2, 286, 288 Abs. 1 BGB von der Beklagten verlangen.

Die Kostenentscheidung ergeht gemäß §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 100 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 und 2 i.V.m. § 709 Satz 2 ZPO.

Weder der nachgelassene beklagtenseitige Schriftsatz vom 13.03.2018, noch der nicht nachgelassene klägerseitige Schriftsatz vom 23.03.2018 gaben Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.

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