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Verspätete Beförderung von Reisegepäck – Schriftformerfordernis für eine Schadensanzeige

AG Hannover, Az.: 562 C 4677/14, Urteil vom 13.01.2015

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Tatbestand

Der Kläger verlangt aus eigenem und aus abgetretenem Recht Schadensersatz wegen der verspäteten Beförderung von Reisegepäck und eine angemessene Entschädigung in Geld wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit.

Der Kläger buchte bei der Beklagten zu 2) einen Flug von Hamburg über München nach Marsa Alam in Ägypten, der durch die Beklagte zu 1) ausgeführt wurde. Auf dem Hinflug am 13.12.2012 ging das Gepäck des Klägers und seiner Ehefrau verloren. Der Kläger und seine Ehefrau erhielten ihre Koffer erst am 17.12.2012. Die Rückreise erfolgte am 20.12.2012.

Der Kläger wandte sich mit E-Mails vom 14. und 25.12.2012 und dann erneut mit anwaltlichem Schreiben vom 21.03.2013 an die Beklagte zu 1).

Er behauptet, dass ihm durch die verspätete Beförderung des Reisegepäcks ein Gesamtschaden in Höhe von 365,- EUR entstanden sei. Wegen der Einzelheiten wird auf S. 3f. der Klageschrift (= Bl. 3f. d.A.) verwiesen.

Verspätete Beförderung von Reisegepäck - Schriftformerfordernis für eine Schadensanzeige
Symbolfoto: Von ImYanis /Shutterstock.com

Der Kläger behauptet weiter, der gesamte Urlaub habe ausschließlich dem Tauchsport dienen sollen. Da sich in den Gepäckstücken auch die persönliche Tauchausrüstung des Klägers befunden habe, habe er bis zum 18.12.2012 nicht tauchen können. Seine Ehefrau habe überhaupt nicht tauchen können. Weil sich ihr Medikament gegen Bluthochdruck im Gepäck befunden habe, habe sie sich vor Ort ein anderes Medikament verschreiben lassen müssen, dessen Nebenwirkungen in Bezug auf das Tauchen sie nicht habe einschätzen können.

Der Kläger beantragt, die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an ihn

1. 365,- EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13.04.2013 zu zahlen,

2. eine angemessene Entschädigung in Geld nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, wobei der genaue Betrag der Entschädigung in das Ermessen des Gerichts gestellt werden soll und hierbei von einem Betrag nicht unter 200,- EUR ausgegangen werden soll und

3. eine weitere angemessene Entschädigung in Geld nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, wobei der genaue Betrag der Entschädigung in das Ermessen des Gerichts gestellt werden soll und hierbei von einem Betrag nicht unter 300,- EUR ausgegangen werden soll.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Sie bestreiten die geltend gemachten Schäden mit Nichtwissen. Sie bestreiten auch mit Nichtwissen, dass der mit dem Urlaub verfolgte Zweck verfehlt worden sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet. Die geltend gemachten Ansprüche aus Art. 19 S. 1 des Übereinkommens vom 28.05.1999 zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr (Montrealer Übereinkommen, BGBl. 2004 II, 458) und aus § 651f Abs. 2 BGB stehen dem Kläger nicht zu.

I. Der geltend gemachte Anspruch aus Art. 19 S. 1 des Montrealer Übereinkommens (MÜ) ist gem. Art. 31 Abs. 4 MÜ ausgeschlossen, weil es an einer fristgerechten Schadensanzeige gem. Art. 31 Abs. 2 und 3 MÜ fehlt.

1) Die E-Mail des Klägers vom 25.12.2012 genügt den Anforderungen an die Schadensanzeige nicht.

a) Nach Art. 31 Abs. 3 MÜ muss jede Beanstandung schriftlich erklärt und innerhalb der dafür vorgesehenen Frist übergeben oder abgesandt werden. Die Anzeige per E-Mail genügt dem Schriftformerfordernis, das durch die eigenhändige Unterschrift gekennzeichnet ist (vgl. auch § 126 BGB), nicht. Schon der Wortlaut des Art. 31 Abs. 3 MÜ macht deutlich, dass die Vorschrift von einer verkörperten Gedankenerklärung ausgeht, denn nur eine solche könnte auch übergeben werden.

Das Erfordernis einer eigenhändigen Unterschrift ergibt sich auch aus dem Sinn und Zweck der fristgerechten Schadensanzeige. Die Anzeigepflicht dient dazu, dem Luftfahrtunternehmen innerhalb angemessener Zeit Klarheit darüber zu verschaffen, ob gegen es Ansprüche erhoben werden, damit es rechtzeitig Maßnahmen zur Beweissicherung ergreifen kann (vgl. AG Hamburg, Urteil vom 01.06.2011 – 20A C 359/10 -, zit. nach juris, Rn. 23); der Anzeigepflicht kommt somit Klarstellungsfunktion zu Die Unterschrift hat im Rahmen der Klarstellungs- und Beweisfunktion den Zweck, die Identität des Ausstellers erkennbar zu machen, die Echtheit der Urkunde zu gewährleisten und dem Empfänger die Prüfung zu ermöglichen, wer die Erklärung abgegeben hat (Palandt-Ellenberger, BGB, 74. Aufl. 2015, § 126 Rn. 6). Die Textform erfüllt die Klarstellungs- und Beweisfunktion dagegen nicht (Palandt-Ellenberger, § 126b Rn. 1).

b) Im Hinblick auf den Sinn und Zweck der Anzeigepflicht, dem Luftfahrtunternehmen Klarheit über die gegen es erhobenen Ansprüche zu verschaffen, genügt die E-Mail des Klägers vom 25.12.2012 auch den inhaltlichen Anforderungen an die Schadensanzeige gem. Art. 31 Abs. 2 und 3 MÜ nicht. Aus der E-Mail des Klägers ist der Umfang der geltend gemachten Schäden nicht ersichtlich.

2) Das anwaltliche Schreiben vom 21.03.2013 war nicht mehr fristgerecht. Nach Art. 31 Abs. 2 S. 2 MÜ muss die Anzeige im Fall einer Verspätung binnen 21 Tagen, nachdem das Reisegepäck dem Empfänger zur Verfügung gestellt worden ist, erfolgen.

c) Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Beklagten arglistig gehandelt haben (vgl. Art. 31 Abs. 4 MÜ).

II. 1) Ansprüche aus § 651f Abs. 2 BGB stehen dem Kläger nicht zu, weil weder im Verhältnis zu der Beklagten zu 1) noch im Verhältnis zu der Beklagten zu 2) ein Reisevertrag i.S.d. §§ 651a ff. BGB zustande gekommen ist.

Reise i.S.d. §§ 651a ff. BGB ist die Pauschalreise, d.h. eine aus mehreren Einzelleistungen zu einer Einheit zusammengefasste, als solche angebotene Gesamtleistung zu einem in der Regel einheitlichen Preis, die als Veranstaltung, d.h. als über die Summe der Einzelleistungen hinausgehender Erfolg geschuldet ist (vgl. Palandt-Sprau, Einf v § 651a Rn. 3 m.w.N.; vgl. auch § 651a Abs. 1 S. 1 BGB: „eine Gesamtheit von Reiseleistungen“). Bei der Beklagten zu 2) hat der Kläger aber lediglich eine Einzelleistung, nämlich den Flug gebucht, weshalb zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 2) nur ein Beförderungsvertrag zustande gekommen ist. Zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1) bestehen überhaupt keine vertraglichen Beziehungen.

2) Die §§ 651a ff. BGB sind hier auch nicht entsprechend anwendbar. Die §§ 651a ff. BGB sind entsprechend anwendbar, wenn der Vertrag zwar nur eine Einzelleistung zum Gegenstand hat, der Veranstalter diese aber erkennbar in eigener Verantwortung erbringen soll und aus der Sicht eines durchschnittlichen Reisekunden sowie nach dem ihm unterbreiteten Angebot diese einzelne Reiseleistung mit gleichen oder ähnlichen Organisationspflichten wie bei einer Reise erbracht werden soll (BGH NJW 2014, 2955). Nicht anwendbar sind die §§ 651a ff. BGB, wenn lediglich eine Einzelleistung ohne weitergehende Verantwortung angeboten wird (Palandt-Sprau, Einf v § 651a Rn. 5). So liegt es bei einer Flugbuchung, bei der regelmäßig schon deshalb nicht anzunehmen ist, dass der Vertragspartner auch die Verantwortung für einen Erholungserfolg übernimmt, weil, anders als bei der Buchung etwa eines Ferienhauses oder eines Mobilheims, die Erholung nicht im Rahmen der gebuchten Einzelleistung, sondern erst anschließend am Urlaubsort erfolgen soll.

3) Ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte zu 2) aus § 651f Abs. 2 BGB wäre überdies gem. § 651g Abs. 1 BGB ausgeschlossen, weil der Anspruch nicht innerhalb eines Monats nach Beendigung der Reise gegenüber der Beklagten zu 2) geltend gemacht worden ist.

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III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708Nr. 11, 711 S. 1 und 2 ZPO.

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