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Versteigerungsauftrag – Sorgfaltspflichten eines regionalen Auktionshauses

LG Augsburg – Az.: 22 O 3163/10 – Urteil vom 27.01.2012

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung i. H. v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Schadensersatz wegen angeblich fehlerhafter Bewertung eines Teppichs der Klägerin, der durch die Beklagte versteigert wurde.

Die Klägerin erteilte der Beklagten Mitte 2009 einen Auktionsauftrag, infolge dessen die Beklagte den streitgegenständlichen Teppich und diverse weitere Kunstgegenstände der Klägerin Ende August 2009 abholen ließ. Bei der Beklagten handelt es sich um ein regionales Augsburger Auktionshaus, das ständig Antiquitäten, Ölgemälde und Kunstgegenstände zur Versteigerung annimmt. Die Beklagte beschrieb den streitgegenständlichen Teppich unter Losnummer 2035 in ihrem Katalog zu ihrer Jubiläumsauktion am 09.10.2009 wie folgt: „Persische Galerie, Antik, Blaugründig, floral durchgemustertes Mittelfeld, Laufstellen, Sammlerstück, 338 x 153 cm“ (vgl. Anlage K 4). Der Schätzpreis belief sich auf € 900,00, das Limit war bei € 700,00 angesetzt worden. Die Beklagte versteigerte den Teppich für € 19.700,00. Wenige Monate später wurde der Teppich von Christie’s in London bei einer Auktion für orientalische Teppiche am 15.04.2010 mit einem Schätzpreis zwischen 200.000,00 bis 300.000,00 Pfund angeboten. In der Beschreibung des Teppichs ging das Auktionshaus Christie’s davon aus, dass es sich um einen Kerman-Teppich aus der Provenienz der Comtesse de Béhague handeln würde, welcher in dem Werk über Teppiche von Arthur Upham Pope, „A Survey of Persian Art“ abgebildet sei. Die von Christie’s vorgenommene Katalogbeschreibung des Teppichs enthielt einen umfangreichen Text. Im Rahmen der Auktion am 05.04.2010 in London wurde der Zuschlag bei 6.201.250,00 Britische Pfund erteilt. Wer den Teppich ersteigerte und wo sich der Teppich aktuell befindet, ist unklar.

Versteigerungsauftrag - Sorgfaltspflichten eines regionalen Auktionshauses
Symbolfoto: Von Gena Melendrez/Shutterstock.com

Die Klägerin ist der Meinung, dass der Beklagten mehrere Pflichtverletzungen i. V. m. dem Versteigerungsauftrag betreffend den streitgegenständlichen Teppich vorzuwerfen seien und die Beklagte daher mindestens den von Christie’s veranschlagten Schätzpreis der Klägerin zu erstatten habe. Der Teppich sei von der Beklagten nicht hinreichend untersucht worden. Die Beklagte habe ferner der Klägerin ihre eigene Unkenntnis über die Herkunft des Teppiches nicht mitgeteilt und trotz dieser Unkenntnis keine weiteren Nachforschungen und Konsultationen bei Kollegen angestellt. Die Klägerin behauptet, dass es sich bei dem Werk „A Survey of Persian Art“ um ein Standardwerk handeln würde.

Die Klägerin beantragt,

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 344.800,93 nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 09.10.2009 zu bezahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere € 3.609,00 nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 12.06.2010 zu bezahlen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf die verauslagten Gerichtskosten von € 6.618,00 und künftigen Gerichtskosten ab Rechtshängigkeit bis zum Tag der Antragstellung im Kostenfestsetzungsverfahren zu zahlen.

Die Beklagte beantragt: Klageabweisung.

Die Beklagte ist der Meinung, dass weder eine Pflichtverletzung noch ein Verschulden auf Seiten der Beklagten vorliege. Auch ein kausaler Schaden sei nicht eingetreten. Insbesondere habe die Beklagte den Teppich durch ihre Mitarbeiter ausreichend untersucht. Bei dem Werk über Teppiche mit dem Titel „A Survey of Persian Art”, würde es sich um kein Standardwerk handeln, das jedem Auktionator bekannt sein müsse.

Das Gericht hat im Termin am 07.12.2011 Beweis erhoben durch uneidliche Einvernahme der …. Außerdem wurden die Klägerin und der Geschäftsführer der Beklagten informatorisch angehört. Betreffend das Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll vom 07.12.2011 Bezug genommen.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 07.12.2011 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Schadensersatz. Die Beweisaufnahme hat zur Überzeugung des Gerichts ergeben, dass der Beklagten ein Verschulden i. S. v. § 276 BGB nicht vorzuwerfen ist. Außerdem fehlt es an einem kausalen Schaden.

1. Eine subjektive Pflichtwidrigkeit der Beklagten steht zur Überzeugung des Gerichts nicht fest. Fahrlässig handelt gemäß § 276 II BGB, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt. Welche Sorgfalt im Verkehr erforderlich ist, hängt von den Umständen des konkreten Einzelfalles ab. Im vorliegenden Fall berücksichtigt das Gericht ganz wesentlich, dass es sich bei der Beklagten lediglich um ein regionales Auktionshaus handelt, das nicht über die sachliche und personelle Ausstattung der großen Auktionshäuser wie Christie’s oder Sotheby’s verfügt. Die Beklagte ist ein Universalversteigerer ohne Spezialisierung auf bestimmte Gegenstände. Die Beklagte beschäftigt sieben Vollzeit- und sieben Teilzeitmitarbeiter. Im Jahr kommen ca. 8.000 bis 10.000 Gegenstände zur Versteigerung – darunter auch Objekte ohne Limit. Der Durchschnittszuschlag liegt bei 150,00 €. Das Gericht sieht vor diesem Hintergrund eine Erwartung in die Beklagte für nicht gerechtfertigt an, wonach die Beklagte bei jedem einzelnen Objekt, das ihr zur Versteigerung übergeben wird, die exakte Herkunft, das genaue Alter ohne den Ansatz eines verbleibenden Zweifels ermitteln müsste. Es ist allgemein bekannt, dass auch ausgewiesene Kunstsachverständige nicht selten außerstande sind, die Herkunft eines Bildes, eines Möbelstückes oder eines Teppichs exakt zu bestimmen. Dies entband die Beklagte indes nicht, auch den streitgegenständlichen Teppich sorgfältig auf seine Qualität und seine Herkunft hin zu untersuchen.

Zur Überzeugung des Gerichts steht aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme fest, dass eine ausreichend sorgfältige Untersuchung des Teppichs durch die Beklagte anzunehmen ist. Das vermutete Verschulden der Beklagten ist damit widerlegt im Sinne von § 280 I 2 BGB.

Das Gericht ist davon überzeugt, dass der Zeuge … der bei der Beklagten für die Besichtigung und Bewertung der Teppiche zuständig ist, bei der Untersuchung des streitgegenständlichen Teppichs die Sorgfalt an den Tag gelegt hat, die von einem Auktionshaus mit dem Zuschnitt der Beklagten erwartet werden muss. Der Zeuge bekundete, dass er den Teppich zusammen mit dem Geschäftsführer der Beklagten ca. 15 bis 20 Minuten begutachtet habe. Er habe sich den Teppich genau angesehen. Da er sich betreffend der Herkunft des Teppichs nicht sicher gewesen sei, habe er sodann in den ihm zur Verfügung stehenden Werken über Teppiche wie – „Wattenberg“, „Aschenbrenner“ und „Millers“ – nach dem Teppich geforscht. Er habe den Teppich in diesen Werken indes nicht gefunden. Er selbst sei bei der Beklagten der Teppichspezialist und verfüge über 35 Jahre Berufserfahrung als Auktionator. Die Beklagte würde im Jahr ca. 500 bis 600 Teppiche versteigern. Ferner habe er mehreren Händlern vor der Versteigerung Fotos des Teppichs geschickt. Aus der Sicht der Kammer sind diese von dem Zeugen getroffenen Anstrengungen als ausreichend zu erachten. Dass der Zeuge … diese Anstrengungen auch tatsächlich vorgenommen hat, steht ebenfalls zur Überzeugung des Gerichts fest. Das Gericht hält den Zeugen … für glaubwürdig. Zwar liegt bei dem Zeugen … als langjährigem Mitarbeiter der Beklagten ein Interesse am Ausgang des Rechtsstreits nahe. Er tätigte seine Aussage jedoch ruhig und sachlich. Widersprüche konnte das Gericht nicht erkennen. Der Zeuge konnte sich offenkundig an den streitgegenständlichen Teppich tatsächlich erinnern und schilderte plastisch und nachvollziehbar seine Bemühungen im Rahmen der Besichtigung und der Bewertung des Teppichs. Das Gericht hält den Zeugen … nicht zuletzt deshalb für glaubwürdig, weil er an einem wesentlichen Punkt der Darstellung des Geschäftsführers der Beklagten widersprach. Der Geschäftsführer der Beklagten führte im Rahmen seiner informatorischen Anhörung aus, dass er zusammen mit dem Zeugen …- wohl um zu belegen, dass sich die Beklagte intensiv mit dem streitgegenständlichen Teppich auseinandergesetzt hätte – über eine Erhöhung des zunächst angenommenen Schätzpreises von € 900,00 auf € 2.000,00 diskutiert habe. Der Zeuge … bestritt im Rahmen seiner Einvernahme nachdrücklich eine derartige Diskussion, die für die Beklagte nur günstig gewesen wäre.

Für das Gericht ist bei der Beantwortung der Frage, ob die Beklagte eine ausreichende Sorgfalt anlässlich der Bewertung des Teppichs walten ließ, nicht maßgeblich, ob eine gemeinsame Besichtigung des streitgegenständlichen Teppichs zusammen mit dem Zeugen … stattgefunden hat. Das Gericht hält die Anstrengungen, die der Zeuge … unternommen hat, für ausreichend. Außerdem ist für das Gericht nicht eindeutig, dass sich der Zeuge … an den streitgegenständlichen Teppich tatsächlich erinnert hat. Der Zeuge war sich da selbst nicht sicher. Schon vor der Unterbrechung der Vernehmung des Zeugend … wirkte der Zeuge auf das Gericht an diesem Punkt nicht sicher. Dass sich der Geschäftsführer der Beklagten prozessrechtswidrig verhielt, indem er in einer Sitzungspause den Zeugen … dessen Vernehmung gerade unterbrochen war, zu dem Thema der Vernehmung befragte, wirkt sich vor diesem Hintergrund nicht auf den Rechtsstreit aus.

Das Gericht hält die von dem Zeugen … unternommenen Anstrengungen zur Untersuchung des streitgegenständlichen Teppichs für ausreichend. Das Gericht kann nicht erkennen, dass es sich bei dem von der Klägerseite als „Standardwerk“ bezeichneten Werk „A Survey of Persian Art“ tatsächlich um ein Standardwerk handeln würde, das jedes Auktionshaus – auch ein kleineres wie die Beklagte – in Besitz haben müsste. Der Sachverständige für Hausrat … der als Zeuge vernommen wurde, bekundete glaubhaft und glaubwürdig, dass er ein Werk über Teppiche mit dem Namen „A Survey of Persian Art“ aus seiner Berufstätigkeit nicht kennen würde. Die Standardwerke, die er bei der Begutachtung von Teppichen verwenden würde, lauten „Benett, Lettenmair und Iten-Maritz“.

Im Hinblick auf die durch die Zeugen … unternommenen Anstrengungen kommt es auf die Entscheidung der zwischen den Parteien streitigen Frage, wie intensiv der Geschäftsführer der Beklagten den streitgegenständlichen Teppich bei seinem ersten Kontakt mit dem Teppich besichtigt hat, nicht an.

2. Überdies sieht das Gericht keinen kausalen Schaden verwirklicht. Unter Zugrundelegung der Katalogbeschreibung des Auktionshauses Christie’s ist offenkundig, dass ein wesentlicher Wertfaktor des Teppichs die Herkunft aus dem Nachlass der Comtesse de Béhague ist. Dass die Beklagte diese Herkunft, sollte sie denn zutreffen, nicht erkannt hat, kann der Beklagten nicht vorgeworfen werden. Auch der Teppichhändler … der von beiden Seiten als renommierter Teppichhändler und Kunstsammler beschrieben wird und in dessen Besitz der streitgegenständliche Teppich sich jahrelang befand, hatte die Herkunft des Teppichs nicht erkannt. Über die Qualität und den Zustand des Teppichs des Weiteren kann das Gericht keine Aussage treffen, da nicht bekannt ist, wo sich der Teppich befindet. Ein Sachverständigengutachten scheidet vor diesem Hintergrund aus. Der Teppich hat im Rahmen der Versteigerung bei der Beklagten einen Preis von knapp € 20.000,00 erzielt. Dass die Qualität und der Zustand des Teppichs einen höheren Preis gerechtfertigt hätten bzw. ein solcher im Falle einer ausführlicheren Beschreibung des Teppichs oder eines höheren Schätzpreises/Mindestgebotes bei der Auktion tatsächlich erzielt worden wäre, steht für das Gericht nicht fest. Auch fehlt es an einem kausalen Schaden, soweit die Klägerin der Beklagten vorwirft, diese habe ihr die Unkenntnis von der Herkunft des Teppichs nicht mitgeteilt. Ein nachvollziehbarer Vortrag hierzu fehlt. Die Klägerin konnte aus dem Versteigerungskatalog die Beschreibung des Teppichs entnehmen. Wäre ihr diese Beschreibung nicht ausreichend genau gewesen, hätte sie den Teppich zurückfordern können – dies unterließ sie indes. Auch ist nicht vorgetragen, dass die Klägerin den Teppich nur dann zur Versteigerung zugelassen hätte, wenn zuvor die Herkunft und das Alter des Teppichs exakt geklärt gewesen wären.

3. Da die Klage in der Hauptsache keinen Erfolg hat, kann die Klägerin auch nicht mit den geltend gemachten Nebenansprüchen durchdringen.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 I ZPO.

5. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1, 2 ZPO.

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