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Vertaner Urlaub: Pro Tag gibt es 72,00 €

Landgericht Frankfurt am Main

Az.: 2-19 O 233/02

Urteil vom 17.12.2002


Das Landgericht Frankfurt am Main – 19. Zivilkammer – hat aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 17.12.2002 für Recht erkannt:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 4.596,43 Euro nebst 5% Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18.07.2002 zu zahlen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger zu 29% und die Beklagte zu 71 %.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Die Kläger begehren aus einem Reisevertrag die Rückerstattung von Reisekosten, Ersatz von Mehraufwendungen und Entschädigung wegen nutzlos aufgewandter Urlaubszeit.

Sie buchten bei der Beklagten für die Zeit vom 29. März bis 9. April 2002 eine Busrundreise durch Australien sowie Flüge von Frankfurt/Main nach Sydney und zurück zu einem Gesamtpreis von 6.818,00 Euro. Für die Route der Busrundreise wird auf den Katalog der Beklagten (BI. 10 d.A.) Bezug genommen.

Am 27.3.2002 kamen die Kläger in Sydney an. Die ab dem 29.03 2002 geplante Busreise fand jedoch nicht statt. Am 30. März meldete sich die Reiseleiterin der Beklagten bei den Klägern und bot an, daß sie zu einer anderen Reisegruppe mit der gleichen Busroute stoßen könnten, die die Busreise früher begonnen hatten. Die Kläger nahmen dieses Angebot nicht an und traten noch am gleichen Tag die Rückreise nach Deutschland an.

Die Beklagte erstattete den Klägern den Preis für die Busrundreise in Höhe von 3.498,00 Euro.

Die Kläger behaupten, das Angebot der Reiseleitung habe dahingehend gelautet, am 6. Tag der Busreise in R. zu der Reisegruppe zu stoßen. Es sei bei diesem Angebot offen gewesen, ob es die gleiche Busreise betreffe, ob es eine deutschsprachige Reiseleitung gebe und wie man die restliche Zeit in C. hätte verbringen können. Sie verlangen Ersatz von Aufwendungen in Sydney, den Flugpreis in Höhe von 3.320 Euro und sonstige Anreisekosten sowie Entschädigung für entgangene Urlaubsfreude.

Die Kläger beantragen, die Beklagte zu verurteilen, an sie 3.444,43 Euro sowie darüber hinaus eine angemessene, in das Ermessen des Gerichts gestellte Entschädigung für vertane Urlaubszeit nebst 5% Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz gemäß § 247 BGB auf beide Beträge seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, bei der gebuchten Busreise und den Flügen handele es sich um getrennte Reiseleistungen nach dem sogenannten Baukastenprinzip. Sie behauptet des weiteren, die Kläger hätten ab dem 3. Reisetag der angebotenen Ersatzreise teilnehmen können und damit nur 2 Reisetage verpasst. Sie ist der Ansicht, wegen ihrer Kostengeringhaltungspflicht seien die Kläger verpflichtet gewesen, an der angebotenen Ersatzreise teilzunehmen.

Zur Ergänzung des Parteivorbringens wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

 

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

1.

Die Kläger haben gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erstattung der Reisekosten in Höhe von 3.320 Euro (§§ 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt i.V.m. 651e Abs. 3 BGB).

Zwischen den Parteien wurde ein Reisevertrag geschlossen (§§ 651 a ff. BGB), der sowohl den Transport nach Sydney als auch die eigentliche Busrundreise umfaßt. Dabei ist unschädlich, daß nach Ansicht der Beklagten der Transport und die Rundreise nach dem sogenannten Baukastenprinzip ausgesucht wurden. Denn die beiden Teile wurden als Leistungsbündel und damit ais einheitliche Reise gebucht (vgl. Seyderhelm, Reiserecht, § 651a Rz. 17 ff.).

Zu Recht wurde dieser Reisevertrag von den Klägern gekündigt (§ 651e Abs. 1 BGB). Da die von den Klägern gebuchte Busrundreise nicht stattfand, lag ein Mangel vor, der die Reise erheblich beeinträchtigte. Das Alternativangebot der Beklagten, zu einer anderen Reisegruppe zu stoßen, die zu der gleichen Busrundreise drei Tage früher aufgebrochen war, konnte den Klägern nicht zugemutet werden. Denn damit hätten sie mindestens vier, eher fünf Reisetage der nur elftägigen Busreise und damit einen erheblichen Teil verpaßt.

Nicht nachvollziehbar ist der Vortrag der Beklagten, die Kläger hätten am dritten Tag der Busrundreise zu der anderen Gruppe stoßen können und hätten auf diese Weise lediglich zwei Tage verpasst. Die Kläger haben substantiiert vorgetragen, daß man ihnen im Laufe des 30. März, einem Samstag, mitteilte, sie könnten zu der am Mittwoch zuvor gestarteten Gruppe stoßen. Zum Zeitpunkt dieser Mitteilung befand sich die andere Reisegruppe also bereits auf ihrem vierten Reisetag. Auch bei schnellstmöglicher Reaktion hätten die Kläger damit mindestens vier Reisetage verpasst. Nicht berücksichtigt ist dabei, daß das Verbringen der Kläger zu der Reisegruppe einen weiteren Reisetag kostet.

Auch der Einwand der Beklagten, das eigentliche Reiseziel sei die Besichtigung der tropischen Inseln, die nach wie vor möglich gewesen sei, überzeugt nicht.

Denn die Reise hatte insgesamt lediglich eine Dauer von elf Tagen und dementsprechend ein dicht gedrängtes Programm. So stellen auch der Pacific Highway, Coffs Harbour und die „Gold Coast“ Sehenswürdigkeiten dar, die als eigene Programmpunkte der Busreise mitgebucht waren (vgl. Reisebeschreibung BI. 10 d.A.). Den Klägern war nicht zuzumuten, das Fehlen dieser Programmpunkte und damit eine erhebliche Änderung der Reise hinzunehmen.

Eine Fristsetzung war entbehrlich (§ 651e Abs. 2 BGB), da die Reiseleitung bereits ein (unzumutbares) Abhilfeangebot gemacht hatte und es eine weitere Abhilfemöglichkeit nicht gab.

Aufgrund der Kündigung hat die Beklagte den Anspruch auf den Reisepreis verloren (§ 651e Abs. 3 BGB) und den restlichen Reisepreis von 3.320 Euro zu erstatten. Sie kann für die erbrachten Leistungen auch keine Entschädigung verlangen (§ 651e Abs. 3 Satz 2 und 3 BGB). Ohne die Busrundreise waren der Hin- und Rückflug für die Kläger wertlos. Ebenso wertlos war der 16-stündige Aufenthalt in Hong Kong, den die Kläger im wesentlichen auf dem Flughafen verbrachten, zumal sie nach eigenem Vortrag der Beklagten keinen Anspruch auf Teilnahme an der Stadtführung in Hong Kong hatten. Während des Aufenthaltes in Sydney waren die Kläger damit beschäftigt, sich um die Fortsetzung ihres Urlaubs zu kümmern und mit der Reiseleitung zu verhandeln. Die Flugreise selbst, der kurze Aufenthalt und damit die Leistungen der Beklagten waren für die Kläger daher ohne Interesse (vgl. LG Frankfurt/Main NJW-RR 1989, 312).

2.

Den Klägern steht gegen die Beklagten auch ein Anspruch auf Ersatz von Hotel und Taxikosten in Höhe von 124,43 Euro zu (§§ 651e Abs. 4, 651f Abs. 1 BGB).

Diese Kosten sind den Klägern unstreitig durch die zusätzliche Übernachtung in Sydney entstanden.

3.

Den Klägern steht auch ein Entschädigungsanspruch für nutzlos aufgewandte Urlaubszeit in Höhe von 1.152,00 Euro zu, denn die gebuchte Reise war durch das Fehlen der Busreise erheblich beeinträchtigt (§ 651 f Abs. 2 BGB).

Nach der Rechtsprechung der für Berufungen in Reisesachen zuständigen 24. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main ist die Entschädigung für nutzlos aufgewendete Urlaubszeit pauschal nach dem durchschnittlichen täglichen Nettoeinkommen eines Erwerbstätigen zu bemessen, wobei dieser Pauschalbetrag ursprünglich auf 100,– DM und später auf 130,– DM pro Tag und Person festgesetzt wurde (LG Frankfurt, NJW-RR 1988, 1451; RRa 1998, 119).

Die erkennende Kammer, die für erstinstanzliche Reisesachen zuständig ist, hat sich dem angeschlossen, da jedenfalls im Regelfall ein einheitlicher Ausgleichsbetrag unabhängig von Reisepreis, Einkommens- oder Erwerbssituation oder Kosten eines Ersatzurlaubes sachgerecht erscheint. Auch im vorliegenden Fall sind keine besonderen Umstände ersichtlich, die es ausnahmsweise rechtfertigen würden, die immaterielle Beeinträchtigung der Kläger anhand anderer Kriterien festzustellen. Die Kammer ist aber der Auffassung, daß es bei Reisen, die nach Einführung des Euro als alleiniges gesetzliches Zahlungsmittel angetreten wurden, nicht mehr sachgerecht ist, die Entschädigung durch Umrechnung der bisherigen Beträge auf 66,47 Euro täglich zu bestimmen. Denn abgesehen davon, daß auch die Reisepreise inzwischen der neuen Währung angepaßt wurden, muß die Einkommensentwicklung der letzten Jahre berücksichtigt werden. Das durchschnittliche tägliche Nettoeinkommen eines Erwerbstätigen ist in den letzten vier Jahren seit der Entscheidung der 24. Zivilkammer im Jahre 1998 um ungefähr 8% angestiegen (vgl. Statistisches Jahrbuch für die Bundesrepublik Deutschland, 2001, S. 560 ff.). Die Kammer hält es deshalb für angemessen, die Entschädigung für einen völlig nutzlos aufgewandten Urlaubstag auf nunmehr 72,– Euro festzusetzen.

Die Australienreise der Kläger dauerte vom 25. März bis zum 10. April 2002, also 17 Tage. Hiervon werden 4 Tage als An- und Abreisetage nicht berücksichtigt. Von den verbleibenden 13 Tagen stehen den Klägern für drei Tage die volle Tagesentschädigung zu. Für die restlichen 10 Tage, die die Kläger zu Hause verbrachten (sogen. Balkonurlaub) steht ihnen ein Restwert von 50% der Entschädigungspauschale zu (vgl. BGH NJW 1983, 35; LG Frankfurt/Main RRa 1998, 119, 120; NJW 1982, 2452). Unerheblich ist in diesem Zusammenhang der klägerische Vortrag, der Kläger zu 2) habe infolge des langen Fluges Gesundheitsbeeinträchtigungen erlitten. Die Kläger machen kein diesbezügliches Fehlverhalten der Beklagten geltend. Die Länge des Fluges an sich kann der Beklagten nicht angelastet werden.

Hiernach ergibt sich ein Entschädigungsanspruch von insgesamt 1.152,00 Euro.

Der Zinsanspruch der Kläger ergibt sich aus §§ 284 Abs. 1, 288 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO, da die von der Kammer zugebilligte Entschädigung deutlich unterhalb der Größenordnung liegt, die sich die Kläger vorgestellt haben. Es mußte daher insoweit eine Teilabweisung erfolgen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

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