Oberlandesgericht München
Az: 3 Ws 68/07
Beschluss vom 06.02.2007
In dem Strafverfahren wegen fahrlässiger Körperverletzung hier: Beschwerde der Angeklagte gegen die Ablehnung der beantragten Terminverlegung
Der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts München hat am 06. Februar 2007 in dem Strafverfahren beschlossen:
Auf die Beschwerde der Angeklagten werden der Beschluss der 5. Strafkammer des Landgerichts Augsburg vom 17. Januar 2007 und der Termin zur Berufungshauptverhandlung vom 26. Februar 2007, 8,45 Uhr, aufgehoben.
Gründe:
I.
Die Beschwerdeführerin wurde durch Urteil des Amtsgerichts Aichach vom 11.05.2006 wegen fahrlässiger Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 40,00 EUR verurteilt. Gegen dieses Urteil legte sie durch Schriftsatz ihres damaligen Verteidigers, Rechtsanwalt von N, vom 12.05.2006 Rechtsmittel ein; die Staatsanwaltschaft Augsburg legte gegen das Urteil mit Schreiben vom 12.05.2006 das Rechtsmittel der Berufung ein, die mit weiterem Schreiben vom 25.07.2006 auf das Strafmaß beschränkt wurde. Mit Verfugung des Vorsitzenden der 5. Strafkammer des Landgerichts Augsburg vom 27.09.2006 wurde Termin zur Berufungshauptverhandlung auf den 26.02.2007, 8.45 Uhr, bestimmt.
Mit Schriftsatz vom 05.12.2006 teilte der bisherige Verteidiger dem Landgericht Augsburg mit, er verteidige die Beschwerdeführerin nicht mehr; ferner wurden Name und Anschrift des neuen Verteidigers mitgeteilt. Mit Verfügung des Vorsitzenden der 5. Strafkammer des Landgerichts Augsburg vom 12.12.2006, die am 04.01.2007 ausgeführt wurde, wurde der nunmehrige Verteidiger, Rechtsanwalt Dr. T, zum Termin vom 26.02.2007 geladen und ihm zugleich mitgeteilt, dass eine Terminsverlegung nicht in Betracht komme, der Termin sei mit der ursprünglichen Verteidigung abgesprochen gewesen.
Mit Schriftsatz vom 08.01.2007 beantragte der nunmehrige Verteidiger der Beschwerdeführerin Terminsverlegung und führte zur Begründung aus, er sei am 26.02.2007 verhindert, da er an diesem Tag als Rechtsberater an einer Veranstaltung des Bundesverbandes der Körper- und Mehrfachbehinderten mit Vertretern anderer Behindertenorganisationen in Düsseldorf teilnehmen müsse; dieser Termin sei im Dezember 2006 anberaumt worden und könne nicht verschoben werden.
Mit Beschluss vom 17.01.2007 wies die 5. Strafkammer des Landgerichts Augsburg den Antrag auf Verlegung des Beratungsverhandlungstermins vom 26.02.2007 zurück. Hiergegen erhob die Angeklagte mit Schriftsatz ihres Verteidigers vom 22.01.2007 Beschwerde, der mit Beschluss der 5. Strafkammer des Landgerichts Augsburg vom 23.01.2007 nicht abgeholfen wurde.
II.
Die Beschwerde der Angeklagten gegen die Ablehnung der von ihrem Verteidiger beantragten Terminsverlegung ist zulässig. Zwar ist die Beschwerde gegen die Ablehnung eines Antrags auf Terminsverlegung grundsätzlich nach § 305 Satz 1 StPO ausgeschlossen, sie ist jedoch ausnahmsweise statthaft, wenn sie darauf gestützt ist, dass die Entscheidung des Vorsitzenden rechtswidrig sei (vgl. Beschlüsse des Senats vom 19.05.2006, Gz. 3 Ws 374/06, und vom 22.07.2003, Gz. 3 Ws 407/03; Beschluss des 2. Strafsenats des OLG München vom 25.04.1994, NStZ 1994, 451; Meyer-Goßner, StPO, 49. Auflage, § 213, Rn. 8 m.w.N.). Diese Voraussetzung ist hier erfüllt, da die Beschwerde gegen die Ablehnung des Verlegungsantrages im Wesentlichen damit begründet wird, es stelle einen Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens dar, wenn sich die Angeklagte im Termin vom 26.02.2007 nicht von ihrem selbst gewählten Verteidiger verteidigen lassen könne.
Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.
Über Anträge auf Terminsverlegung hat der Vorsitzende nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung der eigenen Terminplanung, der Gesamtbelastung der Kammer, des Gebots der Verfahrensbeschleunigung und der berechtigten Interessen aller Prozessbeteiligten zu entscheiden (vgl. BGH, Beschluss vom 20.06.2006, NStZ-RR 2006, 271). An diesen Grundsätzen hat sich die Kammer bei der Ablehnung des Verlegungsantrages vom 08.01.2007 nicht ausgerichtet. Dies zeigt bereits der mit der Ladung des nunmehrigen Verteidigers verbundene Hinweis, eine Terminsverlegung komme nicht in Betracht, da der Termin mit dem früheren Verteidiger abgesprochen worden sei. Hieraus wird deutlich, dass der Strafkammervorsitzende von vornherein und unabhängig von dem geltend gemachten Grund nicht bereit war, einem etwaigen Verlegungsantrag zu entsprechen. Demgemäß lässt auch der angefochtene Beschluss vom 17.01.2007 die gebotene Abwägung zwischen den oben genannten Kriterien vermissen. Es liegt auf der Hand, dass bei einem Verteidigerwechsel die mit dem früheren Verteidiger getroffene Terminsabsprache für den neuen Verteidiger nicht bindend ist und daher kein Grund sein kann, einen mit Terminskollision begründeten Verlegungsantrag ohne jede weitere Prüfung abzulehnen. Es wurde auch nicht versucht, einen Verhandlungstermin mit dem neuen Verteidiger abzusprechen.
Zu Recht wird in der Beschwerdebegründung darauf hingewiesen, dass die Beschwerdeführerin ein besonderes Interesse daran hat, sich in der Hauptverhandlung durch ihren nunmehrigen Verteidiger vertreten zu lassen. Schon der Umfang der Beweisaufnahme in erster Instanz zeigt, dass es sich um eine komplexe Sache handelt. Außerdem hat der Verteidiger bereits in seinem Schriftsatz vom 08.01.2007 die Stellung eines auf die Erholung eines Sachverständigengutachtens abzielenden Beweisantrages angekündigt. Hinzu kommen mögliche berufsrechtliche Konsequenzen des Strafverfahrens für die Beschwerdeführerin. Demgegenüber wird in der angefochtenen Entscheidung allein auf das allgemeine Gebot der Verfahrensbeschleunigung und den Terminsdruck der Strafkammer abgestellt.
Da der Strafkammervorsitzende somit von dem ihm zustehenden pflichtgemäßen Ermessen keinen fehlerfreien Gebrauch gemacht hat, waren der angefochtene Beschluss und der Berufungshauptverhandlungstermin vom 26.02.2007 aufzuheben (vgl. Meyer-Goßner, a.a.O.).
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.