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Vertrag über eine Markise

Kaufvertrag mit Montageverpflichtung oder Werkvertrag

LG Flensburg – Az.: 2 O 233/19 – Urteil vom 12.06.2020

Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 10.638,40 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.12.2019 zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Kläger verlangen von der Beklagten die Rückzahlung eines für eine Markise entrichteten Betrags.

Die Kläger beabsichtigten, an ihrem Haus einen Wintergarten zu errichten und ließen sich hierbei durch die Beklagte beraten. Es stellte sich jedoch heraus, dass der Anbau eines Wintergartens baurechtlich nicht zulässig war. Die Kläger zogen daher, wiederum beraten durch die Beklagte, eine Markisenkonstruktion in Erwägung. Die Beklagte unterbreitete den Klägern unter dem 25.5.2019 ein entsprechendes Angebot (Anlage K 1, Bl. 10 f. d. A.). Am 26.5.2019 trafen sich die Kläger in ihrem Privathaus mit dem Geschäftsführer der Klägerin und nahmen dort das Angebot an. Es handelt sich um eine Markise, die aus einer Überdachung und einer Senkrechtmarkise besteht. Die Beklagte erstellte vor Ort ein Aufmaß und baute nach Anfertigung die Markise ein. Eine Belehrung über ein Widerrufsrecht erfolgte nicht.

Die Beklagte rechnete ihre Leistungen mit Rechnung vom 10.7.2019 (Anlage K 5, Bl. 20 d. A.) zu einem Betrag von 12.138,40 € ab. Die Kläger zahlten auf diese Rechnung 10.638,40 €.

Nach Uneinigkeit der Parteien über Mängel erklärten die Kläger mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 27.11.2019 den Widerruf des Vertrags und setzten eine Frist zur Rückzahlung des gezahlten Werklohns bis zum 4.12.2019.

Die Kläger meinen, der Widerruf sei wirksam, da es sich bei dem Vertrag um einen Werkvertrag handele, für den ein Widerrufsrecht gemäß § 312 g Abs. 1 BGB bestehe.

Die Kläger beantragen, die Beklagte zu verurteilen, an sie 10.638,40 € nebst Zinsen hierauf in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 5.12.2019 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte meint, ein Widerrufsrecht sei gemäß § 312 g Abs. 2 Nr. 1 BGB ausgeschlossen, da es sich bei dem Vertrag um einen Kaufvertrag mit Montageverpflichtung handele.

Den ursprünglichen Klagantrag zu 2), mit dem die Kläger die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten geltend gemacht haben, haben sie vor mündlicher Verhandlung zurückgenommen. Die Kammer hat die Parteien persönlich angehört. Für das Ergebnis der Anhörung wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 5.6.2020 (Bl. 76 f. d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist erfolgreich. Sie ist zulässig und begründet.

A)

Die Kläger haben einen Anspruch auf Rückzahlung des Betrags von 10.638,40 € gemäß §§ 357 Abs. 1, 355, 312 g Abs. 1 BGB.

Die Parteien haben einen Vertrag geschlossen, den die Kläger wirksam widerrufen haben.

I)

Eine Widerrufserklärung im Sinne des § 355 Abs. 1 S. 2 BGB liegt in dem Schreiben vom 27.11.2019.

II)

Den Klägern steht ein Widerrufsrecht gemäß § 312 g Abs. 1 BGB zu.

1) Gemäß § 312 Abs. 1 BGB ist u. a. die Vorschrift des § 312 g BGB nur auf Verbraucherverträge im Sinne des § 310 Abs. 3 BGB anzuwenden, die eine entgeltliche Leistung des Unternehmers zum Gegenstand haben. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Ein Verbrauchervertrag im Sinne des § 310 Abs. 3 BGB ist ein Vertrag zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher. Die Beklagte ist Unternehmerin im Sinne des § 14 Abs. 1 BGB. Die Kläger sind Verbraucher im Sinne des § 13 BGB. Gegenstand des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrags war eine entgeltliche Leistung der Beklagten.

2) § 312 g Abs. 1 BGB räumt dem Verbraucher ein Widerrufsrecht ein bei „außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen“. Nach § 312 b Abs. 1 Nr. 1 BGB sind dies Verträge, „die bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit des Verbrauchers und des Unternehmers an einem Ort geschlossen werden, der kein Geschäftsraum des Unternehmers ist“. Diese Situation trifft für den streitgegenständlichen Vertrag zu, da der Vertragsschluss unstreitig am 26.5.2019 in Anwesenheit beider Parteien im Wohnhaus der Kläger stattfand.

3) Die Anwendbarkeit von § 312 g Abs. 1 BGB ist nicht nach § 312 Abs. 2 Nr. 3 BGB ausgeschlossen. Letztere Vorschrift bestimmt, dass auf Verbraucherbauverträge nach § 650 i Abs. 1 BGB von den Vorschriften der Kapitel 1 und 2 des maßgeblichen Untertitels nur einzelne Absätze des § 312 a BGB anzuwenden sind. Dies hat zur Folge, dass auf einen entsprechenden Vertrag insbesondere § 312 g BGB keine Anwendung findet. Ein Widerrufsrecht nach dieser Vorschrift besteht daher nicht für einen Verbraucherbauvertrag. Gemäß § 650 i Abs. 1 BGB ist ein Verbraucherbauvertrag ein Vertrag, durch den der Unternehmer von einem Verbraucher zum Bau eines neuen Gebäudes oder zu erheblichen Umbaumaßnahmen an einem bestehenden Gebäude verpflichtet wird. Erhebliche Umbaumaßnahmen sind nur solche Maßnahmen, die „mit erheblichen Eingriffen in die Substanz eines bestehenden Gebäudes verbunden“ sind (MüKo-Busche, 8. Aufl. 2020, § 650 i BGB, Rn. 7). Dies ist bei einer Markise nicht der Fall, so dass ein Verbraucherbauvertrag nicht vorliegt.

4) Die Anwendbarkeit von § 312 g Abs. 1 BGB ist auch nicht nach § 312 g Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 4 BGB ausgeschlossen. Diese Ausnahmen beziehen sich ausschließlich auf die Lieferung von Waren und nicht auf die Erbringung von Dienst- oder Werkleistungen (vgl. BGH, IBR 2018, 609; LG Stuttgart, Urteil vom 2.6.2016, Az. 23 O 47/16, Rn. 25, zitiert nach juris). Bei dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag handelt es sich um einen Werkvertrag und nicht um einen Kaufvertrag mit Montageverpflichtung.

Für die Einordnung eines Vertrags als Werkvertrag oder Kaufvertrag mit Montageverpflichtung kommt es darauf an, auf welcher der beiden Leistungen bei der gebotenen Gesamtbetrachtung der Schwerpunkt liegt (BGH ZfBR 2018, 775, 776). Ein Kaufvertrag mit Montageverpflichtung liegt dann vor, wenn die Übertragung von Eigentum und Besitz an der zu montierenden Sache im Vordergrund steht. Um einen Werkvertrag handelt es sich, wenn der individuelle Erfolg des Einbaus und der Einpassung der Sache den Schwerpunkt des Vertrags bildet (BGH, a. a. O., m. w. N.). Vorliegend hat die Kammer keine Zweifel daran, dass es sich bei der Leistung der Beklagten um eine Bauleistung und nicht um die bloße Lieferung und Montage einer Sache handelte. Hierfür spricht bereits die Vorgeschichte, wonach die Kläger zunächst die Errichtung eines Wintergartens wünschten, bei dem es sich unstreitig um eine Bauleistung gehandelt hätte. Die Beklagte, nach eigener Darstellung ein in der „Baubranche“ tätiges Unternehmen, entwickelte sodann gemeinsam mit den Klägern eine alternative Lösung, bei der es sich nicht um eine einfache Markise „von der Stange“ handelt. Vielmehr handelt es sich um eine Konstruktion aus Überdachung und Senkrechtmarkise, durch die eine einem Wintergarten möglichst ähnliche Situation geschaffen werden sollte. Bei der Planung der Markise waren verschiedene erfolgsbezogene Umstände zu berücksichtigen, insbesondere die – letztlich zu Streitigkeiten zwischen den Parteien führende – Ablaufsituation des Wassers. Insofern bestand die Problematik, dass eine Absenkung der Überdachung in eine Richtung zwecks Ablauf des Wassers wegen der vorhandenen Senkrechtmarkise nicht möglich war, was die Beklagte durch Abtropfösen innerhalb des Tuchs der Überdachung löste. Die Beklagte montierte die Markise daher nicht nur, sondern setzte sich im Zusammenhang mit deren Herstellung sowohl mit den Maßen vor Ort als auch mit der konkreten Einbausituation eingehend auseinander. Auch die Montage selbst war zeit- und arbeitsaufwändiger, als dies für eine Nebenleistung zu einem Kaufvertrag anzunehmen wäre. Es kommt hingegen nicht darauf an, welche Teile der Markise die Beklagte selbst herstellte und welche ihr ihrerseits von einem Lieferanten geliefert wurden. Denn auch Werkleistungen müssen nicht höchstpersönlich erbracht werden. Insgesamt ist die vorliegende Markisenkonstruktion nach Einschätzung der Kammer weit entfernt von einer „handelsüblichen, standardisierten Markise, welche mit geringem Montageaufwand anzubringen und wieder abzunehmen ist“, für die das OLG Düsseldorf (Urteil vom 8.11.1991, Az. 22 U 46/91, NJW-RR 1992, 564) einen Kaufvertrag mit Montageverpflichtung annahm. Die von der Rechtsprechung aufgestellten Abgrenzungskriterien führen vielmehr zu der Annahme eines Werkvertrags, von dem für eine „einem Wintergarten angenäherte“ Markise mit „Senkrechtfeldern“ auch das KG (Urteil vom 29.6.2007, Az. 7 U 165/06, BeckRS 2007, 11265) ausging.

III)

Vertrag über eine Markise
(Symbolfoto: Von ronstik/Shutterstock.com)

Der Widerruf der Kläger ist fristgerecht erfolgt. Gemäß § 355 Abs. 2 S. 1 BGB beträgt die Widerrufsfrist 14 Tage. Sie beginnt gemäß § 355 Abs. 2 S. 2 BGB grundsätzlich mit Vertragsschluss, gemäß § 356 Abs. 3 S. 1 BGB jedoch nicht, bevor der Unternehmer den Verbraucher ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt hat. Gemäß § 356 Abs. 3 S. 2 BGB erlischt das Widerrufsrecht unabhängig von einer Widerrufsbelehrung 12 Monate und 14 Tage nach Vertragsschluss. Vertragsschluss war im Mai 2019. Die Beklagte hat die Kläger nicht über das Bestehen eines Widerrufsrechtes belehrt. Der Widerruf erfolgte im November 2019. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Widerrufsfrist mangels Widerrufsbelehrung noch nicht zu laufen begonnen und das Widerrufsrecht war noch nicht erloschen.

IV)

Die Ausübung des Widerrufsrechts ist nicht nach § 242 BGB ausgeschlossen. Nach dem Willen des Gesetzgebers kann der Widerruf ohne jegliche Begründung und ohne besonderen Grund erfolgen, so dass die Motivation für die Lösung von dem Vertrag keine Rollen spielt und daher auch nicht als rechtsmissbräuchlich anzusehen sein kann (vgl. Seidenberg, NJW 2019, 1254, 1255; Schlicht, JuS 2019, 156, 161 f.). Für eine Verwirkung fehlt es bereits am Zeitmoment.

V)

Rechtsfolge des Widerrufs ist gemäß § 355 Abs. 1 S. 1 BGB, dass die Parteien an ihre auf den Abschluss des Vertrags gerichteten Willenserklärungen nicht mehr gebunden sind. Gemäß § 357 Abs. 1 BGB sind die empfangenen Leistungen zurückzugewähren. Die Beklagte hat danach den erhaltenen Werklohn zurückzuzahlen. Sie kann insoweit nicht mit einem Wertersatzanspruch aufrechnen (vgl. LG Stuttgart, Urteil vom 2.6.2016, Az. 23 O 47/16, Rn. 33 f., zitiert nach juris; Schlicht, JuS 2019, 156, 160 f.). Denn gemäß § 357 Abs. 8 BGB schuldet der Verbraucher, der einen Vertrag über die Erbringung von Dienstleistungen widerruft, Wertersatz für die bis zum Widerruf erbrachte Leistung nur dann, wenn der Verbraucher von dem Unternehmer ausdrücklich verlangt hat, dass dieser mit der Leistung vor Ablauf der Widerrufsfrist beginnt, wenn er über sein Widerrufsrecht ordnungsgemäß belehrt worden ist und er sein Verlangen auf einem dauerhaften Datenträger übermittelt hat. Die vorgenannte Vorschrift ist auf den zwischen den Parteien geschlossenen Werkvertrag anwendbar, da der Begriff der „Dienstleistung“ wie stets in europarechtlich geprägten Normen weit auszulegen ist und daher auch Werkverträge umfasst (vgl. Palandt-Sprau, 78. Aufl. 2019, § 312 BGB, Rn. 3). Auch ein Rückbau ist nicht möglich, da § 357 Abs. 8 BGB für Werkverträge eine abschließende Regelung enthält und einen Rückbau nicht vorsieht (vgl. LG Stuttgart, a. a. O., Rn. 37).

B)

Die Kläger haben gegen die Beklagte einen Anspruch auf Verzinsung des Betrags von 10.638,40 € gemäß §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 1 BGB seit dem 5.12.2019. In dem anwaltlichen Widerrufsschreiben, das eine Frist zur Rückzahlung setzt, liegt gleichzeitig eine Mahnung im Sinne des § 286 Abs. 1 BGB, so dass die Beklagte sich spätestens seit Ablauf der gesetzten Zahlungsfrist im Verzug befindet.

C)

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Den Klägern sind keine Kosten gemäß § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO aufzuerlegen, da durch den zurückgenommenen Klagantrag keine Mehrkosten entstanden sind.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1, 2 ZPO.

 

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