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Vertragliches Aufrechnungsverbot in einem Vertragshändlervertrag wirksam?

OLG München – Az.: 3 U 1551/17 – Urteil vom 24.10.2018

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Landgerichts Traunstein, Az.: 1 O 485/16, vom 18.04.2017 in Ziffer I. dahingehend abgeändert, dass die dort ausgeurteilte Verpflichtung zur Zahlung Zug um Zug gegen Erteilung von Auskunft an die Beklagte erfolgt, in welchen Fällen die Klägerin im Zeitraum zwischen dem 01.10.2015 und dem 31.12.2015 P.-Kräne des Typs PK 53002SH, PK 26002-EH, PK 24001, PK 12502-SH, PK 92002-SH, PK 65002-SH, PK 92002-SH, PK 165002-SH, PK 12002-EH, PK 2900, PK 12002-EH, PK 18002-EH, PK 23502, PK 18001L, PK 9001EH oder PK 18002EH an Abnehmer in den Postleitzahlengebieten 83629, 82377, 82166, 82291, 80939, 85276, 84405, 83707, 82041, 84051, 84416, 83646 und 83607 geliefert hat, ob diese Lieferungen direkt oder über andere Vertragshändler erfolgten, welcher Krantyp im Einzelfall verkauft und welcher Kaufpreis jeweils vereinbart wurde.

II. Die Klägerin wird verurteilt, der Beklagten Auskunft zu erteilen, in welchen Fällen die Klägerin im Zeitraum zwischen dem 01.10.2015 und dem 31.12.2015 P.-Kräne des Typs PK 53002SH, PK 26002-EH, PK 24001, PK 12502-SH, PK 92002-SH, PK 65002-SH, PK 92002-SH, PK 165002-SH, PK 12002-EH, PK 2900, PK 12002-EH, PK 18002-EH, PK 23502, PK 18001L, PK 9001EH oder PK 18002EH an Abnehmer in den Postleitzahlengebieten 83629, 82377, 82166, 82291, 80939, 85276, 84405, 83707, 82041, 84051, 84416, 83646 und 83607 geliefert hat, ob diese Lieferungen direkt oder über andere Vertragshändler erfolgten, welcher Krantyp im Einzelfall verkauft und welcher Kaufpreis jeweils vereinbart wurde.

III. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen und die Klage sowie die Widerklage werden abgewiesen.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch die Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, es sei denn, dass die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000 € abwenden, es sei denn, dass die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe dieses Betrags leistet.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Gegenstand des Berufungsverfahrens sind gegenseitige Ansprüche der Parteien aus einem Vertragshändlervertrag, der am 20.01.1998 begann und durch Kündigung zum 31.12.2015 endete.

Das Landgericht Traunstein hat am 21.03.2017 mündlich verhandelt und der auf Zahlung von 423.040,05 € nebst gestaffelten Zinsen und vorgerichtlichen Kosten gerichteten Klage stattgegeben, die auf Auskunftserteilung über von der Klägerin im Vertragsgebiet der Beklagten vorgenommene Lieferungen gerichtete Widerklage abgewiesen.

Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird auf das Endurteil des Landgerichts Traunstein vom 18.04.2017 (Bl. 65/72 d. A.) Bezug genommen.

Mit ihrer Berufung rügt die Beklagte Rechtsfehler im Endurteil des Landgerichts Traunstein. Das Erstgericht habe verkannt, dass ein Aufrechnungsverbot in den streitgegenständlichen Lieferverträgen nicht wirksam vereinbart worden sei und dass hinsichtlich eines durch Verwendung von AGB angeblich vereinbartes Aufrechnungsverbot klägerseits verspätet vorgetragen worden sei, so dass es verfahrensmäßig nicht habe berücksichtigt werden dürfen. Des Weiteren habe das Erstgericht unzutreffenderweise angenommen, die Beklagte habe nicht ausreichend dazu vorgetragen, dass das streitgegenständliche Vertragshändlerverhältnis bis zum 31.12.2015 bestanden habe. Infolgedessen habe es unzutreffenderweise die Schadensersatzforderung als nicht hinreichend substantiiert dargelegt erachtet, in gleicher Weise auch den an die Dauer des Vertragsverhältnisses anknüpfenden Auskunftsanspruch abgelehnt. Tatsächlich hätte das Erstgericht sowohl die Aufrechnung durchgreifen lassen müssen, als auch den Anspruch auf Auskunft zuerkennen müssen.

Hinsichtlich des weiteren Inhalts der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz der Beklagtenvertreter vom 20.07.2017 (Bl. 101/132 d. A.) Bezug genommen.

Die Beklagte hatte zunächst folgende Berufungsanträge gestellt (wobei in Ziffer III die Postleitzahlengebiete z. T. mehrfach genannt wurden),

I. das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 18.04.2017 im Verfahren Az.: 1 O 485/16 aufzuheben,

II. die Klage abzuweisen,

III. die Widerbeklagte dazu zu verurteilen, der Widerklägerin Auskunft darüber zu erteilen, in welchen Fällen sie im Zeitraum zwischen dem 01.01.2014 und dem 31.12.2015 P.-Kräne des Typs PK 53002SH, PK 260002-EH, PK 24001, PK 12502-SH, PK 92002-SH, PK 65002-SH, PK 92002-SH, PK 165002-SH, PK 12002-EH, PK 2900, PK 12002-EH, PK 18002-EH, PK 23502, PK 18001L, PK 9001EH oder PK 18002EH an Abnehmer in den Postleitzahlengebieten 83629, 82377, 82166, 82291, 80939, 85276, 84405, 83707, 82041, 84051, 84416, 83646 oder 83607 geliefert hat, ob diese Lieferungen direkt oder über andere Vertragshändler erfolgten, welcher Krantyp im Einzelfall verkauft und welcher Kaufpreis jeweils vereinbart wurde,

IV. die Widerbeklagte zu verurteilen, an Eides Statt die Richtigkeit der gemäß Ziffer I erteilten Auskunft zu versichern.

In der mündlichen Verhandlung vom 12.09.2018 ließ die Beklagte klarstellen, dass das hilfsweise gegen die Klageforderung geltend gemachte Zurückbehaltungsrecht (das zunächst auch mit Schadensersatzansprüchen begründet worden war, Anmerkung des Senats) nur insoweit geltend gemacht werde, als in Ziffer 3. des Berufungsantrags auch die Widerklage auf Auskunft weiterverfolgt werde und dass hilfsweise kein Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht werde in Bezug auf die Zahlungsansprüche, die Gegenstand der Aufrechnung seien.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das Ersturteil. Die Aufrechnung sei ausgeschlossen, die AGB seien der Beklagten bekannt gewesen und diese damit auch einverstanden gewesen. Somit habe das Landgericht den Aufrechnungsausschluss in den geänderten AGB zu Recht als zulässig und vereinbart angesehen. Vertragswidrige Lieferungen seien von der Klägerin nicht getätigt worden. Die Widerklage sei unbegründet.

Ergänzend wird auf den weiteren Inhalt der Berufungserwiderung vom 25.09.2017 (Bl. 138/142 d. A.) Bezug genommen, ferner auf die im Berufungsverfahren zwischen den Parteivertretern gewechselten Schriftsätze sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 25.10.2017 (Bl. 147/149 d. A.) und vom 12.09.2018 (Bl. 163/168 d. A.).

Der Senat hat mit Beschluss vom 25.10.2017 den Rechtsstreit bis zum rechtskräftigen Abschluss des zwischen den Parteien mit umgekehrtem Rubrum geführten Rechtsstreits 3 HKO 3246/16 (LG München I, U 4126/16 Kart OLG München, BGH VII ZR 196/17) gemäß § 148 ZPO ausgesetzt. Mit Beschluss vom 16.05.2018 hatte der BGH die Beschwerde der dortigen Beklagten (hier der Klägerin) gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Kartellsenats des Oberlandesgerichts München vom 20.07.2017 zurückgewiesen, woraufhin das hiesige Verfahren fortgesetzt wurde.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einvernahme der Zeugin Claudia H.; hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 12.09.2018 verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung führt zur Abänderung des Ersturteils dahingehend, dass die Klage im Hinblick auf das beklagtenseits geltend gemachte Zurückbehaltungsrecht zum Teil abgewiesen, der Widerklage in der Auskunftsstufe teilweise stattgegeben wird. In prozessualer Hinsicht war dem dadurch Rechnung zu tragen, dass hinsichtlich der Klage eine endgültige Entscheidung getroffen werden konnte, hinsichtlich der Widerklage jedoch nur ein Teilurteil (Entscheidung in der ersten Stufe von zwei Stufen – eine dritte Stufe mit Zahlungsantrag enthält die Widerklage nicht), mit der Folge, dass eine Kostenentscheidung insgesamt nicht ergehen kann.

1.

Die Klageforderung von 423.040,05 € als solche ist unstreitig, ebenso wie die vom Erstgericht zugesprochenen gestaffelten Zinsen sowie die geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten von 4.623,03 €. Die von der Beklagten im Prozess mit Schriftsatz vom 17.05.2016 (Ziffer 2.1.2) erklärte Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen bewirkte nicht das Erlöschen der Klageforderung. Zwar ist, wie das Erstgericht (Seite 6, 2. Absatz der Entscheidungsgründe) zutreffend ausgeführt hat, die Regelung des Aufrechnungsverbots unter Ziffer XVII. 8. des Vertragshändlervertrags unwirksam. Wie die durchgeführte Beweisaufnahme zur Überzeugung des Senats jedoch ergeben hat, wurde für die streitgegenständlichen Kaufverträge jeweils die Geltung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin vereinbart, die in § 3 Abs. 4 ein modifiziertes Aufrechnungsverbot enthalten.

Zwar muss sich diese Regelung in den Allgemeinen Geschäfts- und Lieferungsbedingungen der Klägerin an § 309 Ziff. 3 BGB messen lassen, der auch im Verkehr zwischen Unternehmen als konkretisierte Ausformung von § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB anwendbar ist (vgl. Palandt, 76.A. 2017, Bearbeiter Grüneberg, § 309, Rn. 21). § 3 Abs. 4 der klägerischen AGB schränkt die Aufrechnung indes exakt in dem gesetzlich zugelassenen Umfang ein, wenn hier festgehalten ist, dass die Gegenforderung des Bestellers „unbestritten, rechtskräftig festgestellt oder von uns anerkannt“ sein muss. Im vorliegenden Verfahren wurde die Version 01.05.2010 der Allgemeinen Geschäfts- und Lieferbedingungen vorgelegt; die klägerseits benannte Zeugin Claudia H., die von 2003 bis November/Dezember 2011 in der klägerischen Marketingabteilung beschäftigt war, hat angegeben, mit der Pflege des Internetauftritts der Klägerin, insbesondere der Einstellung von Inhalten, beauftragt gewesen zu sein, wozu auch die jeweiligen AGB der Klägerin gehörten, die im Internet abrufbar sein sollten. Sie habe kurz vor dem 30.04.2010 über ihren Kollegen eine E-Mail mit der Aufforderung erhalten, die neuen AGB in der aktuellen Fassung sollten in dem Internetauftritt eingestellt werden. Dies sei auch geschehen. Die Zeugin konnte zwar aufgrund ihres Wechsels in eine andere Abteilung nicht mehr angeben, ob die Allgemeinen Geschäfts- und Lieferbedingungen (Version 01.05.2010) später aus dem Internetauftritt herausgenommen worden seien. Bei einem vom Senat in der Sitzung vorgenommenen Abruf des Internet-Auftritts www.p. .de wurde jedoch festgestellt, dass sich die AGB der Klägerin mit dem Stand 01.05.2010 dort aufrufen ließen. Diese Erkenntnisse zusammen mit dem Umstand, dass die klägerischen Auftragsbestätigungen gegenüber der Beklagten den Hinweis auf die Allgemeinen Liefer- und Geschäftsbedingungen „enthielten“ (vgl. Anlage zum Protokoll vom 25.10.2017, Bl. 147/149 d.A.) reichen nach Überzeugung des Senats bei weitem aus, um die Geltung der „Allgemeinen Geschäfts- und Lieferbedingungen“ der Klägerin (Version 01.05.2010) im Verhältnis zwischen den Parteien als gegeben anzusehen.

Da die zur Aufrechnung gestellten Schadensersatzansprüche weder unbestritten oder anerkannt noch rechtskräftig festgestellt sind, entfaltet die vorbezeichnete Aufrechnung keine Rechtswirkung.

2.

Soweit die Beklagte ein Zurückbehaltungsrecht ausübt, ist dessen Berechtigung an § 3 Abs. 4 Satz 2 der Allgemeinen Geschäfts- und Lieferbedingungen der Klägerin zu messen. Soweit für die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts gefordert wird, dass der Gegenanspruch des Bestellers „auf dem gleichen Vertragsverhältnis“ beruht, ist, ebenso wie bei Anwendung der gesetzlichen Vorschriften des § 273 BGB (vgl. Palandt, a.a.O., § 273, Rn. 9 f.) und des § 320 BGB (vgl. Palandt, a.a.O., § 320, Rn. 4) schon ausreichend, dass der Anspruch aus einer ständigen Geschäftsverbindung resultiert, was hier ersichtlich der Fall ist.

Die Beklagte geht von einem solchen Auskunftsanspruch für den Zeitraum zwischen dem 01.01.2014 und dem 31.12.2015, resultierend aus dem Vertragshändlervertrag vom 20.01.1998, aus. Der Beklagten steht grundsätzlich gegen die Klägerin ein auf § 242 BGB gestützter Auskunftsanspruch zu. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist ein Auskunftsanspruch aus dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben gegeben, wenn die zwischen den Parteien bestehenden Rechtsbeziehungen es mit sich bringen, dass der Anspruchsberechtigte in entschuldbarer Weise über das Bestehen oder den Umfang seines Rechts im Ungewissen ist und wenn der Verpflichtete in der Lage ist, unschwer die zur Beseitigung dieser Ungewissheit erforderliche Auskunft zu erteilen (BGH NJW 2002, 3771, BGH WM 2001, 686). Soll die begehrte Auskunft einen vertraglichen Schadensersatzanspruch belegen, muss dieser nach allgemeiner Meinung nicht bereits dem Grunde nach feststehen; vielmehr reicht schon der begründete Verdacht einer Vertragspflichtverletzung aus (vgl. OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2009,110). Dieser resultiert hier daraus, dass die Klägerin, wie das Verfahren 3 HKO 3246/16 LG München I ausweist, erst ab Ende September 2015 sich infolge als fristlos erachteter Kündigung sich nicht an die Vertragsbestimmungen des Vertragshändlervertrags gebunden ansah, und das Vertragsverhältnis mit der Beklagten mit dem Ende der zugestandenen Auslauffrist zum 30.09.2015 als beendet betrachtete (vgl. Schreiben der Klägerin vom 29.06.2015, Anlage BK1, und Schreiben ihres anwaltlichen Vertreters vom 20.08.2015, Anlage BK4).

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Soweit die Beklagte aber auch schon vorher von vertragswidrigen Eigenlieferungen der Klägerin ausging (vgl. Ziffern 2-4 der Aufstellung der Beklagten, Seiten 7/8 im Schriftsatz vom 17.05.2016 (Bl. 18/34 d. A.), kann der Senat aufgrund der von der Klägerin hierzu erteilten Auskünfte jedenfalls keinen begründeten Verdacht für die Zeit vor dem 01.10.2015 herleiten.

Die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen aus der Verletzung des Vertriebsrechts des Vertragshändlers (Ziffer II. 1. und III. 1. des Vertriebsvertrags vom 20.01.1998) ist vorliegend nicht von vornherein dadurch ausgeschlossen, dass kartellrechtliche Bestimmungen die Unwirksamkeit dieser Vereinbarungen bewirkt hätten. Die Klagepartei hat insoweit wiederholt angeführt, ein Vertragsgebiet könne nicht mehr exklusiv zugewiesen werden, ein Alleinvertrieb des Händlers in einem bestimmten Gebiet wäre kartellrechtswidrig und nicht auf 5 Jahre begrenzte Verträge seien nach der „Schirm-GVO“ zumindest in allen wettbewerbsrelevanten Vereinbarungen unwirksam, auch hierdurch entfielen alle vereinbarten Gebietsschranken.

Insoweit gilt, dass die Partei, die sich auf die Nichtigkeit einer Vereinbarung gemäß Art. 101 Abs. 1 und 2 AEUV (Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union) bzw. § 1 GWB beruft, nach allgemeinen Grundsätzen darlegungs- und beweispflichtig für diejenigen Tatsachen ist, aus denen sich die Anwendung der betreffenden Norm ergibt (Säcker/Jaecks in Immenga/Mestmäcker, EU-Wettbewerbsrecht, 5.A. 2012, Art. 81 EG Rn. 15).

Der damit geforderte substantiierte Vortrag gilt auch für das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal der Spürbarkeit: Hierfür reicht es nicht, lediglich mit gegriffenen Marktanteilsangaben zu operieren; notwendig ist vielmehr, die Marktstellung der Beteiligten im Einzelnen aufzuzeigen, zu diesem Zweck den sachlich und räumlich relevanten Markt plausibel abzugrenzen, das Volumen dieses Marktes einschließlich der Schätzungsgrundlagen darzulegen und zu belegen und auf diesem Weg schließlich Marktanteile der Beteiligten zu berechnen (vgl. Martinek/Semler/Flohr, Handbuch des Vertriebsrechts, 4. Aufl. 2016, Bearbeiter Rahlmeyer, § 40, Rn. 90). Denn nach der Bagatellbekanntmachung der EU-Kommission von 2001 beschränken vertikale Wettbewerbsbeschränkungen den Wettbewerb nicht spürbar, sofern der von den an der Vereinbarung beteiligten Unternehmen insgesamt gehaltene Marktanteil auf keinem der von der Vereinbarung betroffenen relevanten Märkte 15 % beträgt (Bechthold, GWB, 7. Aufl., § 1, Rn. 44).

Was die Frage der Marktanteile der Parteien des Rechtsstreits angeht, wurde hierzu von der insoweit darlegungspflichtigen Klägerin kein Vortrag gehalten. Das Urteil im Verfahren 3 HKO 3246/16 Landgericht München I (erstinstanziell) wurde mit Schriftsatz der Beklagtenvertreter vom 11.04.2017 ohne insoweit erfolgende Bezugnahme vorgelegt.

Abgesehen davon ist darauf hinzuweisen, dass die Bestimmung des Vertragsgebiets in Ziffer II. und III. des Vertragshändlervertrags im Hinblick auf Art. 4 Buchst. b der Vertikal-GVO (VO 330/2010) keine Relevanz entfaltet, da der Vertragshändlervertrag vom 20.01.1998 keinesfalls ausschließt, dass die Beklagte auch in andere Gebiete verkaufen darf: Ziffer V. 4. und 5. des Vertrags zielen zwar darauf ab, derartige Verkäufe im Vorfeld durch Informationsaustausch zu begrenzen, enthalten jedoch keine Sanktionen für den Fall der Nichtbefolgung. Im Übrigen wäre, selbst wenn man Art. 4 Buchstabe b Vertikal-GVO durch die zwischen den Parteien getroffene Vereinbarung als gegeben ansähe, von der dadurch ausgelösten Unwirksamkeit die „Beschränkung des aktiven Verkaufs in Gebiete oder an Kundengruppen, die der Anbieter sich selbst vorbehalten … hat“ (Ausnahmeregel i), als ausdrücklich legalisierte Ausnahme von Art. 4 Buchst. B Vertikal-GVO nicht erfasst, damit auch der Beklagten nicht verwehrt, sich darauf zu berufen, dass der Anbieter (hier die Klägerin) den Bereich des ihr konzedierten Eigenverkaufs überschritten habe. Darüber hinaus ist die Frage, inwieweit ein Eingreifen von Art. 4 bzw. von Art. 5 Vertikal-GVO die Rechtswirksamkeit der gesamten Vereinbarung berührt, keine Frage des europäischen Kartellrechts, sondern eine des nationalen Zivilrechts, das sich mit der Teilunwirksamkeit von Verträgen befasst (Martinek/Semler/Flohr, a.a.O., Rn. 22). Die Gültigkeit des in Ziffer V. der Vereinbarung statuierten Wettbewerbsverbots, in Kontext mit der in Ziffer XIII. der Vereinbarung festgelegten Vertragsdauer, kann insoweit offen gelassen werden, da ein Zusammenhang dieser Regelungen mit den zugelassenen Eigengeschäften der Klägerin im Vertriebsgebiet der Beklagten nicht erkennbar ist.

Im Übrigen kommt der Senat nicht umhin, im Hinblick auf die kartellrechtliche Beurteilung auf die römisch-rechtliche Sentenz „da mihi factum, dabo tibi ius“ hinzuweisen; in sonstige Darlegungen eingestreute aphoristische Erwähnungen kartellrechtlicher Vorschriften, noch dazu ohne amtliche Bezeichnung (was die Rechtsfindung zusätzlich erschwert), ersetzen nun einmal keinen Sachvortrag; gleichwohl wurde vorliegend auf ihre mögliche Entscheidungsrelevanz eingegangen.

Hinsichtlich des Umfangs der geschuldeten Auskunft übernahm der Senat die in Ziffer III. der Anträge des Schriftsatzes vom 05.05.2017 (Bl. 92/94 d. A.) vorgenommene Aufzählung, wobei der Senat nicht verkennt, dass die anwaltlich vertretene Beklagte die dort aufgeführten Postleitzahlengebiete gegenüber den im Vertragshändlervertrag Ziffer II. 1. beschränkt hat, was zu berücksichtigen war (§ 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Einbezogen in den Auskunftsanspruch wurden auch Lieferungen der Klägerin, die „über andere Vertragshändler erfolgten“, weil dies eine denkbare den Sinngehalt der Zuweisung eines Vertragsgebiets zuwiderlaufende Konstellation zu erfassen vermag; insoweit vermag allenfalls die bewusst vorgenommene Umgehung zum Nachteil der Beklagten einen Schadensersatzanspruch zu begründen, was ohne Auskunftserteilung für die Beklagte aber von vornherein nicht nachprüfbar wäre.

Soweit die Beklagte die Auffassung vertritt, der Auskunftserteilung stünden Bestimmungen der Datenschutz-Grundverordnung entgegen, ist auf Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchstabe f DS-GVO zu verweisen. Hiernach ist die Verarbeitung personenbezogener Daten dann rechtmäßig, wenn sie zur Wahrung der Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich ist und die datenschutzbezogenen Interessen, Grundrechte und Grundfreiheiten des Betroffenen nicht überwiegen. Ein Abwägungsgesichtspunkt ist der Hinweis des europäischen Gesetzgebers in den Erwägungsgründen, dass die vernünftigen Erwartungen der betroffenen Person, die auf der Beziehung zu den Verantwortlichen beruhen, zu berücksichtigen sind (vgl. Erwägungsgrund 47 Satz 1 Halbsatz 2). In Satz 2 wird als Beispiel für eine solche Beziehung genannt, dass der Betroffene ein Kunde des Verantwortlichen ist oder in seinen Diensten steht (BeckOK Datenschutzrecht, 25. Edition, Stand 01.05.2018, Bearbeiter Albers/Veit, DS-GVO, Art. 6, Rn. 48). Vor dem teleologischen Hintergrund von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. DS-GVO, einen Ausgleich zwischen den Interessen des Betroffenen und jenen des Verantwortlichen (oder eines Dritten) zu schaffen, können dabei nicht nur rechtliche Interessen von Bedeutung sein, sondern müssen auch wirtschaftliche oder ideelle Interessen des Verarbeiters berücksichtigt werden. Eine möglichst weite Interpretation des berechtigten Interesses ist zudem (unions-)grundrechtlich geboten, wobei das Recht auf Berufsfreiheit hervorzuheben ist (BeckOK, a.a.O., Rn. 49). Geht man davon aus, dass die von seiten der Klägerin erteilte Information der Beklagten zur Ermittlung eines möglichen Schadensersatzanspruchs aus der Verletzung des Vertragshändlervertrags dient und die Klagepartei gemäß § 242 BGB zur Erteilung einer solchen Information gehalten ist, kann der Gesichtspunkt des Schutzes der wirtschaftlichen Daten der jeweiligen Kunden der Klägerin nicht höhergestellt werden. Insoweit ist besonders zu berücksichtigen, dass die Daten keinen höchst persönlichen Bereich oder ein besonderes Knowhow der Branche betreffen, sondern einen nach außen hin – durch Einsatz der Kräne bzw. Aufbauten – nicht verborgen bleibenden Kaufvorgang. Auch stehen Interessen der Kunden an wirtschaftlicher Geheimhaltung nicht inmitten; Daten wie Ratenzahlung, Kreditfinanzierung u.ä. sind nicht Gegenstand der geschuldeten Auskunft.

Nach Abwägung der Interessen kann dem Antrag auf Auskunft inhaltlich dahin entsprochen werden, dass Abnehmer mit Anschrift, Vertragsdatum, Typ des verkauften Krans und der Kaufpreis bzw. die Vergütung für eine ggf. mitverkaufte Leistung (jeweils Nettopreis) anzugeben sind.

3.

Unter Bezugnahme auf die vorstehenden Ausführungen war der Widerklage in dem aus dem Urteilstenor ersichtlichen Umfang stattzugeben, diese ansonsten abzuweisen und die Berufung insoweit zurückzuweisen. Ebenso war im Hinblick auf die Zuerkennung eines Zurückbehaltungsrechts die Klage zum Teil abzuweisen.

III.

Eine Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens und des erstgerichtlichen Verfahrens kann erst nach Entscheidung über die zweite und letzte Stufe der mit der Widerklage erhobenen Stufenklage getroffen werden. Die vorläufige Vollstreckbarkeit bestimmt sich nach § 708 Ziff. 10 ZPO, § 711 ZPO.

IV.

Für das weitere Verfahren ist darauf hinzuweisen, dass beim Senat nur noch anhängig ist die zweite und letzte Stufe der Widerklage (eidesstattliche Versicherung). Der Senat wird insoweit nicht von Amts wegen tätig, sondern wird Termin zur mündlichen Verhandlung in Bezug auf die eidesstattliche Versicherung nur auf Antrag bestimmen. Sollte innerhalb der nächsten 6 Monate kein Terminsantrag gestellt werden, kommt eine Sachbehandlung nach § 7 Abs. 3 Buchst. e Aktenordnung in Betracht.

V.

Die Revision war nicht zuzulassen. Die Voraussetzungen von § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor: Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Der Senat hat sich unter Zugrundelegung des Sachvortrags der Parteien an die ober- bzw. höchstgerichtliche Rechtsprechung gehalten.

 

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