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Vertragsstrafenvereinbarung – Wirksamkeit sowie Aufrechnung

Bundesarbeitsgericht

Az: 8 AZR 973/06

Urteil vom 14.08.2007


In Sachen hat der Achte Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 14. August 2007 für Recht erkannt:

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 13. Juli 2006 – 6 Sa 367/06 – wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

Tatbestand:
Die Parteien streiten über Vergütungsansprüche und die Aufrechnung mit einem Vertragsstrafenanspruch; dabei ist die Wirksamkeit der Vertragsstrafenvereinbarung streitig.

Der Kläger war seit dem 7. Mai 2001 im Außendienst der Beklagten tätig. Diese führt „vor Ort“, insbesondere in Kfz-Werkstätten und Autohäusern „Dellenentfernung ohne Lackieren“ an beschädigten Pkws aus. Dem Arbeitsverhältnis lag ein schriftlicher Arbeitsvertrag vom 11. April 2001 zugrunde, der – soweit hier von Interesse – lautet:

„6. Urlaub

(2) Das Urlaubsentgelt errechnet sich aus dem durchschnittlichen Verdienst des Mitarbeiters in den letzten drei Monaten vor Antritt des Urlaubes. Ein Anspruch auf ein zusätzlich zu dem Urlaubsentgelt zu gewährendes Urlaubsgeld besteht nicht.

8. Gehaltsfortzahlung

(1) Bei Erkrankung laufen die Gehaltsbezüge gemäß den gesetzlichen Bestimmungen weiter. Die Höhe der Gehaltsfortzahlung bemißt sich nach dem durchschnittlichen Verdienst des Mitarbeiters in den letzten 3 Monaten vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit.

11. Geheimhaltung und Wettbewerbsverbot

(1) Der Mitarbeiter verpflichtet sich, über sämtliche geschäftlichen Vorgänge und Geschäftsbeziehungen von D sowie der mit D verbundenen Unternehmen strengstes Stillschweigen zu bewahren. Diese Verschwiegenheitspflicht besteht auch nach Beendigung des Anstellungsvertrages fort. Bei Verletzung der Verschwiegenheitspflicht kann D eine Vertragsstrafe in Höhe eines durchschnittlichen Bruttoeinkommens verlangen. Unberührt hiervon bleibt die Möglichkeit, einen weitergehenden Schaden geltend zu machen.

(2) Der Mitarbeiter verpflichtet sich, während der Dauer dieses Vertrages bei keinem Konkurrenzunternehmen irgendeine Tätigkeit oder Beteiligung – sei es selbständig, unselbständig, beratend oder in einer sonstigen Weise unterstützend, weder mittelbar noch unmittelbar – auszuüben, ohne hierfür vorab die schriftliche Genehmigung von D eingeholt zu haben. Dem Mitarbeiter ist es auch untersagt, auf eigene Rechnung Tätigkeiten im Geschäftsbereich von D anzubieten oder Dritte hierbei zu unterstützen. Eine Verletzung gegen das Wettbewerbsverbot berechtigt D zur außerordentlichen Kündigung. Zudem kann D unbeschadet ihrer sonstigen Rechte für jeden Fall der Zuwiderhandlung eine Vertragsstrafe in Höhe von zwei durchschnittlichen Brutto-Monatseinkommen verlangen.

(3) Im Falle einer dauerhaften Verletzung der Verschwiegenheitspflicht oder des Wettbewerbsverbotes gilt jeder angebrochene Monat als eine erneute Verletzungshandlung.

…“

Der Kläger kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Ziel, sich selbständig zu machen, zum 31. Juli 2005. Daraufhin stellte ihn die Beklagte ab dem 5. Juli 2005 von der Arbeitsleistung frei. Wegen eines unstreitig am 20. Juli 2005 durch den Kläger begangenen Wettbewerbsverstoßes kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ihrerseits mit Schreiben vom 25. Juli 2005, dem Kläger zugegangen am 27. Juli 2005, fristlos.

Mit Anwaltsschreiben vom 22. Juli 2005 forderte die Beklagte vom Kläger wegen aus ihrer damaligen Sicht mindestens zweier Fälle des Verstoßes gegen das arbeitsvertragliche Wettbewerbsverbot die Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von 19.337,76 Euro (zweimal zwei Bruttomonatseinkommen á 4.834,44 Euro).

Die Beklagte erklärte gegenüber den vom Kläger geltend gemachten Vergütungsansprüchen in Höhe von 3.414,41 Euro brutto für Mai 2005 und 1.775,38 Euro brutto für Juni 2005 die Aufrechnung mit ihrer Vertragsstrafenforderung.

Der Kläger vertritt die Auffassung, die Vertragsstrafenklausel verstoße gegen § 307 BGB, weil sie ihn unangemessen und entgegen Treu und Glauben benachteilige.

Der Kläger hat die Beklagte vor dem Arbeitsgericht ua. auf die Zahlung der Vergütung für Mai und Juni 2005 in Höhe von insgesamt 5.189,79 Euro nebst Zinsen verklagt. Die Beklagte hat Widerklage auf Zahlung von 9.668,88 Euro erhoben.

Sie meint, die Vertragsstrafenregelung sei hinreichend transparent und hinsichtlich der Berechnung nachvollziehbar. Die Höhe der Strafe sei auch nicht unverhältnismäßig, weil sie wegen der Besonderheiten der Fallgestaltung erforderlich sei, um einen angemessenen Abschreckungseffekt zu erzielen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage auf Vergütung für Mai und Juni 2005, soweit es eine Aufrechnung mit der Vertragsstrafenforderung für unzulässig erachtet hat, stattgegeben und sie in Höhe von 620,00 Euro abgewiesen. Das Arbeitsgericht ist dabei von einem Gegenanspruch der Beklagten auf eine Vertragsstrafe in Höhe von 4.949,76 Euro ausgegangen. Auf die Widerklage hat das Arbeitsgericht den Kläger zur Zahlung von 4.327,76 Euro verurteilt und die Widerklage im Übrigen abgewiesen.

Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht der Klage auch in Höhe von 620,00 Euro nebst Zinsen stattgegeben und die Widerklage in vollem Umfange abgewiesen. Gegen dieses Urteil hat die Beklagte und Widerklägerin Revision eingelegt und beantragt,

den Kläger und Widerbeklagten zu verurteilen, an sie 4.327,76 Euro nebst Zinsen zu zahlen und die Klage auch in Höhe von 620,00 Euro abzuweisen.

Der Kläger und Widerbeklagte hat die Zurückweisung der Revision beantragt.

Entscheidungsgründe:

Die Revision der Beklagten und Widerklägerin hat keinen Erfolg. Die zulässige Revision ist unbegründet. Der Beklagten und Widerklägerin steht gegen den Kläger und Widerbeklagten kein Anspruch auf die geltend gemachte Vertragsstrafe zu.

A. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Vertragsstrafenabrede in dem Formulararbeitsvertrag der Parteien sei unwirksam. Für die streitbefangene Verwirkung einer Vertragsstrafe im Jahre 2005 fänden die Regelungen des BGB in der Fassung des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001 Anwendung und damit auch die in den §§ 305 ff. BGB geregelte Gestaltung des Schuldverhältnisses durch Allgemeine Geschäftsbedingungen. Gemäß Art. 229 § 5 EGBGB gelte die Neuregelung ab dem 1. Januar 2003 auch für vor dem 1. Januar 2002 geschlossene Verträge. Vertragsstrafenabreden in formularmäßigen Arbeitsverträgen seien zwar nicht bereits gemäß § 309 Nr. 6 BGB grundsätzlich unzulässig. Ihre Unwirksamkeit könne sich jedoch aus § 307 BGB ergeben. Im Streitfalle könne dahinstehen, ob die Vertragsstrafenklausel bereits gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB verstoße, weil die Berechnungsgrundlage unklar sei und dieser Mangel auch nicht durch eine ergänzende Vertragsauslegung beseitigt werden könne. Die Vertragsstrafenabrede verstoße jedenfalls gegen § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB, weil sie den Arbeitnehmer unangemessen benachteilige. Die vorgesehene Vertragsstrafe sei unangemessen hoch. Eine Regelung, die für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsverbot eine Vertragsstrafe in Höhe von zwei Monatseinkommen festlege, führe zu einer unangemessenen „Übersicherung“ des Arbeitgebers, die auch mit seinen schutzwürdigen Interessen nicht zu rechtfertigen sei.

B. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts hält im Ergebnis einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

I. Die Klage ist, soweit sie noch Gegenstand des Revisionsverfahrens ist, zulässig und begründet. Die entsprechenden Entgeltforderungen des Klägers gegen die Beklagte ergeben sich aus § 611 Abs. 1 BGB iVm. den einzelvertraglichen Vergütungsvereinbarungen der Parteien. Die Beklagte erhebt im Revisionsverfahren insoweit auch keine Einwände gegen das Bestehen der geltend gemachten Vergütungsansprüche. Sie beruft sich ausschließlich auf die von ihr zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung.

I. Die Vertragsstrafenforderung, mit welcher die Beklagte und Widerklägerin gegen die Vergütungsforderung die Aufrechnung erklärt hat, besteht nicht. Die entsprechende Vertragsstrafenvereinbarung im Arbeitsvertrag der Parteien ist unwirksam.

a) Bei der Vertragsstrafenabrede handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen iSd. §§ 305 ff. BGB.

Das Landesarbeitsgericht hat zwar nicht ausdrücklich festgestellt, dass die Vertragsstrafenvereinbarung in Ziff. 11 Abs. 2 und Abs. 3 des Arbeitsvertrages vom 11. April 2001 von der Beklagten mit der Absicht der Mehrfachverwendung vorformuliert worden ist. In den Entscheidungsgründen hat das Landesarbeitsgericht jedoch ausgeführt, es handele sich unstreitig um einen formularmäßigen Arbeitsvertrag. Dies ist dahingehend zu verstehen, dass die entsprechenden tatsächlichen Voraussetzungen für die Annahme einer Allgemeinen Geschäftsbedingung vorliegen. Die Beklagte wendet sich nicht gegen diese Annahme. Dem entspricht auch die äußere Erscheinungsform der vom Landesarbeitsgericht insgesamt in Bezug genommenen Regelungen des Arbeitsvertrages. Aus dem Inhalt und der äußeren Gestaltung der in einem Vertrag verwendeten Bedingungen kann sich ein vom Verwender zu widerlegender Anschein dafür ergeben, dass diese zur Mehrfachverwendung formuliert worden sind (BAG 1. März 2006 – 5 AZR 363/05 – BAGE 117, 155 = AP BGB § 308 Nr. 3 = EzA TVG § 4 Tariflohnerhöhung Nr. 48 mwN). Eine solche Vermutung ist auch im Streitfalle begründet. Der gesamte Vertragstext ist hinsichtlich des zu beschäftigenden Arbeitnehmers außer im Rubrum und vor der Unterschrift des Mitarbeiters personenneutral formuliert und enthält nur wenige auf das Arbeitsverhältnis des Klägers konkret bezogene Daten.

b) Auf vor dem 1. Januar 2002 begründete Dauerschuldverhältnisse, zu denen auch Arbeitsverhältnisse zählen, sind ab 1. Januar 2003 die Bestimmungen der §§ 305 ff. BGB idF des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001 anzuwenden, Art. 229 § 5 EGBGB.

c) Die Vertragsstrafenklausel in Ziff. 11 Abs. 2 Satz 4 und Abs. 3 des Arbeitsvertrages ist Vertragsbestandteil geworden. Es handelt sich nicht um eine überraschende Klausel iSd. § 305c Abs. 1 BGB.

aa) Nach § 305c Abs. 1 BGB werden Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen dann nicht Vertragsbestandteil, wenn sie nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrages, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht. Überraschenden Klauseln muss ein „Überrumpelungs- oder Übertölpelungeffekt“ innewohnen. Zwischen den durch die Umstände bei Vertragsschluss begründeten Erwartungen und dem tatsächlichen Vertragsinhalt muss ein deutlicher Widerspruch bestehen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, insbesondere das äußere Erscheinungsbild des Vertrages. So kann der ungewöhnliche äußere Zuschnitt einer Klausel oder ihre Unterbringung an unerwarteter Stelle die Bestimmung zu einer ungewöhnlichen und damit überraschenden Klausel machen (BAG 31. August 2005 – 5 AZR 545/04 -BAGE 115, 372 = AP ArbZG § 6 Nr. 8 = EzA ArbZG § 6 Nr. 6 mwN). Das Überraschungsmoment ist desto eher zu bejahen, je belastender die Bestimmung ist. Im Einzelfalle muss der Verwender ggf. auf die Klausel besonders hinweisen oder diese drucktechnisch hervorheben (vgl. BAG 27. April 2000 – 8 AZR 301/99 -; 29. November 1995 – 5 AZR 447/94 – BAGE 81, 317 = AP AGB-Gesetz § 3 Nr. 1 = EzA BGB § 611 Inhaltskontrolle Nr. 4).

bb) Vertragsstrafenabreden zur Sanktion von Verstößen gegen ein Wettbewerbsverbot sind in Arbeitsverträgen nicht generell ungewöhnlich. Auch ist die Unterbringung der Vertragsstrafenabrede in Ziff. 11 Abs. 2 und Abs. 3 des Arbeitsvertrages nicht überraschend. Sie findet sich unter der Überschrift der Ziff. 11 des Arbeitsvertrages „Geheimhaltung und Wettbewerbsverbot“ am Ende des Absatzes, der das Wettbewerbsverbot enthält, und daran anschließend in einem weiteren Absatz mit einer gesonderten Regelung für den Fall einer Dauerverletzung des Wettbewerbsverbotes oder der Verschwiegenheitspflicht. Da die Vertragsstrafe gemäß Ziff. 11 Abs. 2 Satz 4 des Arbeitsvertrages allein das vertragliche Wettbewerbsverbot sanktionieren soll, ist sie an dieser Stelle nicht an unerwarteter Stelle untergebracht. Ein Arbeitnehmer, der sich über seine Pflichten im Zusammenhang mit dem Wettbewerbsverbot informieren möchte, kann diese Bestimmung nicht übersehen. Dies gilt auch für die Regelung für dauerhafte Verletzungen des Wettbewerbsverbotes oder der Verschwiegenheitspflicht in Ziff. 11 Abs. 3 des Arbeitsvertrages. Diese schließt unmittelbar an Ziff. 11 Abs. 2 Satz 4 des Arbeitsvertrages an und enthält eine gemeinsame Bestimmung für bestimmte Verstöße sowohl gegen die in Ziff. 11 Abs. 1 des Arbeitsvertrages geregelte Verschwiegenheitspflicht als auch gegen das in Ziff. 11 Abs. 2 des Arbeitsvertrages vereinbarte Wettbewerbsverbot.

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d) Die Vertragsstrafenklausel ist nicht nach § 309 Nr. 6 BGB unwirksam. Das in dieser Vorschrift enthaltene Verbot einer Vertragsstrafenklausel findet schon tatbestandlich auf die streitbefangene Vertragsstrafenabrede keine Anwendung. § 309 Nr. 6 BGB erfasst nur den Fall, dass dem Verwender für den Fall der Nichtabnahme oder verspäteten Abnahme der Leistung, des Zahlungsverzuges oder für den Fall, dass der andere Vertragsteil sich vom Vertrag löst, die Zahlung einer Vertragsstrafe versprochen wird. Die zwischen den Parteien vereinbarte Vertragsstrafe soll im Gegensatz dazu jedoch im Falle von Verstößen des Klägers gegen das vertragliche Wettbewerbsverbot verwirkt sein. Hierbei handelt es sich nicht um eine von § 309 Nr. 6 BGB erfasste Verletzung vertraglicher Pflichten, die mittels Allgemeiner Geschäftsbedingungen durch eine Vertragsstrafe nicht geahndet werden dürfen. Die Unwirksamkeit einer solchen Vertragsstrafenabrede kann sich jedoch aus § 307 BGB ergeben. Dabei ist zum Schutz des Arbeitnehmers ein strenger Maßstab anzulegen (BAG 18. August 2005 – 8 AZR 65/05 – AP BGB § 336 Nr. 1 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 6 mwN).

e) Die Vertragsstrafenabrede der Parteien benachteiligt den Kläger unangemessen iSd. § 307 Abs. 1 Satz 2 iVm. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Sie ist deshalb nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.

aa) Eine unangemessene Benachteiligung ergibt sich daraus, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist, § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.

Nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB sind Verwender von Allgemeinen Geschäftsbedingungen entsprechend den Grundsätzen von Treu und Glauben verpflichtet, Rechte und Pflichten ihrer Vertragspartner möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Dazu gehört auch, dass Allgemeine Geschäftsbedingungen wirtschaftliche Nachteile und Belastungen soweit erkennen lassen, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann (BAG 3. April 2007 – 9 AZR 867/06 – NZA 2007, 1045). Danach müssen die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschrieben werden, dass für den Verwender keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen. Eine Klausel genügt dem Bestimmtheitsgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, wenn sie im Rahmen des rechtlich und tatsächlich Zumutbaren die Rechte und Pflichten des Vertragspartners des Klauselverwenders so klar und präzise wie möglich beschreibt. Sie verletzt das Bestimmtheitsgebot, wenn sie vermeidbare Unklarheiten und Spielräume enthält (vgl. BAG 31. August 2005 – 5 AZR 545/04 – BAGE 115, 372 = AP ArbZG § 6 Nr. 8 = EzA ArbZG § 6 Nr. 6).

bb) Letzteres ist bei der streitbefangenen Vertragsstrafenklausel der Fall. Voraussetzung für eine ausreichende Bestimmtheit einer Vertragsstrafenvereinbarung ist nicht nur, dass die sie auslösende Pflichtverletzung so klar bestimmt ist, dass sich der Versprechende in seinem Verhalten darauf einstellen kann, sondern auch, dass die zu leistende Strafe ihrer Höhe nach klar und bestimmt ist (vgl. Senat 21. April 2005 – 8 AZR 425/04 – AP BGB § 307 Nr. 3 = EzA BGB 2002 § 309 Nr. 3). Nach Ziff. 11 Abs. 2 Satz 4 des Arbeitsvertrages kann die Beklagte „für jeden Fall der Zuwiderhandlung eine Vertragsstrafe in Höhe von zwei durchschnittlichen Brutto-Monatseinkommen verlangen“. In Ziff. 11 Abs. 3 des Arbeitsvertrages heißt es dann: „Im Falle einer dauerhaften Verletzung der Verschwiegenheitspflicht oder des Wettbewerbsverbotes gilt jeder angebrochene Monat als eine erneute Verletzungshandlung.“

Aus der Zusammenschau dieser beiden Vertragsbestimmungen wird nicht erkennbar, wann eine sog. „dauerhafte Verletzung“ vertraglicher Pflichten vorliegen soll, die nach Ziff. 11 Abs. 3 des Arbeitsvertrages zu einer monatlich erneut fällig werdenden Vertragsstrafe führt und wann ein einmaliger Vertragsverstoß gegeben sein soll, für den nur eine einmalige Vertragsstrafe nach Ziff. 11 Abs. 2 Satz 4 des Arbeitsvertrages verwirkt sein soll. So wird insbesondere nicht deutlich, wie der für Verstöße gegen das vereinbarte Wettbewerbsverbot geradezu typische Fall zu behandeln ist, dass der Arbeitnehmer für ein Konkurrenzunternehmen tätig wird, indem er für dieses Tätigkeiten verrichtet oder diesem Kunden vermittelt. Ob dann für jeden Einzelfall des Verstoßes gegen das Wettbewerbsverbot eine Vertragsstrafe in Höhe von zwei oder mehr „durchschnittlichen Brutto-Monatseinkommen“ verwirkt sein soll oder ob sich dies als „dauerhafte Verletzung“ des Wettbewerbsverbotes iSd. Ziff. 11 Abs. 3 des Arbeitsvertrages darstellt, so dass für jeden Monat, in dem eine oder mehrere Vertragsverletzungen begangen wurden, nur einmal die Vertragsstrafe von zwei Bruttomonatseinkommen fällig wird. Gleiche Unklarheiten treten im Falle einer „Beteiligung“ des Arbeitnehmers an einem Konkurrenzunternehmen auf. Eine solche „Beteiligung“ erstreckt sich typischerweise über einen längeren, sich über mehrere Monate erstreckenden Zeitraum. Aus Ziff. 11 Abs. 2 Satz 4 iVm. Ziff. 11 Abs. 3 des Arbeitsvertrages ergibt sich nicht mit hinreichender Deutlichkeit, ob eine solche „Beteiligung“ als einmaliger Fall der Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsverbot nach Ziff. 11 Abs. 2 Satz 4 oder als „dauerhafte Verletzung des Wettbewerbsverbotes“ iSd. Ziff. 11 Abs. 3 des Arbeitsvertrages zu bewerten ist.

Es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Parteien ein übereinstimmendes Verständnis von den Begriffen „dauerhafte Verletzung“ und „jeden Fall der Zuwiderhandlung“ hatten.

Entgegen der Auffassung der Revision enthält Ziff. 11 Abs. 3 des Arbeitsvertrages keine Einschränkung des Vertragsstrafenanspruches dahingehend, dass höchstens einmal pro Monat die Vertragsstrafe in Höhe von zwei Bruttomonatseinkommen verwirkt werden kann. Der Wortlaut der Ziff. 11 Abs. 3 des Arbeitsvertrages ist eindeutig. Danach gilt für den Fall einer dauerhaften Verletzung sogar jeder angebrochene Monat als erneute Verletzungshandlung. Ziff. 11 Abs. 3 des Arbeitsvertrages regelt damit eine Erweiterung der Vertragsstrafenabrede gemäß Ziff. 11 Abs. 2 Satz 4 des Arbeitsvertrages für den Fall einer Dauerverletzung, nicht jedoch eine Einschränkung im Falle wiederholter Einzelverletzungen.

cc) Bei Verbraucherverträgen sind gemäß § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB bei der Beurteilung der unangemessenen Benachteiligung nach § 307 Abs. 1 und 2 BGB auch die den Vertragsschluss begleitenden Umstände zu berücksichtigen. Dies gilt auch für Arbeitsverträge, da Arbeitnehmer Verbraucher iSd. § 310 Abs. 3 BGB sind. Die Berücksichtigung dieser Umstände kann sowohl zur Unwirksamkeit einer nach generellabstrakter Betrachtung wirksamen Klausel als auch zur Wirksamkeit einer nach typisierter Inhaltskontrolle unwirksamen Klausel führen (BAG 31. August 2005 – 5 AZR 545/04 – BAGE 115, 372 = AP ArbZG § 6 Nr. 8 = EzA ArbZG § 6 Nr. 6). Solche, das Ergebnis der typisierten Inhaltskontrolle ändernden Umstände bei Vertragsschluss sind im Streitfalle weder von den Parteien vorgetragen noch sonst ersichtlich.

dd) Auch die im Rahmen der Anwendung der §§ 305 ff. BGB auf Arbeitsverträge angemessen zu berücksichtigenden im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten (§ 310 Abs. 4 Satz 2 BGB) führen nicht zu einer Wirksamkeit der gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB verstoßenden Vertragsstrafenklausel.

Bereits unter Geltung der Bereichsausnahmeklausel des § 23 Abs. 1 AGB-Gesetz bis zum 31. Dezember 2001 ist die arbeitsvertragliche Rechtsprechung davon ausgegangen, dass der Ersteller von Arbeitsvertragsformularen die sich aus der Unklarheit einer Vertragsklausel ergebenden Nachteile zu tragen hat (st. Rspr. vgl. BAG 17. November 1998 – 9 AZR 584/97 – AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 10 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 11 mwN).

2. Eine geltungserhaltende Reduktion der unwirksamen Vertragsstrafenklausel scheidet aus.

Im Grundsatz ist im Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen eine geltungserhaltende Reduktion nach § 306 Abs. 2 BGB nicht vorgesehen. Dabei kann dahinstehen, ob es Ausnahmefälle gibt, in denen das „Alles – oder – Nichts – Prinzip“ dem Charakter des Arbeitsverhältnisses als einem auf lange Dauer angelegten Dauerschuldverhältnis mit für den Verwender der Allgemeinen Geschäftsbedingungen eingeschränkter Kündigungsmöglichkeit nicht gerecht wird. Die Unwirksamkeit einer Vertragsstrafenabrede wegen unangemessener Benachteiligung des Arbeitnehmers stellt einen solchen Ausnahmefall nicht dar (Senat 4. März 2004 – 8 AZR 196/03 -BAGE 110, 8 = AP BGB § 309 Nr. 3 = EzA BGB 2002 § 309 Nr. 1).

3. Infolge der Unwirksamkeit der Vertragsstrafenvereinbarung der Parteien gemäß § 307 Abs. 1 BGB richtet sich der Vertragsinhalt insoweit nach den gesetzlichen Vorschriften, § 306 Abs. 2 BGB.

Das vertragliche Vertragsstrafenversprechen entfällt damit ersatzlos. Ein Schadensersatzanspruch wegen Verstoßes gegen das Wettbewerbsverbot käme nur nach den allgemeinen gesetzlichen Vorschriften in Betracht, setzte also insbesondere auch den Nachweis des Eintritts und der Höhe eines Schadens voraus. Einen solchen Anspruch hat die Beklagte nicht geltend gemacht.

II. Die Widerklage der Beklagten ist unbegründet, weil ihr der geltend gemachte Vertragsstrafenanspruch nicht zusteht.

C. Die Beklagte und Widerklägerin hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des erfolglosen Revisionsverfahrens zu tragen.

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