Skip to content

Verunreinigung eines Grundstücks mit Gülle

Ein Frühlingswind blies die Gülle eines Landwirts direkt von der Straße auf das benachbarte Grundstück einer Ferienanlage. Plötzlich waren Pool, Terrasse und Garten mit der unangenehmen Fracht bedeckt. Ein kostspieliger Streit entbrannte über die Frage, wer für die aufwendige Reinigung und den entstandenen Schaden aufkommen muss.

Zum vorliegenden Urteil Az.: 12 O 1063/24 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: LG Kempten
  • Datum: 23.12.2024
  • Aktenzeichen: 12 O 1063/24
  • Rechtsbereiche: Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz (StVG), Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)

Beteiligte Parteien:

  • Kläger: Betreiberin von Ferienwohnungen, der Schadensersatzansprüche der Grundstückseigentümer abgetreten wurden.
  • Beklagte: Landwirt und Halter eines Traktors mit Güllefass, dessen Haftpflichtversicherung die Zahlung zunächst ablehnte.

Worum ging es in dem Fall?

  • Sachverhalt: Der Beklagte sprühte Gülle von einer öffentlichen Straße auf eine angrenzende Wiese. Aufgrund starker Winde gelangte dabei eine große Menge Gülle auf das benachbarte Grundstück der Klägerin, das Ferienwohnungen beherbergt, und verunreinigte Pool, Garten, Terrassen, Fenster und Fassade.
  • Kern des Rechtsstreits: Es ging um die Frage, ob der Beklagte für die Gülleverunreinigung des Grundstücks der Klägerin schadensersatzpflichtig ist. Zentral war die Anwendbarkeit der verschuldensunabhängigen Haftung nach dem Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz (StVG) für einen Traktor mit Güllefass während des Ausbringens von Gülle auf einer öffentlichen Straße.

Was wurde entschieden?

  • Entscheidung: Das Gericht verurteilte den Beklagten zur Zahlung von 15.684,89 Euro zuzüglich Zinsen an die Klägerin sowie zur Übernahme der Kosten des Rechtsstreits. Ein Teil der Klage wurde abgewiesen.
  • Begründung: Das Gericht begründete die Entscheidung mit der verschuldensunabhängigen Haftung des Beklagten nach dem Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz (§ 7 Abs. 1 StVG). Der Schaden sei „beim Betrieb“ des Traktors entstanden, da dieser als fahrbare Arbeitsmaschine während der Fahrt bestimmungsgemäß Gülle ausbrachte und der Fahrvorgang die Verteilung maßgeblich beeinflusste. Die abgetretenen Ansprüche der Grundstückseigentümer wurden der Klägerin zugesprochen, die geltend gemachte Schadenshöhe wurde weitestgehend als nachgewiesen und erforderlich anerkannt.
  • Folgen: Der Beklagte muss den zugesprochenen Schadensersatzbetrag an die Klägerin zahlen und die Kosten des Rechtsstreits tragen. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Der Fall vor Gericht


Gülleunfall an der Grundstücksgrenze: Wer zahlt für die Verunreinigung?

Ein sonniger Frühlingstag auf dem Land kann schnell zu einem nachbarschaftlichen Alptraum werden. Was passiert, wenn ein Landwirt sein Feld düngt, der Wind aber ungünstig steht und die Gülle auf dem Nachbargrundstück landet? Wer muss für die aufwendige Reinigung, den kaputten Pool und den Ärger mit Feriengästen aufkommen? Genau diese Fragen musste das Landgericht Kempten in einem detaillierten Urteil klären. Der Fall zeigt, wie schnell aus alltäglicher landwirtschaftlicher Arbeit ein komplexer Rechtsstreit werden kann.

Ein Frühlingstag endet in einer kostspieligen Sauerei

Braun verunreinigte Villa mit Pool und Person. Luxusvilla mit Gülle.
Windböe schleudert Gülle vom Traktor direkt auf Ferienvilla! Übler Aufprall trifft Pool & Terrasse. | Symbolbild: KI-generiertes Bild

Am 5. April 2023 fuhr ein Landwirt, der Beklagte in diesem Fall, mit seinem Traktor und einem angehängten Güllefass eine öffentliche Straße entlang. Sein Ziel war es, eine Wiese auf der gegenüberliegenden Straßenseite zu düngen. Dafür nutzte er einen Hochdruckseitenverteiler – eine Vorrichtung, die Gülle mit hohem Druck versprüht, um auch weiter entfernte Flächen zu erreichen.

Auf der anderen Straßenseite befand sich das Anwesen der Klägerin, eines Unternehmens, das dort vier exklusive Ferienwohnungen betreibt. Das Grundstück mit Garten, Pool und großer Holzterrasse war an diesem Tag voller Leben. Doch gegen 14 Uhr änderte sich die Situation schlagartig. Der Wind frischte auf und wehte mit bis zu 35 km/h genau aus der Richtung, aus der der Landwirt die Gülle versprühte. Die Folge: Eine erhebliche Menge der Fäkalien wurde über die Straße geweht und landete direkt auf dem Grundstück der Ferienanlage.

Die Verunreinigung war massiv. Die gesamte Gartenseite des Hauses, Fenster, die Terrasse samt Bestuhlung und sogar der befüllte und beheizte Swimmingpool wurden mit Gülle besprüht. Brisant war dabei, dass dies nicht der erste Vorfall dieser Art war. Die Eigentümer hatten den Landwirt bereits in der Vergangenheit aufgefordert, das Verteilen von Gülle in dieser Weise zu unterlassen.

Der Streitwert: Von Poolreinigung bis zum Wertverlust des Hauses

Die Klägerin listete eine lange Reihe von Schäden auf, die durch den Güllevorfall entstanden waren. Sie forderte vom Landwirt einen Gesamtschadenersatz von über 16.000 Euro. Doch woraus setzten sich diese Kosten zusammen?

Zunächst war da der Pool. Er musste komplett abgelassen, das Becken gereinigt und die Technik überprüft werden. Allein für das Ablassen, Reinigen, Wiederbefüllen und Aufheizen des Wassers fielen Kosten von über 2.000 Euro an. Der Garten und die Terrassen mussten ebenfalls aufwendig gesäubert werden, was nicht nur den Kauf neuer Erde und Pflanzen erforderte, sondern auch 120 Arbeitsstunden für Reinigungs- und Pflanzarbeiten durch mehrere Personen. Hinzu kamen Kosten für die professionelle Fensterreinigung.

Doch der Schaden ging tiefer. Drei weiße Sonnenschirme waren irreparabel verschmutzt und mussten zum Zeitwert von 600 Euro ersetzt werden. Besonders kompliziert wurde es durch die Feriengäste. Der Ausfall von Pool und Terrasse erforderte eine intensive Kommunikation, Umbuchungen und Entschädigungen, die über eine Agentur abgewickelt wurden und Kosten von über 1.100 Euro verursachten. Einer Familie musste sogar eine Mietpreisminderung von 290 Euro gewährt werden.

Darüber hinaus verursachte die aggressive Gülle sichtbare Lackschäden am Geländer und einer Metalltreppe, deren Beseitigung mit über 2.600 Euro veranschlagt wurde. Schließlich machte die Klägerin einen sogenannten merkantilen Minderwert in Höhe von 5.000 Euro für das Gebäude geltend. Was bedeutet das? Ein Merkantiler Minderwert ist ein Wertverlust, der auch nach einer vollständigen Reparatur bestehen bleibt. Stellen Sie sich vor, Sie kaufen ein Auto, das einen schweren Unfall hatte. Auch wenn es perfekt repariert wurde, ist es auf dem Markt weniger wert als ein unfallfreies Fahrzeug. Hier war die mit Altholz verkleidete Fassade so stark verunreinigt, dass kleine Flecken zurückblieben, die sich weder reinigen noch überstreichen ließen. Dieser Mangel, so die Klägerin, mindere den Wert des gesamten Gebäudes.

Der Landwirt und seine Versicherung weigerten sich jedoch zu zahlen. Sie argumentierten, der Schaden sei nicht bei einem typischen Fahrzeugbetrieb entstanden und boten lediglich eine pauschale Erstattung für Reinigungsarbeiten an. So landete der Fall vor Gericht.

Die Kernfrage: Haftung aus Fahrzeugbetrieb oder reines Arbeitspech?

Das Gericht stand vor einer zentralen und kniffligen Frage: Handelte es sich bei dem Vorfall um einen Schaden, der „bei dem Betrieb“ eines Kraftfahrzeugs entstanden ist? Aber warum ist das so wichtig? Die Antwort liegt im deutschen Straßenverkehrsgesetz (StVG). Dieses Gesetz sieht eine besondere Form der Haftung vor, die sogenannte verschuldensunabhängige Haftung (oder auch Gefährdungshaftung genannt). Das bedeutet, der Halter eines Fahrzeugs haftet für Schäden, die durch dessen Betrieb entstehen, auch wenn ihm persönlich keine Schuld oder Fahrlässigkeit nachgewiesen werden kann. Die bloße Gefahr, die von einem laufenden Fahrzeug ausgeht, genügt.

Genau darauf berief sich die Klägerin. Sie argumentierte, der Traktor war ein Kraftfahrzeug, das auf einer öffentlichen Straße fuhr. Die Güllepumpe wurde vom Motor des Traktors angetrieben. Der Schaden sei also direkt im Zusammenhang mit dem Betrieb des Fahrzeugs entstanden.

Der beklagte Landwirt sah das völlig anders. Er meinte, hier habe sich nicht die Gefahr eines Fahrzeugs verwirklicht, sondern die eines Arbeitsgeräts. Der Traktor habe nur als stationäre Kraftquelle für die Güllepumpe gedient. Der eigentliche Schaden sei durch eine unvorhersehbare Windböe entstanden, also durch Höhere Gewalt. Die Haftung aus dem Straßenverkehrsgesetz greife daher nicht. Er könne nur haften, wenn er nachweislich schuldhaft gehandelt hätte, was er bestritt.

Das Urteil: Ein fahrender Traktor ist mehr als nur eine Arbeitsmaschine

Das Gericht gab der Klägerin in fast allen Punkten recht und verurteilte den Landwirt zur Zahlung von 15.684,89 Euro. Die entscheidende Begründung lag in der Auslegung des Begriffs „bei dem Betrieb“.

Warum der Traktor als Fahrzeug im Betrieb war

Das Gericht erklärte, dass dieser Begriff sehr weit zu verstehen ist. Er umfasst alle Schadensabläufe, die durch den Kraftfahrzeugverkehr mitgeprägt werden. Um das zu veranschaulichen, zog das Gericht Vergleiche zu früheren Urteilen des Bundesgerichtshofs:

  • Fall 1 (Haftung ja): Ein Unimog mit einem angebauten Mähwerk fährt am Straßenrand entlang, um Gras zu schneiden. Während der Fahrt wird ein Stein hochgeschleudert und beschädigt ein anderes Auto. Hier sind Fahren und Arbeiten untrennbar miteinander verbunden. Der Schaden entstand „bei dem Betrieb“ des Fahrzeugs.
  • Fall 2 (Haftung nein): Ein Traubenvollernter steht im Weinberg und verunreinigt während der Ernte die Trauben mit Diesel. Hier dient das Fahrzeug nur noch als stationäre Arbeitsplattform, losgelöst vom Straßenverkehr. Der Schaden steht nicht mehr im Zusammenhang mit seiner Funktion als Fortbewegungsmittel.

Wie ordnete das Gericht den aktuellen Fall ein? Es entschied, dass der Fall des Gülle-Traktors viel mehr dem ersten Beispiel des Unimogs ähnelt. Der Traktor war keine stationäre Maschine, sondern bewegte sich auf einer öffentlichen Straße. Der Fahrvorgang selbst beeinflusste maßgeblich, wie und wo die Gülle verteilt wurde. Das Gericht sah den Traktor und das Güllefass als eine Einheit – eine „fahrbare Arbeitsmaschine“, die ihre Arbeit gerade während der Fahrt verrichtete. Damit wurde das spezifische Gefahrenpotenzial, das von einem im Straßenverkehr eingesetzten Fahrzeug ausgeht, verwirklicht. Es spielte keine Rolle, dass der Schaden auf einem Privatgrundstück und nicht im fließenden Verkehr eintrat. Die verschuldensunabhängige Haftung nach dem Straßenverkehrsgesetz griff also. Die Frage, ob der Landwirt die Windböe hätte vorhersehen müssen, war damit nicht mehr entscheidend.

Die Berechnung des Schadens: Was ist notwendig und was reine Kulanz?

Nachdem die Haftung geklärt war, musste das Gericht die Höhe des Schadens prüfen. Hier galt der Grundsatz: Der Schädiger muss die Kosten ersetzen, die zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands erforderlich sind.

Das Gericht folgte dabei einem wichtigen Prinzip: Legt der Geschädigte eine bezahlte Rechnung von einer Fachfirma vor, so wirkt diese als starkes Indiz (Indizwirkung) dafür, dass die Kosten auch tatsächlich erforderlich waren. Ein einfaches Bestreiten nach dem Motto „Das war zu teuer“ reicht dann nicht aus.

  • Anerkannte Kosten: Die Kosten für die Pool- und Garten-Sanierung, Fensterreinigung, die neuen Sonnenschirme und die Lackreparatur wurden vollständig anerkannt. Die Einwände des Beklagten waren zu pauschal und nicht ausreichend begründet. Besonders bei der Poolreinigung betonte das Gericht, dass die Klägerin wegen ihrer Feriengäste keine Zeit verlieren durfte und sofort handeln musste. Auch der merkantile Minderwert von 5.000 Euro für die beschädigte Fassade wurde zugesprochen, da der Beklagte diesen Punkt nicht konkret bestritten hatte.
  • Kosten für Gästemanagement: Auch die Kosten für die Verwaltungsagentur (1.125 Euro) und die Mietminderung (290 Euro) wurden als ersatzfähig angesehen. Sie waren eine direkte und nachvollziehbare Folge des Schadens, um den Betrieb aufrechtzuerhalten und weitere Verluste zu vermeiden.
  • Abgelehnte Kosten: Einen Posten lehnte das Gericht jedoch ab: die Kosten für Gutscheine und gefüllte Kühlschränke für die Gäste (418 Euro). Das Gericht sah hierin eine freiwillige Kulanzleistung der Klägerin. Es handelte sich um einen eigenen Entschluss, um die Gäste zufriedenzustellen, nicht um eine rechtlich notwendige Maßnahme zur Schadensbeseitigung.

Das abschließende Urteil und seine Bedeutung

Der Landwirt wurde zur Zahlung von fast dem gesamten geforderten Betrag sowie zur Übernahme der Prozesskosten verurteilt. Das Urteil wurde für vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung erklärt. Das bedeutet, die Klägerin kann das Geld sofort einfordern, muss aber beim Gericht eine Sicherheit hinterlegen. Diese Sicherheit dient dazu, den Beklagten abzusichern, falls das Urteil in einer höheren Instanz doch noch aufgehoben werden sollte.



Die Schlüsselerkenntnisse

Das Urteil zeigt, dass Landwirte auch bei unglücklichen Windverhältnissen für Schäden haften, wenn ihre Gülle beim Düngen auf Nachbargrundstücke geweht wird – und zwar auch ohne persönliches Verschulden. Entscheidend ist, dass der Traktor während der Gülleverteilung auf öffentlichen Straßen fährt, wodurch die strenge Fahrzeughaftung greift, die keine Schuld voraussetzt. Geschädigte können nahezu alle Reinigungskosten, Reparaturen und sogar Wertverluste des Gebäudes ersetzt bekommen, wenn sie entsprechende Rechnungen vorlegen können. Das Urteil macht deutlich, dass landwirtschaftliche Tätigkeiten im Straßenverkehr ein hohes Haftungsrisiko bergen und Landwirte bei ungünstigen Wetterverhältnissen besonders vorsichtig agieren oder ihre Arbeit verschieben sollten.

Befinden Sie sich in einer ähnlichen Situation? Fragen Sie unsere Ersteinschätzung an.

Symbolbild für Rechtsfragen (FAQ): Allegorische Justitia mit Waage und Richterhammer.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Wer haftet, wenn mein Grundstück durch Gülle verunreinigt wird?

Wenn Gülle Ihr Grundstück verunreinigt, ist die Frage der Haftung komplex und hängt davon ab, wie der Schaden entstanden ist. Grundsätzlich gibt es zwei wichtige Arten der Haftung, die für Sie als betroffene Person relevant sein können: die Verschuldenshaftung und die Gefährdungshaftung.

Haftung bei Verschulden (Verschuldenshaftung)

Die klassische Haftungsregel besagt: Wer einen Schaden verursacht, weil er schuldhaft gehandelt hat, muss dafür einstehen. „Schuldhaft“ bedeutet hier, dass die Person den Schaden absichtlich herbeigeführt hat oder fahrlässig gehandelt hat. Fahrlässigkeit liegt vor, wenn jemand die erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt. Stellen Sie sich vor, ein Landwirt hat einen Gülletank auf seinem Anhänger unzureichend gesichert oder eine Leitung nicht richtig verschlossen und dadurch tritt Gülle aus. In solchen Fällen kann eine Haftung wegen Fahrlässigkeit bestehen, basierend auf allgemeinen zivilrechtlichen Vorschriften wie dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB). Hierbei müssen Sie als Geschädigter in der Regel beweisen, dass der Landwirt fahrlässig gehandelt hat.

Haftung auch ohne Verschulden (Gefährdungshaftung)

Ein wichtiger Unterschied, besonders im Zusammenhang mit landwirtschaftlichen Fahrzeugen, ist die sogenannte Gefährdungshaftung. Diese Art der Haftung besteht, wenn von einer bestimmten Tätigkeit oder Sache eine besondere Gefahr ausgeht – unabhängig davon, ob jemand tatsächlich fahrlässig gehandelt hat oder nicht. Das bedeutet, selbst wenn der Verursacher keine Schuld trifft, kann er dennoch für den Schaden verantwortlich sein.

Ein prägnantes Beispiel hierfür ist die Haftung beim Betrieb eines Kraftfahrzeugs im Straßenverkehr. Wenn die Gülle durch ein landwirtschaftliches Fahrzeug, das auf einer öffentlichen Straße fährt, auf Ihr Grundstück gelangt (z.B. durch Herausspritzen, Überlaufen oder Verwehen), kann eine Haftung nach dem Straßenverkehrsgesetz (StVG) in Betracht kommen. Hier haftet der Halter des Fahrzeugs (meist der Eigentümer oder derjenige, der das Fahrzeug auf eigene Rechnung benutzt) für Schäden, die „bei dem Betrieb“ des Fahrzeugs entstehen. Dieser Begriff „bei dem Betrieb“ wird sehr weit ausgelegt. Es reicht aus, dass der Schaden im Zusammenhang mit der Nutzung des Fahrzeugs steht, selbst wenn der Fahrer oder Halter keinerlei Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist – etwa wenn starker Wind die Gülle von der Straße auf Ihr Grundstück weht, während der Schlepper vorbeifährt. Die Haftung besteht hier also verschuldensunabhängig.

Auswirkungen von äußeren Umständen wie Wind

Äußere Umstände wie starker Wind können die Situation beeinflussen, aber nicht zwingend die Haftung ausschließen.

  • Bei der Verschuldenshaftung könnte starker, unvorhersehbarer Wind unter Umständen dazu führen, dass dem Verursacher keine Fahrlässigkeit nachgewiesen werden kann, wenn er alle möglichen Vorkehrungen getroffen hatte. Dies ist jedoch im Einzelfall genau zu prüfen und die Anforderungen an die Sorgfalt sind oft hoch.
  • Bei der Gefährdungshaftung spielt Wind als unvorhergesehenes Ereignis in der Regel keine Rolle für die grundsätzliche Haftung. Die Gefahr geht vom Betrieb des Fahrzeugs aus, und die damit verbundenen Risiken – auch durch äußere Einflüsse – sind Teil der Gefährdungshaftung. Es kann lediglich bei extremen, sogenannten „höheren Gewalt“-Ereignissen eine Ausnahme geben, was aber sehr selten der Fall ist.

Für Sie als Betroffenen ist es entscheidend zu wissen, dass eine Haftung des Verursachers auch dann bestehen kann, wenn dieser nicht direkt fahrlässig gehandelt hat, insbesondere wenn ein landwirtschaftliches Fahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr involviert war.


Zurück zur FAQ Übersicht

Welche Schäden kann ich bei einer Verunreinigung geltend machen?

Wenn Ihr Eigentum durch eine Verunreinigung beschädigt wird, zielt der Schadensersatz darauf ab, den Zustand wiederherzustellen, der ohne die Verunreinigung bestanden hätte. Das bedeutet, Sie sollen so gestellt werden, als wäre der Schaden nie eingetreten. Dabei werden grundsätzlich nur die erforderlichen Kosten ersetzt, die für diese Wiederherstellung notwendig sind. Es geht darum, angemessene Ausgaben für die Beseitigung des Schadens zu erhalten, nicht um eine Bereicherung.

Arten von erstattungsfähigen Schäden

Sie können verschiedene Arten von Schäden geltend machen, die direkt oder indirekt durch die Verunreinigung entstanden sind:

  • Reinigung und Beseitigung des Schadens: Hierzu zählen alle Kosten, die direkt anfallen, um die Verunreinigung zu entfernen. Das können Ausgaben für spezialisierte Reinigungsfirmen, die Entsorgung von kontaminiertem Material oder auch Kosten für die Sanierung von Böden sein. Stellen Sie sich vor, Öl ist in Ihren Garten gelangt: Dann sind die Kosten für den Aushub des kontaminierten Bodens und die Auffüllung mit sauberer Erde erstattungsfähig.
  • Reparatur und Wiederherstellung: Wenn durch die Verunreinigung Gebäude, Mauern, Zäune oder andere Bauteile beschädigt wurden, können Sie die Kosten für deren Reparatur oder den Ersatz geltend machen. Das betrifft auch Ausgaben, um beispielsweise die Fassade eines Hauses zu reinigen oder neu zu streichen, wenn diese durch die Verunreinigung in Mitleidenschaft gezogen wurde.
  • Ersatz für zerstörte oder unbrauchbare Gegenstände: Sind bewegliche Gegenstände wie Möbel, Geräte, Kleidung oder Pflanzen durch die Verunreinigung so stark beschädigt, dass sie nicht mehr nutzbar sind oder eine Reparatur unwirtschaftlich wäre, können Sie den Zeitwert dieser Gegenstände als Ersatz fordern. Wenn beispielsweise eine Verunreinigung Ihre Gartenmöbel unbrauchbar gemacht hat, werden deren Wert zum Zeitpunkt des Schadens ersetzt. Dabei wird der sogenannte „Neu für Alt“-Abzug berücksichtigt, falls ein alter Gegenstand durch einen neuen ersetzt wird. Das bedeutet, dass der Wertverlust des alten Gegenstandes durch dessen Gebrauch berücksichtigt wird.
  • Wiederherstellung von Gärten und Außenanlagen: Die Kosten für die Wiederherstellung von Grünflächen, Beeten, Teichen oder der gesamten Gartenanlage nach einer Verunreinigung sind ebenfalls erstattungsfähig. Dies umfasst Ausgaben für neue Pflanzen, Rasen, Teichfolien oder die Neuaufbereitung von Gartenwegen.
  • Entgangener Gewinn oder Nutzungsausfall: Wenn Sie aufgrund der Verunreinigung Einkünfte verlieren, können diese unter Umständen ebenfalls geltend gemacht werden. Ein typisches Beispiel ist der entgangene Gewinn bei der Vermietung einer Ferienwohnung oder eines Gewerberaumes, wenn diese wegen der Verunreinigung vorübergehend nicht nutzbar sind. Auch wenn Sie Ihre eigene Immobilie wegen der Verunreinigung nicht bewohnen können und dadurch temporär andere Wohnkosten entstehen, können diese berücksichtigt werden.
  • Merkantiler Minderwert: Selbst wenn ein Schaden vollständig behoben ist und die Immobilie optisch und technisch wieder im ursprünglichen Zustand ist, kann es vorkommen, dass sie auf dem Immobilienmarkt einen geringeren Wert hat. Dies wird als merkanter Minderwert bezeichnet. Er entsteht, weil bei potenziellen Käufern eine gewisse „gefühlte“ Wertminderung oder ein Misstrauen gegenüber der vormalig verunreinigten Immobilie bestehen bleibt. Dieser Minderwert kann auch dann noch bestehen, wenn alle sichtbaren Schäden behoben wurden, weil die Kenntnis von der Verunreinigung den Marktwert beeinflussen kann.

Nachweis der Schäden

Um Ihre Ansprüche erfolgreich geltend machen zu können, ist eine detaillierte und lückenlose Dokumentation der Schäden und der entstandenen Kosten entscheidend. Sammeln Sie alle relevanten Belege:

  • Fotos und Videos: Halten Sie den Zustand vor und nach der Verunreinigung fest.
  • Rechnungen und Quittungen: Bewahren Sie alle Belege über Reinigungs-, Reparatur- und Ersatzkosten auf. Holen Sie möglichst Kostenvoranschläge von Fachfirmen ein.
  • Gutachten: Bei komplexeren Schäden, insbesondere bei der Bestimmung von Umweltschäden oder dem merkantilen Minderwert, kann ein Sachverständigengutachten notwendig und hilfreich sein.
  • Korrespondenz: Dokumentieren Sie jegliche Kommunikation mit der schädigenden Partei oder Versicherungen.

Die Kosten müssen dabei in einem angemessenen Verhältnis zum entstandenen Schaden stehen. Es wird nicht mehr ersetzt, als zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands notwendig ist.


Zurück zur FAQ Übersicht

Welche ersten Schritte sollte ich nach einer Gülle-Verunreinigung unternehmen?

Nach einer Gülle-Verunreinigung ist eine schnelle und sorgfältige Dokumentation von großer Bedeutung. Dies dient dazu, den Umfang des Schadens festzuhalten und mögliche spätere Ansprüche auf Schadensersatz zu untermauern. Eine rasche Reaktion kann zudem helfen, weitere Folgeschäden zu verhindern und die Gesamtsituation übersichtlicher zu gestalten.

Umfassende Schadensdokumentation

Beginnen Sie damit, den Schaden umfassend zu dokumentieren. Hierbei sind folgende Punkte besonders wichtig:

  • Fotos und Videos: Halten Sie den Schaden aus verschiedenen Perspektiven und mit Datumsangabe fest. Nehmen Sie sowohl Übersichtsaufnahmen des betroffenen Bereichs als auch Detailaufnahmen der Verschmutzung und ihrer Auswirkungen auf Pflanzen, Boden, Gebäude oder Gegenstände auf. Zeigen Sie dabei deutlich den Umfang der Verunreinigung.
  • Detaillierte Notizen: Schreiben Sie genau auf, wann (Datum und Uhrzeit) die Verunreinigung bemerkt wurde. Vermerken Sie auch Wetterbedingungen, Windrichtung und -stärke, die für die Ausbreitung relevant gewesen sein könnten. Beschreiben Sie, was genau verunreinigt wurde und welche Art von Gülle (z.B. Rindergülle, Schweinegülle) vermutet wird, sofern dies erkennbar ist.
  • Zeugen: Wenn es Zeugen des Vorfalls gibt, notieren Sie deren Kontaktdaten. Ihre Aussagen können eine spätere Klärung der Ereignisse unterstützen.

Erste Kontaktaufnahme und Schadenserfassung

Sobald der Schaden dokumentiert ist, ist es ratsam, Kontakt mit dem vermuteten Verursacher der Gülle-Verunreinigung aufzunehmen, falls dieser bekannt ist. Informieren Sie die Person oder das Unternehmen über den Vorfall und den entstandenen Schaden. Für die spätere Klärung von Kosten ist es wesentlich, die entstandenen Aufwendungen präzise zu erfassen:

  • Kostenvoranschläge: Holen Sie Kostenvoranschläge für die Beseitigung der Verunreinigung, die Reinigung oder den Ersatz beschädigter Gegenstände ein. Dies kann die Reinigung von Flächen, Böden, aber auch von betroffenen Gerätschaften oder Gebäudeteilen umfassen.
  • Rechnungen: Bewahren Sie alle Rechnungen für Maßnahmen zur Schadensbeseitigung sorgfältig auf. Dazu gehören Kosten für Reinigungsarbeiten, Materialersatz oder gegebenenfalls Gutachten.
  • Dokumentation von Folgeschäden: Bei einer Verunreinigung auf landwirtschaftlichen Flächen oder in gewerblichen Betrieben können auch Ernteausfälle oder Betriebsunterbrechungen entstehen. Halten Sie auch diese Folgeschäden detailliert fest, beispielsweise durch Aufzeichnungen über entgangene Einnahmen oder zusätzliche Betriebskosten. Die schnelle Reaktion ist hier besonders wichtig, da Folgeschäden sich rasch entwickeln können und deren Nachweis mit der Zeit schwieriger wird.

Eine strukturierte und lückenlose Dokumentation dieser Schritte schafft eine wichtige Grundlage für die weitere Bearbeitung des Vorfalls.


Zurück zur FAQ Übersicht

Ist die Schuld des Landwirts für die Haftung immer entscheidend?

Nein, die Schuld des Landwirts ist für die Haftung bei einem Verkehrsunfall nicht immer der entscheidende Faktor. Insbesondere im Straßenverkehrsrecht gibt es das Prinzip der verschuldensunabhängigen Haftung, auch bekannt als Gefährdungshaftung.

Haftung ohne eigenes Verschulden (Gefährdungshaftung)

Für Sie ist es wichtig zu verstehen, dass im Straßenverkehr nicht immer nachgewiesen werden muss, dass der Verursacher des Schadens absichtlich oder fahrlässig gehandelt hat. Das Straßenverkehrsgesetz (StVG) sieht vor, dass der Halter eines Kraftfahrzeugs grundsätzlich für Schäden haftet, die durch den Betrieb dieses Fahrzeugs entstehen – und zwar auch dann, wenn ihn persönlich keine Schuld trifft.

Stellen Sie sich vor, ein Landwirt fährt mit seinem Traktor auf der Straße. Wenn sich während der Fahrt – ohne dass der Landwirt einen Fehler macht oder fahrlässig ist – etwas vom Fahrzeug löst (z.B. Erde, Steine oder Ladung) und dadurch ein Schaden an einem anderen Fahrzeug oder einer Person entsteht, kann eine Haftung des Landwirts beziehungsweise des Fahrzeughalters bestehen. Diese Haftung ergibt sich allein aus der „Betriebsgefahr“ des Fahrzeugs, also der prinzipiellen Gefahr, die von einem sich bewegenden Kraftfahrzeug ausgeht. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass schon die reine Anwesenheit und Nutzung eines Kraftfahrzeugs im Verkehr ein gewisses Risiko birgt, für das der Halter einstehen muss.

Die Ausnahme: Höhere Gewalt

Es gibt jedoch eine ganz bestimmte und sehr seltene Ausnahme von dieser verschuldensunabhängigen Haftung: die höhere Gewalt. Wenn ein Schaden durch höhere Gewalt verursacht wurde, entfällt die Haftung des Fahrzeughalters.

Höhere Gewalt bedeutet hierbei ein von außen kommendes, außergewöhnliches und unvorhersehbares Ereignis, das auch durch größte Sorgfalt nicht abgewendet werden konnte. Ein Beispiel hierfür wäre ein plötzlicher, extremer Tornado, der ein Fahrzeug von der Straße schleudert und dadurch einen Schaden verursacht, der unter normalen Umständen nicht eintreten würde. Normale Windböen oder auch Starkregen zählen in der Regel nicht als höhere Gewalt, da diese Wetterphänomene als vorhersehbar gelten und ein erfahrener Fahrer in der Regel darauf reagieren kann. Der Nachweis von höherer Gewalt ist in der Praxis äußerst schwierig und gelingt nur in Ausnahmefällen. Ein solcher Fall liegt nur vor, wenn das Ereignis wirklich unvermeidbar und völlig außerhalb jeder Kontrolle des Landwirts oder Fahrzeughalters lag.


Zurück zur FAQ Übersicht

Wie kann ich mich gegen zukünftige Gülle-Verunreinigungen schützen?

Um sich gegen zukünftige Gülle-Verunreinigungen zu schützen und eine Wiederholung solcher Vorfälle zu vermeiden, gibt es verschiedene Ansätze. Diese reichen von der direkten Kommunikation bis zu rechtlichen Möglichkeiten.

Das Gespräch mit dem Landwirt suchen

Oft ist der erste und direkteste Weg, das Gespräch mit dem verantwortlichen Landwirt zu suchen. Viele Probleme lassen sich durch eine offene Kommunikation und gegenseitiges Verständnis lösen. Es kann sein, dass der Landwirt nicht vollständig über die Ausmaße der Verunreinigung oder die Beeinträchtigung informiert war. In einem solchen Gespräch können Sie die Problematik schildern und gemeinsam nach Lösungen suchen, etwa nach Anpassungen der Ausbringungszeiten, der Mengen oder der verwendeten Techniken, um zukünftige Verunreinigungen zu minimieren.

Systematische Dokumentation von Vorfällen

Für den Fall, dass es trotz Kommunikation zu wiederholten Vorfällen kommt oder eine außergerichtliche Lösung nicht möglich ist, ist eine sorgfältige Dokumentation unerlässlich. Umfassende Aufzeichnungen sind entscheidend, um die Häufigkeit, das Ausmaß und die Auswirkungen der Verunreinigungen nachvollziehbar zu belegen. Folgende Informationen sind dabei hilfreich:

  • Datum und genaue Uhrzeit des Vorfalls
  • Dauer der Beeinträchtigung (z.B. Geruchsbelästigung, visuelle Verunreinigung)
  • Beschreibung der Auswirkungen (z.B. Art des Geruchs, Verschmutzung von Flächen, Fahrzeugen, Geruchsintensität)
  • Fotos oder Videos, die die Verunreinigung sichtbar machen
  • Namen und Kontaktdaten von Zeugen, die den Vorfall ebenfalls wahrgenommen haben
  • Belege für eigene Reinigungsmaßnahmen oder entstandene Kosten

Diese Dokumentation dient dazu, ein klares Bild der Situation zu erstellen und kann als Grundlage für weitere Schritte dienen.

Rechtliche Möglichkeiten zur Unterlassung

Wenn sich wiederholende Verunreinigungen trotz aller Bemühungen nicht abstellen lassen, können rechtliche Schritte in Betracht gezogen werden, die darauf abzielen, eine Wiederholung zu verhindern. Ein zentraler Ansatzpunkt hierbei ist der Unterlassungsanspruch.

Der Unterlassungsanspruch ermöglicht es, von jemandem zu verlangen, eine bestimmte Handlung in Zukunft zu unterlassen. Im Kontext von Gülle-Verunreinigungen bedeutet dies, dass Sie fordern können, dass der Landwirt Maßnahmen ergreift, um zukünftige, über das zumutbare Maß hinausgehende Beeinträchtigungen Ihres Grundstücks zu verhindern. Solche Beeinträchtigungen werden im Juristischen als Immissionen bezeichnet, wenn sie von einem Nachbargrundstück ausgehen und beispielsweise Geruch, Lärm oder Schmutz umfassen. Ein solcher Anspruch kann bestehen, wenn die Immissionen Ihr Grundstück so stark beeinträchtigen, dass sie wesentlich sind und über das hinausgehen, was für Sie als Anwohner noch zumutbar ist. Die Zumutbarkeit hängt dabei von vielen Faktoren ab, wie der Art der Nutzung des Grundstücks, den örtlichen Gegebenheiten und der Häufigkeit und Intensität der Störung. Das Ziel eines Unterlassungsanspruchs ist es, eine dauerhafte Lösung zu erwirken und zukünftige Beeinträchtigungen zu unterbinden, nicht lediglich eine Entschädigung für vergangene Schäden zu erhalten.


Zurück zur FAQ Übersicht

Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.


Juristisches Glossar: Symbolbild der Justitia mit Waage und Richterhammer.

Glossar


Juristische Fachbegriffe kurz erklärt

Verschuldensunabhängige Haftung (Gefährdungshaftung)

Die verschuldensunabhängige Haftung bedeutet, dass jemand für einen Schaden haftet, ohne dass ein Verschulden (also kein vorsätzliches oder fahrlässiges Verhalten) nachgewiesen werden muss. Im Straßenverkehr sorgt das Straßenverkehrsgesetz (StVG) dafür, dass der Halter eines Kraftfahrzeugs für Schäden haftet, die „bei dem Betrieb“ seines Fahrzeugs entstehen. Das heißt: bereits die Gefährdung durch das Fahrzeug begründet die Haftung. Ein Beispiel ist, wenn ein Traktor auf der Straße fährt und durch dessen Betrieb trotz größter Vorsicht Gülle auf ein Nachbargrundstück geweht wird.

Zurück zur Glossar Übersicht

Betrieb eines Kraftfahrzeugs

Der Begriff „Betrieb eines Kraftfahrzeugs“ umfasst den gesamten Vorgang der Nutzung eines Fahrzeugs, also nicht nur das Fahren selbst, sondern auch Tätigkeiten, die eng damit verbunden sind. Das wird sehr weit ausgelegt, sodass selbst Schadensfälle, die während der Fahrt oder in engem Zusammenhang mit der Nutzung des Fahrzeugs entstehen, darunterfallen. Im Beispiel ist der Traktor mit Güllefass zwar auch Arbeitsmaschine, aber da er auf einer öffentlichen Straße fuhr und die Gülle dabei versprühte, findet sich das Gericht in der Rechtsprechung wieder, die den Schadensfall als aus dem „Betrieb“ entstanden ansieht.

Zurück zur Glossar Übersicht

Höhere Gewalt

Höhere Gewalt ist ein außergewöhnliches, von außen kommendes Ereignis, das unvermeidbar und unvorhersehbar ist und trotz größter Sorgfalt nicht verhindert werden kann. Wenn Schäden durch höhere Gewalt verursacht werden, kann die sonst bestehende Haftung entfallen. Im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr oder landwirtschaftlichen Tätigkeiten bedeutet dies zum Beispiel, dass ein extrem starker Tornado, der einen Schaden verursacht, als höhere Gewalt anerkannt werden kann. Normale Windböen wie im Güllefall sind jedoch in der Regel keine höhere Gewalt.

Zurück zur Glossar Übersicht

Merkantiler Minderwert

Der merkantile Minderwert bezeichnet den bleibenden Wertverlust eines Grundstücks oder Gegenstands, obwohl die sichtbaren Schäden vollständig behoben wurden. Dieser Wertverlust entsteht, weil potenzielle Käufer aufgrund von Kenntnissen über die früheren Schäden oder Mängel das Objekt auf dem Markt als weniger wertvoll einschätzen. Das ist vergleichbar mit einem Auto, das nach einem Unfall zwar repariert wurde, aber dennoch am Markt weniger wert ist als ein unfallfreies Fahrzeug. Im Fall der Ferienwohnung minderte die dauerhaft sichtbare Verunreinigung der Fassade trotz Reparatur den Marktwert.

Zurück zur Glossar Übersicht

Unterlassungsanspruch

Ein Unterlassungsanspruch ist das Recht, von jemandem zu verlangen, eine bestimmte schädigende Handlung in Zukunft zu unterlassen. Im Nachbarschaftsrecht wird er häufig genutzt, um dauerhafte Beeinträchtigungen durch Immissionen wie Geruch, Lärm oder Verschmutzung zu verhindern. Die Beeinträchtigung muss dabei so erheblich sein, dass sie über das zumutbare Maß für den Nachbarn hinausgeht. Im Beispiel könnten die Ferienwohnungsbesitzer verlangen, dass der Landwirt zukünftig die Gülleausbringung so gestaltet, dass sie das Grundstück nicht mehr verunreinigt.

Zurück zur Glossar Übersicht


Wichtige Rechtsgrundlagen


  • Straßenverkehrsgesetz (StVG), insbesondere § 7 StVG: Das Straßenverkehrsgesetz (StVG) regelt die Haftung für Schäden, die durch den Betrieb eines Kraftfahrzeugs entstehen. Nach § 7 StVG haftet der Halter eines Kraftfahrzeugs auch ohne eigenes Verschulden (sogenannte Gefährdungshaftung), wenn ein Schaden „bei dem Betrieb“ des Fahrzeugs verursacht wird. Diese Haftung basiert auf der inherenten Gefahr, die von einem Kraftfahrzeug ausgeht, und dient dem Schutz potenzieller Geschädigter. Es ist eine strenge Haftung, die nur in wenigen Ausnahmefällen ausgeschlossen ist. → Bedeutung im vorliegenden Fall: Hier war die entscheidende Frage, ob der Gülleunfall als Schaden „bei dem Betrieb“ des Traktors entstand, was die verschuldensunabhängige Haftung des Landwirts zur Folge hätte. Das Gericht bejahte dies, da der Traktor als fahrbare Arbeitsmaschine unterwegs war.
  • Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), insbesondere § 249 BGB: Nach § 249 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) ist derjenige, der zum Schadensersatz verpflichtet ist, grundsätzlich dazu angehalten, den Zustand wiederherzustellen, der ohne das schädigende Ereignis bestehen würde (Naturalrestitution). Ist dies nicht möglich oder ausreichend, muss der Geschädigte finanziell entschädigt werden. Das Gesetz stellt sicher, dass der Geschädigte so gestellt wird, als wäre der Schaden nie eingetreten, aber auch nicht besser. Die Wiederherstellung muss dabei „erforderlich“ sein. → Bedeutung im vorliegenden Fall: Dieser Paragraph war maßgeblich für die Bemessung der Höhe des zu ersetzenden Schadens. Das Gericht prüfte, welche Reinigungs-, Reparatur- und Ersatzkosten „erforderlich“ waren, um den Zustand vor dem Gülleunfall wiederherzustellen.
  • Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), insbesondere § 823 Abs. 1 BGB: § 823 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) ist die zentrale Norm für die zivilrechtliche Haftung aus unerlaubten Handlungen, also für Schäden, die jemand einem anderen durch rechtswidriges und schuldhaftes Handeln zufügt. Es schützt bestimmte Rechtsgüter wie Leben, Körper, Gesundheit, Freiheit, Eigentum oder sonstige Rechte vor schuldhaften Verletzungen. Liegt eine solche Verletzung vor, ist der Schädiger zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Die Verschuldensfrage ist hierbei entscheidend. → Bedeutung im vorliegenden Fall: Obwohl die Haftung letztlich über das StVG erfolgte, wäre § 823 Abs. 1 BGB die Grundlage für einen Schadensersatzanspruch gewesen, wenn der Landwirt schuldhaft (fahrlässig) gehandelt hätte, was er bestritt. Die Frage der Vorhersehbarkeit der Windböe wäre hier relevant gewesen.
  • Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), insbesondere § 251 BGB: Der Paragraph 251 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) regelt Ausnahmen vom Prinzip der Naturalrestitution, falls diese nicht möglich oder nicht zumutbar ist. Er ermöglicht stattdessen einen Schadensersatz in Geld. Besonders wichtig ist er für den sogenannten merkantilen Minderwert: Dies ist ein verbleibender Wertverlust einer Sache, der auch nach einer vollständigen und fachgerechten Reparatur objektiv am Markt besteht, weil die Vorschädigung bekannt ist. Dieser Minderwert muss ebenfalls als Geldersatz geleistet werden. → Bedeutung im vorliegenden Fall: Dieser Paragraph war die rechtliche Grundlage für den zugesprochenen merkantilen Minderwert der Fassade, da die Güllespuren nicht vollständig beseitigt werden konnten und das Gebäude dadurch objektiv an Wert verlor.
  • Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), insbesondere § 906 BGB: § 906 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) befasst sich mit sogenannten Immissionen, also Einwirkungen, die von einem Grundstück auf ein anderes ausgehen, wie Geräusche, Gerüche, Rauch oder, wie hier, „unwägbare Stoffe“ wie Gülle. Grundeigentümer müssen solche Zuführungen dulden, wenn sie nur unwesentlich sind oder ortsüblich und nicht durch wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen verhindert werden können. Überschreitet eine Immission jedoch die Wesentlichkeitsgrenze, kann der betroffene Nachbar Abwehr- und gegebenenfalls Schadensersatzansprüche geltend machen. → Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Gülleunfall stellt eine wesentliche Immission auf das Nachbargrundstück dar, die nicht geduldet werden muss. Die Vorschrift bildet den rechtlichen Hintergrund für derartige Nachbarschaftskonflikte und die Abwehransprüche, die der Klägerin grundsätzlich zustehen könnten.

Das vorliegende Urteil


LG Kempten – Az.: 12 O 1063/24 – Endurteil vom 23.12.2024


* Der vollständige Urteilstext wurde ausgeblendet, um die Lesbarkeit dieses Artikels zu verbessern. Klicken Sie auf den folgenden Link, um den vollständigen Text einzublenden.

Ersteinschätzung anfragen: Person tippt auf Smartphone für digitale Anwalts-Ersthilfe.

Jetzt Hilfe vom Anwalt!

Rufen Sie uns an um einen Beratungstermin zu vereinbaren oder nutzen Sie unser Kontaktformular für eine unverbindliche Beratungsanfrage bzw. Ersteinschätzung.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen ausschließlich Informationszwecken und stellen keine Rechtsberatung dar. Sie können eine individuelle rechtliche Beratung, die die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalls berücksichtigt, nicht ersetzen. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch neue Urteile und Gesetze geändert haben. Teile dieses Beitrags könnten mithilfe von KI-Unterstützung erstellt worden sein, um eine effiziente und präzise Darstellung der Informationen zu gewährleisten. Trotz umfassender Kontrolle können Irrtümer enthalten sein. Für eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung kontaktieren Sie uns bitte.

Ratgeber und hilfreiche Tipps unserer Experten.

Lesen Sie weitere interessante Urteile.

Unsere Kontaktinformationen.

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Hier finden Sie uns!

Telefon: 02732 791079
(telefonisch werden keine juristischen Auskünfte erteilt!)

Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

zum Kontaktformular

Ersteinschätzungen nur auf schriftliche Anfrage >>> per Anfrageformular.

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Über uns

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!

Das sagen Kunden über uns
Unsere Social Media Kanäle

 

Kundenbewertungen & Erfahrungen zu Rechtsanwälte Kotz. Mehr Infos anzeigen.

Hinweis: Telefonisch können leider keine Erstanfragen beantwortet werden. Anfragen auf Ersteinschätzung bitte nur über unser Anfrageformular stellen. 

Ersteinschätzung

Wir analysieren für Sie Ihre aktuelle rechtliche Situation und individuellen Bedürfnisse. Dabei zeigen wir Ihnen auf, wie in Ihren Fall sinnvoll, effizient und möglichst kostengünstig vorzugehen ist.

Fragen Sie jetzt unverbindlich nach unsere Ersteinschätzung und erhalten Sie vorab eine Abschätzung der voraussichtlichen Kosten einer ausführlichen Beratung oder rechtssichere Auskunft.

Jobangebote

Jobangebote in der Kanzlei Kotz
Rechtsanwaltsfach-angestellte(r) und Notarfachangestellte(r) (m/w/d)

 

jetzt bewerben