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Verwahrlosung der Mietwohnung durch Mieter – fristlose Kündigung durch Vermieter

LG Berlin, Az.: 67 S 8/17

Urteil vom 02.03.2017

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 25. November 2016 verkündete Urteil des Amtsgerichts Wedding – 16 C 207/16 – geändert und die Beklagte verurteilt, die Wohnung … Weg 92, … Berlin, Erdgeschoss, Wohnungs-Nr.: 5 (Mietvertrags-Nr. …-…-01) nebst dem Kellerraum Nr. … zu räumen und geräumt an die Klägerin herauszugeben.

Die Beklagte hat die Kosten beider Rechtszüge nach einem Wert bis 5.000,00 € zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gem. §§ 313a, 540 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.

II.

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist begründet.

Verwahrlosung der Mietwohnung durch Mieter – fristlose Kündigung durch Vermieter
Symbolfoto: mulderphoto/Bigstock

Der Klägerin steht ein Räumungsanspruch gemäß §§ 985, 546 Abs. 1 BGB zu, da das zwischen den Parteien bestehende Mietverhältnis durch die fristlose Kündigung vom 21. März 2016 seine Beendigung gefunden hat. Die Klägerin war zum Ausspruch der fristlosen Kündigung gemäß §§ 543 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BGB befugt, da ihr eine Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist aufgrund der anzunehmenden erheblichen Verwahrlosung der Wohnung nicht zuzumuten war.

Danach liegt ein wichtiger Grund zur Kündigung unter anderem dann vor, wenn der Mieter die Rechte des Vermieters dadurch in erheblichem Maße verletzt, dass er die Mietsache durch Vernachlässigung der ihm obliegenden Sorgfalt erheblich gefährdet. Dies setzt voraus, dass die Mietsache durch die Sorgfaltspflichtverletzung bereits geschädigt worden ist oder eine schwerwiegende, die Substanz der Mietsache konkret gefährdende Pflichtwidrigkeit des Mieters erkennbar ist (vgl. Blank in: Schmidt-Futterer 12. Aufl. 2015, BGB § 543 Tz. 57).

Dies ist vorliegend der Fall.

Das Amtsgericht hat bereits gemäß § 314 ZPO mit das Berufungsgericht bindender Tatbestandswirkung in den Entscheidungsgründen festgestellt, dass es sich bei der Wohnung um eine sogenannte „Messiewohnung“ handelt, in der ersichtlich ganze Zimmer flächendeckend vollgestellt waren und aus den von Klägerin vorgelegten Fotografien deutlich wird, dass das Bad nicht mehr zu betreten und zu benutzen war. Zutreffend weist das Amtsgericht ferner darauf hin, dass dem Vorbringen der Beklagten, die Gegenstände, die auf den Fotografien zu sehen sein, seien lediglich zum Zweck des Abtransports durch die Firma Trans BWG aus den Schränken genommen und bereit gestellt worden, schon im Hinblick auf die reine Masse der Gegenstände an der Sache vorbeigeht. Im Übrigen zeigen die Fotografien deutlich keinesfalls nur von der Trans BWG in mit deren Namen bezeichneten Kartons verpackte Gegenstände, sondern eine massive Vermüllung der Wohnung, sodass von einer geordneten Bereitstellung nicht die Rede sein kann. Die Beklagte hat auch ihren von dem Amtsgericht zu Recht als nicht glaubhaft angesehenen Vortrag, sie habe eine ganze Menge Gegenstände selbst schon zur Entsorgung bereitgestellt, weil sie sich neue Einrichtungsgegenstände bestellt habe, in der Berufung nicht substantiiert. Nach wie vor ist nicht ersichtlich, inwiefern sie sich ungeachtet ihrer dargelegten PKH-Bedürftigkeit eine neue Wohnungseinrichtung hätte leisten können.

Zu dem festgestellten extremen Zustand der erheblichen Verwahrlosung der Wohnung in dem dargelegten Umfang kommt der von der Beklagten nicht bestrittene fotografisch dokumentierte Zustand des Badezimmers hinzu, der als solcher schon die Annahme einer Vernachlässigung der Wohnung in einem besonders schweren Fall begründet. Allein der massiven Umfang der dort vorgefundenen Rattenkegel, die den Schluss auf eine bereits länger andauernde Verwahrlosung zulassen, indiziert prima facie eine substantielle Schädigung und konkrete Gefährdung der Mietsache. Ferner ist die Beklagte dem Vorbringen der Klägerin nicht entgegengetreten, zum Teil seien bereits die Türen der Wohnung durch Anknabbern beschädigt.

Mithin waren bereits konkrete Substanzschäden eingetreten, das Bad gar nicht mehr nutzbar und es drohte eine Verschlimmerung der Situation verbunden mit der Gefahr des Eintretens weiterer Substanzschäden. Hinzu kommt, dass die Beklagte nach ihrem eigenen Vortrag schon seit längerer Zeit vor dem Ausspruch der Kündigung nicht regelmäßig in der Wohnung anwesend war und offensichtlich ihre Obhuts- und Garantenpflicht ignoriert hat (und immer noch ignoriert), in dem sie den auch von ihr festgestellten Rattenbefall der Klägerin nicht angezeigt hat und keine durchgreifenden Maßnahmen gegen die offensichtliche Gefahr ausgehend von Schädlingsbefall ergriffen hat.

Entgegen der Ansicht des Amtsgerichtes war vorliegend infolge der dargelegten Verwahrlosung der Wohnung in einem äußerst schweren Fall eine Abmahnung jedenfalls gemäß § 543 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 BGB ausnahmsweise entbehrlich, da durch die festgestellte erhebliche Vernachlässigung der Wohnung, dies insbesondere auch im Hinblick auf die fehlende Einsicht und das Herunterspielen durch die Beklagte, die Vertragsgrundlage zwischen den Parteien so schwerwiegend erschüttert ist, dass sie auch durch eine erfolgreiche Abmahnung nicht wiederhergestellt werden kann (vgl. Staudinger/Volker Emmerich (2014) BGB § 543 Tz. 80a m.w.N.; Blank in: Schmidt/Futterer, Mietrecht, 12. Aufl. 2015, § 543 Tz. 66; vgl. auch Kammer, Beschl. v. 12. Mai 2016 – 67 S 110/16, GE 2016, 868, Tz. 4 bei juris).

Einer Stellungnahme auf den Schriftsatz der Klägerin vom 27. Februar 2017 bedurfte es vorliegend nicht, da der Schriftsatz keinen entscheidungserheblichen neuen Vortrag enthält.

Eine Räumungsfrist (§ 721 ZPO) war vorliegend nicht zu bewilligen. Bei der von Amts wegen zu treffenden Entscheidung über die Einräumung einer Räumungsfrist sind die Interessen der Parteien gegeneinander abzuwägen. Angesichts des Umstandes, dass die Wohnung derzeit geräumt ist und des erheblichen Interesses der Klägerin, im Hinblick auf die Gefährdung ihres Eigentums einen erneuten Bezug der Wohnung durch die Beklagte zu vermeiden, überwiegt in dem vorliegenden extremen Einzelfall das Erlangungsinteresse der Klägerin. Diese Annahme ist jedenfalls angesichts des Umstandes, dass sich die Beklagte ohnehin überwiegend nicht mehr in der Wohnung sondern bei einem Bekannten aufhält, gerechtfertigt, womit der von der Vorschrift des § 721 ZPO beabsichtigte Schutz des Schuldners, durch die Räumung obdachlos zu werden oder unzumutbaren Ersatzwohnraum beziehen zu müssen, in Abwägung mit den dargelegten Interessen der Klägerin in den Hintergrund tritt, zumal weder hierzu noch zu vergeblichen Bemühungen, eine Ersatzwohnung zu erlangen, näherer Vortrag der Beklagten erfolgt ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO. Die Revision ist gem. § 543 Abs. 1, 2 ZPO nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordern. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf der Grundlage des Gesetzes, seiner Materialien und höchstrichterlich bereits entwickelter Maßstäbe.

Die Festsetzung des Streitwertes findet ihre Grundlage in §§ 47 Abs. 1, 48 Abs. 1, 41 Abs. 1, 2 GKG.

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