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Videogeschwindigkeitsmessung – Beweisverwertungsverbot

Oberlandesgericht Celle

Az: 311 SsRs 41/10

Beschluss vom 05.05.2010


1. Die Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts Hannover vom 19. Januar 2010 wird zugelassen.

2. Die Sache wird auf den Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen.

3. Das Urteil vom 19. Januar 2010 wird mit den Feststellungen aufgehoben.

4. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde an dieselbe Abteilung des Amtsgerichts Hannover zurückverwiesen.

Gründe

1. Das Amtsgericht Hannover verurteilte den Betroffenen wegen fahrlässigen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 140 Euro. Nach den vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen befuhr der Betroffene am 5. Oktober 2009 in H. den W. und überschritt hierbei die zulässige Höchstgeschwindigkeit um 32 km/h.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Betroffene mit seinem Zulassungsantrag. Er rügt im Hinblick auf ein vom Amtsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegten Lichtbildes eine Verletzung von § 261 und § 267 StPO und macht insoweit überdies ein Beweisverwertungsverbot geltend. Das fragliche Lichtbild sei nicht in die Hauptverhandlung eingeführt und überdies nicht ordnungsgemäß in Bezug genommen worden. Seiner Verwertung stehe schließlich das Fehlen einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage zum Erstellen des Lichtbildes entgegen.

2. Die Rechtsbeschwerde war nach Maßgabe von § 80 Abs. 1 Satz 1 OWiG zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen. Zum Sicherungsinteresse im Sinne von § 80 Abs. 1 Satz 1 OWiG hat die Generalstaatsanwaltschaft im Rahmen ihrer Zuschrift zutreffend ausgeführt:

„Bei Fehlern des Verfahrensrechts kann die Einheitlichkeit der Rechtsprechung nicht nach dem Ergebnis der Entscheidung beurteilt, sondern sie muss nach anderen Kriterien bestimmt werden. Entscheidend ist hier der Rang der Norm, die fehlerhaft angewendet ist, und damit auch die Schwere des Fehlers (vgl. Göhler, OWiG, 15. Aufl., § 80 Rn. 7b). Nur ein ersichtliches Versehen im Einzelfall, dessen Wiederholung nicht zu besorgen ist, gebietet nicht die Nachprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht (Karlsruher Kommentar, OWiG, 3. Aufl., § 80 Rn. 27). Sind dagegen wie hier elementare Verfahrensgrundsätze verletzt, so ist in der Regel die Gefahr einer Wiederholung gegeben, weil die elementaren Verfahrensgrundsätze in jedem Verfahren zu beachten sind (vgl. Göhler, a.a.O., Rn. 8).“

Diesen Ausführungen tritt der Senat bei. Auf die weiterhin erhobenen Verfahrensrügen kam es hiernach nicht mehr an.

3. Die Rechtsbeschwerde hat auch in der Sache zumindest einstweilen Erfolg.

a) Soweit der Betroffene eine Verletzung von § 261 StPO rügt, weil das Amtsgericht seine Feststellungen nicht auf in der Hauptverhandlung gewonnene Beweismittel gestützt hat, ist die entsprechende Verfahrensrüge zulässig im Sinne von § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO ausgeführt. Die Rüge teilt auch mit, dass das fragliche Lichtbild auch in sonstiger Weise nicht in die Hauptverhandlung eingeführt wurde. Soweit ausweislich des Protokolls ein Lichtbild erörtert und als Anlage zu Protokoll zu den Akten genommen wurde, hat der Betroffene auch ausgeführt, dass es sich hierbei nicht um das vom Amtsgericht im Urteil erwähnte Lichtbild des Betroffenen handeln kann, weil dieses Foto ein Fahrzeug oder eine Person überhaupt nicht zeigt. Da das maßgebliche Messfoto nur durch Einnahme des Augenscheins, der zu den wesentlichen Förmlichkeiten der Hauptverhandlung zählt, eingeführt werden konnte, dies ausweislich des Protokolls indessen nicht erfolgt ist, ist die auf eine Verletzung von § 261 StPO gestützte Verfahrensrüge auch begründet. Nur ergänzend bemerkt der Senat, dass das vom Amtsgericht bemühte Lichtbild überdies nicht ordnungsgemäß in Bezug genommen wurde. Insoweit hat der Betroffene zutreffend darauf hingewiesen, dass das bloße Benennen einer Seitenzahl nicht ausreichend ist (vgl. etwa Meyer-Goßner, Strafprozessordnung, 52. Aufl., § 267 Rn. 8 m.w.N.). Das angefochtene Urteil konnte hiernach keinen Bestand haben.

b) Auf das Vorliegen eines vom Betroffenen geltend gemachten Beweisvewerrtungsverbots kam es für die vorliegende Entscheidung hiernach nicht an. Insofern bemerkt der Senat jedoch, dass – nicht nur – nach seiner Spruchpraxis ein Beweisverwertungsverbot nicht vorliegen dürfte. Insofern hat der Senat erst kürzlich (Beschluss vom 29. April 2010, Az.: 311 SsBs 25/10) ausgeführt:

„´Die angefochtene Entscheidung steht zur Frage eines Beweisverwertungsverbotes im Einklang mit der Rechtsprechung der hiesigen Bußgeldsenate (vgl. 1. Bußgeldsenat, Beschl. vom 10.2.2010 – 311 SsRs 15/10 . 2. Bußgeldsenat, Beschl. vom 7.4.2010 322 SsBs 94/10 . jew. m. w. N.). Auch die übrige obergerichtliche Rechtsprechung geht im Falle verdachtsabhängiger Bild bzw. Videoaufzeichnungen [ … ] von einer Verwertbarkeit der Lichtbilder bzw. Videoaufzeichnungen aus, wobei als Ermächtigungsgrundlage für die Aufzeichnungen § 100 h Abs. 1 Satz 1 Nr.1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG herangezogen wird (vgl. OLG Dresden, Beschl. vom 30.3.2010 – Ss Bs 152/10 , juris. OLG Koblenz, Beschl. vom 4.3.2010 – 1 SsBs 23/10 , juris. OLG Rostock, Beschl. vom 1.3.2010 – 2 Ss (Owi) 6/10 , juris. OLG Bamberg, Beschl. vom 25.2.2010 – 3 Ss OWi 206/10 , juris, und Beschl. vom 16.11.2009 3 Ss OWi 1215/09 , juris = NJW 2010, 100 f. = DAR 2010, 26 ff. = zfs 2010, 50 ff. = NZV 2010, 98 ff.. OLG Brandenburg, Beschl. vom 22.2.2010 – 1 Ss (OWi) 23 Z/10 , juris. OLG Stuttgart, Beschl. vom 29.1.2010 – 4 Ss 1525/09 , = DAR 2010, 148. OLG Jena, Beschl. vom 6.1.2010 – 1 Ss 291/09 – juris, = NJW 2010 1093 f.. OLG Schleswig, Beschl. vom 29.12.2009 – 2 Ss OWi 135/09, = zfs 2010, 172. OLG Hamm, Beschl. vom 22.10.2009 – 4 Ss OWi 800/09 , juris, Rn. 14). Der Senat sieht keinen Anlass, von dieser Rechtsprechung abzuweichen. Die in der Literatur gegen sie erhobenen Bedenken, die sich die Rechtsbeschwerde zu eigen macht, teilt der Senat nicht. Denn sie überspannen die verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine bereichsspezifische Ermächtigungsgrundlage. Es ist zudem unschädlich, dass die Bildaufzeichnung bei Überschreitung des Grenzwerts automatisch erfolgt, ohne dass ein Ermittlungsbeamter zuvor den Anfangsverdacht bejaht und die Aufzeichnung ausgelöst hat. Denn die Messung beruht ihrerseits auf der vorherigen Eingabe des Grenzwerts, die gleichsam eine „vor die Klammer gezogene“, auf einem menschlichen Willensakt beruhende bedingte Verdachtsbejahung darstellt (vgl. dazu ausführlich OLG Dresden a.a.O). Mit Überschreitung des Grenzwerts tritt die den Anfangsverdacht begründende Bedingung ein, ohne dass es weiterer Ermittlungshandlungen bedarf. Erst im Anschluss hieran – wenn auch innerhalb eines Bruchteils einer Sekunde – erfolgt die Bildaufzeichnung. Verdachtsentstehung und Bildaufzeichnung fallen also – entgegen der Rechtsbeschwerde – nicht zeitlich zusammen.´

4. Höchst vorsorglich bemerkt der Senat, dass ein Zuwarten mit der vorliegenden Entscheidung nach Maßgabe von § 349 Abs. 3 Satz 2 StPO nicht geboten war, da der Senat nicht über einen Antrag nach § 349 Abs. 2 StPO entschieden hat.

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