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Videoüberwachung des Nachbargrundstücks – Unterlassungsanspruch

AG Gemünden, Az.: 11 C 187/17, Urteil vom 28.07.2017

In dem Rechtsstreit wegen Unterlassung erlässt das Amtsgericht Gemünden a. Main aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 17.07.2017 folgendes Endurteil

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leisten.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 5.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Videoüberwachung des Nachbargrundstücks - Unterlassungsanspruch
Symbolfoto: martin33/Bigstock

Die Parteien wegen Unterlassungsansprüchen wegen des Betriebes zweier Überwachungskameras in … im Bezirk des Amtsgerichts Gemünden am Main.

Die Beklagten sind Eigentümer des Wohngrundstückes …-Straße 2, …. Hangabwärts, unterhalb an das Beklagtengrundstück anschließend, befindet sich das Wohngrundstück …-Straße 3, …, der Kläger. Die Beklagten betreiben an der genau dem Grundstück der Kläger zugewandten Hausseite (Längsseite) und an der Kurzseite ihres Hauses jeweils eine Überwachungskamera. Es handelt sich dabei nicht lediglich um Attrappen. Die Kameras sind vom Grundstück der Kläger aus sichtbar.

Die Kläger begehren mit der Klage die Beseitigung der Kameras bzw. eine Ausrichtung der Kameras dergestalt, dass die Überwachung ihres Grundstückes ausgeschlossen ist.

Die Kläger behaupten, sie würden durch die Kameras überwacht. Zumindest entstehe jedoch ein ”Überwachungsdruck“. Sie fühlten sich in ihrem Wohnzimmer und auf ihrer Terrasse überwacht. Dadurch werde in ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht eingegriffen. Die Beklagten täten dies nur, um die Kläger zu ärgern. Es bestünden seit einiger Zeit Zwistigkeiten.

Die Kläger sind der Auffassung, dass auch vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten zur Abwehr der Kameraüberwachung durch die Beklagten geschuldet seien.

Die Kläger beantragten zunächst mit Klageschrift vom 16.03.2017 die Beklagten zu verurteilen, die auf ihrem Grundstück installierten Videokameras zu entfernen. Hilfsweise seien die Beklagten zu verurteilen, die installierten Videokameras so aufzustellen, dass die Erfassung des Grundstücks der Kläger oder eines Teils davon ausgeschlossen ist. Zudem seien die Beklagten jeweils zu verurteilen, außergerichtliche Rechtsanwaltskosten der Kläger in Höhe einer 1,3 Gebühr nach Nr. 2300 W-RVG aus einem Gegenstandswert von 5000,00 EUR, zuzüglich der Post- und Telekommunikationspauschale nach Nr. 7002 VV-RVG und der Umsatzsteuer nach Nr. 7008 W-RVG jeweils in voller Höhe durch den Beklagten zu 2) und die Beklagte zu 1) jeweils an die Klägerin zu 1) und den Kläger zu 2) zu bezahlen, mithin viermal in voller Höhe von 492,54 EUR.

Mit Schriftsatz vom 19.05.2017 änderten die Kläger die Klageanträge und beantragten:

1. Die Beklagten haben es zu unterlassen, auf ihrem Grundstück …-… …, Überwachungskameras aufzustellen, die vom Grundstück… … aus sichtbar sind.

Hilfsweise

Die Beklagten haben es zu unterlassen, die auf ihrem Grundstück, … …, installierten Überwachungskameras so aufzustellen, dass eine Erfassung des Grundstückes …-… …, erfolgen kann.

2. Den Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen vorstehende Verpflichtung ein Ordnungsgeld bis zu einer Höhe von 250.000,00 EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, eine Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angedroht.

3. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, an die Kläger außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 600,71 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

4. Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, an die Kläger außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in 1-115 he von 600,71 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

In der Sitzung vom 03.07.2017 änderten die Kläger wiederum ihren Klageantrag dahingehend ab, dass sie zuletzt beantragten:

1. Die Beklagten haben es zu unterlassen, auf ihrem Grundstück… …, Überwachungskameras aufzustellen, die vom Grundstück… … aus sichtbar sind.

Hilfsweise

Die Beklagten haben es zu unterlassen, die auf ihrem Grundstück, … …, installierten Überwachungskameras so aufzustellen, dass eine Erfassung des Grundstückes …-… …, erfolgen kann.

2. Den Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen vorstehende Verpflichtung ein Ordnungsgeld bis zu einer Höhe von 250.000,00 EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, eine Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angedroht.

3. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Kläger außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 600,71 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Die Beklagten beantragen, die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Beklagten sind der Auffassung die Klage sei bereits unzulässig, weil ein obligatorisches Schlichtungsverfahren hätte durchgeführt werden müssen, was nicht erfolgt sei.

Zudem dürften sie die Kameras aufstellen. Die Beklagten würden nicht überwacht. Sie seien auch nicht leicht verstellbar.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einnahme eines Augenscheins im Ortstermin vom 17.07.2017.

Den Klägern wurde auf Antrag eine Schriftsatzfrist zum Ergebnis der Beweisaufnahme bis zum 24.07.2017 nachgelassen. Innerhalb der Frist ging bei Gericht am 24.07.2017 ein Schriftsatz ein, der ohne jegliche Begründung und ohne weitere Ausführungen den weiteren Hilfsantrag enthielt, wonach es den Beklagten zu untersagen sei, die installierten Videokameras in ihrer derzeitigen Ausrichtung zu verändern.

Der Schriftsatz wurde durch das Gericht dem Beklagtenvertreter vor Verkündung des Urteils nicht zugeleitet.

Hinsichtlich des Ergebnisses des Augenscheins, sowie des Sachvortrags der Parteien im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, sowie das Protokoll vom 17.07.2017 verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Klage ist sowohl bezüglich Haupt-und Hilfsantrags in der Fassung der Klageänderung vom 03.07.2017, zulässig, aber insgesamt unbegründet. Sie war daher kostenpflichtig abzuweisen.

1. .Die Klageänderungen vom 19.05.2017 und 03.07.2017 sind zulässig. Sie waren jedenfalls sachdienlich nach § 267 ZPO.

2. Der Hauptantrag war, ebenso wie der Hilfsantrag, in der Fassung der Klageänderung vom 03.07.2017 (die insoweit die Klageänderung vom 19.05.2017 aufrecht erhielt) zulässig.

Insbesondere musste kein obligatorisches Schlichtungsverfahren nach Art 1 Nr. 2 BaySchlichtG in Verbindung mit § 15a EGZPO durchgeführt werden. Wird ein solches Schlichtungsverfahren nicht durchgeführt, so ist eine Klage regelmäßig unzulässig, ohne dass dieser Mangel im laufenden Verfahren noch geheilt werden könnte.

Indes liegt kein Fall einer obligatorischen Schlichtung nach Art. 1 Nr. 2 BaySchlichtungsG vor. Danach ist ein obligatorischer Schlichtungsversuch vorzunehmen, wenn es um Streitigkeiten über Ansprüche wegen der Verletzung der persönlichen Ehre, die nicht in Presse oder Rundfunk begangen worden ist, geht. Vorliegend ist durch eine Aufzeichnung mittels einer Überwachungskamera potenziell das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Betroffenen in seiner Ausprägung als Recht der informationellen Selbstbestimmung betroffen (BGH MMR 2010, 502), mithin nicht die persönliche Ehre.

Somit war kein obligatorisches Schlichtungsverfahren durchzuführen.

b) Es kann für die Frage der Zulässigkeit (wie auch für die Frage der Begründetheit) grundsätzlich dahinstehen, ob der begehrte Ausspruch letztlich vollstreckbar wäre, was vorliegend sehr zweifelhaft ist, aber nicht geklärt zu werden braucht. Letztlich ist es Risiko des Klägers, dass er einen Titel erhält, der keinen vollstreckbaren Inhalt hat. Für die Bestimmtheit nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO und damit die Zulässigkeit des Antrags in Bezug auf einen quasi-negatorischen Unterlassungsanspruch genügt jedoch die Umschreibung der Störung, was hier gegen ist (Baldus, in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage 2017, § 1004 BGB, Rn. 305 f.).

3. Der Hauptantrag war jedoch insgesamt unbegründet.

a) Den Klägern steht gegen die Beklagten kein Anspruch auf Unterlassung des Aufstellens von Überwachungskameras, die vom Grundstück der Kläger aus sichtbar sind, aus § 1004 BGB in entsprechender Anwendung oder aus anderem Rechtsgrund zu.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht für das Gericht eindeutig und ohne jeden Zweifel gemäß § 186 ZPO fest, dass die Kläger durch die beiden aufgestellten Videokameras nicht in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht in der Ausprägung des Rechts am eigenen Bild oder in anderen Grundrechten oder zivilrechtlichen Schutzgütern verletzt sind.

Eine von allen Zweifeln freie Überzeugung setzt das Gesetz im Rahmen des § 286 ZPO dabei nicht voraus. Auf die eigene Überzeugung des entscheidenden Richters kommt es an, auch wenn andere zweifeln oder eine andere Auffassung erlangt haben würden. Diese Überzeugung des Richters erfordert keine – ohnehin nicht erreichbare (vgl. RGZ 15, 339; OLG München, NZV 2006, 261; Urt. v. 28.07.2006 – 10 U 1684/06 [Juris]; Urt. v. 11.06.2010 – 10 U 2282/10; Urt. v. 29.10.2010 – 10 U 2996/10) – absolute oder unumstößliche, gleichsam mathematische Gewissheit und auch keine „an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit“, sondern nur einen für das praktische Leben brauchbaren .Grad von Gewissheit, der Zweifeln Schweigen gebietet (grdl. BGHZ 53, 245 [256] = NJW 1970, 946, st. Rspr., insbesondere NJW 1992, 39 [40] und VersR 2007, 1429 [1431 unter II 2]).

aa) Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 16.3.2010 – VI ZR 176/09, grundsätzlich für die Zulässigkeit von privaten Videokameras festgestellt (BGH MMR 2010, 502, 503):

a) Der erkennende Senat hat bereits entschieden, dass die Herstellung von Bildnissen einer Person, insb. die Filmaufzeichnung mittels einer Videokamera, auch in der Öffentlichkeit zugänglichen Bereichen, etwa auf einem öffentlichen Weg, einen unzulässigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen darstellen kann, selbst wenn keine Verbreitungsabsicht besteht, wobei die Frage, ob ein derartiger rechtswidriger Eingriff anzunehmen ist, nur unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls und durch Vornahme einer die (verfassungs-) rechtlich geschützten Positionen der Beteiligten berücksichtigenden Güter- und Interessenabwägung beantwortet werden kann (Senat VersR 1995, 841 ff.). Eine Videoüberwachung greift in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Betroffenen in seiner Ausprägung als Recht der informationellen Selbstbestimmung ein; dieses Recht umfasst die Befugnis des Einzelnen, grds. selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden, und daher grds. selbst über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten zu bestimmen (vgl. BVerfGE 65, 1, 42 f.; 67, 100, 143; BVerfG NVwZ 2007, 688 ff.; NJW 2009, 3293 f. [= MMR 2009, 798]). Bei der Installation von Anlagen der Videoüberwachung auf einem Privatgrundstück muss deshalb sichergestellt sein, dass weder der angrenzende öffentliche Bereich noch benachbarte Privatgrundstücke oder der gemeinsame Zugang zu diesen (vgl. dazu Senat, a.a.O.; OLG Karlsruhe OLGR 1999, 83 f.; AG Nürtingen NJW-RR 2009, 377 f.) von den Kameras erfasst werden, sofern nicht ein das Persönlichkeitsrecht der Betroffenen überwiegendes Interesse des Betreibers der Anlage i.R.d. Abwägung bejaht werden kann.

b) Ein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht Dritter liegt vor, wenn diese durch die Überwachung tatsächlich betroffen sind. Kann dies festgestellt werden und ergibt die erforderliche Abwägung, dass das Interesse des Betreibers der Anlage das Persönlichkeitsrecht der Betroffenen nicht überwiegt, ist der Unterlassungsanspruch begründet.

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Ein Unterlassungsanspruch kann auch bestehen, wenn Dritte eine Überwachung durch Überwachungskameras objektiv ernsthaft befürchten müssen („Überwachungsdruck“, vgl. dazu etwa LG Bonn NJW-RR 2005, 1067 ff.; LG Darmstadt NZM 2000, 360; AG Winsen U. v. 30.12.2005 —16 C 1642/05). In der Rspr. wird allerdings ein Anspruch auf Unterlassung des Betriebs solcher Videokameras, die auf das Nachbargrundstück lediglich ausrichtbar sind, verneint, wenn der Nachbar die Anfertigung von Aufnahmen lediglich befürchtet und die Kameras nur mit erheblichem und äußerlich wahrnehmbarem Aufwand, also nicht etwa nur durch das Betätigen einer Steuerungsanlage, auf sein Grundstück gerichtet werden können (vgl. LG Bielefeld NJW-RR 2008, 327 f.; LG Itzehoe NJW-RR 1999, 1394 f.).

Nach Ansicht des erkennenden Senats kommt es insoweit auf die Umstände des Einzelfalls an. Die Befürchtung, durch vorhandene Überwachungsgeräte überwacht zu werden, ist dann gerechtfertigt, wenn sie auf Grund konkreter Umstände als nachvollziehbar und verständlich erscheint, etwa im Hinblick auf einen eskalierenden Nachbarstreit (vgl. OLG Köln NJW 2009, 1827) oder auf Grund objektiv Verdacht erregender Umstände. Liegen solche Umstände vor, kann das Persönlichkeitsrecht des (vermeintlich) Überwachten schon auf Grund der Verdachtssituation beeinträchtigt sein. Allein die hypothetische Möglichkeit einer Überwachung durch Videokameras und ähnliche Überwachungsgeräte beeinträchtigt hingegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht derjenigen, die dadurch betroffen sein könnten, nicht. Deshalb ist die Installation einer Überwachungsanlage auf einem privaten Grundstück nicht rechtswidrig, wenn objektiv feststeht, dass dadurch öffentliche und fremde private Flächen nicht erfasst werden, wenn eine solche Erfassung nur durch eine äußerlich wahrnehmbare technische Veränderung der Anlage möglich ist und wenn auch sonst Rechte Dritter nicht beeinträchtigt werden. Insoweit kommt etwa die Beeinträchtigung der Rechte von Mietern in einem privaten Miethaus (vgl. dazu etwa KG WuM 2008, 663; LG Darmstadt, a.a.O.; Horst, NZM 2000, 937, 940), von Betroffenen in einer Wohnungseigentumsanlage (vgl. KG NZM 2002, 702 f.; OLG Karlsruhe NZM 2002, 703 f.; Huff, NZM 2002, 89 ff., 688 f.), aber auch von Grundstücksnachbarn in Betracht.

bb) Vorliegend hat die Inaugenscheinnahme beim Ortstermin durch das Gericht im Hinblick auf die Kameras und den erfassten Bildbereich ergeben, dass das klägerische Grundstück nicht überwacht wird. Auch ist aus Sicht des Gerichts lediglich im Hinblick der auf die oben am Hang installierte Kamera aus objektiver Sicht von außen ein Verdacht der Überwachung des klägerischen Grundstücks. Für die an der Längsseite unten angebrachte Kamera hält das Gericht eine solche Überwachung für ausgeschlossen. insgesamt ist eine Überwachung aber insgesamt auch nicht gegeben, wie die Inaugenscheinnahme der von den Kameras produzierten Bilder ergeben hat.

Auch können die Kameras nur unter Verwendung eines Imbusschlüssels, also im mechanischem Wege von außen am Gebäude bzw. durch Herauslehnen aus einem Fenster verstellt werden. Eine elektronische Steuerung besteht nicht. Die Kameras sind nicht zoombar.

Damit sind die Kriterien des BGH nicht erfüllt. Vorliegend wehren sich die Kläger tatsächlich angesichts des Beweisergebnisses gegen eine hypothetische Überwachung, was nach den genannten BGH-Kriterien grds. nicht schutzwürdig ist.

cc) Auch ist das Urteil des BGH nicht so zu verstehen, dass im Falle eines Nachbarschaftsstreites eine Überwachung ausgeschlossen wäre. Insoweit hat das hier erkennende Gericht die oben bereits zitierte Passage noch einmal hervorgehoben:

„Die Befürchtung, durch vorhandene Überwachungsgeräte überwacht zu werden, ist dann gerechtfertigt, wenn sie auf Grund konkreter Umstände als nachvollziehbar und verständlich erscheint, etwa im Hinblick auf einen eskalierenden Nachbarstreit (vgl. OLG Köln WW 2009, 1827) oder auf Grund objektiv Verdacht erregender Umstände. Liegen solche Umstände vor, kann das Persönlichkeitsrecht des (vermeintlich) Überwachten schon auf Grund der Verdachtssituation beeinträchtigt sein. Allein die hypothetische Möglichkeit einer Überwachung durch Videokameras und ähnliche Überwachungsgeräte beeinträchtigt hingegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht derjenigen. die dadurch betroffen sein könnten, nicht. Deshalb ist die Installation einer Überwachungsanlege auf einem privaten Grundstück nicht rechtswidrig, wenn objektiv feststeht. dass dadurch öffentliche und fremde private Flächen nicht erfasst werden, wenn eine solche Erfassung nur durch eine äußerlich wahrnehmbare. technische Veränderung der Anlage möglich ist und wenn auch sonst Rechte Dritter nicht beeinträchtigt werden.“

dd) Vorliegend mag es sein, dass die unterschiedlichen Ansichten der Beteiligten und Uneinigkeiten wegen Baum– und Heckenschnitt bereits die Ausmaße eines Nachbarschaftsstreits angenommen haben. Indes ist durch die Kamerasituation, insbesondere den nachgewiesenen Bildausschnitt belegt, dass eine Überwachung nicht stattfindet.

Würde man ein Aufstellen von Kameras, die eine Überwachung des Nachbargrundstückes tatsächlich nicht zulassen, aber vom Nachbargrundstück aus gesehen werden, in der Konstellation eines Nachbarschaftsstreits überhaupt nicht mehr zulassen, würde ungerechtfertigt bzw. unverhältnismäßig in das Eigentumsrecht des Grundstückeigentümers, insbesondere das Recht, das eigene Eigentum zu schützen, eingegriffen. Es muss jedem Nachbarn auch im Falle eines Streites möglich sein, sein Eigentum weiter zu schützen. Der Schutz des Eigentums (sowie anderer durch die Kamera geschützter Rechtsgüter) richtet sich insoweit gegen jeden potenziellen Störer; dieser kann unter Umständen auch ein auf das überwachte Grundstück eindringende Nachbarn sein.

Soweit die Überwachung daher – wie hier – nur das geschützte Grundstück erfasst und eine Veränderung der Kameraeinstellung nicht ohne weiteres möglich ist, sieht das erkennende Gericht im vorliegenden Fall keinen Ansatzpunkt für den geltend gemachten Unterlassungsanspruch.

Im Übrigen ist festzustellen, dass die Beklagten keinesfalls nur die Seiten ihres Grundstücks, die Berührung mit dem klägerischen Grundstück haben, überwachen, sondern auch den Bereich vor dem Eingang des Beklagtenwohnhauses, der von dem klägerischen Grundstück abgewandt, weil vom Beklagtenwohnhaus aus Sicht der Kläger verdeckt ist.

Daher ist in der Abwägung zu bemerken, dass die Kläger die Überwachungsmaßnahmen aus Sicht eines objektiven Nachbarn nicht in erster Linie gegen sich im Rahmen eines Nachbarschaftsstreits eingesetzt ansehen können.

Das Gericht konnte sich auch davon überzeugen, dass beide Anwesen im Hinblick auf Größe und Lage sicherlich mögliche Ziele von Einbrechern sein können, sodass der Wunsch der Beklagten zur Überwachung ihres eigenen Grundstücks nachvollziehbar und evtl. sinnvoll ist.

ee) Das Argument der Kläger, die Kameras seien ja sichtbar, überzeugt, das Gericht nicht.

Insoweit haben die Beklagten durch das sichtbare Anbringen die Beklagten erst auf den Plan gerufen, was ihnen zusteht, die Kameras gerichtlich überprüfen zu fassen. Insgesamt ist eine sichtbare Aufstellung weniger grundrechtsintensiv, als ein verstecktes Anbringen.

ff) Soweit der Kläger mit dem Hauptantrag noch die Abwehr anderer, noch nicht aufgestellter. Kameras begehren sollte, ist der Antrag mangels bewiesener Wiederholungsgefahr unbegründet. Denn die Beklagten erfassen mit den Kameras die wesentlichen Flächen an der Grundstücksgrenze zu den Klägern. Objektiv ist das Aufstellen neuer Kameras nicht zu erwarten. Es deutet auch sonst nichts darauf hin.

b) Mangels begründeten Hauptantrags war auch der auf den Hauptantrag bezogene Anspruch auf vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten unbegründet, da dieser einen gegebenen Unterlassungsanspruch grds. voraussetzen würde, weil er die zur Geltendmachung eines solchen Hauptanspruchs angefallenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten umfasst. Es kann für das Gericht dahinstehen, worin die materielle Anspruchsgrundlage für einen Anspruch auf vorgerichtliche R6chtsanwaltsgebühren in diesem Fall liegt; aus § 1004 BGB analog folgt er jedenfalls nicht. Jedenfalls setzt ein solcher Anspruch auf Rechtsanwaltskosten logisch einen bestehenden Unterlassungsanspruch voraus, der hier nicht gegeben ist.

Es kann vorliegend dahinstehen, dass die Kläger vorgerichtlich und bis zum Haupttermin vom 03.07.2017 offensichtlich überzogene und grob falsch berechnete vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in mehrfacher Höhe geltend gemacht haben. Diese Anträge wurden fallen gelassen.

Der Antrag Ziffer II der Klageänderung vom 19.05.2017 ist ein unselbständiger Vollstreckungsantrag (Androhung nach § 890 Abs. 2 ZPO). Daher ist er vom Erfolg des Hauptausspruches abhängig. Da hier ein Anspruch nicht gegeben ist, war über den Vollstreckungsantrag nicht zu befinden.

3. Der Hilfsantrag aus dem Schriftsatz vom 19.05.2017 ist zulässig, siehe oben Ziffer 1.1., aber unbegründet.

Mit dem Hilfsantrag begehren die Kläger die Verpflichtung der Beklagten zur Unterlassung, die Kameras so aufzustellen, dass eine Erfassung des Grundstücks der Kläger erfolgen kann.

Insoweit kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden. Die Kameras sind so aufgestellt, dass sie das klägerische Grundstück tatsächlich nicht überwachen.

Nach der Rechtsprechung des BGH genügt die hypothetische Möglichkeit einer Überwachung nicht. Vorliegend ist aber eben nur hypothetisch eine Möglichkeit der Überwachung bei Vornahme weiterer Handlungen gegeben (Verstellen der Kameras).

Damit ist auch dieser Anspruch unbegründet.

Auch hinsichtlich des Hilfsantrags haben die Kläger keinen Anspruch auf vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten.

Über den Antrag auf Androhung von Ordnungsmaßnahmen musste ebenfalls nicht entschieden werden.

II.

Der durch die Kläger während der nachgelassenen Schriftsatzfrist eingereichte weitere Hilfsantrag war nicht zu behandeln. Er ist verspätet.

1. Bei einem „nachgeschobenen“ Antrag handelt es sich zwar nicht um eine Angriffs- oder Verteidigungsmittel, welches nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung ohne weiteres nach § 296a ZPO präkludiert wäre.

Es handelt sich vielmehr um einen im ‚Wege einer Eventualklagehäufung beabsichtigten weiteren Angriff selbst, der von § 296a ZPO nicht erfasst ist (Huber in: Musielak/Voit, ZPO, 14. Auflage 2017, § 296a, Rn. 2)

2. Allerdings ist auch dieser Angriff zu spät eingereicht worden.

Denn es ergibt sich aus §§ 256 Abs. 2, 261 Abs. 2, 297 ZPO, dass Anträge spätestens in der mündlichen Verhandlung zu stellen sind. Außerdem obliegt den Parteien eine Prozessförderungspflicht (§ 282 Abs. 2 ZPO). Daraus wird insgesamt gefolgert, dass auch die Anträge, d. h. insbesondere Klageerweiterungen oder eine Widerklage, bis zu dem Schluss der mündlichen Verhandlung zu stellen sind (Fischer, NJW 1994, 1315, 1316; BGH, NJW-RR 1992, 1085 = NJW 1992, 2894 L; BGH, NJW 1966, 1658 m. w.-Nachw. für die Klageerweiterung).

Das Gericht hatte vorliegend‘ lediglich zu prüfen, ob eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nach § 156 ZPO oder § 283 S. 2 ZPO notwendig oder angebracht war.

Dies ist vorliegend nach § 156 ZPO nicht der Fall. Ein zwingender Wiereintrittsgrund war nach § 156 ZPO nicht gegeben. Auch sieht das Gericht keine Veranlassung, im Rahmen einer Ermessensentscheidung einen Wiedereintritt in die mündliche Verhandlung anzuordnen. Denn die Sache war bereits entscheidungsreif. Die Kläger haben insbesondere auch keinen neuen Sachvortrag erbracht.

Auch aus § 283 S. 2 ZPO ergibt sich nichts anderes. Gemäß dem Wortlaut des § 283 S. 2 Alt. 1 ZPO ist ein rechtzeitig eingegangener Schriftsatz zu berücksichtigen. Jedoch hat der Begünstigte nur ein Recht zur Replik, also zur Erwiderung auf einen vorher neu eingereichten Schriftsatz; neuer, darüber hinausgehender Vortrag braucht nicht berücksichtigt zu werden, das gleiche gilt für geänderte oder erstmals gestellte neue Anträge (Fischer, NJW 1994, 1315, 1319; BGH, NJW 1966, 1658 für eine neue Klageforderung).

Hier war die Schriftsatzfrist allein zur Stellungnahme zur Beweisaufnahme gewährt worden. Der Schriftsatz enthält indes nur den Antrag und kein Wort zur Würdigung der Beweisaufnahme. In solchen Fällen muss nicht wieder in die mündliche Verhandlung eingetreten werden (So schon ausdrücklich BGH NJW 1966, 1657, 1658).

Da die Klageerweiterung vorliegend der Beklagtenpartei durch das Gericht vor der Verkündung des Urteils nicht zugestellt wurde, ist sie nicht rechtshängig geworden (BGH NJW-RR 1997, 1486). Daher durfte das Gericht weder die Zulässigkeit des Antrags noch seine Begründetheit beurteilen.

Insgesamt gab der genannte Eventualantrag keinen Anlass, wieder in die mündliche Verhandlung einzutreten (vgl. Fischer NJW 1994, 1315, 1320 f.).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 100 Abs. 1 ZPO. Die Kläger tragen als unterliegende Parteien die Kosten des Rechtsstreits.

IV. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht für die Beklagten auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

V. Der Streitwert wurde nach §§ 3 ff. ZPO, 39 ff. GKG festgesetzt.

Zwar wären gemäß § 41 Abs. 1 S. 2 GKG der Wert von Haupt- und Hilfsantrag zusammenzurechnen. Das Gericht ist aber der Auffassung, dass die hier verbeschiedenen Anträge denselben Gegenstand betreffen, sodass nur der Wert des höheren Anspruchs ausschlaggebend ist § 41 Abs. 1 S. 2 GKG.

Wertend betrachtet hat das Begehren den Wert von 5000,00 EUR, wie von den Klägern veranschlagt. Damit besteht insgesamt ein Streitwert von 5.000,00 EUR.

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