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Vollstreckungsbescheid – Verzicht auf Einspruch ist unwiderruflich

Streit um Unbezahlte Mieten und Nebenkosten im Gewerbemietverhältnis

In einem komplexen Rechtsstreit, der die Verpflichtungen im Rahmen eines Gewerbemietvertrages in Frage stellt, hat das Oberlandesgericht Karlsruhe in seiner Entscheidung eine klare Botschaft gesendet. Die Streitigkeit betraf unbezahlte Mieten und Nebenkosten in einem Vertrag für Gewerberäume. Dabei stand die Frage im Raum, ob ein einmal zurückgenommener Einspruch gegen einen Vollstreckungsbescheid wieder eingeführt werden kann oder nicht. Diese Frage ist nicht nur für Juristen von Interesse, sondern betrifft jeden, der jemals einen Mietvertrag abgeschlossen hat.

Direkt zum Urteil Az: 13 U 83/22 springen.

Ein Mieter in der Bredouille

Im Zentrum des Falles stand ein Beklagter, der einen Antrag auf Prozesskostenhilfe stellte. Dieser wurde vom Oberlandesgericht Karlsruhe abgelehnt. Es ging dabei um die Berufung gegen ein Urteil des Landgerichts Konstanz wegen Forderungen des Klägers auf Miete und Nachzahlung von Nebenkosten aus einem bestehenden Gewerbemietverhältnis.

Hintergrund des Streits

Die Konfliktparteien hatten ursprünglich einen Vertrag für Gewerberäume zum Betrieb eines Imbiss eingegangen. Jedoch hat der Beklagte im Zeitraum Oktober 2020 bis Februar 2021 Miete und Nebenkostenpauschale im Wert von insgesamt 5.028,50 Euro nicht bezahlt. Diesen Betrag, sowie einen weiteren Betrag aus Nebenkostenabrechnungen für die Jahre 2017 – 2019, hat der Kläger eingeklagt.

Die Wende im Prozess

Erstaunlicherweise hat das Landgericht zunächst aufgrund einer Säumnis des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung die Klage abgewiesen. Allerdings hat der Kläger Einspruch gegen das Versäumnisurteil eingelegt und das Gericht hat daraufhin den Beklagten zur Zahlung der rückständigen Miete und Nebenkostenpauschale verurteilt.

Berufung des Beklagten

Trotz dieser Wendung hat der Beklagte Berufung gegen das Urteil eingelegt. Hierbei bestritt er insbesondere, dass eine wirksame Vereinbarung zwischen den Parteien bestand, wonach er den Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid zurücknehme. Diese fehlende Vereinbarung stellt den Kern des Streits dar und macht den Fall zu einer bemerkenswerten juristischen Auseinandersetzung.


Das vorliegende Urteil

OLG Karlsruhe – Az.: 13 U 83/22 – Beschluss vom 10.01.2023

In dem Rechtsstreit wegen Mietvertrag hat das Oberlandesgericht Karlsruhe – 13. Zivilsenat – am 10.01.2023 beschlossen:

Der Antrag des Beklagten vom 21.04.2022 auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe

Der Beklagte beantragt die Gewährung von Prozesskostenhilfe für seine Berufung gegen ein Urteil des Landgerichts Konstanz.

Die Parteien streiten um Ansprüche des Klägers auf Miete und Nachzahlung von Nebenkosten aus einem Gewerbemietverhältnis.

Der Kläger hat an den Beklagten mit Vertrag vom 18.10.2017 Gewerberäume in ### zum Betrieb eines Imbisses vermietet. Die Parteien haben einen monatlichen Mietzins von 1.368,50 Euro und hinsichtlich der Nebenkosten eine monatliche Nebenkostenpauschale von 595,00 Euro vereinbart. Hinsichtlich der Einzelheiten des Mietvertrages wird auf diesen (Anlage K1) verwiesen.

Der Beklagte hat auf die Miete und die Nebenkostenpauschale im Zeitraum Oktober 2020 Februar 2021 insgesamt 5.028,50 Euro nicht bezahlt. Diesen Betrag und den einen weiteren Betrag von 1.896,46 Euro aus Nebenkostenabrechnungen für die Jahre 2017 – 2019 hat der Kläger mit der Klage gegenüber dem Beklagten geltend gemacht.

Aufgrund einer Säumnis des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 13.10.2021 hat das Landgericht zunächst die Klage durch Versäumnisurteil vom 03.11.2021 den Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Stuttgart vom 08.03.2021 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Nach Einspruch des Klägers gegen das Versäumnisurteil hat das Landgericht mit Urteil vom 30.03.2022 den Beklagten zur Zahlung der rückständigen Miete und Nebenkostenpauschale in Höhe von 5.028,50 Euro, nebst Zinsen und Mahnkosten verurteilt. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Auf die Feststellungen des Landgerichts im Urteil vom 30.03.2022 wird Bezug genommen.

Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung mit der er den erstinstanzlichen Klageabweisungsantrag in vollem Umfang weiterverfolgt.

Der Beklagte führt aus:

Zwar habe das Landgericht zutreffend festgestellt, dass zwischen den Parteien nicht wirksam vereinbart worden sei, dass der Beklagten den Einspruch gegen den streitgegenständlichen Vollstreckungsbescheid zurücknehme, das Gericht sei aber fehlerhaft davon ausgegangen, dass dem Kläger ein Anspruch wegen rückständiger Mieten und Nebenkostenpauschalen zustünde.

Entgegen den Feststellungen des Landgerichts habe der Kläger gegenüber dem Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung von 5.028,50 Euro. Es sie zwar richtig, dass in der Vergangenheit diese Zahlungsrückstände aufgelaufen seien, diese seien jedoch durch die eine Vereinbarung der Parteien und durch Erfüllung dieser Vereinbarung seitens des Klägers erledigt worden.

Unter Vermittlung des Zeugen ### haben die Parteien vereinbart, dass gegen Zahlung eines Betrages von 11.500 Euro sämtliche Ansprüche erledigt seien und zwischen dem Kläger und dem Zeugen ### ein neues Mietverhältnis über die streitgegenständliche Gewerbeimmobilie geschlossen werde. Der Kläger habe mit dem Zeugen ### auch einen entsprechenden Mietvertrag abgeschlossen.

Soweit der Kläger eine solche Vereinbarung und die Zahlung der 11.500 Euro durch den Kläger bestreite, sie dies durch die Bekundungen der Zeugen ### und ### vor dem Landgericht widerlegt. Der Zeuge ### habe die Zahlungen der 11.500 Euro bekundet und angegeben, dass der Beklagte nach Zahlung dieses Betrages den Imbiss an ihn weitergeben habe dürfen. Der Zeuge habe auch den weiteren Ablauf geschildert, insbesondere die Unterzeichnung des neuen Mietvertrages mit ihm. Zwischen den Parteien habe somit Einigkeit bestanden, dass damit sämtliche Angelegenheiten erledigt seien. Auch der Zeuge ### habe bestätigt, dass es zu einer solchen Einigung gekommen sei und der Beklagte 11.500 Euro an den Kläger bezahlt habe. Der Kläger habe hierbei zugesagt, dass er die Quittung später erteilen werde.

Unter Berücksichtigung der Kaution von 2.000 Euro erscheine es nachvollziehbar, dass der vom Beklagten bezahlte Betrag ausreichend gewesen sei, um sowohl etwaige Rückstände zurückzuführen als auch die vorzeitige Beendigung des Mietvertrages zu bewirken.

Es sei daher nicht nachvollziehbar, wie das Landgericht zu der Feststellung gekommen sei, dass der Beklagten eine entsprechende Einigung nicht nachgewiesen habe. Diese Feststellung stünde im Widerspruch zu den Bekundungen der Zeugen ### und ###. Selbst wenn Voraussetzung für die umfassende Einigung die Verpflichtung des Beklagten zur Rücknahme des Einspruchs gegen den Vollstreckungsbescheid gewesen wäre – wie nicht-, sei die Sache durch die tatsächliche spätere Einigung dennoch insgesamt erledigt worden und die Forderung des Klägers erloschen. Alles andere wäre widersprüchlich. Es habe für den Kläger kein Grund bestanden, eine weitere, streitige Forderung titulierten zu lassen. Ziel der Vereinbarung sei es ja gerade gewesen, dass keine Ansprüche gegen den Beklagten mehr bestünden. Der Kläger bleibe bis heute eine Erklärung schuldig, weshalb der Beklagten sich verpflichten sollte, den Einspruch zurückzunehmen und die streitige Forderung gegen ihn titulieren zu lassen.

Das Landgericht habe zudem verkannt, dass es später tatsächlich zu einer Einigung zwischen den Parteien gekommen sei. Der Beklagten habe die 11.500 Euro an den Kläger bezahlt und der Kläger habe das Bargeld freudig entgegengenommen. Anschließend habe er mit dem Zeugen ### den Mietvertrag über den Imbiss unterzeichnet.

Selbst wenn man davon ausgehe, dass es keine entsprechende Vereinbarung zwischen den Parteien gebeten, stünden dem Beklagten aufrechenbare Gegenansprüche zu. Es werde daher hilfsweise zunächst mit dem Anspruch auf Rückzahlung der Kaution in Höhe von 2.000 Euro aufgerechnet. Dieser Rückzahlungsanspruch sei auch fällig, da das Mietverhältnis zwischen den Parteien beendet sei. Der Kläger habe den Imbiss an den Zeugen ### weitervermietet. Zwischenzeitlich sei der Imbiss an eine weitere Person vermietet bzw. verpachtet. Es sei nicht nachvollziehbar, wie unter diesen Umständen noch ein Mietverhältnis mit dem Kläger fortbestehen könne. Auch seien die Aufstellungen des Klägers über behauptete Gegenansprüche nicht nachvollziehbar. Die aufgeführte Miete sei nicht geschuldet, da der Kläger den Imbiss anderweitig vermietet habe. Aus diesem Grunde könnten auch die behaupteten Schäden nicht bestehen, da eine Weitervermietung sonst nicht möglich sei. Der Vortrag zu den behaupteten Schäden sei völlig unsubstantiiert und werde bestritten. Nebenkosten würden aus den bekannten Gründen nicht geschuldet, da die Parteien eine Pauschale vereinbart hätten. Weitere Nebenkostenabrechnungen würden auch nicht vorliegen. Darüber hinaus bleibe eine Aufrechnung mit dem übergebenen Geldbetrag in Höhe von 11.500 Euro vorbehalten.

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Der Beklagte beantragt:

1. Das Urteil des Landgerichts Konstanz vom 30.03.2022 – B 6 O 66/21 – wird aufgehoben. Der Einspruch des Klägers gegen das Versäumnisurteil vom 13.11.2021 wird verworfen und die Klage insgesamt abgewiesen.

Die Kläger beantragt:

1. Die Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen.

2. Unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Konstanz vom 30.03.2022 und Aufhebung des Versäumnisurteils vom 03.11.2021 wird der Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Stuttgart vom 08.03.2021, Geschäftsnummer 218879657-0-1 aufrechterhalten.

Der Kläger trägt vor:

Das Landgericht habe den Beklagten zu Recht zur Zahlung von 5.028,50 verurteilt. Zutreffend habe das Landgericht festgestellt, dass keine durchgreifenden Einwendungen gegen diesen Zahlungsanspruch erhoben worden seien. Die Berufungsbegründung erschöpfe sich im wesentlichen in der Wiederholung des erstinstanzlichen Vortrags, ohne dass der Beklagten eine falsche Tatsachenfeststellung oder Rechtsfehler substantiiert aufzeige.

Der Beklagte habe keine Barzahlung in Höhe von 11.500 Euro geleistet. Der diesbezügliche Vortrag sei schlicht falsch. Eine Quittung könne der Beklagte nicht vorlegen, obwohl er in dem Mietverhältnis stets per Überweisung oder nur gegen sofortige Quittung bezahlt habe. Weiterhin sei es für gewerbetreibende lebensfremd, einen derartigen Geldbetrag bar zu zahlen, ohne eine Quittung zu erhalten. Es habe auch keine Abrede bestanden, wonach mit der Zahlung eines Betrags von 11.500 eine umfassende Abgeltungsklausel vereinbart sei. Der Kläger habe auch nicht zugesagt, „später einer Quittung zu erteilen.

Diesbezüglich werde auch auf die im Mietvertrag enthaltenen Schriftformklausel (§13) hingewiesen, die schon in formaler Hinsicht dem Vortrag des Beklagten entgegenstehe.

Sowohl die Parteianhörung des Beklagten auch die Aussagen der einvernommen Zeugen seien widersprüchlich gewesen. Zunächst habe der Beklagte behauptet, der Kläger habe von ihm 10.000 bis 13.000 gefordert, danach 15.000 E. Auch sei im Rahmen der Bekundungen unklar geblieben, auf welche Forderung der Beklagte was habe bezahlen wollen.

Auf all das komme es aber bereits deswegen nicht an, weil der Beklagte – entgegen der Auffassung des Landgerichts – sich verpflichtet habe, den Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid zurückzunehmen.

Dies ergebe sich aus dem als Anlage K8/K9 vorgelegten Schriftstück. Soweit nunmehr behauptet werde, dass sich der Beklagte in einem Irrtum befunden habe, sie diese nicht relevant, da dies in seinen Verantwortungsbereich falle. Der Zeuge Olim habe bestätigt, dass dieses Schriftstück von den Parteien unterzeichnet werden sollte und dies sei auch sodann geschehen. Mit der Unterzeichnung dieses Schriftstückes habe sich der Beklagte verpflichtet, seinen Rechtsanwalt anzuweisen, den Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid zurückzunehmen. Dabei handele es sich um einen Einspruchsverzicht des Beklagten, den der Kläger angenommen habe.

Diese Verzichtserklärung führe zur Unzulässigkeit und damit zur Verwerfung des Einspruchs. Diese Einrede habe der Kläger bereits erstinstanzlich erhoben.

Das Landgericht habe fehlerhaft einen Zusammenhang zwischen den Verzicht und der vom Beklagten behaupteten tatsächlichen Einigung auf Abgeltung aller Forderungen aus dem Mietverhältnis hergestellt.

Eine Wechselbeziehung gebe es auch unter Berücksichtigung der Aussagen der Zeugen ### und ### nicht. Der Beklagte habe hinsichtlich des Verzichts auf den Einspruch lediglich eine Aussage des Zeugen Allem wiedergegeben. Der Zeuge eigine habe mit der Äußerung, dass er die Verzichtserklärung so verstanden habe, dass damit alle Schulden bezahlt und alle gerichtlichen Sachen erledigt seien. Diese reine Interpretation und Mutmaßung habe keinen Beweiswert. Tatsächlich beinhalte das von den Parteien unterzeichnete Schriftstück vom 04.05.2021 gerade keine weitergehende Einigung der Parteien.

Die Aufrechnung mit der Kaution gehe fehl. Ein Anspruch auf Rückzahlung einer geleisteten Kaution sei erst nach Beendigung des Mietverhältnisses und mit Ablauf einer dem Vermieter zuzubilligenden Überlegungs- und Abrechnungsfrist fällig. Das Mietverhältnis zwischen den Parteien sie aber noch nicht beendet. Im Übrigen würden Gegenansprüche des Klägers in einer die Kaution übersteigenden Höhe bestehen. Daher stehe dem Kläger unabhängig von der Nichtbeendigung des Mietverhältnisses und mangelnder Fälligkeit des Rückzahlungsanspruches auch ein Zurückbehaltungsrecht zu. Soweit im Übrigen erstmals im Berufungsverfahren eine Aufrechnung erklärt werde, werde dies als unzulässig gerügt.

Bei der Aufrechnung handele es sich um ein neues Verteidigungsmittel, das in der Berufung nicht zuzulassen sei.

Der Beklagte verfolge mit seiner Anschlussberufung die erstinstanzlich geltend gemachten Ansprüche auf Nachzahlung von Nebenkosten in Höhe von 1.896,46 Euro weiter. Der Beklagte habe hinsichtlich des Einspruchs gegen den Vollstreckungsbescheid einen Verzicht erklärt. Es könne nicht nachvollzogen werden, wie das Landgericht zum Ergebnis komme, dass der Kläger die Rücknahme des Einspruches gegen den Vollstreckungsbescheid nicht nachgewiesen habe.

Auch in der Sache stehe dem Kläger ein Anspruch in Höhe von insgesamt 1.896,46 Euro aus den Nebenkostenabrechnungen 2017, 2018 und 2019 zu. Die Kosten seien umlagefähig und formell ordnungsgemäß abgerechnet worden. Innerhalb der Jahresfrist habe der Beklagte keine Einwendungen erhoben. Der Beklagte habe alle Nebenkostenabrechnungen am 12.11.2020 erhalten. Erstmals mit Schriftsatz vom 08.03.2022 seien Einwendungen erhoben worden.

II.

Die beabsichtigte Rechtsverteidigung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, § 114 ZPO. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist daher abzulehnen.

Die Berufung des Beklagten ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Das Landgericht hat den Beklagten zu Recht zur Zahlung von rückständiger Miete und Nebenkostenpauschalen an den Kläger in Höhe von 5.028,50 Euro an den Kläger verurteilt. Dem Kläger steht gegenüber dem Beklagten ein Zahlungsanspruch in dieser Höhe gemäß § 535 Abs. 2 BGB zu.

1) Eine Zahlungsanspruch des Klägers gegen den Beklagten ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass der Beklagte auf den Einspruch gegen den verfahrensgegenständlichen Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Stuttgart verzichtet hat.

Gem. §§ 346, 700 Abs. 1 ZPO kann auf einen Einspruch gegen einen Vollstreckungsbescheid verzichtet werden. Ein solcher Verzicht kann auch durch die Partei gegenüber dem Gegner erklärt werden. Er ist dann auf die Einrede des Gegners hin zu beachten (BeckOK ZPO/Toussaint, 47. Ed. 1.12.2022, ZPO § 346 Rn. 3; Zöller, Herget, ZPO, 34, Auflage 2022, § 346 Rn. 1). Ein Verzicht auf den Einspruch ist unabhängig von der Wortwahl anzunehmen, wenn in der Erklärung klar und eindeutig der Wille zum Ausdruck gebracht wird, den Vollstreckungsbescheid endgültig hinzunehmen und in nicht anfechten zu wollen (BeckOK ZPO/Toussaint, 47. Ed. 1.12.2022, ZPO § 346 Rn. 3). Die Erklärung des Beklagten vom 04.05.2021 ist dahingehend zu verstehen. In dieser Erklärung hat der Beklagte die Rücknahme des Einspruchs gegen den Vollstreckungsbescheid erklärt und darüber hinaus sogar mitgeteilt, dass er seinen Anwalt anweisen wird, den Einspruch beim Landgericht zurückzunehmen. Darüber hinaus hat er erklärt, dass er die Kosten des Verfahrens übernehme. Diese Erklärung bringt in eindeutiger Weise zum Ausdruck, dass der Beklagten den Vollstreckungsbescheid hinnehmen und nicht mehr anfechten wollte.

Hierbei ist es unerheblich, dass der Beklagtenvertreter bereits zuvor Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid eingelegt hat (vgl. zu einem ähnlich gelagerten Fall beim Verzicht auf die Berufung BGH NJW 2002, 2109, 2109).

Als bestimmende Prozesshandlung ist der Verzicht unwiderruflich und nicht wegen Willensmängel anfechtbar (MüKoZPO/Prütting, 6. Aufl. 2020, ZPO § 346 Rn. 2). Der Einwand des Beklagten, dass er nicht gewusst habe, was er unterschreibe und sich jedenfalls in einem Irrtum befunden habe, ist daher nicht beachtlich.

2) Selbst wenn man davon ausginge, dass die Erklärung des Beklagten vom 04.05.2021 keinen wirksamen Verzicht auf den Einspruch gegen den verfahrensgegenständlichen Vollstreckungsbescheid enthalten würde (sondern – was fernliegend ist – nur ein Einspruchrücknahmeversprechen, das nicht erfüllt wurde), wäre die Berufung des Beklagten unbegründet.

Insoweit kann auf die zutreffende Begründung des Landgerichts im Urteil (UG 6) verwiesen werden, der das Gericht nach eigener Prüfung folgt. Der Beklagte hat – unter dieser hypothetischen Betrachtung – nicht nachgewiesen, dass die Parteien eine außergerichtliche Einigung mit dem Kläger dergestalt getroffen haben, dass gegen Zahlung eines Betrages in Höhe von 11.500 Eurosämtliche Ansprüche aus dem Mietverhältnis erledigt und abgegolten sind. Das Landgericht hat hierzu zutreffend festgestellt, dass sich sowohl aus der Anhörung des Beklagten, als auch aus den Bekundungen der Zeugen ### und ### ergibt, dass der Beklagte mit einer endgültigen Abgeltung sämtlicher Ansprüche letztlich nur unter der Bedingung einverstanden war, dass der Beklagten den Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid zurücknimmt. Was nicht erfolgte und womit der Beklagte letztlich auch nicht einverstanden war. Dies ergibt sich auch aus seinem prozessualen Verhalten. Zutreffend hat das Landgericht daher festgestellt, dass eine außergerichtliche Einigung damit mangels übereinstimmender Erklärung nicht zustande gekommen ist bzw. die aufschiebende Bedingung gern. § 128 Abs. 1 BGB nicht eingetreten ist.

Gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ist das Berufungsgericht an die vom erstinstanzlichen Gericht festgestellten Tatsachen gebunden, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und erneute Feststellungen durch das Berufungsgericht gebieten. Zweifel im Sinne dieser Vorschrift liegen nur dann vor, wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte aus der Sicht des Berufungsgerichts eine gewisse, nicht notwendig überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass im Falle erneuter Tatsachenfeststellungen die erstinstanzlichen Feststellungen keinen Bestand haben werden, sich also deren Unrichtigkeit herausstellt (vgl. BGH, Urteil vom 12.03.2004 – V ZR 257/03; BGH, Urteil vom 09.03.2005 – VIII ZR 266/03; BGH, Urteil vom 15.07.2003 – VI ZR 361102). Dies kann dann der Fall sein, wenn die Beweiswürdigung unvollständig oder in sich widersprüchlich ist, oder wenn sie gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (BGH, Urteil vom 12.03.2004 – V ZR 257/03, unter Verweis auf BGH, Urteil vom 11.02.1987 – IVb ZR 23/86; BGH, Urteil vom 09.07.1999 – V ZR 12/98).

Nach dieser Maßgabe ist die Feststellung des Landgerichts nicht zu beanstanden, dass die Parteien eine Abgeltungsvereinbarung nur unter der Bedingung geschlossen haben, dass der Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid wirksam zurückgenommen wird bzw. er seine Zustimmung zur rechtskräftigen Feststellung der streitgegenständlichen Ansprüche erklärt. Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit dieser Feststellung sind weder dargetan noch ersichtlich.

3) Der Beklagte dringt auch nicht mit seiner erstmals im Berufungsverfahren erklärten Hilfsaufrechnung über 2.000 Euro (Kautionsrückzahlungsanspruch) durch. Eine erstmals im Berufungsverfahren erklärte Hilfsaufrechnung ist gern. § 533 ZPO nur zulässig, wenn der Gegner einwilligt oder das Gericht dies für sachdienlich hält und diese Aufrechnung auf Tatsachen gestützt werden können, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hat.

Vorliegend ist zwischen den Parteien streitig, ob das Mietverhältnis beendet ist und ob der Beklagten gegenüber dem Kläger einen Anspruch auf Rückzahlung der Kaution hat.

Der Beklagte behauptet diesbezüglich, dass er Gegenansprüche habe, die das Kautionsguthaben übersteige. Die Hilfsaufrechnung ist daher bereits gern. § 533 Nr. 1 ZPO nicht sachdienlich, da der Rechtsstreit ohne die Aufrechnungsforderung entscheidungsreif ist (s.o.) (Zöller/Heßler, ZPO, 34. Auflage 2022, § 533 Rn. 26). Die Aufrechnung wird zudem vorliegend auf streitige Tatsachen gestützt (Beendigung des Mietverhältnisses, keine Gegenansprüche), die das Berufungsgericht gerade nicht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung gern. § 529 ZPO zugrunde zu legen hat, so dass die erklärte Hilfsaufrechnung auch gern. § 533 Nr. 2 ZPO unzulässig ist.

4) Soweit der Beklagte erstmals in der Berufungsinstanz erklärt, dass er sich die Aufrechnung mit dem übergebenen Geldbetrag in Höhe von 11.500 Euro vorbehalte, ist hierin bereits keine Aufrechnungserklärung zu erblicken, da die Aufrechnung ja gerade vorbehalten wird. Bereits jetzt wird jedoch darauf hingewiesen, dass eine Aufrechnung mit diesem behaupteten Anspruch ebenfalls gern. § 533 ZPO unzulässig wäre, da sie weder sachdienlich noch auf Tatsachen gestützt ist, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hat. Bereits die Übergabe des Geldes ist zwischen den Parteien streitig. Das Landgericht hat hierzu keine Feststellung getroffen. Es wäre also eine weitere Beweisaufnahme erforderlich, die einer Sachdienlichkeit entgegensteht.


Die folgenden rechtlichen Bereiche sind u.a. in diesem Urteil relevant:

  1. Mietrecht (Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) §§ 535 ff.): Das Mietrecht, speziell das Gewerbemietrecht, ist in diesem Fall von zentraler Bedeutung. Die Hauptstreitigkeit betrifft Forderungen aus einem Gewerbemietverhältnis. Es geht um Miete und Nachzahlung von Nebenkosten, die der Beklagte laut Kläger schuldig ist. In § 535 BGB ist geregelt, dass der Vermieter dem Mieter den Gebrauch der Mietsache während der Mietzeit gewähren muss und der Mieter als Gegenleistung dem Vermieter den vereinbarten Mietzins zahlen muss. Die Parteien streiten in diesem Fall darüber, ob eine Vereinbarung zur Erledigung aller Ansprüche getroffen wurde, was direkt in die Interpretation von Mietverträgen und den dazugehörigen Regelungen fällt.
  2. Zivilprozessrecht (Zivilprozessordnung (ZPO)): Die ZPOregelt den Ablauf von zivilrechtlichen Streitigkeiten vor Gericht. Im vorliegenden Fall betrifft dies die Regeln zur Prozessführung, insbesondere das Berufungsverfahren (§§ 511 ff. ZPO) und die Prozesskostenhilfe (§§ 114 ff. ZPO). Die Prozesskostenhilfe ist ein zentrales Element in diesem Fall, da der Beklagte diese beantragt hat und das Gericht diesen Antrag abgelehnt hat. Darüber hinaus wird das Berufungsverfahren thematisiert, da der Beklagte gegen das Urteil des Landgerichts Berufung eingelegt hat.
  3. Vollstreckungsrecht (ZPO §§ 704 ff. und §§ 794 ff.): Der Fall befasst sich auch mit einem Vollstreckungsbescheid und dessen Einspruch. Ein Vollstreckungsbescheid ist ein wichtiger Teil des Vollstreckungsverfahrens, da er dem Gläubiger ermöglicht, seine Forderung gegen den Schuldner durchzusetzen. Es wird argumentiert, dass der Beklagte den Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid zurückgenommen habe, was relevant für die Beurteilung des weiteren Prozessverlaufs ist.
  4. Vertragsrecht (BGB §§ 145 ff.): Das Vertragsrecht spielt insofern eine Rolle, als dass es um die Auslegung einer möglichen Vereinbarung zwischen den Parteien geht, die alle Ansprüche erledigt hätte. Hier geht es um die Frage, ob eine bindende Vereinbarung getroffen wurde und welche Wirkung diese auf die ausstehenden Miet- und Nebenkostenforderungen hat.

Häufig gestellte Fragen

Was passiert, wenn ich meine Miete oder Nebenkosten nicht bezahle?

Wenn Sie Ihre Miete oder Nebenkosten nicht bezahlen, befinden Sie sich in Verzug und Ihr Vermieter kann Sie zur Zahlung auffordern. Sollten Sie trotz Mahnung nicht zahlen, kann der Vermieter den Rechtsweg einschlagen und Sie auf Zahlung verklagen. In Extremfällen kann es zur Kündigung des Mietvertrages und zu einem Räumungsverfahren kommen. Zudem kann Ihr Vermieter Verzugszinsen und eventuell weitere Kosten geltend machen.

Können wir eine Vereinbarung treffen, um alle ausstehenden Ansprüche zu erledigen?

Ja, es ist durchaus möglich, eine Vereinbarung zu treffen, um alle ausstehenden Forderungen zu erledigen. Allerdings muss eine solche Vereinbarung von beiden Seiten eingehalten werden und sollte im Idealfall schriftlich festgehalten werden, um spätere Unklarheiten oder Streitigkeiten zu vermeiden.

Was ist ein Vollstreckungsbescheid und was bedeutet ein Einspruch dagegen?

Ein Vollstreckungsbescheid ist ein gerichtlicher Titel, der dem Gläubiger die Möglichkeit gibt, seine Forderung gegen den Schuldner durchzusetzen. Wenn Sie Einspruch gegen einen Vollstreckungsbescheid erheben, wird das Verfahren fortgesetzt und es kommt zu einer gerichtlichen Prüfung der Forderung. Wenn Sie jedoch auf den Einspruch verzichten, wird der Vollstreckungsbescheid rechtskräftig und der Gläubiger kann die Zwangsvollstreckung einleiten.

Was passiert, wenn ich einen Einspruch gegen einen Vollstreckungsbescheid zurücknehme?

Wenn Sie einen Einspruch gegen einen Vollstreckungsbescheid zurücknehmen, wird der Bescheid rechtskräftig und der Gläubiger kann die Forderung vollstrecken. Eine einmal zurückgenommene Einspruchserklärung kann nicht wiederhergestellt werden. Daher sollte dieser Schritt gut überlegt sein.

Was kann ich tun, wenn ich mit einem Urteil des Landgerichts nicht einverstanden bin?

Wenn Sie mit einem Urteil des Landgerichts nicht einverstanden sind, können Sie Berufung einlegen, sofern das Urteil berufungsfähig ist. Dies setzt jedoch voraus, dass der Wert des Beschwerdegegenstands einen bestimmten Betrag überschreitet oder das Landgericht die Berufung zugelassen hat. Im Berufungsverfahren prüft das Oberlandesgericht die Entscheidung des Landgerichts.

Wie kann ich mir einen Rechtsstreit leisten, wenn ich kein Geld habe?

Wenn Sie kein Geld für einen Rechtsstreit haben, können Sie unter bestimmten Voraussetzungen Prozesskostenhilfe beantragen. Die Prozesskostenhilfe ist eine staatliche Leistung, die es Ihnen ermöglicht, einen Rechtsstreit zu führen, auch wenn Sie die Kosten dafür nicht oder nur teilweise aufbringen können.

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