AG Brandenburg – Az.: 31 C 159/21 – Beschluss vom 27.09.2021
1. Es wird festgestellt, dass der Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Hünfeld vom 05.02.2021 zu der Geschäftsnummer: 21-5459950-0-3 wirkungslos ist.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Der Streitwert des Verfahrens wird auf 131,31 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Die Klägerin hatte gegen den Beklagten einen Mahnbescheid erwirkt, der dem Beklagten unter einer Adresse zugestellt wurde, bei der der Beklagte zum Zeitpunkt der Zustellung unstreitig weder wohnhaft, noch gemeldet war. Insofern erhob der Beklagte gegen diesen Mahnbescheid auch keinen Widerspruch. Auf Antrag der Klägerin ist daraufhin ein Vollstreckungsbescheid ergangen. Nachdem die Klägerin aus diesem Vollstreckungsbescheid die Zwangsvollstreckung gegen den Beklagten eingeleitet hatte, legte der Beklagte hiergegen Einspruch ein. Daraufhin hat die Klägerin die Klage zurückgenommen.
II.
Aufgrund der erfolgten Klagerücknahme ist der Rechtsstreit als nicht anhängig geworden anzusehen; der ergangene Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Hünfeld vom 05.02.2021 zu der Geschäftsnummer: 21-5459950-0-3 ist durch die Klagerücknahme somit wirkungslos geworden, ohne dass es seiner ausdrücklichen Aufhebung – wie hier von dem Beklagten extra beantragt – noch bedarf (Reichsgericht, Urteil vom 04.04.1894, Az.: V 330/93, u.a. in: RGZ Band 33, Seite 394 ff.; OLG Hamburg, Beschluss vom 30.03.1979, Az.: 11 W 12/79, u.a. in: NJW 1979, Seiten 1464 f.; LG Hamburg, Beschluss vom 23.05.1991, Az.: 5 O 149/89, u.a. in: MDR 1991, Seite 1089; LG Tübingen, Beschluss vom 22.02.1982, Az.: 3 O 338/81, u.a. in: MDR 1982, Seite 676; LG Itzehoe, Beschluss vom 07.09.1993, Az.: 4 S 124/93, u.a. in: NJW-RR 1994, Seite 1216). Wird ein Mahnbescheid nämlich unter einer Adresse zugestellt, an der der Beklagte zum Zeitpunkt der Zustellung unstreitig weder wohnhaft, noch gemeldet war, so tritt keine Rechtshängigkeit ein.
Ein in einem solchen Verfahren dann erlassene Vollstreckungsbescheid ist wirkungslos. Die Wirkungslosigkeit des Vollstreckungsbescheids muss nicht, darf aber durch deklaratorischen Beschluss des Gerichts ausgesprochen werden (LG Tübingen, Beschluss vom 22.02.1982, Az.: 3 O 338/81, u.a. in: MDR 1982, Seite 676; Greger, in: Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, § 269 ZPO, Rn. 17). Die Wirkungslosigkeit des Vollstreckungsbescheids ist daher nunmehr von dem erkennenden Gericht durch Beschluss festzustellen gewesen (LG Tübingen, Beschluss vom 22.02.1982, Az.: 3 O 338/81, u.a. in: MDR 1982, Seite 676).
Die Kosten des Verfahrens sind im Übrigen hier im konkreten Fall der Klägerin aufzuerlegen (§ 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO).
Grundsätzlich trifft im Falle einer Klagerücknahme die Kostenlast grundsätzlich den Kläger (Reichsgericht, JW 1887, Seiten 311 f.; OLG Bremen, Beschluss vom 14.11.1975, Az.: 2 W 99/75, u.a. in: NJW 1976, Seite 632; KG Berlin, Beschluss vom 04.05.1970, Az.: 16 W 5833/70, u.a. in: NJW 1970, Seite 1799; OLG Hamburg, SeuffArch. 52, Nr. 120; OLG Hamburg, OLGR 1935, Seiten 66 f.; OLG Frankfurt/Main, HRR 1931, Seite 1966).
Ein Ausnahmefall von diesem Grundsatz liegt hier auch nicht vor (§ 269 Abs. 3 S. 2 Alt. 2 ZPO). Zwar sind einem säumigen Beklagten die durch seine Säumnis veranlassten Kosten gemäß § 344 aufzuerlegen, auch wenn der Kläger die Klage zurücknimmt und damit die Kostenfolge des § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO auslöst (BGH, Beschluss vom 13.05.2004, Az.: V ZB 59/03, u.a. in: NJW 2004, Seite 2309; Reichsgericht, JW 1887, Seiten 311 f.; OLG Schleswig, Beschluss vom 10.06.2002, Az.: 5 W 24/02, u.a. in: MDR 2002, Seiten 1274 f.; OLG München, Beschluss vom 26.09.2001, Az.: 28 W 2423/01, u.a. in: NJW-RR 2002, Seiten 142 f.; OLG München, Beschluss vom 08.03.2001, Az.: 28 W 870/01, u.a. in: NJW-RR 2001, Seiten 1150 f.; KG Berlin, KG-Report 2001, Seite 371; OLG Bremen, OLG-Report 2001, Seite 34; OLG München, JurBüro 1997, Seite 95; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 23.08.1995, Az.: 6 W 71/95, u.a. in: NJW-RR 1996, Seite 383; OLG München, OLG-Report 1993, Seite 15; OLG Köln, Beschluss vom 13.01.1993, Az.: 20 W 45/92, u.a. in: MDR 1993, Seite 1023; OLG Köln, Beschluss vom 06.05.1992, Az.: 2 W 40/92, u.a. in: AnwBl 1992, Seite 332; OLG Köln, Beschluss vom 29.11.1989, Az.: 2 U 36/89, u.a. in: MDR 1990, Seite 256; OLG Hamm, Beschluss vom 22.04.1988, Az.: 12 W 5/88, u.a. in: OLGZ 1989, Seite 464; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.03.1975, Az.: 21 U 20/75, u.a. in: NJW 1975, Seiten 1569 f.; OLG Düsseldorf, MDR 1972, Seite 1043; KG Berlin, KGBl. 1920, Seiten 40 f.; KG Berlin, OLGR 1917, Seite 320; OLG Dresden, SächsAnn 30 [1909], Seiten 494 f.; LG Aachen, Beschluss vom 20.12.1990, Az.: 6 T 104/90, u.a. in: MDR 1991, Seite 451; AG Hanau, Beschluss vom 22.09.2020, Az.: 39 C 175/20 (19), u.a. in: JurBüro 2021, Seite 37; AG Halle, Beschluss vom 29.09.2009, Az.: 95 C 3033/09; Schmitt, JurBüro 2021, Seite 38; Prütting, in: MünchKomm zur ZPO, 6. Aufl. 2020, § 344 ZPO, Rn. 14; Becker-Eberhard, in: MünchKomm zur ZPO, 6. Aufl. 2020, § 269 ZPO, Rn. 42; Assmann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Aufl. 2012, § 269 ZPO, Rn. 5693). Der Beklagte, gegen den ein Vollstreckungsbescheid bzw. ein Versäumnisurteil (in gesetzlicher Weise) ergangen ist, trägt nämlich die durch die Säumnis veranlassten Kosten auch dann, wenn der Kläger die Klage zurücknimmt.
Die durch eine Säumnis veranlassten Kosten sind der säumigen Partei nach § 344 ZPO somit aber nur dann aufzuerlegen, wenn ein Versäumnisurteil in „gesetzlicher Weise“ ergangen ist.
Zwar steht der Vollstreckungsbescheid einem für vorläufig vollstreckbar erklärten Versäumnisurteil insofern gleich (§ 700 Abs. 1 ZPO), was auch für die Kostenregelung nach § 344 ZPO gilt (OLG München, Beschluss vom 26.09.2001, Az.: 28 W 2423/01, u.a. in: NJW-RR 2002, Seiten 142 f.; OLG München, Beschluss vom 08.03.2001, Az.: 28 W 870/01, u.a. in: NJW-RR 2001, Seiten 1150 f.; AG Hanau, Beschluss vom 22.09.2020, Az.: 39 C 175/20 (19), u.a. in: JurBüro 2021, Seite 37; Schmitt, JurBüro 2021, Seite 38).
Der Vollstreckungsbescheid ist jedoch hier im konkreten Fall gerade nicht in „gesetzlicher Weise“ ergangen (AG Hanau, Beschluss vom 22.09.2020, Az.: 39 C 175/20 (19), u.a. in: JurBüro 2021, Seite 37; Schmitt, JurBüro 2021, Seite 38).
Das Gericht erlässt nämlich auf der Grundlage des Mahnbescheids auf Antrag einen Vollstreckungsbescheid, wenn der Antragsgegner nicht rechtzeitig Widerspruch erhoben hat (§ 699 Abs. 1 S. 1 ZPO). Der Antrag kann aber nicht vor Ablauf der Widerspruchsfrist gestellt werden (§ 699 Abs. 1 Satz 2 Hs. 1 ZPO), die zwei Wochen seit der Zustellung des Mahnbescheides beträgt (§ 692 Abs. 1 Nr. 3, 4 ZPO). Vorliegend war die Widerspruchsfrist bei Erlass des Vollstreckungsbescheides jedoch unstreitig noch nicht abgelaufen, weil sie mangels wirksamer Zustellung des Mahnbescheides nicht zu laufen begonnen hatte. Der Mahnbescheid ist dem Beklagten nämlich unter einer Adresse zugestellt worden, an der er zum Zeitpunkt der Zustellung unstreitig weder wohnhaft, noch gemeldet war. Eine anderweitige ordnungsgemäße Zustellung des Mahnbescheides oder eine Heilung des Zustellungsmangels sind aber nicht gegeben (AG Hanau, Beschluss vom 22.09.2020, Az.: 39 C 175/20 (19), u.a. in: JurBüro 2021, Seite 37).
Der Beklagte war hier somit gerade nicht säumig (§ 230 ZPO; AG Halle, Beschluss vom 29.09.2009, Az.: 95 C 3033/09), so dass in diesem konkreten Fall die Kosten des Verfahrens auch der Klägerin aufzuerlegen sind.