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Vollstreckungsklausel notarielle Grundschuldbestellungsurkunde – Verzicht auf Fälligkeitsnachweis

LG Frankenthal –  Az.: 1 T 11/14 –  Beschluss vom 10.02.2014

Unter Aufhebung des Beschlusses vom 20.12.2013 wird das Amtsgericht – Vollstreckungsgericht- Ludwigshafen am Rhein angewiesen, die Zwangsversteigerung weiter zu betreiben.

Gründe

I.

Der Schuldner bestellte mit notarieller Urkunde des Notars Dr. S in Ort vom 04.08.2009, URNr. J 1044/2009 an dem oben bezeichneten Grundbesitz zugunsten der Gläubigerin eine Buchgrundschuld ohne Brief in Höhe von 100.300 €. Die Grundschuld ist mit jährlich 15% zu verzinsen. Der Schuldner unterwarf sich in Ziff. 2. der Urkunde der sofortigen dinglichen Zwangsvollstreckung. In Ziff. 3 der Urkunde übernahm der Schuldner die persönliche Haftung und unterwarf sich der Vollstreckung in sein gesamtes Vermögen. Unter Ziff. 4.3 wurde der Notar beauftragt, der Gläubigerin sofort eine vollstreckbare Ausfertigung der Urkunde zu erteilen. Unter Ziff. 5. vereinbarten die Parteien einen Nachweisverzicht hinsichtlich der Tatsachen, die das Entstehens und die Fälligkeit der Grundschuld nebst Zinsen und sonstiger Nebenleistungen oder ihrer schuldrechtlichen Ansprüche bedingen. Wegen des vollständigen Wortlautes wird auf die vorgelegte notarielle Urkunde Bezug genommen.

Die Gläubigerin hat mit Schreiben vom 18.09.2012 die Anordnung der Zwangsversteigerung zunächst wegen der rückständigen Zinsen seit dem 04.08.2009 in den o.g. Grundbesitz beantragt. Sie hat mitgeteilt, mit Schreiben vom 05.06.2012 die Kündigung der Grundschuld erklärt zu haben und zu beabsichtigen, nach Ablauf der entsprechenden Frist den Beitritt zum Verfahren zu erklären.

Mit Beschluss vom 20.09.2013 hat das Amtsgericht die Zwangsvollstreckung wegen der Zinsen angeordnet und ein Wertgutachten eingeholt. Mit Antrag vom 11.12.2012 hat die Gläubigerin wegen der Grundschuldhauptsumme den Beitritt zur Zwangsversteigerung beantragt, den das Amtsgericht mit Beschluss vom 12.12.2012 zugelassen hat. Mit Beschluss vom 22.03.2013 ist der Verkehrswert für den o.g. Grundbesitz auf 61.000 € für die Wohnung, (Blatt 7543) und auf 7.000 € für die Garage (Blatt 7601) festgesetzt worden.

Mit Beschluss vom 20.12.2013 hat das Amtsgericht- Vollstreckungsgericht- Ludwigshafen am Rhein das Zwangsversteigerungsverfahren gem. § 28 Abs.2 ZVG ausgesetzt und der Gläubigerin eine Frist zum 28.02.2014 gesetzt, die Vollstreckungsvoraussetzung gegen den Schuldner beizubringen. Zur Begründung hat es ausgeführt, durch das Risikobegrenzungsgesetz sei § 1193 BGB dahingehend abgeändert, dass bei einer Grundschuld, die eine Forderung sichere, das Kapital mit einer Frist von 6 Monaten gekündigt sein müsse. Bei der vorliegenden Klausel gem. § 726 Abs.1 ZPO müsse die Gläubigerin dem Notar die Zustellung der Kündigung und den Ablauf der Frist nachweisen. Der in der Urkunde erklärte Nachweisverzicht sei unwirksam, weshalb auch die seitens des Notars erteilte Klausel unwirksam sei. Dieser Verstoß sei durch das Vollstreckungsgericht zu prüfen.

Gegen den am 30.12.2013 zugestellten Beschluss richtet sich die sofortige Beschwerde der Gläubigerin vom 09.01.2014. Die Gläubigerin trägt vor, das Vollstreckungsgericht habe lediglich die formellem Voraussetzungen, nämlich Titel, Klausel und Zustellung zu prüfen. Sofern tatsächlich ein Fehler vorliege, sei der Schuldner auf die Erinnerung gem. § 732 ZPO bzw. auf die Erhebung einer Vollstreckungsgegenklage gem. §§ 767, 768 ZPO zu verweisen. Im Übrigen sei der Nachweisverzicht wirksam. Schon wegen der Zinsen sei auch eine Einstellung unrechtmäßig.

Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 10.01.2014 klargestellt, dass sich die Einstellung lediglich auf den Beitrittsbeschluss vom 12.12.2012 hinsichtlich des Kapitals bezieht. Es hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Landgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Die Entscheidung ist mit Beschluss vom 06.02.2014 wegen grundsätzlicher Bedeutung auf die Kammer übertragen worden. Der Titel ist seitens der Gläubigerin vorgelegt worden. Der schriftlich gehörte Schuldner hat keine Stellungnahme abgegeben.

II.

1. Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin gegen den Einstellungsbeschluss ist gem. §§ 28Abs. 2, 95 ZVG i.V.m. §§ 793, 794 Nr. 5,795,567 ff ZPO statthaft und gem. § 569 ZPO form- und fristgerecht eingelegt. Zwar ist ein Eingang der auf den 09.01.2013 datierten Beschwerde nicht nachgewiesen. Die Gläubigerin hat diese gleichzeitig zu dem Verfahren 1 T 8/14 auf Anforderung nachgereicht. Aus dem Nichtabhilfebeschluss vom 10.01.2014, der sich auf die Beschwerde vom 09.01.2014 bezieht, ergibt sich aber, dass die Beschwerde rechtzeitig eingegangen sein muss.

2. Die sofortige Beschwerde führt auch in der Sache zum Erfolg. Das Amtsgericht ist anzuweisen, die Zwangsversteigerung auch hinsichtlich des Grundschuldkapitals weiter zu betreiben. Die Voraussetzungen für die Anordnung der Zwangsvollstreckung liegen vor.

Die Gläubigerin hat durch die eingereichten Unterlagen nachgewiesen, dass die Vollstreckungsvoraussetzungen, also Titel, Klausel und Zustellung, vorliegen. Die seitens des Notars erteilte Klausel ist nicht unwirksam.

Der amtierende Notar hat bereits vierzehn Tage nach Grundschuldbestellung, nämlich am 18.08.2009, die Klausel erteilt. Gem. § 1193 Abs. 1 Satz 1 und 3 BGB konnte zu diesem Zeitpunkt die Grundschuld hinsichtlich des Kapitalbetrages von 100.300 € noch nicht fällig sein, da die nicht abdingbare Kündigungsfrist gem. § 1193 Abs. 2 Satz 2 BGB von sechs Monaten noch nicht abgelaufen sein konnte. Diese materiell-rechtliche Voraussetzung für die Erteilung der Vollstreckungsklausel musste der Notar jedoch nicht beachten, da nach Ziff. 4. 3. und Ziff. 5. der Grundschuldbestellungsurkunde die Gläubigerin berechtigt war, sich sofort und ohne den Nachweis der Fälligkeit eine vollstreckbare Ausfertigung erteilen zu lassen. Dieser Verzicht ist nach der überwiegenden Meinung in der Rechtsprechung, der sich die Kammer anschließt, wirksam (LG Essen, RPfleger 2011, 288; LG Lübeck, Rpfleger 2009, 451; LG Meiningen, B.v. 09.07.2013, BeckRS 2013, 20901).

Nach teilweise in der Literatur vertretenen Auffassung kann die Vollstreckungsklausel wegen § 1193 BGB ohne Prüfung der Fälligkeit nicht erteilt werden, selbst wenn der Schuldner auf den Nachweis der Fälligkeitsvoraussetzungen verzichtet hat (Sommer, RNotZ 2009, 451; Dieckmann, BWNotZ 2009, 144). Nach dieser Auffassung ist der in der notariellen Urkunde erklärte Verzicht des Schuldners auf den Nachweis der Kündigung wegen eines Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot gem. § 134 BGB unwirksam (Stöber, ZVG, 20. Auflage, § 15 Anm. 15.1- 15.3; 40.14). Die Fälligkeit der Grundschuld ist nach dieser Auffassung gem. § 726 ZPO durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden zu beweisen. Die aufgrund Nachweisverzichtes erteilte Vollstreckungsklausel ist nach dieser Auffassung unwirksam. Dies hat zur Folge, dass das Vollstreckungsgericht, welches die Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung von Amts wegen zu prüfen hat, die Vollstreckung mangels wirksamer Klauselerteilung nicht betreiben darf (Stöber, ZVG, a.a.O., § 15, Rnr. 15.3).

Nach überwiegender Meinung ist jedoch ein notariell erklärter Nachweisverzicht wirksam, so dass der Notar auch ohne den Nachweis der Fälligkeitsvoraussetzungen die Klausel zu erteilen hat. Das Vollstreckungsgericht wiederum hat lediglich die formellen Voraussetzungen zu prüfen, die hier vorliegen. Der Schuldner kann auf die zu seinem Schutz ergangene materielle Vorschrift verzichten und Verstöße gegebenenfalls mit § 732 ZPO bzw. § 767 ZPO geltend machen.

Dieser Auffassung schließt sich die Kammer an. § 1193 BGB bezweckt den Schutz des Schuldners. Auf diesen Schutz kann in notarieller Form verzichtet werden. Dem Schutz des Schuldners ist damit Rechnung getragen, dass dieser ggfls. gem. § 767 ZPO vorgehen kann (Münch Komm zum BGB/ Eickmann, 6. Auflage 2013, § 1993, Rnr. 8).

Im Übrigen ist die Grundschuld für die betreibende und beigetretene Gläubigerin bestellt worden. Probleme, die bei der Zwangsvollstreckung aus einem abgetretenen Grundpfandrecht auftreten können und die zu der Regelung in § 1193 BGB geführt haben, sind also auszuschließen. Auch ist der Antrag auf Beitritt zur Zwangsversteigerung erst zu einem Zeitpunkt gestellt worden ist, zu dem bereits die gesetzlich vorgeschriebene Kündigungsfrist von sechs Monaten gem. § 1193 Abs. 1 Satz 3 BGB abgelaufen war (LG Essen, a.a.O.). Der Schuldner hat im Übrigen sowohl vor dem Amtsgericht, als auch im Beschwerdeverfahren keine Stellungnahme abgegeben, wonach sein Verzicht unwirksam gewesen sein soll.

Aus Sicht der Kammer bestehen deshalb die vom Amtsgericht erhobenen Bedenken bezüglich des Nachweises der Vollstreckungsvoraussetzungen nicht. Es kann nicht verlangt werden, dass die Gläubigerin die Voraussetzungen einer wirksamen Kündigung gemäß § 726 ZPO nachweist. Dieser Nachweis der Fälligkeit wird vielmehr durch die Vollstreckungsklausel geführt, deren materielle Rechtmäßigkeit das Vollstreckungsgericht nicht zu überprüfen hat.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.

3. Die Rechtsbeschwerde wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen gem. § 574 Abs. 2 Nr.1 ZPO. Die Problematik tritt in einer Vielzahl von Fällen auf. Eine höchstrichterliche Entscheidung zu der aufgeworfenen und in der Rechtsprechung und Literatur zum Vollstreckungsrecht umstrittenen Rechtsfrage ist nach der Inkrafttreten des Risikobegrenzungsgesetzes noch nicht ergangen.

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