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Voraussetzungen der wirksamen Zustellung eines gerichtlichen Schriftstücks

Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen – Az.: L 7 AS 2346/17 B ER – Beschluss vom 12.03.2018

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 27.10.2017 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II im einstweiligen Rechtsschutzverfahren.

Der am 00.00.1952 geborene Antragsteller ist mit EDV-Systementwicklung selbstständig tätig und bezog Leistungen von der Antragsgegnerin.

Am 08.06.2017 beantragte der Antragsteller die Weiterbewilligung von Leistungen ab 01.07.2017. Er reichte die ausgefüllte Anlage EKS für den Zeitraum Juli 2017 bis Dezember 2017 ein, wonach von einem monatlichen Gewinn aus selbstständiger Tätigkeit iHv 50,66 EUR auszugehen sei.

Voraussetzungen der wirksamen Zustellung eines gerichtlichen Schriftstücks
(Symbolfoto: Andrey_Popov/Shutterstock.com)

Mit Bescheid vom 14.07.2017 bewilligte die Antragsgegnerin vorläufig Leistungen nach dem SGB II für Juli 2017 iHv 887,86 EUR und für den Zeitraum von August 2017 bis Dezember 2017 iHv monatlich 890,86 EUR. Dabei berücksichtigte er auf der Grundlage der ausgefüllten Anlage EKS ein monatliches Durchschnittseinkommen iHv 450 EUR (bereinigt: 280 EUR). Über den hiergegen eingelegten Widerspruch ist bisher keine Entscheidung getroffen worden.

Am 12.09.2017 hat der Antragsteller bei dem Sozialgericht Dortmund beantragt, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, für den Zeitraum Juli 2017 bis Dezember 2017 weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ohne Anrechnung eines Einkommens aus Selbstständigkeit iHv monatlich 280 EUR zu gewähren.

Mit Beschluss vom 27.10.2017 hat das Sozialgericht den Antrag und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt.

Das Sozialgericht hat den Beschluss vom 27.10.2010 mit Empfangsbekenntnis, das den Zusatz „Zustellung nach § 63 Abs. 2 SGG, § 174 Abs. 1 und 4 ZPO“, enthält, an die Beteiligten per Telefax übermittelt. Laut in der Gerichtsakte befindlichen Sendeberichten ist die Übermittlung am 30.10.2017 an den Prozessbevollmächtigten des Antragstellers um 7:59 Uhr und an die Antragsgegnerin um 08:01 Uhr erfolgt.

Das Sozialgericht hat ferner Abschriften des Beschlusses vom 27.10.2010 gegen Empfangsbekenntnis per Post an die Beteiligten übermittelt.

Der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers hat das per Telefax übermittelte Empfangsbekenntnis mit dem Vermerk „Unterlagen erhalten am 30.10.2017“ zurückgesandt. Das per Post übermittelte Empfangsbekenntnis hat der Prozessbevollmächtigte mit dem Vermerk „Unterlagen erhalten am 07.11.2017“ zurückgesandt.

Der Antragsteller hat gegen den Beschluss des Sozialgerichts am 07.12.2017 Beschwerde eingelegt.

Der Senat hat den Antragsteller mit Schreiben vom 21.12.2017 darauf hingewiesen, dass die Beschwerdefrist nicht gewahrt sei, da der Beschluss ausweislich des Empfangsbekenntnisses am 30.10.2017 zugestellt worden sei. Hierauf hat der Antragsteller mitgeteilt, der Beschluss vom 27.10.2017 sei per Post am 07.11.2017 eingegangen. Zwar sei der Beschluss vorab per Telefax am 27.10.2017 übermittelt worden, eine Kenntnisnahme des Beschlusses durch den Prozessbevollmächtigten sei jedoch am 27.10.2017 nicht erfolgt. Beim Ausfüllen des Empfangsbekenntnisses sei versehentlich das Datum der Faxübermittlung und nicht das Datum der Übermittlung auf dem Postweg eingetragen worden.

Auf Aufforderung des Senats hat der Antragsteller die BWA für den Zeitraum Oktober 2017 bis Dezember 2017 eingereicht.

II.

Die Beschwerde ist als unzulässig zu verwerfen (§§ 202 SGG, 572 Abs. 2 Satz 2 ZPO) weil sie nicht innerhalb der Beschwerdefrist (§ 173 SGG) erhoben worden ist.

Nach § 173 Satz 1 SGG ist die Beschwerde binnen eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung beim Sozialgericht schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerdefrist ist nach § 173 Satz 2 SGG auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist bei dem Landessozialgericht schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. Die einmonatige Frist wurde vom Antragsteller nicht eingehalten. Die Übermittlung des vollständigen Beschlusses vom 27.10.2017 per Telefax am 30.10.2017 hat die Beschwerdefrist in Lauf gesetzt (§ 202 iVm § 174 Abs. 2 ZPO). Dem Beschluss war ein Empfangsbekenntnis beigefügt, das den eindeutigen Zusatz „Zustellung nach § 63 Abs. 2 SGG, § 174 Abs. 1 und 4 ZPO“ enthielt und damit unzweifelhaft erkennen ließ, dass die förmliche Bekanntgabe der Entscheidung erfolgen sollte. Darüber hinaus ergibt sich aus dem vom Prozessbevollmächtigten unterschriebenen Empfangsbekenntnis und dem Vortrag des Antragstellers im Beschwerdeverfahren, dass der Beschluss an diesem Tag tatsächlich zugegangen ist (§ 202 SGG iVm 189 ZPO). Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist für eine wirksame Zustellung die Kenntnisnahme durch den Empfänger nicht erforderlich. Ausreichend ist, dass das zuzustellende Dokument so in die Hände des Zustelladressaten oder seines Vertreters gelangt ist, dass er es behalten und vom Inhalt Kenntnis nehmen konnte (Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 36. Aufl. 2015, § 189 Rn. 8). Dies ist durch die Telefaxübermittlung am 27.10.2017 erfolgt. Die Beschwerdefrist von einem Monat endete daher am 27.11.2017. Die Beschwerde ist jedoch erst am 07.12.2017 beim Sozialgericht eingegangen.

Die nachfolgende Übersendung einer Beschlussausfertigung unter Beifügung eines weiteren Empfangsbekenntnisses auf dem normalen Postweg hat die Beschwerdefrist nicht erneut in Lauf gesetzt. Bei mehrfacher Zustellung einer Entscheidung an denselben Beteiligten ist für die Fristenberechnung auf die erste wirksame Bekanntgabe abzustellen (BVerwG Beschluss vom 18.04.1994 – 5 B 18/94, Bayerisches LSG Beschluss vom 17.02.2017 – L 16 AS 859/16 B ER, Sächsisches OVG Beschluss vom 14.08.2013 – 1 B 365/13, OVG Hamburg Beschluss vom 20.09.1995 – Bs IV 143/95). Daher ist der Zeitpunkt des Zugangs des Beschlusses vom 27.10.2017 per Post, der nach den Angaben im Empfangsbekenntnis auf den 07.11.2017 datiert, für den Beginn der Beschwerdefrist unbeachtlich.

Auch eine – bisher nicht beantragte – Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt nicht in Betracht. Gem. § 67 SGG ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten. Wiedereinsetzungsgründe wurden vom Antragsteller nicht vorgetragen und sind auch nicht aus den Akten ersichtlich. Insbesondere führt der Umstand, dass das Sozialgericht den Beschluss nochmals gegen Empfangsbekenntnis auf dem Postweg übersandt hat nicht dazu, dass der Antragsteller ohne Verschulden an der Einhaltung der Beschwerdefrist gehindert war, weil dem anwaltlich vertretenen Antragsteller bekannt gewesen sein muss, dass die erstmalige Zustellung für den Lauf der Beschwerdefrist maßgeblich ist. Das Vorbringen des Antragstellers im Beschwerdeverfahren führt zu keiner abweichenden Beurteilung, Das Empfangsbekenntnis vom 30.10.2017 ist von einem Rechtsanwalt unterschrieben worden, der Bevollmächtigte hat nicht vorgetragen, dass die Notierung der zutreffenden Beschwerdefrist schuldlos unterblieben ist.

Nur der Vollständigkeit halber weist der Senat darauf hin, dass nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung Anhaltspunkte für eine Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung nicht ersichtlich sind. § 3 Abs. 5 Alg II-V, auf den der Antragsteller sich zuletzt berufen hat, ist zum 01.08.2016 außer Kraft getreten. Es ist dem Antragsteller zumutbar, die genaue Leistungshöhe im Hauptsacheverfahren prüfen zu lassen.

Prozesskostenhilfe steht dem Kläger in beiden Instanzen nicht zu, da die Rechtsverfolgung keine Erfolgsaussicht hatte (§§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG, 114 ZPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG. Kosten im Beschwerdeverfahren gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe sind nicht erstattungsfähig (§§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG, 127 Abs. 4 ZPO).

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).

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