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Voraussetzungen eines Fehlschlagens der Nacherfüllung

Käufer verliert Streit um Rücktritt vom Autokaufvertrag

In einem aufsehenerregenden Fall vor dem Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken dreht sich alles um einen gebrauchten Pkw, der von einem Käufer im Jahr 2017 erworben wurde. Kurz nach dem Kauf zeigten sich jedoch Mängel am Luftfederfahrwerk des Fahrzeugs, was zu ständigen Fehlermeldungen führte und ein beinahe Aufsitzen des Autos verursachte. Der Käufer fühlte sich betrogen und sah sich zu einer unzumutbaren Mängelbeseitigung gezwungen. Deshalb entschied er sich für den Rücktritt vom Kaufvertrag und forderte die Rückzahlung des Kaufpreises sowie die Erstattung weiterer entstandener Kosten.

Direkt zum Urteil Az: 5 U 163/20 springen.

Ablehnung des Rücktritts vom Kaufvertrag

Das Hauptaugenmerk lag auf der Frage, ob der Käufer aufgrund der aufgetretenen Mängel das Recht hatte, vom Kaufvertrag zurückzutreten. Er argumentierte, dass die Mängel am Luftfederfahrwerk das Fahrzeug unbrauchbar machten und er daher sein Geld zurückverlangen könne. Diesbezüglich betonte er die Unzumutbarkeit der Mängelbeseitigung und verlangte zudem eine Nutzungsentschädigung und den Ersatz von Zulassungskosten, Stellplatzkosten, Nutzungsausfall und Fahrtkosten.

Kosten des Rechtsstreits

Eine weitere relevante Frage, die das Gericht zu klären hatte, betraf die Kosten des Rechtsstreits. Hier musste das Gericht entscheiden, welche Partei die Gerichtskosten zu tragen hatte. Dies ist insbesondere in Fällen relevant, in denen das Urteil abgeändert wird.

Revision des Urteils

Ein weiterer wichtiger Aspekt war die Frage nach der Zulassung der Revision. Bei einem solch komplexen Fall ist es nicht unüblich, dass eine Partei gegen das Urteil Berufung einlegt und eine Überprüfung der Entscheidung beantragt. Ob eine Revision zugelassen wird, hängt von einer Reihe von Faktoren ab, einschließlich der Bedeutung des Falles und der Notwendigkeit der Rechtsfortbildung.

Nach sorgfältiger Prüfung aller Faktoren und Argumente entschied das OLG Zweibrücken zugunsten der Verkäuferin. Das Gericht änderte das Urteil der Einzelrichterin des Landgerichts Landau in der Pfalz ab und wies die Klage des Käufers ab. Die Kosten des Rechtsstreits wurden dem Käufer auferlegt und das Urteil wurde für vorläufig vollstreckbar erklärt. Eine Revision wurde nicht zugelassen


Das vorliegende Urteil

OLG Zweibrücken – Az.: 5 U 163/20 – Urteil vom 26.10.2021

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des Landgerichts Landau in der Pfalz vom 27.08.2020 abgeändert und die Klage abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger bleibt vorbehalten, die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn diese nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Voraussetzungen eines Fehlschlagens der Nacherfüllung
(Symbolfoto: milkos/123RF.COM)

Der Kläger als Käufer eines gebrauchten … (Erstzulassung: 04.07.2013) zum Preis von 33.790.- € mit einem damaligen km-Stand von 82.800 (Kaufvertrag vom 06.03.2017 / Übergabe am 14.03.2017) verlangt von der Verkäuferin die Zahlung von insgesamt 33.753,48 € Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs nebst Zinsen, und zwar die Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung in Höhe von 2.804,04 € (33.790.- € x 13.875 km <Fahrleistung>: 167.200 km <Restfahrleistung bei Übergabe>) = 30.985,96 € nebst Zinsen aus 30.985.- € in Höhe von 5 Prozentpunkten seit dem 06.09.2017 und Zinsen aus weiteren 50,96 € seit 07.11.2017, den Ersatz des Zinsschadens in Höhe von 547,67 € = 4 % aus dem Nettokaufpreises 28.394,96 € für den Zeitraum 14.03.2017 bis 05.09.2017 nebst Zinsen ab 13.01.2018, den Ersatz von Zulassungskosten in Höhe von 68,85 € nebst Zinsen ab 13.01.2018, den Ersatz von Stellplatzkosten in Höhe von 675.- € für 01.09.2017 bis 30.11.2019 nebst Zinsen in Höhe von 100.- € ab 13.01.2018 und in Höhe von 575.- € ab 16.06.2020, einen Nutzungsausfallersatz für 18 Tage in Höhe von 1.422.- € nebst Zinsen ab 13.01.2018, den Ersatz von Fahrtkosten in Höhe von 54.- € nebst Zinsen seit 13.01.2018, die Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten und den Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 1.474,89 € (aus einem Streitwert von 30.395.- €) nebst Zinsen seit 06.09.2017.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 18.08.2017 hat der Kläger den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt, und zwar wegen Mängeln am Luftfederfahrwerk mit der Folge ständiger Fehlermeldungen und (wegen Funktionslosigkeit des Luftfahrdämpfungssystems) einem fast erfolgten Aufsitzen des Fahrzeugs auf den hinteren Rändern bei unzumutbarer weiterer Mängelbeseitigung.

Zuvor war zweimal ein defekter Turbolader ausgetauscht worden. Danach hatte die von der Beklagten beauftragte Firma … in … wegen Problemen mit dem Luftfahrwerk im Juni/ Juli 2017 ein Relais ausgetauscht, wobei nach dem Vortrag des Klägers nachfolgend erneut ein Mangel in Form von unterschiedlich hohen Dämpfern an den Fahrzeugachsen aufgetreten sei, was die Firma … bei einer weiteren Vorstellung am 12.07.2017 nicht habe beseitigen können.

Der Kläger hat vorgetragen, dass das Fahrzeug wegen der Probleme mit dem Luftfahrwerk nach dem zweiten Nachbesserungsversuch der Firma … wegen ständiger Fehlermeldungen im Display (die identisch mit denen vor den beiden Vorstellungen des Fahrzeugs im Autohaus … seien) seit dem 28.08.2017 nicht mehr fahrbar sei und er sich am 15.09.2017 ein Ersatzfahrzeug angeschafft habe. Den … habe er ab 28.08.2017 auf seinem angemieteten Stellplatz abgestellt.

Die Beklagte hat vorgetragen, dass die Firma … beim Relaistausch nur vergessen habe die Grundeinstellung durchzuführen. Der Fehler an der Luftfederung habe bei Übergabe des Fahrzeugs nicht vorgelegen und könne mit einem Kostenaufwand unter 5 % des Kaufpreises behoben werden. Das nunmehr vorliegende generelle Elektronikproblem habe mit den früheren Mängeln, mit denen das Autohaus … zweimal befasst gewesen sei, nichts zu tun.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes in erster Instanz wird auf die dort gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Verhandlungsprotokolle Bezug genommen.

Der Sachverständige … aus … hat im Auftrag des Erstgerichts am 10.12.2018 ein schriftliches Gutachten (Bl. 106 ff. d.A.) sowie am 27.05.2019 ein Ergänzungsgutachten erstattet und diese in der Verhandlung am 15.06.2020 mündlich erläutert.

Das Erstgericht hat sodann mit Urteil vom 27.08.2020 die Beklagte verurteilt, an den Kläger Zug-um-Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs …, Fahrzeug-Ident-Nr.: …, 33.753,48 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz der EZB aus einem Betrag von 30.935,- € seit dem 06.09.2017, aus einem weiteren Betrag von 50,96 € seit dem 07.11.2017, aus einem weiteren Betrag von 2.192,52 € seit dem 13.01.2018 und aus einem weiteren Betrag von 575,- € seit dem 16.06.2020 zu zahlen, festgestellt, dass sich die Beklage mit der Annahme des Fahrzeugs …, Fahrzeugidentnummer: …, seit 06.09.2017 in Verzug befindet und die Beklagte verurteilt, an den Kläger 1.474,89 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz der EZB seit dem 06.09.2017 zu bezahlen.

Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger wirksam vom Kaufvertrag zurückgetreten sei und die Voraussetzungen des Rücktritts gemäß §§ 433, 434, 437 Nr. 2, 323, 440 BGB erfüllt seien. Das Gericht sei aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme, d.h. den nachvollziehbaren und widerspruchsfreien Feststellungen des Sachverständigen … mit der erforderlichen Gewissheit (§ 286 ZPO), davon überzeugt, dass das streitgegenständliche Fahrzeug im Zeitpunkt des Rücktritts einen Mangel am Luftfahrwerk bzw. am Kompressor aufgewiesen habe.

Hierfür streite die Vermutung des § 477 BGB, nachdem Probleme am Luftfahrwerk unstreitig schon im Juni 2017 und damit innerhalb von 6 Monaten nach Übergabe aufgetreten seien. Der insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten sei es nicht gelungen diese Vermutung zu widerlegen. Das konkrete Erscheinungsbild der Sache bzw. des Mangels lasse vorliegend nicht aufgrund eines typischen Geschehensablaufs auf eine nachträgliche Mangelentstehung schließen. Im Ergebnis sei festzuhalten, dass das Luftfahrwerk des streitgegenständlichen Fahrzeugs trotz der Nachbesserungsversuche der Autohaus … GmbH im Juni/Juli 2017 immer noch nicht mangelfrei gewesen sei.

Sei zum Zeitpunkt der Erklärung des Rücktritts die Mangelursache trotz mehrerer vorausgegangener Reparaturversuche nicht bekannt und deswegen nicht absehbar, ob und mit welchem Aufwand der Mangel beseitigt werden könne, liege im Regelfall ein erheblicher Mangel vor. Dass der Reparaturaufwand angesichts eines Kaufpreises von 33.790,- € knapp unter der oben dargestellten Fünf-Prozent-Marke liege, stehe der Erheblichkeit der Pflichtverletzung nicht entgegen. Die Ursache der Schwächung der Schwächung der Kabelverbindung, welche für das Durchbrennen der Sicherung verantwortlich gewesen sei, was letztlich die Ursache dafür gewesen sei, dass der Kompressor das Fahrzeug nicht mehr aufrichten konnte, stehe zudem überhaupt nicht sicher fest. Der Kläger habe das streitgegenständliche Fahrzeug unstreitig zwei Mal jeweils wegen Problemen mit dem Luftfahrwerk in Absprache mit der Beklagten zum Autohaus … GmbH verbracht.

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Dem Kläger sei ein weiterer Nachbesserungsversuch auch unzumutbar war, § 440 BGB. Dabei sei zu bedenken, dass der streitgegenständliche PKW innerhalb von nicht einmal vier Monaten nach Übergabe bereits vier Mal in die Werkstatt musste.

Im Übrigen wird auf das angegriffene Urteil Bezug genommen.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, die eine Klageabweisung erstrebt.

Die Beklagte trägt vor, dass bei der festgestellten Mangelursache die Erheblichkeitsgrenze nicht überschritten sei, da 5% des Kaufpreises nicht erreicht würden.

Es handele sich zudem nicht um ein und denselben Fehler bezüglich dessen die Nachbesserungsversuche des Autohauses …, welches sich die Berufungsklägerin zurechnen lassen müsse, fehlgeschlagen seien, sondern es handele sich um jeweils einen anderen Fehler, der offensichtlich auf einer durchgebrannten Sicherung und einer defekten Kabelverbindung beruhte. Es seien verschiedene Baugruppen des Fahrzeugs, nämlich einmal ein Relais, also ein elektronisches Bauteil und zum anderen eine defekte Kabelverbindung, die zu einer durchgebrannten Sicherung geführt hätten, betroffen gewesen, die nur zum gleichen Ergebnis geführt hätten, dass sich das Fahrzeug abgesenkt habe.

Der Sachverständige habe Feststellungen zu unterschiedlichen Höhenständen nicht treffen können.

Die Beklagte beantragt, auf die Berufung der Beklagten das Urteil des LG Landau in der Pfalz vom 27.08.2020 abzuändern und die Klage abzuweisen, hilfsweise das Urteil aufzuheben und an eine andere Kammer zur erneuten Verhandlung zurückzuverweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger trägt vor, dass es sich bei dem Luftfahrwerk um ein sicherheitsrelevantes Bauteil am Fahrzeug handele und es sei unklar, ob der Fehler überhaupt nachhaltig behoben werden könne. Es handele sich nicht um verschiedene Mängel, da es durch das defekte Relais zu einer Schädigung des Kompressors gekommen sei und die dadurch ausgelöste Überspannung auch zum Ausfall der Sicherung geführt und unter Umständen auch für das Durchschmoren der Kabelverbindung gesorgt habe. Es handele sich um eine einheitliche Baugruppe, nämlich das Luftfahrwerk und diesbezüglich insbesondere die Spannungsversorgung und Steuerung des Kompressors.

Wegen eines Umzugs des Klägers von … nach … befindet sich das streitgegenständliche Fahrzeug seit 03.02.2021 bei der Beklagten.

Der Senat hat den Kläger mit Beschluss vom 25.02.2021 darauf hingewiesen, dass von ihm bisher nicht ausreichend substantiiert vorgetragen und unter Beweis gestellt wurde, dass zum Zeitpunkt seiner Rücktrittserklärung am 18.08.2017 wegen Mängeln am Luftfederfahrwerk des gebrauchten … ein Nachbesserungsversuch der Beklagten bereits zweimal fehlgeschlagen bzw. ein weiterer Nachbesserungsversuch unzumutbar war. Aus der Akte lässt sich nicht hinreichend klar entnehmen, wann welche konkreten Arbeiten durch wen wegen welcher konkreten Mängelerscheinungen durchgeführt wurden, welche Mangelerscheinungen nach welchen Reparaturen zurückgeblieben oder neu aufgetreten sind und welche Absprachen mit welchem Mitarbeiter des Autohauses … in … wegen welcher konkreter Mängelerscheinungen bei dem ersten Reparaturversuch und beim zweiten Termin am 12.07.2017 getroffen wurden.

Mit Schriftsatz vom 18.03.2021 trägt der Kläger vor, dass bei einem Werkstattaufenthalt vom 26.06.2017 bis 03.07.2017 bei dem Autohaus … in … das Relais ausgetauscht worden sei, sich am 08.07.2017 ein Absenken des Fahrzeugs und Probleme am Luftfahrwerk gezeigt hätten, wobei bei einem Werkstattaufenthalt am 12.07.2017 erfolglos nur ein Reset des Relais durchgeführt worden sei.

Nach dieser Stellungnahme des Klägers vom 18.03.2021 hat der Senat darauf hingewiesen, dass auch unter Berücksichtigung des auf den Senatsbeschluss vom 25.02.2021 erfolgten ergänzenden Vortrags im Schriftsatz vom 18.03.2021 fraglich ist, ob eine Frist zur (weiteren) Mängelbeseitigung vor Erklärung des Rücktritts am 18.08.2017 deshalb entbehrlich war, weil eine Nachbesserung eines inhaltsgleichen „Mangels am Luftfahrwerk“ bereits zweimal fehlgeschlagen bzw. ein weiterer Nachbesserungsversuch dem Kläger unzumutbar war.

In der mündlichen Verhandlung am 05.10.2021 wurde der Kläger zu den Mängelrügen und Nachbesserungsversuchen angehört.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes im Berufungsverfahren wird auf die dort gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und das Verhandlungsprotokoll Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten führt in der Sache zum Erfolg und zur Klageabweisung. Der für das Vorliegen der Voraussetzungen eines Rücktritts vom Kaufvertrag darlegungs- und beweisbelastete Kläger hat trotz mehrfacher gerichtlicher Hinweise auch im Berufungsverfahren nicht ausreichend substantiiert dargelegt, wann welche konkreten Mangelerscheinungen am Fahrzeug nach welchen Reparaturen zurückgeblieben oder neu aufgetreten sind.

Nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme steht nicht fest, dass eine Frist zur (weiteren) Mängelbeseitigung vor Erklärung des Rücktritts am 18.08.2017 deshalb entbehrlich war, weil eine Nachbesserung eines inhaltsgleichen „Mangels am Luftfahrwerk“ bereits zweimal fehlgeschlagen bzw. ein weiterer Nachbesserungsversuch dem Kläger i.S.d. § 440 BGB unzumutbar war.

1. § 440 Satz 1 2. Alt. BGB ermöglicht es dem Käufer, unter der Voraussetzung eines Fehlschlagens oder Unzumutbarkeit der Nacherfüllung ohne das Abwarten einer angemessenen Frist zur Nacherfüllung zu einem Rücktritt überzugehen. Unstreitig hat der Kläger der Beklagten vor seiner Rücktrittserklärung am 18.08.2017 keine Frist zur Beseitigung der Mängel am Luftfahrwerk gesetzt und ihr auch keine Gelegenheit mehr eingeräumt, nach dem Reset des Relais am 12.07.2017 eine weitere Mängelbeseitigung vorzunehmen.

Von einem Fehlschlagen der Nacherfüllung i.S.d. § 440 S. 1 Alt. 2 BGB ist dann auszugehen, wenn der Käufer den Verkäufer ohne Fristsetzung zur Nacherfüllung aufgefordert und dieser die dem Käufer zustehende Art der Nacherfüllung nicht innerhalb einer angemessenen Frist erbracht hat. Gleiches gilt, wenn der Verkäufer die Nacherfüllung aller Voraussicht nach nicht fristgerecht erbringen wird und dem Käufer deshalb ein weiteres Abwarten nicht zumutbar ist. Maßgeblich ist hierfür eine ex-ante-Prognose im Zeitpunkt der Erklärung des Rücktritts (BeckOGK/Höpfner, 1.9.2021, BGB § 440 Rn. 23).

Eine Nachbesserung gilt gemäß § 440 Satz 2 BGB nach dem erfolglosen zweiten Versuch als fehlgeschlagen, wenn sich nicht aus der Art der Sache oder des Mangels oder den sonstigen Umständen etwas anderes ergibt. Im Regelfall hat der Käufer nach der Lieferung einer mangelhaften Sache deshalb gemäß § 440 S. 2 BGB zwei Nachbesserungsversuche abzuwarten, bevor er zu den sekundären Rechtsbehelfen übergehen kann. Aus den konkreten Umständen des Einzelfalls, insbesondere aus der Art der Sache oder des Mangels, kann sich eine abweichende Beurteilung ergeben. Nach der Art der Sache kann eine größere Zahl von Nachbesserungsversuchen geboten sein, wenn die Sache von besonderer (technischer) Komplexität ist. Denn mit zunehmender Komplexität wird man dem Verkäufer redlicherweise einen höheren Zeitaufwand zugestehen müssen (BeckOGK/Höpfner, 1.9.2021, BGB § 440 Rn. 29 + 30).

a. Nach den Bekundungen des Klägers vor dem Senat fingen am 10.06.2017 nach einer erfolgreichen zweifachen Reparatur des Turboladers die Probleme mit dem Luftfahrwerk an und das Fahrzeug wurde vom 26.06.2017 bis zum 03.07.2017 zu dem Autohaus … in … gebracht, wobei nach einem Relaisaustausch das Luftfahrwerk zunächst wieder funktioniert hat. Am 12.07.2017 sei es erneut zu einer Störung des Luftfahrwerks gekommen, und zwar dergestalt, dass das Auto nicht mehr fahrbereit und vom Autohaus … abgeholt worden sei. Nach einem Reset des Luftfahrwerks nach ergebnisloser Fehleranalyse sei das Auto dann zunächst wieder störungsfrei gewesen.

b. Ob die erneute Störung des Luftfahrwerks dieselbe technische Ursache hatte wie bei den vorherigen Fällen, steht nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme nicht fest. Dem Kläger war auch bewusst, dass das von der Beklagten mit der Fehlerbeseitigung beauftragte Autohaus … in … die konkrete Ursache der Funktionsstörungen nicht ermitteln konnte und deshalb vorsorglich das Relais getauscht bzw. resetet hat, was zumindest für eine kurze Zeit zum Erfolg geführt hat. Demzufolge war es dem Kläger nicht unzumutbar, nach der dritten Störung des Luftfahrwerks sich erneut an die Beklagte zu wenden und ihr eine letzte Gelegenheit zur endgültigen Fehlerbeseitigung einzuräumen. Die Beklagte hat in der Senatssitzung ausgeführt, dass, wenn sie von den zweifachen vergeblichen Reparaturversuchen der von ihr beauftragten Firma … aus … erfahren hätte, sie das Fahrzeug zu sich nach Paderborn zur Fehlerbeseitigung geholt hätte.

Das streitgegenständliche hochwertige Fahrzeug der Marke … mit einer adaptiven Luftfederung ermöglicht eine stufenlose Anpassung der Dämpferhärte und die Justierung der Bodenfreiheit. Fehler in diesem komplexen technischen System sind nicht mit einfachen technischen Mängeln zu vergleichen, deren Behebung mit zwei Reparaturversuchen von jedem Autohaus erwartet werden kann.

Die Unzumutbarkeit einer weiteren Nachbesserung ergibt sich auch nicht daraus, dass zuvor zweimal ein Schaden am Turbolader aufgetreten ist, der unstreitig von der Beklagten vollständig behoben wurde. Beim Kauf eines am 04.07.2013 erstzugelassenen technisch hochwertigen Fahrzeugs am 06.03.2017 mit einer damaligen Laufleistung von 82.800 km ist mit einen Auftreten von Mängeln aus verschiedenen Baugruppen zu rechnen.

c. Darüber hinaus hat der Kläger nicht schlüssig vorgetragen und bewiesen, dass eine auf derselben Ursache beruhende dritte Störung am Luftfahrweg zeitlich vor der Erklärung des Rücktritts aufgetreten ist.

Trotz der Hinweise des Senats in den Beschlüssen vom 25.02.2021 und vom 20.04.2021 wurde vom Kläger auch im Berufungsverfahren nicht substantiiert dargelegt, wann welcher konkrete Mangel nach dem Reset des Relais durch das Autohaus … bis zur Rücktrittserklärung am 18.08.2017 aufgetreten ist.

Nach dem anwaltlichen Vortrag des Klägers war das Fahrzeug erst ab dem 28.08.2017 (also zeitlich nach der Rücktrittserklärung vom 18.08.2017) nicht mehr fahrbereit und wurde am selben Tag auf einem gemieteten Stellplatz abgestellt. Der Kläger verlangt mit seiner Klage folgerichtig den Ersatz von Stellplatzkosten ab dem 01.09.2021 und nicht ab der Rücktrittserklärung vom 18.08.2017.

Der Kläger hat in der Senatssitzung am 05.10.2021 bekundet, dass die nächste Störung des Luftfahrwerks nach seinen Notizen am 21.08.2017 aufgetreten sei und konnte auf den gerichtlichen Hinweis, dass er bereits am 18.08.2017 den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt habe, nur bekunden, dass ihm das genaue Datum dieser erneuten Störung im Moment nicht bekannt sei.

d. Nach den Feststellungen des erstinstanzlichen Sachverständigen fallen für den Austausch des Kompressors zur Beseitigung des von ihm am 25.10.2018 festgestellten Defekts in der Luftfahrverkehrsanlage (in Form einer durchgebrannten Sicherung und einer defekten Kabelverbindung) mit der Folge eines Absenkens des Fahrzeugs lediglich Kosten in Höhe von 1.400.-€ inkl. MwSt an. Auch dies spricht dafür, dass eine weitere Nachbesserung durch die Beklagte für den Kläger nicht unzumutbar war und dass es offenbar diverse technische Ursachen gibt, die zu einem ungewollten Absenken des Fahrzeugs führen können.

2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.

3. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit findet seine Grundlage in den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

4. Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben (§ 543 Abs. 2 ZPO).


Die folgenden rechtlichen Bereiche sind u.a. in diesem Urteil relevant

  1. Kaufrecht (§§ 433 ff. BGB) Das Kaufrecht ist ein zentrales Element dieses Urteils, da der Kläger und die Beklagte einen Kaufvertrag über ein gebrauchtes Fahrzeug abgeschlossen haben. Speziell kommen hier die Regeln zur Sachmängelhaftung (§§ 434 ff. BGB) zur Anwendung, da der Kläger Mängel am gekauften Fahrzeug geltend macht. Der Kläger hat insbesondere wegen Mängeln am Luftfederfahrwerk den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt, da mehrere Reparaturversuche seitens der Beklagten fehlgeschlagen sind.
  2. Werkvertragsrecht (§§ 631 ff. BGB) Das Werkvertragsrecht ist ebenfalls relevant, da die Behebung von Mängeln (Nacherfüllung), die im Rahmen des Kaufvertrags entstanden sind, in der Regel als Werkvertrag klassifiziert wird. Hierbei steht das Recht auf Nacherfüllung (§ 439 BGB) im Vordergrund, da der Kläger das Fahrzeug zur Mängelbeseitigung der Beklagten zur Verfügung gestellt hat. Das Fehlschlagen der Nacherfüllung kann zur Folge haben, dass der Käufer vom Vertrag zurücktritt (§ 437 Nr. 2, § 440, § 323 BGB).
  3. Zinsrecht (§ 288 BGB) Das Zinsrecht ist im Urteil relevant, da der Kläger von der Beklagten die Zahlung von Zinsen fordert. Dies betrifft Zinsen auf den Kaufpreis seit dem vermuteten Annahmeverzug sowie Zinsen auf den Ersatz des Zinsschadens. Die Regelungen des § 288 BGB, insbesondere zur Höhe der Verzugszinsen, sind hierbei entscheidend.
  4. Vertragsrecht und Schadensersatz (§§ 280 ff. BGB) Die allgemeinen Regeln zum Schadensersatz nach § 280 BGB spielen in dem Rechtsstreit ebenfalls eine Rolle. Hierbei geht es um die Frage, ob die Beklagte aufgrund einer Pflichtverletzung (Mangel der Kaufsache) Schadensersatz leisten muss. Konkret fordert der Kläger neben dem Kaufpreis auch den Ersatz von Kosten für Zulassung, Stellplatz, Nutzungsausfall und Fahrtkosten sowie vorgerichtlicher Anwaltskosten.
  5. Verfahrensrecht (ZPO) Schließlich ist das Zivilprozessrecht ein wichtiger Aspekt des Falles, insbesondere hinsichtlich der Kostenverteilung (§ 91 ZPO), der vorläufigen Vollstreckbarkeit (§§ 708 Nr. 11, 711 ZPO) und der Nichtzulassung der Revision (§ 543 ZPO).

Häufig gestellte Fragen

Was bedeutet Sachmängelhaftung?

Die Sachmängelhaftung regelt die Gewährleistung für den Zustand einer gekauften Sache. In Deutschland sind die Regeln dazu im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) in den §§ 434 ff. festgelegt. Wenn Sie als Käufer eine Sache erwerben, die nicht die vereinbarte Beschaffenheit aufweist (also einen Mangel hat), haben Sie bestimmte Rechte gegenüber dem Verkäufer. Dazu gehören das Recht auf Nacherfüllung, das Recht auf Minderung des Kaufpreises, das Recht auf Rücktritt vom Vertrag und das Recht auf Schadensersatz.

Was ist Nacherfüllung und wann gilt sie als fehlgeschlagen?

Nacherfüllung ist eines der Rechte, die Sie als Käufer im Falle eines Mangels haben. Das bedeutet, dass Sie vom Verkäufer verlangen können, den Mangel zu beheben oder Ihnen eine mangelfreie Sache zu liefern. Die Nacherfüllung gilt als fehlgeschlagen, wenn der Verkäufer die Mängelbeseitigung oder Ersatzlieferung endgültig und ernsthaft verweigert, zweimal erfolglos versucht hat, den Mangel zu beheben, oder wenn sie für den Käufer unzumutbar ist. Wenn die Nacherfüllung fehlgeschlagen ist, können Sie als Käufer vom Vertrag zurücktreten oder den Kaufpreis mindern und ggf. Schadensersatz verlangen.

Wann kann ich vom Kaufvertrag zurücktreten?

Sie können vom Kaufvertrag zurücktreten, wenn die Nacherfüllung fehlgeschlagen ist oder wenn der Verkäufer sie verweigert hat. Zudem ist ein Rücktritt auch möglich, wenn der Mangel so erheblich ist, dass er die Gebrauchstauglichkeit der Sache erheblich beeinträchtigt oder wenn der Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen hat. Beachten Sie, dass Sie den Rücktritt ausdrücklich erklären müssen und dass Sie die Kaufsache in der Regel zurückgeben müssen.

Wie kann ich Schadensersatz geltend machen?

Wenn Sie als Käufer wegen eines Mangels Schaden erleiden, können Sie unter bestimmten Voraussetzungen Schadensersatz vom Verkäufer verlangen. Sie müssen jedoch nachweisen, dass der Verkäufer den Mangel zu vertreten hat, d.h. dass er den Mangel kannte oder fahrlässig nicht kannte. Zudem muss ein kausaler Zusammenhang zwischen dem Mangel und dem Schaden bestehen. Der Schaden kann z.B. aus Aufwendungen für die Mangelbeseitigung, Nutzungsausfall oder aus sonstigen Nachteilen bestehen, die Ihnen durch den Mangel entstanden sind.

Was bedeutet vorläufige Vollstreckbarkeit eines Urteils?

Die vorläufige Vollstreckbarkeit eines Urteils bedeutet, dass der Kläger bereits vor Rechtskraft des Urteils – also bevor etwaige Rechtsmittel wie Berufung oder Revision durchgeführt wurden – seine Ansprüche durchsetzen kann. Er kann also schon jetzt die Zahlung oder sonstige Leistung verlangen, die das Gericht dem Beklagten auferlegt hat. Es ist allerdings möglich, dass der Beklagte durch Sicherheitsleistung (meist durch Hinterlegung einer Geldsumme) die Vollstreckung vorläufig abwenden kann, um abzuwarten, ob das Urteil in einem möglichen Berufungs- oder Revisionsverfahren Bestand hat.

Was bedeutet es, wenn die Revision nicht zugelassen wird?

Die Nichtzulassung der Revision bedeutet, dass gegen das Urteil kein Rechtsmittel mehr eingelegt werden kann. Eine Revision ist ein Rechtsmittel, mit dem die Entscheidung des Gerichts auf Rechtsfehler überprüft wird. Sie ist nur in bestimmten Fällen und nur dann zulässig, wenn sie vom Gericht zugelassen wurde. Wird die Revision nicht zugelassen, ist das Urteil rechtskräftig und kann nicht mehr angefochten werden. Es besteht allerdings unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit, gegen die Nichtzulassung der Revision Beschwerde beim Bundesgerichtshof einzulegen.

Was sind die typischen Schritte in einem Zivilprozess?

Ein Zivilprozess beginnt in der Regel mit der Klageerhebung. Der Kläger legt seine Ansprüche dar und begründet sie. Der Beklagte kann dann darauf antworten und seine Sicht der Dinge schildern. Es kann auch ein Beweisverfahren durchgeführt werden, in dem z.B. Zeugen gehört oder Sachverständige befragt werden. Schließlich trifft das Gericht eine Entscheidung, die in einem Urteil festgehalten wird. Gegen das Urteil können unter bestimmten Voraussetzungen Rechtsmittel eingelegt werden.

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