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Voraussetzungen eines sofortigen Anerkenntnisses

Oberlandesgericht Bremen – Az.: 1 W 11/18 – Beschluss vom 29.05.2018

1. Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen die Kostenentscheidung im Anerkenntnisurteil des Landgerichts Bremen vom 06.10.2017 – Az. 4 O 989/17 – wird auf Kosten des Beklagten als unbegründet zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

Der Beklagte wendet sich gegen die Kostengrundentscheidung im Anerkenntnisurteil des Landgerichts Bremen vom 06.10.2017.

Der Kläger nimmt den Beklagten in seiner Eigenschaft als Testamentsvollstrecker über den Nachlass des C. B., gestorben am …08.1994, auf Freigabe von zum Nachlass zählender Grundstücke in Anspruch. Zum Nachlass des Erblassers C. B. zählte ein landwirtschaftlicher Besitz in X, der als Hof im Sinne der Höfeordnung qualifiziert ist. In der Abteilung II Nr. 6 des Grundbuchs der entsprechenden Grundstücke ist die Anordnung der Testamentsvollstreckung vermerkt. Hoferbin war zunächst die Tochter des Erblassers, Frau H. Diese wurde nach ihrem Tod von mehreren Personen, u.a. dem Kläger beerbt; der Kläger allein wurde aber Hoferbe und ist als Eigentümer im Grundbuch der streitbefangenen Grundstücke eingetragen. Mit Schreiben vom 02.05.2017, ergänzt mit Schreiben vom 10.05.2017, forderte der Kläger den Beklagten unter Fristsetzung zum 17.05.2017 zur Freigabe einiger zum Hof zählender Grundstücke aus der Nachlasshaftung auf, weil er, der Kläger, diese Grundstücke veräußern wolle. Vorsorglich erklärte er, den Beklagten von etwaigen Ansprüchen der Miterben freistellen zu wollen. Der Beklagte reagierte hierauf nicht. Mit Klageschrift vom 11.07.2017 verfolgte der Kläger sein Begehren im Klagewege. Das Landgericht ordnete mit Verfügung vom 12.07.2017 das schriftliche Vorverfahren an und bestimmte die weitere Frist zur Klageerwiderung auf drei Wochen. Die Klageschrift wurde dem Beklagten am 25.07.2017 zugestellt. Erst am 11.08.2017 ging der Schriftsatz des Beklagten vom 08.08.2017 ein, mit dem der Beklagte seine Verteidigungsbereitschaft anzeigte und sich ein Anerkenntnis vorbehielt. Die Klageerwiderungsfrist ließ der Beklagte ohne weitere Erklärungen im Prozess verstreichen. Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 22.09.2017 erkannte der Beklagte den Anspruch unter Protest gegen die Kostenlast an.

Mit Anerkenntnisurteil vom 06.10.2017 – Az. 4 O 989/17 – verurteilte das Landgericht den Beklagten antragsgemäß zur Freigabe der im einzelnen bezeichneten streitgegenständlichen Grundstücke und zu deren Entlassung aus der Haft des in Abteilung II Nr. 6 des Grundbuchs eingetragenen Rechts. Die Kosten des Rechtsstreits erlegte es dem Beklagten nach § 91 ZPO auf. § 93 ZPO finde keine Anwendung zugunsten des Beklagten. Denn dieser habe Anlass zur Klageerhebung gegeben, indem er auf die vorgerichtlichen Leistungsaufforderungen unter Fristsetzung nicht reagiert habe, auch nicht derart, dass er eine Fristverlängerung zur Prüfung verlangt hätte. Daher sei dem Kläger nichts anderes übrig geblieben, als den Freigabeanspruch – wie schon zuvor in anderen Fällen – klageweise geltend zu machen. Das Anerkenntnis sei auch nicht sofort erklärt worden, weil es hierfür spätestens bis zum Ablauf der Klageerwiderungsfrist hätte erklärt werden müssen.

Das Urteil wurde dem Beklagten am 15.12.2017 zugestellt. Mit der am 22.12.2017 eingegangenen sofortigen Beschwerde wendet der Beklagte sich gegen die Kostenentscheidung des Anerkenntnisurteils und begehrt, die Kosten dem Kläger aufzuerlegen. Anlass zur Klageerhebung habe er nicht gegeben, denn das Freigabeverlangen sei von Anfang an unbegründet gewesen. Gründe für eine Freigabe seien nicht dargelegt worden. Erst nach eingehender Prüfung habe der Beklagte festgestellt, dass die Grundstücke zur Sicherung von Nachlassforderungen nicht mehr benötigt würden. Außerdem sei das Freigabeverlangen nicht von allen Miterben der Erbengemeinschaft nach Frau H. gestellt worden. Das Anerkenntnis stelle daher nur eine freiwillige Überlassung von Nachlassgegenständen an einen Erben dar. Das Anerkenntnis sei auch rechtzeitig erklärt worden, schließlich habe der Beklagte sich mit der Verteidigungsanzeige ein solches Anerkenntnis ausdrücklich vorbehalten. Außerdem habe dem Beklagten eine hinreichend lange Prüfungsfrist eingeräumt werden müssen.

II.

1. Die sofortige Beschwerde gegen die Kostengrundentscheidung im Anerkenntnisurteil des Landgerichts Bremen vom 06.10.2017 ist gemäß §§ 567 Abs. 1 Nr. 1, 99 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthaft. Die Beschwerde wurde innerhalb der Frist des § 569 Abs. 1 ZPO eingelegt. Die gemäß § 567 Abs. 2 ZPO notwendige Kostenbeschwer ist überschritten, da die Kostengrundentscheidung in Ansehung des Streitwertes von 7.500,- € zu einer Kostenlast des Beklagten in Höhe von deutlich über 200,- € führen wird. Auch der Wert für eine Berufung in der Hauptsache aus § 511 ZPO, auf dessen Überschreitung es gemäß § 99 Abs. 2 Satz 2 ZPO zusätzlich ankommt (vgl. Zöller-Herget, § 99 ZPO Rn. 6), ist vorliegend überschritten, so dass die sofortige Beschwerde zulässig ist.

2. Die Beschwerde erweist sich aber als unbegründet. Die Voraussetzungen des § 93 ZPO liegen nicht vor, so dass es bei der Kostenlast des Beklagten aus § 91 Abs. 1 ZPO sein Bewenden hat.

Die Vorschrift des § 93 ZPO begründet eine Ausnahme von dem in § 91 Abs. 1 ZPO normierten Grundsatz, dass die unterliegende Partei die Kosten zu tragen hat. Die Ausnahme dient dazu, den Beklagten vor übereilten Klagen zu schützen und unnötige Prozesse zu vermeiden (vgl. Hans. OLG in Bremen, Beschluss vom 07.03.2012 – 1 W 77/11; Musielak-Voit/Flockenhaus, 15. Aufl., § 93 ZPO Rn. 1; Thomas/Putzo-Hüßtege, 39. Aufl., § 93 ZPO Rn. 1). Eine Kostenlast des obsiegenden Klägers nach dieser Vorschrift setzt voraus, dass der Beklagte keinen Anlass für die Klageerhebung gegeben hat und dass er sofort anerkennt.

a) Zu Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, dass der Beklagte durch sein Schweigen auf die vorgerichtliche Leistungsaufforderung Anlass zur Klageerhebung gegeben hat.

Veranlassung zur Klageerhebung gibt eine Partei, wenn ihr Verhalten vor dem Prozess aus der Sicht des Klägers bei vernünftiger Betrachtung hinreichenden Anlass für die Annahme bietet, er werde ohne Inanspruchnahme der Gerichte nicht zu seinem Recht kommen (vgl. BGH, Urteil vom 27.06.1979 – VIII ZR 233/78, juris Rn. 21, NJW 1979, 2040; Beschluss vom 08.03.2005 – VIII ZB 3/04, juris Rn. 5, NJW-RR 2005, 1005; Beschluss vom 30.05.2006 – VI ZB 64/05, juris Rn. 10, BGHZ 168, 57; Beschluss vom 22.10.2015 – V ZB 93/13, juris Rn. 19, NJW 2016, 572). Dieser Schluss ist etwa dann gerechtfertigt, wenn der Schuldner eine fällige Forderung trotz Aufforderung nicht bezahlt (vgl. BGH, Urteil vom 27.06.1979 – VIII ZR 233/78, juris Rn. 20, NJW 1979, 2040; Beschluss vom 22.10.2015 – V ZB 93/13, juris Rn. 19, NJW 2016, 572) oder bei anderen Klageansprüchen den Gläubiger auf Aufforderung hin nicht klaglos stellt (vgl. BGH, Urteil vom 27.06.1979 – VIII ZR 233/78, juris Rn. 20, NJW 1979, 2040; OLG Stuttgart, Beschluss vom 08.05.2007 – 6 W 35/07, juris Rn. 23, NJW-RR 2007, 1580; Stein/Jonas-Bork, 22. Aufl., § 93 ZPO Rn. 20). Auf ein Verschulden des Beklagten kommt es nicht an (vgl. Zöller-Herget, 32. Aufl., § 93 ZPO Rn. 3; Thomas/Putzo-Hüßtege, 39. Aufl., § 93 ZPO Rn. 4; Stein/Jonas-Bork, 22. Aufl., § 93 ZPO Rn. 13; MK-Schulz, 5. Aufl., § 93 ZPO Rn. 8).

Darüber hinaus kommt es auch nicht darauf an, ob der in Rede stehende Anspruch im Zeitpunkt des Anerkenntnisses materiell-rechtlich bestanden hat oder ob die darauf gerichtete Klage schlüssig war.

aa) Allerdings wird in der obergerichtlichen Rechtsprechung die Auffassung vertreten, dass der Beklagte keine Veranlassung zur Klageerhebung gibt, wenn der geltend gemachte Anspruch nicht besteht (so OLG Naumburg, Beschluss vom 12.12.2002 – 8 WF 236/02, juris Rn. 5, FamRZ 2003, 1576) bzw. wenn die Begründung für den anerkannten Klageanspruch nicht schlüssig ist (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 29.09.1979 – 4 W 47/79, MDR 1980, 501; Beschluss vom 26.03.2012 – 18 WF 97/11, juris Rn. 18, FamRZ 2012, 1967; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 23.11.1992 – 20 W 61/92, juris Rn. 2, MDR 1993, 801; OLG Hamm, Beschluss vom 29.12.2005 – 2 WF 426/05, juris Rn. 9 f., FamRZ 2006, 1770; Musielak-Voit/Flockenhaus, 15. Aufl., § 93 ZPO Rn. 2, einschränkend Rn. 27). Hierfür wird angeführt, dass der Beklagte sich gegen einen Anspruch zur Wehr setzen dürfe, der nicht oder noch nicht bestehe, ohne Kostenfolgen befürchten zu müssen. Zu einer nicht schlüssigen Klage gebe der Beklagte niemals Anlass und er müsse sie auch nicht vorsorglich anerkennen, um einer Kostenlast zu entgehen.

bb) Andere Oberlandesgerichte vertreten demgegenüber die Auffassung, dass es auf die materielle Rechtslage (vgl. OLG Schleswig, Beschluss vom 08.01.1982 – 9 W 72/80, JurBüro 1982, 1570; OLG Hamm, Beschluss vom 06.02.1990 – 20 W 65/89, juris Rn. 4, VersR 1990, 1025; Beschluss vom 23.01.2003 – 27 W 41/02, juris Rn. 3, OLGR Hamm 2003, 232; OLG Saarbrücken, Beschluss vom 23.04.2014 – 4 W 16/14, juris Rn. 5, NJW-RR 2015, 25; Zöller-Herget, 32. Aufl., § 93 ZPO Rn. 3) und auch auf die Schlüssigkeit der Klage nicht ankomme (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 24.08.1999 – 12 U 53/99, juris Rn. 4, OLGR Stuttgart 1999, 414. Thomas/Putzo-Hüßtege, 39. Aufl., § 93 ZPO Rn. 5), zumindest dann, wenn der Beklagte ungeachtet einer etwaigen Unschlüssigkeit der Klage anerkennt (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 08.05.2007 – 6 W 35/07, juris Rn. 25; Musielak-Voit/Flockenhaus, 15. Aufl., § 93 ZPO Rn. 27; Stein/Jonas-Bork, 22. Aufl., § 93 ZPO Rn. 10 a.E.). Hierfür wird u.a. angeführt, dass der Beklagte durch sein Anerkenntnis eine materiell-rechtliche Prüfung durch das Gericht verhindere und dass er sich widersprüchlich verhalte, wenn er vorprozessual nicht leiste, sich im Prozess dem Klagebegehren aber unterwirft und gleichwohl die Kosten nicht tragen wolle.

cc) Der Senat schließt sich der letztgenannten Auffassung an.

(1) Soweit die entgegenstehende Auffassung damit begründet wird, dass der Schuldner zu einer unschlüssigen Klage niemals Veranlassung geben könne, verkennt dies, dass für die Frage der Klageveranlassung allein das vorprozessuale Verhalten des Beklagten maßgeblich ist (vgl. ausdrücklich BGH, Urteil vom 27.06.1979 – VIII ZR 233/78, juris Rn. 21, NJW 1979, 2040; Beschluss vom 08.03.2005 – VIII ZB 3/04, juris Rn. 5, NJW-RR 2005, 1005). Darauf, ob eine später erhobene Klage schlüssig begründet worden ist oder nicht, kann es für die Frage der Klageveranlassung daher nicht ankommen. Eine vorgerichtliche Leistungsaufforderung muss auch nicht etwa regelmäßig den Anforderungen an eine Klageschrift genügen. Die anfängliche Unschlüssigkeit einer erhobenen Klage mag in Ansehung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes Auswirkungen auf die Frage haben, ob ein später im Verlauf des Prozesses abgegebenes Anerkenntnis noch sofort im Sinne des § 93 ZPO erklärt worden ist (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 03.03.2004 – IV ZB 21/03, juris Rn. 11, NJW-RR 2004, 999; aber auch Rn. 13 ff.). Für die Frage aber, ob der Beklagte zuvor Veranlassung für die Erhebung der Klage gegeben hat, ist eine etwaige Unschlüssigkeit der Klagebegründung nicht von Belang.

(2) Darüber hinaus kommt es im Regelfall auch nicht darauf an, ob der vorgerichtlich geltend gemachte Anspruch tatsächlich bestand oder nicht.

Bereits der Wortlaut der Vorschriften der §§ 91, 93 ZPO lässt den gesetzgeberischen Willen erkennen, die Kostenentscheidung zur Vereinfachung an eher formale Kriterien wie das Obsiegen und Unterliegen in § 91 ZPO anzuknüpfen (vgl. Looff, JurBüro 2008, S. 65 [67]). Eine solche Vereinfachung der Kostenentscheidung wird nicht erreicht, wenn man im Rahmen der Prüfung der Klageveranlassung die Hauptsacheentscheidung – möglicherweise bis hin zur Beweisaufnahme über streitige und entscheidungserhebliche Tatsachen – in das Kostenverfahren verlagert (vgl. Looff, JurBüro 2008, S. 65 [67]; ähnlich auch OLG Stuttgart, Beschluss vom 08.05.2007 – 6 W 35/07, juris Rn. 25, NJW-RR 2007, 1580; Musielak-Voit/Flockenhaus, 15. Aufl., § 93 ZPO Rn. 27).

Auch die Grundprinzipien des Kostenrechts sprechen gegen eine Berücksichtigung der Frage, ob der anerkannte Anspruch materiell-rechtlich bestanden hat. Die Kostenregelungen der ZPO werden von dem Gedanken der Billigkeit, insbesondere der Veranlasserhaftung beherrscht. Der Grundsatz, dass der im streitigen Verfahren Unterliegende die Prozesskosten zu tragen hat, beruht darauf, dass er die Vermutung gegen sich hat, Anlass zum Streit gegeben zu haben. § 93 ZPO durchbricht diese Regelung, um den Beklagten vor übereilten Klagen und unnötigen Prozessen zu schützen (vgl. BGH, Beschluss vom 30.05.2006 – VI ZB 64/05, juris Rn. 19, NJW 2006, 2490). Diese Vermutung der Veranlassung hat aber auch der Anerkennende zunächst gegen sich, schließlich unterwirft er sich dem Leistungsverlangen des Klägers. Ihm werden nur weitergehende Möglichkeiten eingeräumt, geltend zu machen, dass es der Klage gar nicht bedurft hätte, um ihn zur Erfüllung zu bewegen. Mit dem Einwand, tatsächlich gar nichts geschuldet zu haben, macht der Beklagte aber keineswegs geltend, dass er auch ohne Klage erfüllungsbereit gewesen wäre. Er wehrt sich also nicht gegen die Annahme, Veranlasser des Streits gewesen zu sein, sondern beabsichtigt, den Streit in der Kostenentscheidung weiterzuführen. Im Grunde bestärkt dieser Vortrag eher den Eindruck, dass der Kläger ohne Klage nicht zu seinem Recht gekommen wäre.

Auch die Erwägung, dass derjenige, der nichts schuldet, keinen Anlass zur Klageerhebung geben könne, greift nicht durch. Denn diese Auffassung erlaubte im Ergebnis einander widersprechende Sach- und Kostenentscheidungen. Allerdings vermag das Argument der Gegenauffassung, dass das Anerkenntnis den Anspruch auch mit Blick auf die Kosten einer jeden gerichtlichen Prüfung entzöge (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 06.02.1990 – 20 W 65/89, juris Rn. 4, VersR 1990, 1025; OLG Schleswig, Beschl. v. 08.01.1982 – 9 W 72/80, JurBüro 1982, 1570), ebenfalls nicht zu überzeugen, denn eine solche strikte Folge ordnet das Gesetz in § 307 Satz 1 ZPO nur für die Sachentscheidung an (kritisch auch BeckOK ZPO/Jaspersen, 28. Edition, § 93 Rn. 37; Looff, JurBüro 2008, 65 [66]). § 93 ZPO erlaubt es daneben, die Kostenentscheidung auch auf Grund anderer Kriterien zu treffen. Zu Recht wird daher von einer Lockerung des Verbundes zwischen Sach- und Kostenentscheidung gesprochen (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 29.09.1979 – 4 W 47/79, MDR 1980, 501; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 23.11.1992 – 20 W 61/92, juris Rn. 3, MDR 1993, 801). Aus einer solchen Lockerung folgt aber nicht, dass einander widerstreitende Sach- und Kostenentscheidungen ohne Weiteres zulässig wären. Es mag möglich sein, andere Umstände als die Frage der Begründetheit des – anerkannten – Leistungsbegehrens des Klägers im Rahmen der Kostenentscheidung zu berücksichtigen (so wohl OLG Karlsruhe, Beschluss vom 29.09.1979 – 4 W 47/79, MDR 1980, 501). Die Kostenentscheidung darf sich aber nicht dadurch in direkten Widerspruch zur Sachentscheidung setzen, dass eine Klageveranlassung allein mit dem Argument abgelehnt wird, dass die vorgerichtlich geforderte und später anerkannte Leistungspflicht tatsächlich nicht bestanden habe. Hinzu kommt, dass dem Beklagten, der sich gegen die Kostenlast mit dem Argument wehrt, der anerkannte Anspruch bestehe nicht, widersprüchliches Verhalten vorzuhalten ist (vgl. auch OLG Stuttgart, Beschluss vom 08.05.2007 – 6 W 35/07, juris Rn. 25, NJW-RR 2007, 1580). Dieser Widerspruch liegt darin, dass der Beklagte einerseits – auch zur Kostenreduktion – den Prozess durch sein Anerkenntnis beendet und dadurch die Beurteilung der materiellen Rechtslage durch das Gericht entbehrlich macht, aber andererseits im Rahmen der Kostenentscheidung die Folgen seines Prozessverhaltens nicht gegen sich selbst gelten lassen will. Insgesamt kann das Fehlen einer Klageveranlassung daher nicht allein auf eine Unbegründetheit des Anspruches gestützt werden.

dd) Nach zutreffender Auffassung kommt es zur Beurteilung der Klageveranlassung vielmehr darauf an, welche Obliegenheiten die Parteien in der vorgerichtlichen Auseinandersetzung zur Vermeidung überflüssiger Prozesse treffen. Die Frage, ob der Beklagte durch sein vorgerichtliches Verhalten aus Sicht des Klägers Anlass zur Klageerhebung gegeben hat, ist das Ergebnis wertender Betrachtung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles (vgl. Hans. OLG Hamburg, Beschluss vom 20.07.2006 – 5 W 86/06, juris Rn. 5, GRUR-RR 2007, 175; MK-Schulz, 5. Aufl., § 93 ZPO Rn. 7). Maßgebend sind vor allem das dem geltend gemachten Anspruch zu Grunde liegende Schuldverhältnis (vgl. BeckOK ZPO/Jaspersen, 28. Edition, § 93 Rn. 37; Looff, JurBüro 2008, 65 [68 f.]), aber auch die Verkehrssitte, aus der sich etwa Anforderungen an die vorgerichtlichen Obliegenheiten des Klägers ergeben können, seinen Anspruch zu beziffern und zu belegen (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 31.01.2012, I-24 W 69/11 u.a., juris Rn. 3; OLG Saarbrücken, Beschluss vom 05.12.2016 – 4 W 19/16, juris Rn. 16 f., NJW-RR 2017, 697). Hiernach bemisst sich, ob ein solches Leistungsbegehren des Klägers vorlag, angesichts dessen eine Obliegenheit des Beklagten zur Reaktion entstand. So fehlt es anders formuliert an einer Klageveranlassung, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Kläger bei hinreichender vorgerichtlicher Begründung seines Begehrens auch ohne Klage zu seinem Recht gekommen wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 08.03.2005 – VIII ZB 3/04, juris Rn. 6, NJW-RR 2005, 1005). Ebenso kann sich aus dem zu Grunde liegenden Schuldverhältnis die Obliegenheit des Beklagten ergeben, vorprozessual offen zu legen, weshalb er Zweifel an dem geltend gemachten Anspruch hegt (OLG München, Beschluss vom 01.12.1999 – 1 W 3034/99, juris Rn. 27, OLGR München 2000, 229; OLG Stuttgart, Beschluss vom 02.05.2012 – 13 W 16/12, juris Rn. 5, NJW-RR 2012, 763; MK-Schulz, 5. Aufl., § 93 ZPO Rn. 8). In einem solchen Fall kann es durchaus auf die Berechtigung der Einwände des Beklagten ankommen. So ist die Erwartung des Klägers, nur durch eine Klage zu seinem Recht zu kommen, in der Regel dann nicht begründet, wenn der Beklagte zu erkennen gibt, dass er die Leistung nur wegen eines Gegenanspruches zurückhält und dieser Anspruch besteht (vgl. BGH, Beschluss vom 22.10.2015 – V ZB 93/13, juris Rn. 20, NJW 2016, 572).

Ausgehend hiervon hat der Beklagte hier Anlass zur Klageerhebung gegeben, indem er auf das Freigabeverlangen des Klägers – wie schon zuvor – gar nicht reagierte. Vorliegend hat der Kläger in seiner Rolle als Miterbe und Hoferbe den Beklagten als Testamentsvollstrecker zur Freigabe von Grundstücken mit der Begründung aufgefordert, dass er eine Veräußerung beabsichtige. Eine weitergehende Begründung war zunächst nicht erforderlich, um die Obliegenheit des Beklagten entstehen zu lassen, hierauf zu reagieren, wenn er das Begehren für unschlüssig hielt oder die gesetzte Frist als zu kurz empfand. Denn der Testamentsvollstrecker, der die letztwilligen Verfügungen des Erblassers auszuführen hat (§ 2203 BGB), handelt in einer dem Treuhänder vergleichbaren Position und ist den Erben gegenüber zur ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses verpflichtet (§§ 2205, 2219 BGB; vgl. auch Palandt-Weidlich, 77. Aufl., Einf v § 2197 BGB Rn. 3). Ausgehend hiervon ist er gehalten, auf ein Freigabeverlangen eines Erben gemäß § 2217 Abs. 1 BGB zu reagieren und ggf. mitzuteilen, warum die ordnungsgemäße Verwaltung des Nachlasses eine solche Freigabe nicht erlaubt. Der Umstand, dass er auf das vorgerichtliche Verlangen des Klägers gar nicht reagierte, musste aus Sicht des Klägers die Erwartung entstehen lassen, dass er den Beklagten ohne eine gerichtliche Geltendmachung nicht zur Freigabe der Grundstücke werde bewegen können, zumal der Beklagte angesichts der Feststellungen des Landgerichts auch in der Vergangenheit gerichtlich zur Freigabe von Nachlassgegenständen gezwungen werden musste.

Die erstmals im Kostenverfahren angeführten Argumente gegen das Bestehen eines solchen Freigabeanspruches können daran ungeachtet dessen, ob sie zutreffend sind, nichts ändern. Denn der Beklagte wäre jedenfalls in Ansehung der ihm als Testamentsvollstrecker gegenüber den Erben obliegenden Pflichten gehalten gewesen, den Kläger darauf hinzuweisen, dass nach seiner Auffassung eine Zustimmung der Miterben (möglicherweise auch nach dem Erblasser C. B.) zum Freigabeverlangen vorliegen müsse, obwohl sich das Verlangen auf solche Grundstücke bezog, die im Wege der Sonderrechtsnachfolge der HöfeO allein auf den Kläger übergegangen sind. Auch soweit er längere Zeit zur Prüfung der Freigabemöglichkeit als mit der Fristsetzung zugebilligt benötigt haben sollte – was bisher nicht substantiiert dargelegt worden ist -, wäre er gehalten gewesen, dies vorgerichtlich gegenüber dem Kläger deutlich zu machen. Wegen des Schweigens des Beklagten aber musste der Kläger annehmen, dass eine Klageerhebung erforderlich ist. Im Übrigen ist die Klage auch erst 2 Monate nach der Aufforderung an den Beklagten erhoben worden. Es ist weder dargelegt noch ersichtlich, weshalb dem Beklagten innerhalb dieses Zeitraums eine Prüfung des Freigabeverlangens nicht möglich gewesen sein sollte.

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b) Ebenfalls zu Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, dass der Beklagte das Anerkenntnis nicht rechtzeitig erklärt hat.

Ein Anerkenntnis ist dann sofort erklärt, wenn es bei der ersten sich bietenden prozessualen Gelegenheit erklärt wird (vgl. Stein/Jonas-Bork, 22. Aufl., § 93 ZPO Rn. 6; MK-Schulz, 5. Aufl., § 93 ZPO Rn. 12). Für den Fall, dass das Gericht ein schriftliches Vorverfahren anordnet, muss ein Anerkenntnis, um als sofort erklärt gelten zu können, zwar nicht bereits mit der Verteidigungsanzeige erklärt werden. Der Beklagte kann vielmehr, sofern die Verteidigungsanzeige noch keinen Sachantrag ankündigt oder das Klagevorbringen bestreitet, noch innerhalb der – ggf. verlängerten – Klageerwiderungsfrist mit der Folge des § 93 ZPO anerkennen (vgl. BGH, Beschluss vom 30.05.2006 – VI ZB 64/05, juris Rn. 22, BGHZ 168, 57; Beschluss vom 22.10.2015 – V ZB 93/13, juris Rn. 21, NJW 2016, 572). Allerdings kann die beklagte Partei ungeachtet des Verstreichens der Klageerwiderungsfrist auch dann noch mit der Folge des § 93 ZPO anerkennen, wenn die Klage zunächst in unschlüssiger Weise erhoben wurde und der Beklagte das Anerkenntnis nach Behebung dieses Mangels sofort, d.h. im darauf folgenden Schriftsatz erklärt (vgl. BGH, Beschluss vom 03.03.2004 – IV ZB 21/03, juris Rn. 11, NJW-RR 2004, 999).

Aus dieser Rechtsprechung wird teilweise die weitergehende Auffassung abgeleitet, dass für den Beginn des Zeitraums, innerhalb dessen ein Anerkenntnis erklärt werden muss, um als sofort gelten zu können, auf den Zeitpunkt abzustellen ist, zu dem eine schlüssige Klage (vgl. MK-Schulz, 5. Aufl., § 93 ZPO Rn. 15) oder gar eine erfolgversprechende und entscheidungsreife Klage gegeben sei (vgl. BeckOK ZPO/Jaspersen, 28. Edition, § 93 Rn. 94), so dass ein Anerkenntnis einer unschlüssigen Klage immer verfrüht und damit jedenfalls rechtzeitig sei (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 29.12.2005 – 2 WF 426/05, juris Rn. 11, MDR 2006, 890). Demgegenüber wird von anderen Stimmen in Rechtsprechung und Literatur die Auffassung vertreten, dass es unerheblich ist, ob die Klage schlüssig war, wenn sie anerkannt wird, ohne dass sich zuvor am Klägervortrag etwas Entscheidungserhebliches geändert hat (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 08.05.2007 – 6 W 35/07, juris Rn. 25, NJW-RR 2007, 1580; Musielak-Voit/Flockenhaus, 15. Aufl., § 93 ZPO Rn. 27; Stein/Jonas-Bork, 22. Aufl., § 93 Rn. 10).

Der Senat folgt der zuletzt genannten Auffassung. Dem Gesetzeswortlaut ist eine allgemeine Voraussetzung derart, dass die Sofortigkeit eine Schlüssigkeit der Klage oder gar die Begründetheit des geltend gemachten Anspruches voraussetzt, nicht zu entnehmen. Vielmehr ist der Zeitrahmen, den das Prozessrecht durch den Begriff „sofort“ zieht, ausgehend vom Normzweck des § 93 ZPO, den Beklagten vor übereilten Klagen zu schützen und unnötige Prozesse zu vermeiden, zu bestimmen (vgl. BGH, Beschluss vom 30.05.2006 – VI ZB 64/05, juris Rn. 19, NJW 2006, 2490). Ausgehend hiervon mag man ein rechtzeitiges Anerkenntnis dann noch annehmen können, wenn der Beklagte sich nur wegen der angeführten Unschlüssigkeit gegen die Klage verteidigt und konsequenterweise bei Behebung des Mangels sogleich anerkennt, denn dann mag im Einzelfall der Schluss gerechtfertigt sein, dass der Beklagte dann, wenn er von Anfang an mit einem hinreichend begründeten Anspruch konfrontiert worden wäre, sogleich geleistet hätte, ein Prozess also entbehrlich gewesen wäre. Erkennt der Beklagte aber ohne eine Veränderung des Klägervortrages – aus welchen Gründen auch immer – an, kommt es auf eine Schlüssigkeit der Klage nicht mehr an, weil deren etwaiges Fehlen jedenfalls nicht kausal für das übermäßige Zuwarten des Beklagten geworden ist. Ergibt sich in diesem Fall kein anderer Anhaltspunkt dafür, dass das Zuwarten allein auf einem anerkennenswerten Grund beruht (wie etwa das berechtigte Bestehen auf einem Zurückbehaltungsrecht gegenüber einem uneingeschränkten Klageantrag, vgl. BGH, Beschluss vom 08.03.2005 – VIII ZB 3/04, juris Rn. 7, NJW-RR 2005, 1005), ist auch keine Ausnahme von dem Grundsatz veranlasst, wonach im schriftlichen Vorverfahren eine Überschreitung der Klageerwiderungsfrist schädlich ist.

3. Die Kostenentscheidung ergibt sich wiederum aus § 97 Abs. 1 ZPO.

4. Die Rechtsbeschwerde war gemäß § 574 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 ZPO zuzulassen, da die Sache grundsätzliche Bedeutung hat. Die Frage, ob es zur Beurteilung einer Klageveranlassung auf die Begründetheit des anerkannten Anspruches oder auf die Schlüssigkeit der erhobenen Klage ankommt, wird in der obergerichtlichen Rechtsprechung unterschiedlich bewertet; eine höchstrichterliche Entscheidung hierzu liegt noch nicht vor. Das gleiche gilt für die Frage, ob ein jedes Anerkenntnis einer unschlüssigen Klage als verfrüht und damit rechtzeitig angesehen werden muss.

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