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Voraussetzungen fingierter Verkehrsunfall

OLG Stuttgart – Az.: 10 U 137/18 – Beschluss vom 21.09.2018

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 13.07.2018, Az. 18 O 348/17, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.

2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 12.10.2018.

Gründe

I.

Die Klägerin macht Schadensersatzansprüche wegen der Beschädigung ihres Pkw bei einem Verkehrsunfall am 26. November 2016 in … geltend.

Die Beklagte 2 hat die Aktivlegitimation der Klägerin bestritten sowie, dass es an dem von der Klägerin angegebenen Ort zur angegebenen Zeit zu einer Berührung zwischen dem klägerischen und dem bei ihr haftpflichtversicherten Fahrzeug der Beklagten 1 gekommen sei. Falls tatsächlich ein Zusammenstoß erfolgt sei, liege ein manipuliertes Schadensereignis vor.

Das Landgericht hat die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 12.870,15 € nebst Zinsen zu zahlen und die Klägerin von vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 958,19 € nebst Zinsen freizustellen.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten 2, die diese zugleich als Streithelferin der Beklagten 1 eingelegt hat, und mit welcher sie ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgt.

Wegen der Begründung wird auf den Schriftsatz vom 16. September 2018 verwiesen. *

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten 2 gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 12. Juli 2018 hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg, die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht. Eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten, weil dadurch der Beklagten 2 weitere Kosten entstünden, ohne dass durch eine mündliche Verhandlung weitere, für die Beklagte 2 günstige entscheidungserhebliche Erkenntnisse zu erwarten wären (§ 522 Abs. 2 ZPO). *

1.

Die Beklagte 2 wendet sich ohne Erfolg gegen die Bejahung der Aktivlegitimation der Klägerin durch das Landgericht.

Es ist zwar richtig, dass die Klägerin keinen (schriftlichen) Kaufvertrag und auch keine Rechnung über den Erwerb des Fahrzeugs vorgelegt hat. Allerdings hat die Klägerin neben weiteren Unterlagen wie einer Kopie der grünen Karte und des Fahrzeugbriefs eine verbindliche Bestellung vom 31. August 2015 bezüglich des Fahrzeugs zu einem Kaufpreis von 19.700,00 € vorgelegt, welche sie gegenüber dem Autohaus … GmbH abgegeben hat. Bei ihrer Anhörung durch das Landgericht gab die Klägerin an, das Fahrzeug in … bei „…“ gekauft zu haben. Sie habe das Fahrzeug selbst bezahlt und den Kaufpreis überwiesen. Es ist vor diesem Hintergrund nicht zu beanstanden, dass das Landgericht zu der Überzeugung gelangt ist, dass die Klägerin am 26. November 2016 die Eigentümerin des Fahrzeugs war. Es gibt keine Anhaltspunkte für einen Widerruf der verbindlichen Bestellung vom 31. August 2015. Vielmehr spricht der Umstand, dass die Klägerin über das Fahrzeug verfügt, als Halterin und Versicherungsnehmerin des Fahrzeugs ausgewiesen ist und Adressatin von Reparaturrechnungen ist, gegen einen Widerruf der Bestellung vom 31. August 2015. Anhaltspunkte für eine (Weiter-)Übereignung des Fahrzeugs durch die Klägerin nach dem Erwerb im Spätsommer 2015, beispielsweise eine Sicherungsübereignung, gibt es ebenso wenig wie für den Abschluss eines Leasingvertrags (ungeachtet des Umstands, dass beim Kfz-Leasing der Leasingnehmer typischerweise aufgrund des Leasingvertrags verpflichtet ist, Schadensersatzansprüche gegen Dritte geltend zu machen).

2.

Das Landgericht hat im Ergebnis zutreffend angenommen, dass das in der …straße in … auf Höhe des Gebäudes mit der Hausnummer 26 abgestellte Fahrzeug der Klägerin am 26. November 2016 durch die Beklagte 1, die mit dem zum damaligen Zeitpunkt bei der Beklagten 2 haftpflichtversicherten Mercedes ML rückwärtsfuhr, beschädigt wurde und dass kein Fall der Unfallmanipulation vorlag.

Voraussetzungen fingierter Verkehrsunfall
(Symbolfoto: Von Sergey Watgers/Shutterstock.com)

a) Für die Annahme eines verabredeten Unfalls oder einer sonstigen bewussten Herbeiführung eines Unfalles, die einen Ersatzanspruch des Geschädigten aus § 823 Abs. 1 u. Abs. 2 BGB oder §§ 7 oder 18 StVG ausschließt, gelten folgende Grundsätze: Der geschädigte Anspruchsteller hat das äußere Unfallgeschehen, also den Zusammenstoß der beteiligten Fahrzeuge nachzuweisen. Steht das äußere Unfallgeschehen fest, so müssen der Schädiger und sein Haftpflichtversicherer den Nachweis führen, dass der Geschädigte in die Beschädigung seines Fahrzeuges eingewilligt hat. Aufgrund der Indizien muss zur Überzeugung des Gerichts ein Unfallhergang festgestellt werden können, der auf eine einverständliche Schädigung hindeutet. Hierbei kommt es nicht darauf an, ob einzelne Gesichtspunkte für sich genommen einen gestellten Unfall beweisen. Einzelne Indizien können vielmehr ein Mosaik bilden, welches im Gesamtbild erkennen lässt, dass der Unfall fingiert ist. Häufen sich in auffälliger Weise Merkmale, die für gestellte Unfälle typisch sind, und bestehen hierauf deutende gewichtige Verdachtsgründe, so sind an den Indizienbeweis keine zu strengen Anforderungen zu stellen. Es bedarf keines lückenlosen Nachweises. Vielmehr reicht die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer Manipulation durch das Aufzeigen einer Vielzahl von Beweisanzeichen aus, die aufgrund ihrer ungewöhnlichen Häufung für einen verabredeten Unfall sprechen (OLG Köln, Beschluss vom 1. Juni 2016 – I-7 U 53/16, juris Rn. 2 m.w.N.; s.a. Kaufmann in Geigel, Haftpflichtprozess, 27. Aufl., 25. Kapitel Rn. 9 ff.).

b) Die Bejahung des äußeren Bildes eines Verkehrsunfalls wird von der Beklagten 2 in der Berufungsbegründung nicht angegriffen. Im Übrigen ist diese Feststellung des Landgerichts aufgrund der Angaben der Beklagten 1 bei ihrer Anhörung am 23. Mai 2018 sowie der polizeilichen Unfallaufnahme (Anlage K 9) nicht zu beanstanden. *

c) Der Senat teilt im Ergebnis die Auffassung des Landgerichts, dass nicht von einer Unfallmanipulation und damit von einer Einwilligung der Klägerin in die Beschädigung ihres Fahrzeugs auszugehen ist. Bei einer Gesamtwürdigung der Indizien kann nicht von einer erheblichen Wahrscheinlichkeit eines manipulierten Unfalls ausgegangen werden.

Entgegen der Auffassung der Beklagten 2 kann dabei nicht bereits als Indiz für ihre Auffassung angenommen werden, dass die Klägerin in der Klagebegründung lediglich einen „Minimalsachverhalt“ vorgetragen hat. Die Ausführungen in der Klagebegründung sind insbesondere unter Berücksichtigung, dass die Klägerin den Unfallhergang selber nicht beobachtet hat, nicht ungewöhnlich kurz.

Die von der Beklagten 2 als weiteres Indiz ins Feld geführte Bekanntschaft der Klägerin und der Beklagten 1 vor dem Unfallereignis beschränkte sich nach den Angaben der Beklagten 1 bei ihrer Anhörung durch das Landgericht darauf, dass die Beklagte 1 den Ehemann der Klägerin seiner Schwägerin kannte. Eine über diese, allenfalls als sehr weitläufig zu bezeichnende Bekanntschaft hinausgehende Bekanntschaft zwischen der Beklagten 1 und der Klägerin hat die Beklagte 2 nicht dargelegt.

Das Fehlen einer Verletzungsgefahr bei den Unfallbeteiligten oder das Fehlen einer tatsächlich bei der Beklagten 1 eingetretenen Verletzung als Indiz für eine Unfallmanipulation wird durch die Aussage des Sachverständigen relativiert, wonach das Beklagtenfahrzeug bei dem von der Beklagten 1 geschilderten Unfallhergang eine Geschwindigkeit von etwa 30 km/h erreicht haben kann. Eine solche Geschwindigkeit reicht nach der Feststellung des Sachverständigen ohne Weiteres aus, den Deformationsumfang an beiden Fahrzeugen zu erklären. Eine solche Geschwindigkeit ist auch geeignet, nicht völlig unerhebliche Verletzungen bei einem Insassen des bewegten Fahrzeugs herbeizuführen. Die korrespondiert mit den Angaben der Beklagten 1 bei ihrer Anhörung durch das Landgericht. Sie gab an, sie habe beim Rückwärtsrollen die Befürchtung gehabt, der gegenüber des in Richtung zur …straße abschüssigen Stichwegs auf der anderen Straßenseite der …straße befindliche Zaun könne ihren Wagen nicht aufhalten, weshalb sie rückwärts in den Friedhof „knallen“ könnte und das Ganze möglicherweise gar nicht überleben würde.

Nach der Schilderung der Beklagten 1 lag spätestens, als sich das von ihr gelenkte Fahrzeug rückwärts in Bewegung setzte, gerade kein einwandfrei zu beherrschender Verkehrsvorgang vor. Auch wenn das von der Beklagten 1 geschilderte Fahrmanöver nicht ohne weiteres nachvollziehbar ist, weil ein Verkehrsteilnehmer unter normalen Umständen gar nicht erst in eine solche Situation geraten dürfte, jedenfalls das rückwärts rollende Fahrzeug durch Betätigung des Bremspedals zum Stehen bringen könnte, ist auch dieses Indiz für sich genommen kein besonders starkes Indiz für eine Unfallmanipulation.

Richtig ist allerdings, dass die Beklagte 2 unter Beweisantritt vorgetragen hat, die Beklagte 1 falle durch eine besondere Schadenshäufigkeit seit August 2016 auf. Die Verwicklung eines angeblich Geschädigten in eine Mehrzahl von Unfallereignissen in einem überschaubaren Zeitraum stellt fraglos ein Indiz dar, das auf eine Unfallmanipulation hindeuten kann. Nach dem nicht bestrittenen Vorbringen der Beklagten 2 hat die Beklagte 1 im August 2016 drei Vollkaskoschäden gemeldet. Diese seien bereits im Jahr 2014 gegenüber der … Versicherung auf fiktiver Basis abgerechnet worden. Nach Kündigung des Versicherungsvertrags durch die Beklagte 2 habe die Beklagte 1 neben dem Haftpflichtschaden aufgrund des streitgegenständlichen Unfalls noch einen weiteren Haftpflichtschaden gemeldet, der sich am 21. November 2016, also fünf Tage vor dem streitgegenständlichen Unfall, ereignet haben soll.

Bei der gebotenen Gesamtabwägung genügt dieses Indiz auch in der Zusammenschau mit den weiteren Indizien nicht zu Bejahung einer erheblichen Wahrscheinlichkeit für eine Unfallmanipulation. Eine auffällige Widersprüchlichkeit der Angaben der Beklagten 1 kann dabei nicht angenommen werden. Nach Schilderung der Beklagten 2 hat die Beklagte 1 bei der telefonischen Schadensmeldung angegeben, es sei zu dem Vorgang gekommen, weil die Bremsen nicht funktioniert hätten. Dies entsprach zwar nicht den tatsächlichen Gegebenheiten, aber dem von der Beklagten 1 auch bei ihrer Anhörung durch das Landgericht geschilderten subjektiven Eindruck. Soweit sie in ihrer schriftlichen Schadensanzeige angegeben hat, sie sei in rückwärtiger Bewegung auf ein parkendes Auto gefahren, entspricht dies ebenfalls ihren sonstigen Angaben. In dem von der Polizei erstellten „Aufnahmeblatt“ heißt es, dass die Beklagte 1 ihren Pkw nicht ordnungsgemäß gegen ein Wegrollen gesichert habe, so dass dieser gegen den Pkw der Klägerin gerollt sei. Eine förmliche Vernehmung der Beklagten 1 durch die Polizei ist nicht erfolgt. Es kann daher bereits nicht festgestellt werden, ob die Schilderung in dem polizeilichen „Aufnahmeblatt“, die Beklagte 1 habe das Fahrzeug nicht ordnungsgemäß gegen ein Wegrollen gesichert habe, auf einer so erfolgten Aussage der Beklagte 1 beruht, oder ob es sich um eine Formulierung des aufnehmenden Polizeibeamten handelt.

Zu berücksichtigen ist bei der gebotenen Gesamtabwägung der für und gegen eine Unfallmanipulation sprechenden Umstände schließlich auch, dass die Klägerin keine fiktive Abrechnung des Unfallschadens auf Gutachtenbasis vornimmt, sondern den Schaden, der an ihrem Fahrzeug entstand, als dieses vor ihrem Wohnsitz geparkt war, ausweislich der als Anlage K 4 vorgelegten Rechnung der Fa. … hat reparieren lassen.

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III.

Nachdem die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, wird deren Rücknahme angeregt.

 

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