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Vorerbschaft – Auslegung eines Testaments


OLG Düsseldorf

Az: 3 Wx 146/13

Beschluss vom 20.02.2014


Tenor

Die Beschwerde wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Wert: bis 15.000 € (die Hälfte des Nachlasswertes)

Gründe

I.

Die Erblasserin verstarb am 19.04.1977. Sie war in erster Ehe verheiratet mit J. Wilhelm K.. Aus dieser Ehe ging der am 22.02.1985 verstorbene W. K. hervor, der verheiratet war mit K. H. K., verstorben am 08.04.1998. Die Beteiligten zu 1) und 2) sind deren Kinder.

Die Erblasserin war in zweiter Ehe verheiratet mit F. E., verstorben am 14.01.1954. Aus dieser Ehe ging eine Tochter, I. M., hervor, deren Ehemann 1945 kriegsverschollen war. Mit ihrem zweiten Ehemann hatte die Erblasserin in einem gemeinschaftlichen Testament vom 27.04.1952 bestimmt, dass der Überlebende die alleinige Verfügungsgewalt über ihr gesamtes Eigentum haben solle.

Ein von der Erblasserin am 07.11.1967 errichtetes Testament lautet wie folgt:

„Hiermit setze sich meine Tochter G. M., geborene E., als meine Erbin ein, mit der Bedingung, dass sie meinem Sohn aus erster Ehe 3.000 M ausbezahlt. Sie darf das Erbe nicht verkaufen und muss es bei ihrem Tode meinem Sohn, dessen Frau oder seinen Kindern überlassen.“

Am 17.02.1978 erteilte das Amtsgericht Mülheim an der Ruhr der Tochter der Erblasserin einen Erbschein, wonach diese Vorerbin nach der Erblasserin geworden ist mit dem Zusatz:

„Nacherbfolge tritt bei ihrem Tode ein, aber nur dann, wenn die Vorerbin nicht vom Sohn der Erblasserin W. K., dessen Ehefrau oder deren Kindern, gleichgültig, in welcher Zusammensetzung – beerbt wird. Nacherben sind dann die gesetzlichen Erben der Erblasserin.“

Die Vorerbin errichtete zwei notarielle Einzeltestamente. In dem Testament vom 17.10.1978 setzte sie unter Bezugnahme auf den Nacherbenzusatz im Erbschein die Beteiligte zu 1) zu ihrer Erbin ein. Zugleich vermachte sie ihrem damaligen Lebensgefährten ihren Hausrat und ihr übriges Vermögen, soweit sie es nicht von ihrer Mutter geerbt hat.

Am 07.07.2006 bestätigte sie die Erbeinsetzung und änderte das Testament hinsichtlich der Vermächtnisanordnung zugunsten ihres zwischenzeitlich verstorbenen Lebensgefährten, dahingehend, dass dieses entfallen sollte und vermachte den Eheleuten G. S. und K. B.-S. das auf ihren Konten befindliche Vermögen nach Abzug sämtlicher Kosten. Am 30.11.2012 verstarb die Vorerbin. Die Beteiligte zu 1) nahm das Erbe an.

Die Beteiligte zu 2) hat zunächst am 01.02.2013 beantragt, einen sie als Alleinerbin ausweisenden Erbschein zu erteilen.

Diesen Antrag hat das Gericht durch Beschluss vom 19.04.2013 zurückgewiesen und der Beteiligten zu 1) am 23.04.2013 die Absicht mitgeteilt, den Erschein vom 17.01.1978 einzuziehen, da dieser durch den Tod der Erbin unrichtig geworden sei.

Ebenfalls am 23.04.2013 hat die Beteiligte zu 2) – in Abänderung vom zuvor gestellten Erbscheinsantrag – beantragt, einen Erschein zu erteilen, wonach die Erblasserin von den Beteiligten zu 1) und 2) beerbt worden ist und den Erbschein vom 17.02.1978 einzuziehen.

Sie hat geltend gemacht, die Tochter der Erblasserin habe in deren Haus gewohnt. Die Erblasserin habe sie als Vorerbin eingesetzt, um ihr den weiteren Verbleib in der Grundbesitzung zu gewährleisten. Sie habe den Sohn nicht benachteiligen wollen und ihn deshalb zum Nacherben eingesetzt, ersatzweise dessen Frau und wiederum ersatzweise dessen Kinder. Keinesfalls habe sie ihrer Tochter die Wahl überlassen wollen, wer von den zuvor benannten Personen (Nach-)Erbe werden solle. Das widerspräche § 2065 BGB.

Das Amtsgericht hat auch diesen Antrag durch Beschluss vom 11.07.2013 zurückgewiesen, der hiergegen gerichteten Beschwerde der Beteiligten zu 2) vom 29.07.2013 durch Beschluss vom 05.08.2013 nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die gemäß § 58 FamFG statthafte Beschwerde der Beteiligten zu 2) hat in der Sache keinen Erfolg.

1.

Das Amtsgericht hat den Erbscheinsantrag zu Recht zurückgewiesen.

Die Erblasserin ist nicht von den Beteiligten, sondern von ihrer Tochter, G. M., beerbt worden.

Der damalige Nachlassrichter hat das Testament zu Recht dahin ausgelegt, dass die Nacherbfolge (nur) bedingt für den Fall angeordnet wurde, dass ihre Tochter weder von ihrem Bruder, ihrer Schwägerin oder ihren Nichten, egal in welcher Zusammensetzung, beerbt wird.

Es ging der Erblasserin darum, zu gewährleisten, dass ihre zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung verwitwete und kinderlose Tochter auch nach ihrem Tod in dem Haus würde wohnen können. Das sieht auch die Beteiligte zu 2) so. Zugleich wollte die Erblasserin sicherstellen, dass das Haus – nach dem Tod ihrer Tochter – in der Familie ihres Sohnes bleibt, der anders als ihre Tochter eigene Kinder hatte. Die Erblasserin hätte zur Erreichung dieses Zieles ihre Tochter als Vorerbin und ihren Sohn als Nacherben und die übrigen Personen als Ersatznacherben einsetzen können. Das hat sie aber nicht getan, sondern wollte offenbar ihrer Tochter überlassen, wem der von der Erblasserin genannten Personen sie das Erbe überlassen wollte. Dies ergibt sich aus der Formulierung, ihre Tochter dürfe das Erbe nicht verkaufen und müsse es nach ihrem eigenen Tod ihrem Bruder, dessen Ehefrau oder deren Kindern überlassen. Die der Erblasserin vorschwebende Konstruktion, ihrer Tochter die Auswahl des Nacherben zu überlassen, ist indes mit § 2065 BGB nicht zu vereinbaren.

Demgegenüber ist nach h.M. die Einsetzung von Nacherben unter der – ausdrücklichen oder stillschweigenden – Potestativbedingung, dass der Vorerbe keine anderweitige Verfügung über seinen eigenen Nachlass trifft, zulässig (Litzenburger in Beck’scher Online-Kommentar, BGB, § 2065, Rdnr. 12 m.w.N.; Leipold in Münchener Kommentar, BGB, § 2065, Rdn3. 16). Da die Bedingung, dass die Tochter der Erblasserin in bestimmter Weise beerbt wird, erst bei deren Tod eintrat, unterlag sie bis dahin den Beschränkungen des Vorerben (vgl. Litzenburger, a.a.O.). Auf diese Weise wird auch der Wille der Erblasserin verwirklicht, ihre Tochter dürfte das Erbe nicht verlangen.

Der damalige Nachlassrichter hat daher zu Recht das Testament geltungserhaltend, § 2084 BGB, dahingehend ausgelegt, dass die Erblasserin nach ihrem hypothetischen Willen ihre Tochter – nur – als Vorerbin eingesetzt hat unter der auflösenden Bedingung, dass diese von einer der genannten Personen – egal in welcher Zusammensetzung – beerbt wird. Diese Auslegung lässt sich mit § 2065 BGB vereinbaren und führt hinsichtlich des Vermögens der Erblasserin zu dem gleichen Ergebnis.

2.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 84 FamFG.

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