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Vorgesetztenbeleidigung – fristlose Kündigung

Landesarbeitsgericht Köln

Az: 9 Sa 826/09

Urteil vom 25.11.2009


1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 12. Februar 2009 – 15 Ca 4548/08 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Tatbestand:
Die Parteien streiten darüber, ob das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis durch fristlose Kündigung der Beklagten vom 13. Mai 2008 und/oder 2. Juni 2008 beendet worden ist.

Der Kläger, geboren am 7. April 1945, mit einem Grad von 60 schwerbehindert, ist bzw. war bei der Beklagten seit dem 10. September 1990 beschäftigt als Stapelfahrer bzw. als Lagerarbeiter.

Am 8. Mai 2008 kam es zu einem Vorfall zwischen dem Kläger und dem Zeugen L , Personalleiter der Beklagten, bei dem – so die Beklagte – der Kläger den Zeugen L beleidigt und mit einer Tätlichkeit bedroht haben soll. Der Kläger bestreitet dies.

Mit Schreiben vom 13. Mai 2008 bestätigte die Beklagte dem Kläger, dass sie wegen des Vorfalls Strafanzeige gegen ihn gestellt habe und ihn ab dem 9. Mai 2008 bis auf Weiteres von der Arbeit freigestellt habe.

Nachdem das Integrationsamt durch Bescheid vom 29. Mai 2008 die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses wegen des von der Beklagten mitgeteilten Vorfalls vom 9. Mai 2008 erteilt hatte, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos mit Schreiben vom 2. Juni 2008. Dagegen richtet sich der Kläger mit einem am 23. Juni 2008 beim Arbeitsgericht Köln eingegangenen Schriftsatz.

Der Kläger hat erstinstanzlich Klage gegen das Schreiben vom 13. Mai 2008 und die Kündigung vom 2. Juni 2008 erhoben sowie Weiterbeschäftigung als Stapelfahrer und Erteilung eines Zwischenzeugnisses verlangt.

Das Arbeitsgericht Köln hat in der Sitzung vom 12. Februar 2009 den Zeugen L und den Zeugen S , der als Fahrer bei der Beklagten beschäftigt ist, vernommen. Diese Zeugen haben die von der Beklagten behaupteten Beleidigungen und Drohungen mit Tätlichkeiten bestätigt und ausgeführt, bei dem Vorfall sei auch der bei der Beklagten beschäftigte Fahrer Herr S anwesend gewesen.

Nach der Durchführung der Beweisaufnahme hat das Arbeitsgericht Köln durch Urteil vom 12. Februar 2009 die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die außerordentliche Kündigung vom 2. Juni 2008 sei wirksam, da nach der Durchführung der Beweisaufnahme feststehe, dass der Kläger den Zeugen L mit einer Tätlichkeit bedroht und als „Schwein“ beschimpft habe. Damit habe er zielgerichtet Angst und Schrecken im Betrieb verbreitet, so dass auch unter Berücksichtigung der langen Betriebszugehörigkeit, des Alters und der Schwerbehinderung die fristlose Kündigung gerechtfertigt gewesen sei. Der Weiterbeschäftigungsanspruch bestehe folglich nicht. Der Kläger könne nur ein Endzeugnis und nicht ein Zwischenzeugnis verlangen, da das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung beendet worden sei.

Das Urteil ist dem Prozessbevollmächtigten des Klägers nach dessen Angaben am 12. Juni 2009 zugestellt worden. Er hat hiergegen am 13. Juli 2009 (Montag) Berufung einlegen und diese – nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 14. September 2009 – am 14. September 2009 begründen lassen.

Er bestreitet weiterhin den Zeugen L beleidigt und bedroht zu haben und hat beantragt, den Zeugen S darüber zu vernehmen. Nach der Vernehmung des Zeugen S in der Sitzung des Berufungsgerichts am 25. November 2009 hat er nochmals persönlich Folgendes erklärt: Er habe zunächst an dem Tag den Geschäftsführer der Beklagten, Herrn B , auf die Vergütung der von ihm geleisteten Überstunden angesprochen. Herr B habe ihn abgewiesen und erklärt, er solle verschwinden. Danach habe er Herrn L aus einer Entfernung von 2 Metern zehnmal gebeten, ihm die Überstunden zu bezahlen. Dieser habe überhaupt nichts gesagt. Danach seien alle Anwesenden weggegangen. Der Zeuge S sei nicht anwesend gewesen.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 12. Februar 2009 – 15 Ca 4548/08 –

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis weder durch das Schreiben vom 13. Mai 2008 noch durch die außerordentliche Kündigung vom 2. Juni 2008 sein Ende gefunden hat, sondern fortbesteht,

die Beklagte zu verurteilen, ihn zu den bisherigen Bedingungen als Stapelfahrer weiterzubeschäftigen,

die Beklagte zu verurteilen, ihm ein Zwischenzeugnis zu erteilen, das sich auf Führung und Leistung erstreckt.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen, wonach der Kläger am 8. Mai 2009 wegen nicht bestehender Überstundenvergütungsansprüche zunächst den Geschäftsführer Herrn B bedroht („er solle es nicht wagen, ihm von seiner Abrechnung für April 2008 auch nur 50 Cent für seine geleistete Mehrarbeit nicht zu erstatten“) und anschließend den Zeugen L beleidigt und bedroht hat. Der Kläger habe Herrn L aufgefordert, „sich ihm wie ein Mann zu stellen“. Als Herr L den Lagerraum durch eine Tür betreten habe, habe sich der Kläger vor ihm aufgebaut mit Fäusten unter seinem Kinn, die in Richtung des Zeugen gezeigt hätten. Sodann habe der Kläger erklärt: „Was seid ihr für Schweine!“, „Wir sollten uns schämen!“, „Ich mache euch jetzt alle kaputt!“, „Keiner hält mich auf!“, „Wenn es das Letzte ist, was ich tue!“ und „Einer von uns verlässt den Hof heute tot!“. Der Kläger habe dabei mindestens dreimal mit der Faust ca. 10 cm neben dem Kopf von Herrn L gegen den Rahmen der Tür geschlagen, in der Herr L gestanden habe. Danach habe sich der Kläger umgedreht und in seiner Wut noch mehrmals gegen die Steinwände geschlagen. Auch die Erklärung, dass er „sie kaputtmachen würde“ habe er wiederholt, und nochmals angedeutet, dass er Herrn L mit der Faust ins Gesicht schlagen werde. Sie habe danach Strafanzeige erstattet, den Kläger von der Arbeit freigestellt und nach Vorliegen der Zustimmung des Integrationsamtes das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 2. Juni 2003 fristlos gekündigt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Das Berufungsgericht hat in der mündlichen Verhandlung am 25. November 2009 den Zeugen S über den Vorfall am 8. Mai 2008 vernommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 25. November 2009 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung ist zulässig.

Sie ist nach § 64 Abs. 2 c ArbGG statthaft und innerhalb der Fristen nach § 66 Abs. 1 ArbGG eingelegt und begründet worden.

II. In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg.

1. Die Klage gegen das Schreiben vom 13. Mai 2008 als „Kündigung“ ist bereits unzulässig mangels Rechtsschutzinteresses.

Das Schreiben enthält dem eindeutigen Wortlaut nach keine Kündigung, sondern eine Freistellungserklärung. Sie betrifft die Arbeitspflicht des Klägers, nicht aber den Bestand des Arbeitsverhältnisses.

2. Die Klage gegen die Kündigung vom 2. Juni 2008 ist unbegründet.

a. Zutreffend hat das Arbeitsgericht ausgeführt, dass Beleidigungen von Vorgesetzten und Mitarbeitern sowie Bedrohungen mit Tätlichkeit an sich als Kündigungsgrund nach § 626 Abs. 1 BGB geeignet sind (vgl. BAG, Urteil vom 12. Januar 1995 – 2 AZR 456/94 -; KR-Fischermeier, 9. Aufl., § 626 BGB Rdn. 415, 449). Regelmäßig wird der Arbeitgeber auf derartige Pflichtverletzungen nur mit einer sofortigen Vertragsbeendigung reagieren können. Weitere Ausführungen dazu erübrigen sich, da der Kläger mit der Berufung in diesem Punkt das Urteil des Arbeitsgerichts auch nicht angreift.

b. Nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme steht fest, dass der Kläger in der von der Beklagten behaupteten Weise den Personalleiter L beleidigend und mit Tätlichkeiten drohend angegangen ist. Das Arbeitsgericht hat eingehend begründet, weshalb es keine Zweifel an der Richtigkeit der Aussagen der von ihm vernommenen Zeugen L und S hat. Diese Würdigung bleibt auch nach Durchführung des zweitinstanzlichen Verfahrens zutreffend.

In seiner kurzen Berufungsbegründung hat sich der Kläger darauf beschränkt, die Bedrohung des Zeugen L und die Bezeichnung als „Schwein“ weiterhin abzustreiten sowie die Anwesenheit des Zeugen S während des Vorfalls zu leugnen. Zudem hat er erstmals im Berufungsverfahren beantragt, den Zeugen S , der unstreitig während des Vorfalls anwesend war, zu vernehmen.

Der Zeuge S hat bei seiner Vernehmung durch das Berufungsgericht erklärt, der Kläger und der Zeuge L hätten während des Vorfalls, bei dem auch der Zeuge S anwesend gewesen sei, ganz dicht zusammengestanden. Er verweigere die Aussage, soweit es um Erklärungen des Klägers und des Zeugen L während des Vorfalls gehe. Er befürchte, dass der Kläger, der ihn gegen seinen Willen als Zeugen benannt habe, ihm etwas tue, wenn er vor Gericht aussage. Davor könne ihn auch die Polizei nicht schützen. Zwar habe der Kläger ihn zuvor nie bedroht. Aber er kenne den Kläger schon lange, der wie er Montenegrinisch spreche. Vor der Verhandlung habe der Kläger auf seine Frage, weshalb er ihn als Zeuge benannt habe, erklärt: „Ja, Du bist mein Zeuge“. Der Zeuge S blieb bei seiner Weigerung auch, nachdem ihn das Gericht mehrmals auf seine Verpflichtung zur Zeugenaussage hingewiesen hatte.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (NJW 1972, 2214; 1988, 2945) kann in Einzelfällen über die gesetzliche Regelung hinaus eine Begrenzung des Zeugniszwangs unmittelbar aus der Verfassung folgen. Insbesondere kann dabei auch der Schutz des grundgesetzlich gewährleisteten Rechts auf körperliche Unversehrtheit nach Art. 2 Abs. 2 GG relevant werden (vgl. OLG Hamm OLGZ 1989, S. 468 ff.). Es muss zugunsten des Zeugen S davon ausgegangen werden, dass er ernsthaft befürchtet, von dem Kläger tätlich angegangen zu werden, wenn er den Vorfall zutreffend schildert.

Die Beklagte hat bereits erstinstanzlich vorgetragen, die Ernsthaftigkeit der Drohungen des Klägers sei dadurch belegt, dass er bereits wegen Tätlichkeiten im häuslichen Umfeld vorbestraft sei. Sie hat Beweis dafür durch Einholung eines Auszugs aus dem Bundeszentralregister angeboten. Dem hat der Kläger mit der Begründung widersprochen, die Auskunft stehe nicht im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis. Eine Überprüfung konnte daher nicht erfolgen. Von dieser Weigerung ist der Kläger auch nicht abgerückt, nachdem der Zeuge L bei seiner erstinstanzlichen Vernehmung bekundet hat, er habe von einem Polizeimitarbeiter erfahren, dass der Kläger bei der Polizei wegen Körperverletzungsdelikten, häuslicher Gewalt und Übergriffen auf die Polizei bekannt sei.

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Angesichts dessen war der Zeuge, der immerhin die Tendenz bekundet hat, zu Lasten welcher Partei eine vollständige Aussage gehen würde, nämlich zum Nachteil des Klägers, nicht durch Ordnungsmittel anzuhalten, zur Sache auszusagen.

c. Zutreffend ist das Arbeitsgericht auch bei der Abwägung der beiderseitigen Interessen zu dem Ergebnis gekommen, dass die fristlose Kündigung gerechtfertigt ist. Die Beklagte braucht es nicht hinzunehmen, dass der Kläger „Angst und Schrecken“ in ihrem Betrieb verbreitet. Dieses berechtigte Interesse der Beklagten überwiegt das Interesse des Klägers an einem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses und der damit verbundenen sozialen Absicherung.

3. Da durch die fristlose Kündigung vom 2. Juni 2008 wirksam das Arbeitsverhältnis beendet worden ist, hat der Kläger auch keinen Anspruch auf Weiterbeschäftigung und Erteilung eines Zwischenzeugnisses. Insoweit kann auf die zutreffenden Ausführungen in dem erstinstanzlichen Urteil verwiesen werden, die der Kläger auch nicht gesondert angegriffen hat.

Nach alledem war die Berufung mit der Kostenfolge nach § 97 ZPO zurückzuweisen.

Die Revision war nicht zuzulassen. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung, bei der sich keine grundsätzlichen Rechtsfragen stellen, die höchstrichterlich noch nicht beantwortet sind.

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