OVG Lüneburg – Az.: 13 MN 161/21 – Beschluss vom 14.04.2021
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert des Verfahrens wird auf 5.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der sinngemäß gestellte Antrag des Antragstellers (vgl. Schriftsatz des Antragstellers v. 31.3.2021, S. 2),
§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 der Niedersächsischen Verordnung über Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus SARS-CoV-2 (Niedersächsische Corona-Verordnung) vom 30. Oktober 2020 (Nds. GVBl. S. 368), zuletzt geändert durch Verordnung zur Änderung der Niedersächsischen Corona-Verordnung vom 9. April 2021 (eilverkündet unter www.niedersachsen.de/verkuendung/amtliche-verkundung-ersatzverkundung-niedersachsische-corona-verordnungen-196824.html), im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO vorläufig außer Vollzug zu setzen, soweit danach Freilichtbühnen als „ähnliche Einrichtungen“ für den Publikumsverkehr und Besuche und damit auch für Proben geschlossen sind,
bleibt ohne Erfolg.
Diese Entscheidung, die nicht den prozessrechtlichen Vorgaben des § 47 Abs. 5 VwGO unterliegt (vgl. Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 7. Aufl. 2017, Rn. 607; Hoppe, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 47 Rn. 110 ff.), trifft der Senat ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 12.6.2009 – 1 MN 172/08 -, juris Rn. 4 m.w.N.) und gemäß § 76 Abs. 2 Satz 1 NJG ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter.
Der zulässige Antrag ist unbegründet.
Nach § 47 Abs. 6 VwGO kann das Gericht in Normenkontrollverfahren auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist. Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO sind zunächst die Erfolgsaussichten eines Normenkontrollantrages im Hauptsacheverfahren, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen. Ergibt diese Prüfung, dass der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet sein wird, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht im Sinne von § 47 Abs. 6 VwGO zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Erweist sich dagegen, dass der Antrag voraussichtlich Erfolg haben wird, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache suspendiert werden muss. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn der (weitere) Vollzug vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist. Lassen sich die Erfolgsaussichten des Normenkontrollverfahrens nicht abschätzen, ist über den Erlass einer beantragten einstweiligen Anordnung im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Gegenüberzustellen sind im Rahmen der sog. „Doppelhypothese“ die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, der Normenkontrollantrag aber Erfolg hätte, und die Nachteile, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Normenkontrollantrag aber erfolglos bliebe. Die für den Erlass der einstweiligen Anordnung sprechenden Gründe müssen die gegenläufigen Interessen deutlich überwiegen, mithin so schwer wiegen, dass der Erlass der einstweiligen Anordnung – trotz offener Erfolgsaussichten der Hauptsache – dringend geboten ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 30.4.2019 – BVerwG 4 VR 3.19 -, juris Rn. 4 (zur Normenkontrolle eines Bebauungsplans); OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 22.10.2019 – 6 B 11533/19 -, juris Rn. 5 (zur Normenkontrolle einer Rechtsverordnung über die Freigabe eines verkaufsoffenen Sonntags); Sächsisches OVG, Beschl. v. 10.7.2019 – 4 B 170/19 -, juris Rn. 20 (zur Normenkontrolle einer Rechtsverordnung zur Bildung und Arbeit des Integrationsbeirats); Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 11.5.2018 – 12 MN 40/18 -, juris Rn. 24 ff. (zur Normenkontrolle gegen die Ausschlusswirkung im Flächennutzungsplan) jeweils m.w.N.).
Die hiernach bestehenden Voraussetzungen für eine vorläufige Außervollzugsetzung der streitgegenständlichen Verordnungsregelung sind nicht erfüllt. Der Senat vermag den Erfolg eines möglichen Normenkontrollantrags derzeit nicht verlässlich abzuschätzen (1.). Die danach gebotene Folgenabwägung führt aber nicht dazu, dass die vom Antragsteller geltend gemachten Gründe für die einstweilige Außervollzugsetzung die für den weiteren Vollzug der Verordnung sprechenden Gründe überwiegen (2.).
1. Derzeit ist offen, ob § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 der Niedersächsischen Corona-Verordnung, soweit danach Freilichtbühnen als „ähnliche Einrichtungen“ für den Publikumsverkehr und Besuche und damit auch für Proben geschlossen sind, in einem Hauptsacheverfahren für unwirksam zu erklären ist.
a. Der Senat geht zwar davon aus, dass diese Verordnungsregelung auf einer tragfähigen Rechtsgrundlage beruht (vgl. hierzu im Einzelnen: Senatsbeschl. v. 11.11.2020 – 13 MN 485/20 -, juris Rn. 13 ff. m.w.N.).
b. Für den Senat besteht auch kein Anlass, an der formellen Rechtmäßigkeit der Verordnungsregelung zu zweifeln (vgl. hierzu im Einzelnen: Senatsbeschl. v. 11.3.2021 – 13 MN 70/21 -, juris Rn. 18 ff.; v. 11.11.2020 – 13 MN 485/20 -, juris Rn. 19 ff. m.w.N.).
c. Der Senat geht unter Zugrundelegung seiner bisherigen Rechtsprechung (vgl. zuletzt mit eingehender Begründung und weiteren Nachweisen etwa den Senatsbeschl. v. 5.1.2021 – 13 MN 582/20 -, Umdruck S. 4 ff.; v. 30.11.2020 – 13 MN 519/20 -, juris Rn. 26 ff.) und unter Berücksichtigung des aktuellen Infektionsgeschehens (vgl. hierzu die Angaben im täglichen Situationsbericht des Robert Koch-Instituts unter www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Gesamt.html und des Niedersächsischen Landesgesundheitsamts unter www.niedersachsen.de/Coronavirus/aktuelle_lage_in_niedersachsen/) auch weiterhin davon aus, dass die materielle Rechtmäßigkeit der Niedersächsischen Corona-Verordnung im Hinblick auf das „Ob“ eines staatlichen Handelns keinen durchgreifenden Bedenken ausgesetzt ist. Auch sind die in § 10 Abs. 1, 1b und 2 der Niedersächsischen Corona-Verordnung angeordneten Betriebsverbote und -beschränkungen mit Blick auf den Adressatenkreis dieser Regelungen und die Art der gewählten Schutzmaßnahme nicht zu beanstanden (vgl. hierzu im Einzelnen und mit näherer Begründung etwa die Senatsbeschlüsse
– v. 6.11.2020 – 13 MN 433/20 – (zur Schließung von Fitnessstudios nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 der Niedersächsischen Corona-Verordnung),
– v. 6.11.2020 – 13 MN 411/20 – und v. 5.1.2021 – 13 MN 582/20 – (zur Schließung von Gastronomiebetrieben nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Niedersächsischen Corona-Verordnung),
– v. 9.11.2020 – 13 MN 472/20 – (zur Schließung von Spielhallen, Spielbanken, Wettannahmestellen und ähnlichen Einrichtungen nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 der Niedersächsischen Corona-Verordnung),
– v. 10.11.2020 – 13 MN 412/20 – (zur Schließung von Kosmetikstudios nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 der Niedersächsischen Corona-Verordnung),
– v. 10.11.2020 – 13 MN 479/20 – (zur Schließung von Tattoostudios nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 der Niedersächsischen Corona-Verordnung),
– v. 11.11.2020 – 13 MN 485/20 – (zur Schließung von Prostitutionsstätten nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 der Niedersächsischen Corona-Verordnung),
– v. 11.11.2020 – 13 MN 436/20 – (zu der gegenüber gewerblichen oder privaten Vermietern einer Ferienwohnung oder eines Ferienhauses in § 10 Abs. 2 Satz 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung getroffenen Untersagung, Übernachtungsangebote zu touristischen Zwecken zu unterbreiten und das Übernachten zu touristischen Zwecken zu gestatten),
– v. 20.11.2020 – 13 MN 516/20 – (zur Schließung von Sportanlagen für den Freizeit- und Amateursport nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 der Niedersächsischen Corona-Verordnung),
– v. 20.1.2021 – 13 MN 10/21 -; v. 11.3.2021 – 13 MN 70/21 -(zur Schließung von Baumärkten nach § 10 Abs. 1b Satz 1 Nr. 20 der Niedersächsischen Corona-Verordnung),
– v. 21.1.2021 – 13 MN 14/21 – (zur Schließung von Gastronomiebetrieben und Spielhallen nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 6 der Niedersächsischen Corona-Verordnung) und
– v. 15.2.2021 – 13 MN 44/21 – (zur Schließung von Friseurbetrieben nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 der Niedersächsischen Corona-Verordnung),
alle veröffentlicht in juris oder der kostenfrei zugänglichen Rechtsprechungsdatenbank der niedersächsischen Justiz unter www.rechtsprechung.niedersachsen.de).
d. Derzeit ist für den Senat aber nicht verlässlich festzustellen, ob die in diesem Verfahren streitgegenständliche Schließung von Freilichtbühnen als „ähnliche(n) Einrichtungen“ im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 der Niedersächsischen Corona-Verordnung für den Publikumsverkehr und Besuche im Sinne des § 28 Abs. 1 IfSG objektiv notwendig ist.
(1) Zweifelsohne verfolgt der Verordnungsgeber weiterhin die legitimen Ziele (vgl. hierzu Senatsbeschl. v. 6.11.2020 – 13 MN 411/20 -, juris Rn. 43), im Interesse des Schutzes von Leben und Gesundheit eines und einer jeden die Bevölkerung vor der Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus zu schützen, die Verbreitung der Krankheit COVID-19 zu verhindern und eine Überlastung des Gesundheitssystems infolge eines ungebremsten Anstiegs der Zahl von Ansteckungen, Krankheits- und Todesfällen zu vermeiden. Zur Vorbeugung einer akuten nationalen Gesundheitsnotlage sollen die Kontakte in der Bevölkerung drastisch reduziert werden, um das Infektionsgeschehen insgesamt zu verlangsamen und die Zahl der Neuinfektionen wieder in durch den öffentlichen Gesundheitsdienst nachverfolgbare Größenordnungen zu senken (vgl. hierzu auch die Angaben in der Begründung der Niedersächsischen Corona-Verordnung und ihrer Änderungsverordnungen, Nds. GVBl. 2020, 411 ff., 457, 491 f. und 2021, 6 ff., 28 f., 58 und 101 f.).
Diese Zielrichtung wahrt die besonderen Anforderungen des § 28a Abs. 3 Satz 1 IfSG (vgl. Senatsbeschl. v. 23.12.2020 – 13 MN 506/20 -, juris Rn. 61). Unerheblich ist dabei, dass der Verordnungsgeber fehlerhaft annimmt, mit der Niedersächsischen Corona-Verordnung habe er noch keine „umfassenden“ Schutzmaßnahmen im Sinne des § 28a Abs. 3 Satz 5 IfSG, sondern nur „breit angelegte“ Schutzmaßnahmen im Sinne des § 28a Abs. 3 Satz 6 IfSG ergriffen (vgl. die Begründung zur Änderungsverordnung v. 6.3.2021, Nds. GVBl. S. 101: „Richtschnur ist dabei das IfSG, wobei das Land Niedersachsen nach wie vor keine umfassenden Schutzmaßnahmen ergreift, die nach § 28 a Abs. 3 Satz 5 IfSG bei einer Überschreitung eines Schwellenwertes von über 50 Neuinfektionen je 100 000 Einwohnerinnen und Einwohner innerhalb von sieben Tagen wie gegenwärtig in Niedersachsen vorgesehen sind, sondern beschränkt sich weiterhin darauf, breit angelegte Schutzmaßnahmen vorzusehen, die nach Satz 6 der genannten Vorschrift bei einer Überschreitung eines Schwellenwertes von über 35 Neuinfektionen je 100 000 Einwohnerinnen und Einwohner innerhalb von sieben Tagen zu ergreifen sind. Die Maßnahmen erfassen zwar eine Vielzahl von Lebensbereichen, schränken sie jedoch nicht umfassend ein. Beispielhaft sei genannt, dass die Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung nicht umfassend gilt, keine nächtlichen Ausgangssperren vorgesehen sind, die Sportausübung mit abgestuften Einschränkungen möglich bleibt, keine Untersagung des Alkoholkonsums in der Öffentlichkeit erfolgt ist, lediglich die Durchführung touristischer Bus-, Schiffs- und Kutschfahrten und nicht jegliche privaten Reisen untersagt wird, Beherbergungen u. a. im Rahmen von Dienst- oder Geschäftsreisen erlaubt sind, in der Gastronomie der Außer-Haus-Verkauf und der Betrieb in bestimmten Einrichtungen zulässig bleibt, nicht sämtliche Betriebe und Gewerbe geschlossen zu halten sind und auch der Betrieb von Einrichtungen der außerschulischen Bildung nicht umfänglich untersagt ist.“). Abgesehen davon, dass dieses Vorgehen die Pflicht zum Handeln nach § 28a Abs. 3 Satz 5 IfSG („sind“) nicht beachtete, liegen „umfassende Schutzmaßnahmen“ nicht erst dann vor, wenn alle in § 28a Abs. 1 IfSG beispielhaft genannten Schutzmaßnahmen oder gar alle Lebensbereiche vollständig erfassende und jedwedes Handeln berührende staatliche Maßnahmen ergriffen worden sind. In Abgrenzung zu den „breit angelegten“ Schutzmaßnahmen liegen „umfassende Schutzmaßnahmen“ vielmehr schon dann vor, wenn sie zu „schwerwiegenden Einschränkungen des öffentlichen Lebens“ führen (so ausdrücklich Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD, Entwurf eines Dritten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite, BT-Drs. 19/23944, S. 13 und 34 betreffend die zunächst vorgesehene Unterscheidung zwischen „schwerwiegenden Schutzmaßnahmen“ und „stark einschränkenden Schutzmaßnahmen“, die durch die nun in § 28a Abs. 3 IfSG Gesetz gewordenen Begrifflichkeiten aber nur redaktionell klargestellt werden sollte, vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit, BT-Drs. 19/24334, S. 24 und 73). Diese Schwelle überschreiten die in § 10 Abs. 1, 1b und 2 der Niedersächsischen Corona-Verordnung angeordneten Betriebsverbote und -beschränkungen unter Berücksichtigung ihrer flächendeckenden Anordnung, der mit ihnen verbundenen erheblichen Eingriffe in die Grundrechte der Betriebsinhaber und der massiven negativen Auswirkungen für die potenziellen Kunden und auch die Allgemeinheit nach dem Dafürhalten des Senats ohne jeden Zweifel (vgl. hierzu bereits den Senatsbeschl. v. 15.2.2021 – 13 MN 44/21 -, juris Rn. 22 ff.).
Ob darüber hinaus für die Gesamtheit der in der Niedersächsischen Corona-Verordnung angeordneten Schutzmaßnahmen die konkrete Erreichung einer 7-Tage-Inzidenz (Zahl der Neuinfektionen je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen) von 50 oder gar 35 legitim ist, erscheint zweifelhaft (vgl. Senatsbeschl. v. 20.1.2021 – 13 MN 10/21 -, juris Rn. 20 ff. (zur 50er Inzidenz) und v. 15.2.2021 – 13 MN 44/21 -, juris Rn. 25 ff. (zur 35er Inzidenz)), bedarf in diesem Verfahren aber keiner abschließenden Entscheidung. Denn abgesehen davon, dass derzeit eine landesweite Erreichung dieser Inzidenzen in Niedersachsen (Stand: 13.4.2021: 109,9; vgl. www.niedersachsen.de/Coronavirus/aktuelle_lage_in_niedersachsen/) nicht absehbar ist, ist die hier streitgegenständliche Schließung von Freilichtbühnen nach den Verordnungsbestimmungen mit keiner dieser Inzidenzen unmittelbar verknüpft, sondern unter Berücksichtigung auch aller weiteren für das Infektionsgeschehen relevanten Umstände angeordnet worden (siehe unten I.1.d.(3)(b)).
(2) Im Hinblick auf die verfolgten legitimen Ziele ist auch die Eignung der streitgegenständlichen Verordnungsregelung gegeben.
Denn angesichts der hohen Infektiosität und der Übertragungswege steht für den Senat außer Zweifel, dass Beschränkungen von Zusammenkünften und Ansammlungen mehrerer Personen – vor allem in geschlossenen Räumen – geeignet sind, die Verbreitung von SARS-CoV-2 zu verhindern (vgl. Senatsbeschl. v. 18.11.2020 – 13 MN 448/20 -, juris Rn. 81; v. 11.6.2020 – 13 MN 192/20 -, juris Rn. 52).
(3) Zweifelhaft ist aber, ob der Verordnungsgeber die streitgegenständliche Schließung von Freilichtbühnen als „ähnliche(n) Einrichtungen“ im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 der Niedersächsischen Corona-Verordnung für erforderlich halten darf.
(a) Es ist bei summarischer Prüfung nicht von vorneherein ausgeschlossen, dass mildere, in ihrer Wirkung aber ähnlich effektive Mittel im Hinblick auf das tätigkeitsbezogene Infektionsgeschehen zur Verfügung stehen.
Dies ergibt sich aber nicht schon aus jedweder fehlenden infektiologischen Relevanz des Geschehens in Kultureinrichtungen unter freiem Himmel, wie den hier zu beurteilenden Freilichtbühnen. Es fehlt vielmehr auch nach einem Jahr der Pandemie immer noch an belastbaren Erkenntnissen zur konkreten infektiologischen Relevanz einzelner Betriebsarten. Ausweislich des Berichts zum „Infektionsumfeld von COVID-19-Ausbrüchen in Deutschland“ konnte das RKI in einer „Quellensuche“ (Datenstand: 11.8.2020) von insgesamt 202.225 übermittelten Fällen nur 55.141 Fälle bestimmten Ausbruchsgeschehen zuordnen und feststellen, in welchen von 30 unterschiedlichen, verschiedenste Lebensbereiche erfassenden Infektionsumfeldern sich diese ereignet haben (vgl. RKI, Infektionsumfeld von COVID-19-Ausbrüchen in Deutschland, in: Epidemiologisches Bulletin v. 17.9.2020, S. 3 ff., veröffentlicht unter: https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2020/Ausgaben/38_20.pdf?
__blob=publicationFile). Diese nur eingeschränkte Erkenntnis bestätigt der Tägliche Lagebericht des RKI zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) vom 6. April 2021 (dort S. 13; veröffentlicht unter: https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Apr_2021/2021-04-06-de.pdf?__blob=publicationFile). Danach kann nur ein kleiner Teil der gemeldeten COVID-19 Fälle einem Ausbruch zugeordnet werden. Für eine weit überwiegende Mehrheit der Fälle fehlen Informationen zur Infektionsquelle.Dabei ist zu beachten, dass Clustersituationen in anonymen Menschengruppen (z.B. im Kino und im Theater) viel schwerer für das Gesundheitsamt erfassbar sind als in nicht-anonymen Menschengruppen. Auch das vom RKI entwickelte Konzept „ControlCOVID – Strategie und Handreichung zur Entwicklung von Stufenkonzepten bis Frühjahr 2021“ (dort insbesondere das Intensitätsstufenkonzept und die Toolbox zum Stufenkonzept, veröffentlicht unter www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Downloads/Stufenplan.pdf?__blob=publicationFile, Stand: 19.3.2021) schätzt die Infektionsrelevanz des Geschehens in Kultureinrichtungen einerseits und Zusammenkünften von Personen im Freien nicht als derart gering ein, dass ungeachtet der gebildeten Leitindikatoren (7-Tage-Inzidenz und Inanspruchnahme der ITS-Kapazitäten) eine Öffnung oder unbeschränkte Zulassung vorgeschlagen wird.
Der Senat erachtet es aber nicht für ausgeschlossen, dass gegenüber der Schließung von Freilichtbühnen als „ähnliche(n) Einrichtungen“ im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 der Niedersächsischen Corona-Verordnung in ihrer Eingriffswirkung für den Betriebsinhaber mildere, im Hinblick auf die Verhinderung der Virusverbreitung aber ähnlich effektive Mittel zur Verfügung stehen können.
Ein milderes, in seiner Wirkung aber ähnlich effektives Mittel dürfte aber nicht in den Hygienekonzepten zu sehen sein, wie sie bis zur Schließung auch der Freilichtbühnen durch die Niedersächsische Corona-Verordnung vom 30. Oktober 2020 in der vorausgegangenen Niedersächsischen Corona-Verordnung vom 7. Oktober 2020 (Nds. GVBl. S. 346, dort insbesondere §§ 4 und 7 f.) Anwendung gefunden haben. Der Senat verkennt nicht, dass erhebliche Arbeitskraft und finanzielle Mittel in die Umsetzung dieser Konzepte investiert worden sind. Ein regelmäßiges Vollzugsdefizit, dem – in gewissen Grenzen – durch verstärkte behördliche Kontrollen entgegengewirkt werden könnte (vgl. hierzu Senatsbeschl. v. 28.8.2020 – 13 MN 307/20 -, juris Rn. 32), ist nicht zu erkennen. Eine gewisse Wirksamkeit der Konzepte ist nicht zu leugnen, auch wenn diese mangels belastbarer tatsächlicher Erkenntnisse zum konkreten Infektionsumfeld nicht validiert werden kann. Angesichts der Infektionsdynamik, die sich ab Oktober 2020 trotz dieser flächendeckend in allen Betrieben und Einrichtungen mit Publikums- und Kundenverkehr angewendeten Konzepte entwickelt hat, ist aber nicht festzustellen, dass diese Konzepte infektionsschutzrechtlich eine vergleichbare Effektivität aufweisen wie die Schließungen der Betriebe und Einrichtungen (vgl. Senatsbeschl. v. 25.11.2020 – 13 MN 487/20 -, juris Rn. 85; v. 6.11.2020 – 13 MN 411/20 -, juris Rn. 49).
Diese Annahme, dass die bisher angewendeten Hygienekonzepte nicht hinreichend effektiv waren, rechtfertigt aber nicht ohne Weiteres den Schluss, dass verbesserte Hygienekonzepte von vorneherein nicht in der Lage sein könnten, eine im Hinblick auf die Verhinderung der Virusverbreitung ähnlich effektive Wirkung wie die Schließung von Betrieben und Einrichtungen zu entfalten. Hierfür wäre vielmehr zu ermitteln, welche – insbesondere über das von dem Antragsteller entwickelte Hygienekonzept (vgl. die Anlagen A 2 bis A 4 zur Antragsschrift v. 31.3.2021) und über die verbindlichen Vorgaben in § 4 Abs. 2 der Niedersächsischen Corona-Verordnung hinausgehenden – Schutzmaßnahmen noch ergriffen und verhältnismäßig auch verbindlich normativ angeordnet werden und welche infektiologische Wirkung diese Maßnahmen, etwa bei einer versuchsweisen Öffnung (vgl. zu dieser Vorgehensweise: Senatsbeschl. v. 14.5.2020 – 13 MN 156/20 -, juris Rn. 37), entfalten könnten. Eine Einschätzung der tatsächlichen infektiologischen Wirksamkeit eines solchen Hygienekonzepts, die auch berücksichtigen müsste, dass durch die landesweite Öffnung von Freilichtbühnen und vergleichbaren Kultureinrichtungen die Mobilität voraussichtlich erheblich zunehmen würde, ist aber in einem Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes nicht zu leisten. Zwar weist das RKI in dem bereits erwähnten Konzept „ControlCOVID – Strategie und Handreichung zur Entwicklung von Stufenkonzepten bis Frühjahr 2021“ darauf hin, dass für Übertragungen im Freien unter Einhaltung der AHA-Regeln es nur limitierte Evidenz zu Übertragungen (Parks, Spielplätze, Fußgängerzonen, Konzerte im Freien, Wochenmärkte, Beerdigungen) gebe. Diese Erkenntnis leuchtet auch unmittelbar ein und entspricht der Erfahrung aus den Sommermonaten des vergangenen Jahres. Das nur äußerst geringe Ansteckungsrisiko im Freien wird durch den ständigen Austausch der Umgebungsluft bewirkt, der in Innenräumen nur durch ständiges Lüften in unvollkommener Weise herzustellen ist. Das RKI hebt aber auch hervor, dass sich dieses Risiko dann erhöhen kann, wenn eine größere Personengruppe ohne Beachtung der gebotenen Distanz beieinandersteht. Ob die Einhaltung der allgemein geltenden Abstandsregeln des § 2 Abs. 2 der Niedersächsischen Corona-Verordnung in allen Freilichtbühnen und vergleichbaren Kultureinrichtungen ohne Weiteres mit einfachen Maßnahmen (vgl. dies bejahend bei Zoos und Tierparks: Senatsbeschl. v. 19.3.2021 – 13 MN 114/21 -, juris Rn. 46) hinreichend sichergestellt werden kann, vermag der Senat bei der hier gebotenen summarischen Prüfung zwar nicht festzustellen. Er hält es aber nicht für ausgeschlossen, dass ein verbessertes Hygienekonzept (etwa mit Nachweisen der Infektionsfreiheit vor dem Betreten der Kultureinrichtung, mit Vorgaben zur Einhaltung des Abstandsgebots und zur Höchstzahl von Besuchern, mit erhöhten Anforderungen an die von den Kulturschaffenden und von den Besuchern zu tragenden Mund-Nasen-Bedeckungen und mit Maßnahmen zur Kontaktdatennachverfolgung) einhergehend mit einer Verbesserung der staatlichen Überwachung und des Vollzugs angeordneter Schutzmaßnahmen als milderes, aber hinreichend effektives Mittel in Betracht kommen kann.
(b) Ebenso ist bei summarischer Prüfung nicht von vorneherein ausgeschlossen, dass mildere, in ihrer Wirkung aber ähnlich effektive Mittel im Hinblick auf das gebietsbezogene Infektionsgeschehen ergriffen werden können.
Dabei stellt der Senat nicht in Abrede, dass der Verordnungsgeber die Erforderlichkeit der hier zu beurteilenden Verordnungsregelung – anders als bei den zuvor angeordneten Beherbergungsverboten (vgl. Senatsbeschl. v. 15.10.2020 – 13 MN 371/20 -, juris Rn. 59) und Sperrzeiten im Gastronomiebereich (vgl. Senatsbeschl. v. 29.10.2020 – 13 MN 393/20 -, juris Rn. 57) – nicht nur anhand der 7-Tage-Inzidenz, also der Zahl der Neuinfizierten im Verhältnis zur Bevölkerung je 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner kumulativ in den letzten sieben Tagen, beurteilt, sondern, wie in dem von der Niedersächsischen Landesregierung erstellten „Handlungskonzept zur Bekämpfung des Infektionsgeschehens in der COVID 19 Pandemie“ (veröffentlicht unter: www.stk.niedersachsen.de/startseite/presseinformationen/vorsorgliches-handlungskonzept-zur-bekampfung-eines-gegebenenfalls-weiter-ansteigenden-infektionsgeschehens-in-der-covid-19-pandemie-193263.html, Stand: 5.10.2020) und dem von der Niedersächsischen Landesregierung entworfenen „Stufenplan 2.0“ (veröffentlicht unter: www.niedersachsen.de/Coronavirus/stufenplan-fur-niedersachsen-196849.html, Stand: 18.2.2021) vorgesehen, auch alle anderen für das Infektionsgeschehen relevanten Umstände in seine Bewertung einbezogen hat (vgl. zu dieser Verpflichtung zuletzt: Senatsbeschl. v. 29.10.2020 – 13 MN 393/20 -, juris Rn. 57).
Dies gilt auch für die landesweit geltende Schließung von Freilichtbühnen als „ähnliche(n) Einrichtungen“ im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 der Niedersächsischen Corona-Verordnung. Die vom Verordnungsgeber getroffene Bewertung rechtfertigt es weiterhin, diese infektionsschützende Maßnahme grundsätzlich landesweit einheitlich zu ergreifen, insbesondere um einen „Kulturtourismus“ zwischen Gebieten verschiedener Inzidenzen zu vermeiden. Die Mitte Dezember 2020 bestehende 7-Tage-Inzidenz von mehr als 120 war zwischenzeitlich zwar deutlich gesunken. Landesweit beträgt die 7-Tage-Inzidenz inzwischen aber wieder mehr als 100 und steigt weiter an. Ein erheblicher Teil der Landkreise und kreisfreien Städte weist eine 7-Tage-Inzidenz von mehr als 50 und inzwischen sogar von mehr als 100 auf. Hinzu kommt ein landesweit durchaus diffuses Infektionsgeschehen. Die Ausbruchsgeschehen sind überwiegend keinen bestimmten Ereignissen oder Örtlichkeiten zuzuordnen, die ausschließlicher oder vorrangiger Gegenstand verordneter Schutzmaßnahmen sein könnten. Die örtlichen Gesundheitsämter sind trotz personeller und sachlicher Verstärkung erheblich damit belastet, Infektionsketten nachzuverfolgen. Auch die Sterbefallzahlen und die Auslastung medizinischer und insbesondere intensivmedizinischer Kapazitäten befinden sich weiterhin auf hohem Niveau, wobei der Antragsgegner seine Maßnahmen nicht erst dann treffen darf, wenn diese (nahezu) erschöpft sind (vgl. hierzu im Einzelnen die Angaben des Niedersächsischen Landesgesundheitsamtes unter https://www.niedersachsen.de/Coronavirus/aktuelle_lage_in_niedersachsen/ und des RKI im täglichen Lagebericht unter: https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Gesamt.html?nn=13490888).
Zweifelhaft erscheint aber, ob der Antragsgegner die nun bereits mehrere Monate verordneten Betriebsverbote und -beschränkungen noch für erforderlich erachten darf. Auch wenn insoweit eine abschließende Sachaufklärung im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes von Amts wegen nicht geboten ist und daher eine abschließende Bewertung dieser Frage derzeit nicht erfolgen kann, erscheint es bei summarischer Prüfung nicht schlechthin abwegig, dass dem Verordnungsgeber mildere, zur Erreichung aller verfolgten legitimen Ziele aber durchaus ähnlich effektive Mittel im Hinblick auf das gesamte gebietsbezogene Infektionsgeschehen zur Verfügung stehen könnten.
Dies betrifft in erster Linie Maßnahmen, die ein noch aktiveres Handeln staatlicher Stellen bei der Pandemiebekämpfung erfordern, etwa
– die Intensivierung der Erforschung von Infektionsumfeldern, um die Zielgenauigkeit von Schutzmaßnahmen zu erhöhen,
– die Effektivierung der Kontaktnachverfolgung, sowohl durch Stärkung des öffentlichen Gesundheitsdienstes als auch durch Verbesserung technischer Instrumente (vgl. hierzu bereits den Senatsbeschl. v. 20.1.2021 – 13 MN 10/21 -, juris Rn. 37),
– die Erarbeitung und auch praktische Umsetzung einer landesweiten Teststrategie (vgl. hierzu die immer noch vagen Angaben unter www.niedersachsen.de/Coronavirus/Testung/hinweise-zur-testung-auf-corona-198156.html, Stand: 23.3.2021: “ Die derzeitigen Angebote werden in Niedersachen zügig ausgebaut. Die niedersächsische Teststrategie wird aktuell überarbeitet und mit allen beteiligten Akteurinnen und Akteuren abgestimmt. Aktuell werden intensive Gespräche mit den zuständigen Kammern und Verbänden geführt. Erste Vereinbarungen wurden unterzeichnet.“),
– die Optimierung der Impfkampagne im Land Niedersachsen (vgl. die Angaben unterhttps://impfdashboard.de/: an das Land Niedersachsen gelieferte Impfdosen: 2.120.926 (Stand: 12.4.2021); im Land Niedersachsen verabreichte Impfdosen: 1.718.601 (Stand: 13.4.2021)).
(4) Die danach bestehenden Zweifel an der Erforderlichkeit setzen sich bei der Beurteilung der Angemessenheit der Schließung von Freilichtbühnen als „ähnliche(n) Einrichtungen“ im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 der Niedersächsischen Corona-Verordnung fort. Angesichts der immer gewichtiger werdenden Nachteile für die von den Betriebsverboten und -beschränkungen in § 10 Abs. 1, 1b und 2 der Niedersächsischen Corona-Verordnung Betroffenen und die gesamte Volkswirtschaft ist für den Senat derzeit offen und bei summarischer Prüfung auch nicht abschließend zu klären, ob diese Verbote und Beschränkungen in Gänze noch angemessen und allein mit Blick auf die gravierenden, teils irreversiblen Folgen eines weiteren Anstiegs der Zahl von Ansteckungen und Erkrankungen für die zwar hochwertigen, aber verfassungsrechtlich nicht absolut geschützten Rechtsgüter Leib und Leben einer Vielzahl Betroffener sowie einer Überlastung des Gesundheitswesens auch weiterhin hinzunehmen sind.
e. Ebenso ist für den Senat offen, ob die streitgegenständliche Schließung von Freilichtbühnen als „ähnliche(n) Einrichtungen“ im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 der Niedersächsischen Corona-Verordnung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz vereinbar ist.
Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl. BVerfG, Beschl. v. 7.2.2012 – 1 BvL 14/07 -, BVerfGE 130, 240, 252 – juris Rn. 40; Beschl. v. 15.7.1998 – 1 BvR 1554/89 u.a. -, BVerfGE 98, 365, 385 – juris Rn. 63). Es sind nicht jegliche Differenzierungen verwehrt, allerdings bedürfen sie der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen reichen die Grenzen für die Normsetzung vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse. Insoweit gilt ein stufenloser, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 18.7.2012 – 1 BvL 16/11 -, BVerfGE 132, 179, 188 – juris Rn. 30; Beschl. v. 21.6.2011 – 1 BvR 2035/07, BVerfGE 129, 49, 69 – juris Rn. 65; Beschl. v. 21.7.2010 – 1 BvR 611/07 u.a. -, BVerfGE 126, 400, 416 – juris Rn. 79).
Hiernach sind die sich aus dem Gleichheitssatz ergebenden Grenzen für die Infektionsschutzbehörde weniger streng (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 17.4.2020
– OVG 11 S 22/20 -, juris Rn. 25). Auch kann die strikte Beachtung des Gebots innerer Folgerichtigkeit nicht eingefordert werden (vgl. Thüringer VerfGH, Urt. v. 1.3.2021 – 18/20 -, juris Rn. 513; OVG Hamburg, Beschl. v. 26.3.2020 – 5 Bs 48/20 -, juris Rn. 13). Zudem ist die sachliche Rechtfertigung nicht allein anhand des infektionsschutzrechtlichen Gefahrengrades der betroffenen Tätigkeit zu beurteilen. Vielmehr sind auch alle sonstigen relevanten Belange zu berücksichtigen, etwa die Auswirkungen der Ge- und Verbote für die betroffenen Unternehmen und Dritte und auch öffentliche Interessen an der uneingeschränkten Aufrechterhaltung bestimmter unternehmerischer Tätigkeiten (vgl. Senatsbeschl. v. 14.4.2020 – 13 MN 63/20 -, juris Rn. 62). Auch die Überprüfbarkeit der Einhaltung von Ge- und Verboten kann berücksichtigt werden (vgl. Senatsbeschl. v. 9.6.2020 – 13 MN 211/20 -, juris Rn. 41).
Dies zugrunde gelegt, vermag der Senat im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes einen Verstoß der Verordnungsregelungen gegen das Willkürverbot zu verneinen. Die in § 10 Abs. 1, 1b und 2 der Niedersächsischen Corona-Verordnung angeordneten Betriebsverbote und -beschränkungen beruhen auf der jedenfalls nicht schlichtweg sachfremden Erwägung, dass ein ganz erheblicher Teil der für das Infektionsgeschehen relevanten sozialen Kontakte von vorneherein verhindert werden muss und dass diese Verhinderung neben den ganz erheblichen Beschränkungen von Kontakten im privaten Bereich am gemeinwohlverträglichsten durch Verbote und Beschränkungen in den Bereichen Freizeit, Sport, Unterhaltung und körpernaher Dienstleistungen sowie ausgewählter Einzelhandelsbranchen erreicht werden kann. Ausgenommen sind grundrechtlich besonders geschützte Bereiche wie die Religionsausübung und öffentliche Versammlungen.
Bei summarischer Prüfung drängt sich dem Senat nicht auf, dass die vom Verordnungsgeber vorgenommene Differenzierung zwischen
– einerseits den Betriebsverboten und -beschränkungen in den Bereichen Freizeit, Sport und Unterhaltung gemäß § 10 Abs. 1 und 2 der Niedersächsischen Corona-Verordnung und in grundsätzlich allen Verkaufsstellen des Einzelhandels gemäß § 10 Abs. 1b der Niedersächsischen Corona-Verordnung und
– andererseits den hiervon ausgenommenen Verkaufsstellen für die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln und mit Gütern oder Dienstleistungen des täglichen Bedarfs gemäß der „Positivliste“ in § 10 Abs. 1b Satz 1 letzter Halbsatz und der ergänzenden Regelungen in § 10 Abs. 1b Sätze 2 ff. der Niedersächsischen Corona-Verordnung sowie den erlaubten körpernahen Dienstleistungen nach § 10 Abs. 1c der Niedersächsischen Corona-Verordnung
unter Berücksichtigung des infektionsschutzrechtlichen Gefahrengrades der betroffenen Tätigkeiten und aller sonstigen relevanten Belange willkürlich sein könnte (vgl. Senatsbeschl. v. 26.2.2021 – 13 MN 63/21 -, juris Rn. 42). Auch die Ungleichbehandlung gegenüber Zoos und Tierparks ist angesichts der an die betrieblichen Hygienekonzepte zu stellenden unterschiedlichen Anforderungen nicht zu beanstanden (vgl. hierzu oben I.1.d.(3)(a)). Zudem muss es dem Antragsgegner möglich sein, die Öffnungen unter Beachtung der Infektionslage Schritt für Schritt sowie erforderlichenfalls versuchsweise und damit nahezu zwangsläufig ungleich vorzunehmen (vgl. Senatsbeschl. v. 14.5.2020 – 13 MN 156/20 -, juris Rn. 37).
Die danach gegebene schlichte Beachtung des Willkürverbots ist angesichts des Umfangs der angeordneten Verbote und -beschränkungen und der damit verbundenen erheblichen Eingriffe in Grundrechte aber nicht ausreichend, um eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes verneinen zu können. Die vielmehr erforderliche Beurteilung, ob der Verordnungsgeber mit der getroffenen Auswahl von zu schließenden oder zu beschränkenden Betrieben und Einrichtungen unter Berücksichtigung des infektionsschutzrechtlichen Gefahrengrades der betroffenen Tätigkeiten und aller sonstigen relevanten Belange eine auf hinreichenden Sachgründen beruhende und angemessene Differenzierung tatsächlich erreicht hat, ist schon angesichts der Vielzahl und Vielgestaltigkeit von Fallkonstellationen in einem Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes nicht zu leisten. Sie muss vielmehr an dieser Stelle offenbleiben.
Klarstellend weist der Senat darauf hin, dass eine rechtfertigungsbedürftige Ungleichbehandlung sich nicht daraus ergeben kann, dass andere Länder von den niedersächsischen Anordnungen abweichende Schutzmaßnahmen getroffen haben. Voraussetzung für eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG ist, dass die Vergleichsfälle der gleichen Stelle zuzurechnen sind. Daran fehlt es, wenn die beiden Sachverhalte von zwei verschiedenen Trägern öffentlicher Gewalt gestaltet werden; der Gleichheitssatz bindet jeden Träger öffentlicher Gewalt allein in dessen Zuständigkeitsbereich (vgl. BVerfG, Beschl. v. 12.5.1987 – 2 BvR 1226/83 -, BVerfGE 76, 1, 73 – juris Rn. 151 m.w.N.). Ein Land verletzt daher den Gleichheitssatz nicht deshalb, weil ein anderes Land den gleichen Sachverhalt anders behandelt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 8.5.2008 – 1 BvR 645/08 -, juris Rn. 22 m.w.N.).
2. Die wegen der danach offenen Erfolgsaussichten gebotene Folgenabwägung führt dazu, dass die vom Antragsteller geltend gemachten Gründe für die vorläufige Außervollzugsetzung und auch die Interessen Dritter oder der Allgemeinheit die für den weiteren Vollzug der Verordnung sprechenden Gründe derzeit nicht überwiegen.
Würde der Senat die Schließung von Freilichtbühnen als „ähnliche(n) Einrichtungen“ im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 der Niedersächsischen Corona-Verordnung vollständig (vgl. zur Unzulässigkeit von Normergänzungen im Normenkontrollverfahren: Senatsbeschl. v. 14.5.2020 – 13 MN 156/20 -, juris Rn. 5 m.w.N.) außer Vollzug setzen, bliebe der Normenkontrollantrag in der Hauptsache aber ohne Erfolg, könnte der Antragsteller zwar vorübergehend die mit der Schutzmaßnahme verbundene Beschränkung des Publikumsverkehrs und der Besuche seiner Einrichtung vermeiden. Ein nicht unerheblicher Baustein der komplexen derzeitigen Pandemiebekämpfungsstrategie des Antragsgegners würde aber in seiner Wirkung deutlich reduziert (vgl. zur Berücksichtigung dieses Aspekts in der Folgenabwägung: BVerfG, Beschl. v. 1.5.2020 – 1 BvQ 42/20 -, juris Rn. 10), und dies in einem Zeitpunkt eines wieder dynamischen Infektionsgeschehens. Die Möglichkeit, eine geeignete und erforderliche Schutzmaßnahme zu ergreifen und so die Verbreitung der Infektionskrankheit zum Schutze der Gesundheit der Bevölkerung, einem auch mit Blick auf Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG überragend wichtigen Gemeinwohlbelang (vgl. BVerfG, Urt. v. 30.7.2008 – 1 BvR 3262/07 u.a. -, BVerfGE 121, 317, 350 – juris Rn. 119 m.w.N.), noch effektiver als bisher zu verhindern, bliebe hingegen zumindest zeitweise bis zu einer Reaktion des Verordnungsgebers (irreversibel) ungenutzt.
Würde hingegen die Schließung von Freilichtbühnen als „ähnliche(n) Einrichtungen“ im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 der Niedersächsischen Corona-Verordnung nicht vorläufig außer Vollzug gesetzt, hätte der Normenkontrollantrag aber in der Hauptsache Erfolg, wäre der Antragsteller vorübergehend zu Unrecht zur Befolgung der – für den Fall der Nichtbefolgung bußgeldbewehrten – Schutzmaßnahme verpflichtet und müsste seine Einrichtung weiterhin für den Publikumsverkehr und Besuche geschlossen halten. Dies erscheint aber auch derzeit noch hinnehmbar. Dem Antragsteller stehen grundsätzlich staatliche Hilfen zur Verfügung, die die wirtschaftlichen Schäden des Antragstellers wenigstens zu einem Teil kompensieren (vgl. Schriftsatz des Antragstellers v. 31.3.2021, S. 9). Ohne die Beschränkungen könnte sich die Gefahr der Ansteckung mit dem Virus, der Erkrankung zahlreicher weiterer Personen, der Überlastung der gesundheitlichen Einrichtungen bei der Behandlung schwerwiegender Fälle und schlimmstenfalls des Todes von Menschen auch nach den derzeit vorliegenden Erkenntnissen noch weiter erhöhen (vgl. zu dieser Gewichtung: BVerfG, Beschl. v 7.4.2020 – 1 BvR 755/20 -, juris Rn. 10; Beschl. v. 28.4.2020 – 1 BvR 899/20 -, juris Rn. 12 f.).
In diese Folgenabwägung wird auch eingestellt, dass die Verordnung gemäß ihres § 20 Abs. 1 zeitlich befristet wurde. Damit ist sichergestellt, dass die Verordnung unter Berücksichtigung neuer Entwicklungen der Corona-Pandemie fortgeschrieben werden muss. Hierbei hat der Antragsgegner hinsichtlich der im vorliegenden Verfahren relevanten Schließung zu untersuchen, ob es angesichts neuer Erkenntnisse etwa zu den Verbreitungswegen des Virus, zu die Gefahrenbewertung objektiv beeinflussenden Varianten des Virus oder zur Gefahr einer Überlastung des Gesundheitssystems verantwortet werden kann, die Betriebsverbote und -beschränkungen unter – notwendigenfalls strengen – Auflagen und gegebenenfalls nur versuchsweise wieder zu lockern (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.4.2020 – 1 BvQ 28/20 -, juris Rn. 16).
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
III. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG. Es entspricht der ständigen Praxis des Senats, in Normenkontrollverfahren in der Hauptsache nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO grundsätzlich den doppelten Auffangwert im Sinne des § 52 Abs. 2 GKG, mithin 10.000 EUR, als Streitwert anzusetzen (vgl. Senatsbeschl. v. 31.1.2019 – 13 KN 510/18 -, Nds. Rpfl. 2019, 130 f. – juris Rn. 29). Dieser Streitwert ist für das Verfahren auf sofortige Außervollzugsetzung der Verordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO zu halbieren.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5 in Verbindung mit 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).