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Vollkaskoversicherung: Angabe von Vorschäden

LANDGERICHT COBURG

Az.: 12 O 817/01

Urteil vom 20.02.2002


In dem Rechtsstreit wegen Forderung hat der Einzelrichter der 1. Zivilkammer des Landgerichts Coburg aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 20. Februar 2002 für Recht erkannt:

 

1. Die Klage wird abgewiesen.

 

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

 

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 1.700,– Euro vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

 

Der Kläger begehrt Entschädigung aus einer bei der Beklagten bezüglich des Pkws … amtliches Kennzeichen … abgeschlossenen Fahrzeugvollversicherung (Vollkasko).

 

Am … verunfallte der  Zeuge B…  K… mit dem Pkw des Klägers auf der … in Nähe ….

Die unfallbedingten Reparaturkosten am klägerischen Fahrzeug beliefen sich auf brutto … DM.

 

Mit Schadenanzeige vom … meldete der Kläger den streitgegenständlichen Kraftfahrzeugunfall. In dieser schrift­lichen Kaskoschadenanzeige wurde unter Ziffer 11. g) zur Frage „Hatte Ihr Fahrzeug vor diesem Ereignis reparierte Schäden?“ die Antwort „Nein“ angekreuzt.

 

Vor der abschließenden Unterschrift des Versicherungsnehmers enthielt das Kaskoschadenanzeigeformular der Beklagten – durch Fettdruck und Einrahmung deutlich hervorgehoben – folgenden Hinweis:

 

„Wichtiger Hinweis:

Sie bzw. der Fahrer/Fahrerin sind verpflichtet, alles zu tun, was zur Aufklärung des  Tatbestandes und zur Minderung des Schadens dienlich sein kann (§ 712 AKB). Dazu gehört auch die sorgfältige und genaue Beantwortung aller in dem vorlie­genden Formular gestellten Fragen.

 

Bewusst unwahre oder unvollständige Angaben können, auch wenn uns hierdurch kein Schaden entsteht, zum Verlust des Versiche­rungsschutzes führen und uns berechtigen, unsere Aufwendungen in den Grenzen des § 7 V AKB von Ihnen bzw. dem Fahrer/der Fahrerin zurückzufordern.“

 

Die Kaskoschadenanzeige wurde vom Kläger unter dem … eigenhändig unterschrieben.

 

Im übrigen wird auf den Inhalt der Kaskoschadenanzeige Bezug genommen (Anlage B 1).

 

Tatsächlich wies der streitgegenständliche Pkw folgende Vor­schäden auf :

 

Vorschaden gemäß Gutachten … vom … (B2), Reparaturkosten … DM.

 

Vorschaden gemäß Gutachten … vom … (B3), Reparaturkosten … DM.

 

Vorschaden gemäß Sachverständigenbüro … vom … (B4), Reparaturkosten … DM.

 

Der Kläger trägt vor, dass der Beklagten sämtliche Vorschäden bekannt gewesen seien und sich ein Vorschaden auch aus dem von der Beklagtenpartei erholten Gutachten vom … zur Höhe der Reparaturkosten ergebe. Im übrigen trägt er vor, dass er die gestellte Frage nicht richtig verstanden habe.

 

Der Kläger beantragt unter Berücksichtigung einer Selbstbetei­ligung von … DM:

 

Die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger … Euro nebst Zinsen hieraus von 5 % über dem Basiszinssatz ge­mäß § 1 DÜG zu bezahlen.

 

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

 

Die Beklagte meint, dass sie von ihrer Leistungspflicht frei geworden sei, da der Kläger unrichtige Angaben zu den Vorschä­den des Fahrzeuges in der Kaskoschadenanzeige gemacht habe und damit eine vorsätzliche Obliegenheitsverletzung vorliege.

 

Hinsichtlich des weiteren Sachvortrages wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

 

Das Gericht hat Beweis erhoben zur Kenntnis der Beklagtenpartei von Vorschäden durch Einvernahme des Zeugen … gemäß Verfügung vom …. Hinsichtlich des Ergeb­nisses der  Beweisaufnahme wird  auf die Sitzungsniederschrift (Bl. 35 ff. d. A.) Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet.

 

A.

Die Beklagte ist wegen Vorliegen einer vorsätzlichen Obliegenheitsverletzung seitens des Klägers von ihrer Lei­stungspflicht frei geworden (§ 6 Abs. 3 WG i.V.m. §§ 7 I Abs. 2 Satz 3, 7.V Abs. 4.; AKB).

 

1.

Den Versicherungsnehmer trifft nach Eintritt des Versi­cherungsfalles gemäß § 7 I Abs. 2 Satz 3 AKB die Pflicht, al­les zu tun, was zur Aufklärung des Sachverhaltes dienlich sein kann.

 

Bei Angaben zu Vorschäden, die für die Ermittlung der Höhe der Entschädigung bedeutsam sind, ist der Versicherer dabei auf vollständige und wahrheitsgemäße Angaben des Versicherungsneh­mers besonders angewiesen. Deshalb sind etwaige Vorschäden und deren Umfang stets vollständig und wahrheitsgemäß anzugeben (vgl. Stiefel-Hofmann, Kraftfahrtversicherung, AKB-Kommentar, 16. Aufl., Rdnr. 42 zu § 7).

 

Der Kläger hat die Frage nach reparierten Vorschäden in der Schadenanzeige verneint. Diese Angaben waren objektiv unrich­tig, da tatsächlich drei reparierte Vorschäden vorlagen.

 

Die Angaben des Klägers in der Kaskoschadenanzeige genügen diesen Anforderungen offenkundig nicht, da sie unwahr sind.

 

2.

Danach liegt  objektiv eine Obliegenheitsverletzung des Klägers vor, so dass die Vermutung  für ein vorsätzliches Handeln spricht. Dies hat zur Folge, dass der Versicherungsnehmer zur Vermeidung der Leistungsfreiheit des Versicherers einen geringeren Schuldgrad als Vorsatz nachweisen müsste. Diesen möglichen Entlastungsbeweis hat der Kläger jedoch nicht dargetan.

 

Die vorsätzliche Obliegenheitsverletzung ist zwar folgenlos geblieben, weil die Beklagte die falschen Angaben des Klägers zu den Vorschäden rechtzeitig aufdecken konnte. Die Beklagte ist jedoch nach den Grundsätzen der so genannten Relevanzrechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH VersR 1984, 228 ff.) von der Leistung frei geworden. Hiernach tritt bei vorsätzlicher folgenloser Obliegenheitsverletzung Leistungsfreiheit des Versicherers auch dann ein, wenn die Pflichtverletzung wie hier generell geeignet war, die Inter­essen des Versicherers ernsthaft zu gefährden, den Versiche­rungsnehmer erhebliches Verschulden trifft und er ausreichend, darüber belehrt worden ist, dass bewusst unwahre Angaben zum Verlust des Versicherungsschutzes führen können, selbst wenn dem Versicherer hierdurch kein Nachteil entsteht.

 

a) Dies ist vorliegend der Fall. Die unzutreffenden Angaben des  Klägers zu  den Vorschäden waren generell  geeignet, die Interessen der  Beklagten ernsthaft  zu gefährden,  da  gerade diese Angaben  für die Ermittlung der Höhe einer Entschädigung bedeutsam waren und sind.

 

b) Nicht entlasten kann den  Kläger,  dass  seitens  der Beklagtenpartei ein Gutachten zur Schadenshöhe eingeholt wor­den und dabei auch ein Vorschaden gegenüber dem Sachverständi­gen angegeben worden ist. Es fehlt hier bereits an einer voll­ständigen  Angabe der  Vorschäden zu Zahl und Umfang gegenüber dem Sachverständigen.  Nicht entlasten kann den Kläger auch, dass er in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht hat, die Schadensanzeige sei von seinem Rechtsanwalt ausgefüllt worden. Ausweislich der Schadenanzeige hat er diese eigenhändig unterzeichnet, er wäre somit verpflichtet gewesen, die Eintragungen zu überprüfen. Im übrigen hat der Kläger hinsichtlich dieses bestrittenen Sachvortrages keinen Beweis angetreten.

 

Eine Obliegenheitsverletzung des Klägers ist im vorliegenden Fall auch deshalb nicht ausgeschlossen, weil die Beklagte die Vorschäden, welche der Kläger verschwiegen hatte, reguliert hat. Die Bestimmungen über die Aufklärungspflicht tragen dem Gedanken Rechnung, dass der Versicherer, um sachgemäße Entschlüsse fassen zu können, sich darauf verlassen muss, dass der Versicherungsnehmer von sich aus richtige und lückenlose Angaben über den Versicherungsfall macht. Enttäuscht der Ver­sicherungsnehmer dieses Vertrauen, indem er vorsätzlich Fragen des Versicherers nicht oder nicht richtig beantwortet, so kann er sich hinterher nicht erfolgreich darauf berufen, dass sich der ‚Versicherer die erforderlichen Informationen anderweitig hätte beschaffen können. Die Aufklärungspflicht würde in ihr Gegenteil verkehrt und in ein Recht zur Lüge verwandelt wer­den, wenn der Aufklärungspflichtige seine vorsätzliche Verlet­zung damit rechtfertigen könnte, dass der Versicherer in der Lage gewesen sei, die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Angaben zu durchschauen. Daher besteht in solchen Fällen auch kein Anlass dem Versicherer nach Treu und Glauben die Berufung auf seine eingetretene Leistungsfreiheit zu versagen (vgl. BGH VersR 1982, 183; OLG Köln VersR 1990, 1225).

 

c) Da der Kläger im übrigen in der Kaskoschadenanzeige aus­reichend über die Folgen einer Obliegenheitsverletzung belehrt worden ist, ist nach alledem wegen Leistungsfreiheit der Beklagten die Klage abzuweisen.

 

B.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 Satz 1 ZPO.

 

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