OLG Koblenz – Az.: 5 U 1348/11 – Beschluss vom 22.12.2011
Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig davon überzeugt ist, dass sie offensichtlich keine Erfolgsaussicht hat, die Rechtssache ohne grundsätzliche Bedeutung ist, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ein Urteil erfordern und eine mündlichen Verhandlung nicht geboten ist.
Gründe
Im Einzelnen ist zur Prozesssituation zu bemerken:
1. Der Kläger hatte am 17.10.2009 die Kasse eines Warenhauses der Beklagten zu 1. passiert, ohne eine Schachtel mit Aktenklammern zu bezahlen, die er in seiner rechten Jackentasche aufbewahrte. Er wurde daraufhin unter dem Vorwurf des Ladendiebstahls gestellt. Die als Detektive tätigen Beklagten zu 3. und zu 4. bereiteten eine Strafanzeige vor, die allerdings letztlich nicht erstattet wurde, und verhängten ein Hausverbot. Dieses Hausverbot hat die Beklagte zu 1. im Zuge des hiesigen Rechtsstreits aufgehoben.
Am 19.10.2009 suchte der Kläger das Warenhaus erneut auf. Er traf auf den in der Geschäftsleitung tätigen Beklagten zu 2. und auf den Beklagten zu 4. Nach seinem Vorbringen soll der Beklagte zu 4. anschließend – für Außenstehende hörbar – den Diebstahlsvorwurf wiederholt haben, und der Beklagte zu 2. habe angekündigt, er werde die vorbereitete Strafanzeige unterschreiben. In einem Telefongespräch vom 31.10.2009 habe ihn dieser dann seinerseits des Diebstahls bezichtigt. Das alles sei zu Unrecht geschehen. Er habe die Aktenklammern in seine Jackentasche gesteckt, weil er die Hände für andere Artikel habe frei haben müssen, und den Vorgang dann vergessen.
Vor diesem Hintergrund hat der Kläger die gesamtschuldnerische Verurteilung der Beklagten zur Zahlung eines mit mindestens 6.000 € zu beziffernden Schmerzensgelds, zum Widerruf und zur Unterlassung des Diebstahlsvorwurfs, zur Aufhebung des Hausverbots und zum Ausgleich vorgerichtlicher Anwaltskosten beantragt. Dieses Verlangen hat das Landgericht abgewiesen. Es hat die Passivlegitimation der Beklagten zu 1. von vornherein mit dem Hinweis darauf verneint, dass keines deren Organe an den Geschehnissen beteiligt gewesen sei. Den Beklagten zu 2., zu 3. und zu 4. hat es die Wahrnehmung berechtigter Interessen attestiert und außerdem bemerkt, dass eine fortdauernde Beeinträchtigung des Klägers fehle.
Dagegen wendet sich der Kläger in Erneuerung seines Begehrens mit der Berufung. Seiner Ansicht nach wird die Auffassung des Landgerichts der Sach- und Rechtslage nicht gerecht.
2. Die Rechtsmittelangriffe vermögen nicht durchzudringen. Die angefochtene Entscheidung hat im Ergebnis Bestand.
Allerdings lässt sich eine Verantwortlichkeit der Beklagten zu 1. nicht mit der Begründung verneinen, dass ihr das Verhalten der übrigen Beklagten nicht zugerechnet werden könne, weil diese keine Organstellung gehabt hätten. Denn die Beklagten zu 2., zu 3. und zu 4. waren sowohl Verrichtungsgehilfen als auch – im Rahmen der zum Kläger bestehenden Vertragsbeziehungen – Erfüllungsgehilfen der Beklagten zu 1. Das hat die Berufung richtig gesehen. Indessen kommt es darauf letztlich nicht an:
a) Der Schmerzensgeldanspruch scheitert daran, dass man, wie das Landgericht erkannt hat, auf Seiten der Beklagten sowohl bei der Erhebung des Diebstahlsvorwurfs als auch bei der in Aussichtstellung einer Strafanzeige in Wahrnehmung berechtigter Interessen handelte und deshalb keine Persönlichkeitsrechtsverletzung vorliegt, die durch eine Ausgleichszahlung zu entschädigen wäre. Aus den Umständen ergab sich ein gewichtiger Diebstahlsverdacht. Dieser Verdacht durfte im Sinne eines klaren Tatvorwurfs ausgesprochen und so zur Grundlage dafür gemacht werden, ein Strafverfahren anzukündigen. Das beinhaltete – im Interesse der freien Zugänglichkeit der staatlichen Rechtspflegeverfahren – auch das „Recht auf Irrtum“ (BverfG NJW 1987, 1929-1930, BGH NJW 1985, 3081; Sprau in Palandt, BGB, 71. Aufl., § 823 Rn. 37).
Freilich gab es keine Rechtfertigung dafür, die Anschuldigung unbeteiligten Dritten gegenüber zum Ausdruck zu bringen. Indessen kann der Senat nicht feststellen, dass dies geschehen wäre. Die Behauptung des Klägers, am 19.10.2009 sei eine entsprechende Aussage des Beklagten zu 4. von Außenstehenden gehört worden, ist weder konkretisiert noch tauglich unter Beweis gestellt worden.
b) Das Widerrufsbegehren des Klägers ist von vornherein insoweit unbegründet, als der Widerruf ihm selbst gegenüber erfolgen soll (BGHZ 10, 104, 106; Sprau in Palandt, BGB, 71. Aufl., vor § 823 Rn. 32). Aber auch darüber hinaus ist eine Verurteilung der Beklagten zum Widerruf nicht möglich. Ihr steht ohne weiteres entgegen, dass die Personen, denen gegenüber zu widerrufen wäre, nicht namhaft gemacht worden sind. Damit ermangelt es dem Antrag des Klägers an der notwendigen Bestimmtheit.
c) Auch für die Inanspruchnahme der Beklagten auf Unterlassung ist kein Raum. Die Feststellung des Landgerichts, es fehle, nachdem man die vorbereitete Strafanzeige habe fallen lassen und das Hausverbot aufgehoben worden sei, an einer Begehungsgefahr (§ 1004 Abs. 1 S. 2 BGB), begegnet keinen rechtserheblichen Zweifeln (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Es ist nicht zu ersehen, dass die Beklagten den Willen oder das Interesse haben könnten, die streitigen Vorwürfe jetzt noch kund zu tun. Freilich gilt das nicht mit Blick auf ihre Rechtsverteidigung im hiesigen Prozess. Diese Rechtsverteidigung kann ihnen jedoch nicht verwehrt werden und Auslöser eines Unterlassungsanspruchs sein (Sprau in Palandt, BGB, 71. Aufl., § 823 Rn. 37).
d) Das – ausschließlich im Namen der Beklagten zu 1. – verhängte Hausverbot ist von dieser aufgehoben worden. Der vom Kläger angemahnten Aufhebung durch weitere Beklagte bedarf es nicht. Damit ist das Klageverlangen in diesem Punkt gegenstandslos geworden. Im Hinblick darauf braucht nicht erörtert zu werden, ob sich der Kläger angesichts der Eigentümerbefugnisse der Beklagten zu 1. und des gegen ihn fortbestehenden Verdachts überhaupt erfolgreich gegen die Aufrechterhaltung des Hausverbots hätte zur Wehr setzen können. Der Anwendungsbereich des AGG ist nicht berührt, und ein überragendes Interesse des Klägers an weiteren Besuchen des Warenhauses, dem sich die Beklagte zu 1. vor dem Hintergrund des § 826 BGB (vgl. dazu Sprau in Palandt, BGB, 71. Aufl., § 826 Rn. 48) unter Hintanstellung ihres Hausrechts unterordnen müsste, ist nicht zu erkennen.
e) Mangels im Grunde berechtigter Ansprüche gegen die Beklagten gibt es keinen Anknüpfungspunkt für die verzugsbedingt geltend gemachte Schadensersatzforderung wegen vorgerichtlicher Anwaltskosten.
3. Nach alledem sollte der Kläger die Rücknahme seines Rechtsmittels erwägen. Bis zum 23.01.2012 besteht Gelegenheit zur Stellungnahme.