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Vorzeitige Kreditablösung – Sittenwidrigkeit einer Vorfälligkeitsentschädigung

Bemessung des Ausfallrisikos

LG Osnabrück – Az.: 14 O 222/11 – Urteil vom 13.03.2012

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger verlangt von der Beklagten Rückzahlung angeblich zu viel gezahlter Vorfälligkeitsentschädigung.

Zwischen der Einzelfirma … und der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der …, gab es drei Darlehen, nämlich über 1,6 Millionen Euro (Darlehen Nr. 07066-22305) 100.000 € (Darlehen Nr. 07066-22306) und über 50.000 € (Darlehen Nr. 07066-22307).

Der Kläger löste die Kredite im Einvernehmen mit der Beklagten durch Darlehen bei der … am 28.05.2010 ab.

Dafür berechnete die Beklagte gemäß (den 3) Schreiben vom 01.06.2010, Anlage K10, insgesamt 184.648,77 € (Darlehen-Nr. 07066-22305 = Netto 170.473,29 €, Darlehen-Nr.: 07066 22306 = 10.609,47 € und Darlehen-Nr.: 07066 22307 = 3.566,01 €).

Der Kläger macht geltend, dass insbesondere der von der Beklagten im Rahmen der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung auf der Grundlage von 0,06 % in Abzug gebrachte Risikoerstattungsbetrag viel zu niedrig angesetzt sei und ein Risikoabschlag auf der Grundlage von 1,05 % gerechtfertigt sei. Insoweit wird auf das Schreiben des Rechtsanwalts W. vom 11.08.2010 Bezug genommen (Anlage K11): daraus ergibt sich die Klageforderung.

Die Bewertung mit 0,06 % entspreche nämlich einem Ranking der Kategorie A-Plus/A bzw. A-Minus, was einer Risikogewichtung von etwa 50 % entsprochen hätte, während der Kläger, wie die geschäftliche Entwicklung bereits in den Jahren 2009 und 2010 gezeigt habe, in der er kurz vor der Zahlungsunfähigkeit gestanden hätte, ein weit höheres Risiko gehabt habe, so dass sein Ranking nach „Standard & Poor‘s“ bei „BBB“ gelegen habe, was im Bereich einer Risikogewichtung von 100 % gewesen sei.

Der Kläger meint auch, dass nicht auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses für die Berechnung des Risikoabschlages abzustellen sei. Maßgeblich sei vielmehr der Zeitpunkt der vorzeitigen Kündigung des Darlehensvertrages.

Auch sei die Beklagte in der Wahl zwischen dem sogenannten Aktiv-Aktiv-Vergleich (Wiederausleihungsmöglichkeit) und dem Aktiv-Passiv- Vergleich (Wiederanlagemöglichkeit) in Fällen wie dem vorliegenden nicht vollständig frei, sondern müsse dann, wenn, wie hier, die einseitige Auswahlmöglichkeit der Bank bei der Berechnungsmethode zu unangemessenen, den Darlehensnehmer belastenden und für ihn ungünstigen Ergebnissen führe, diejenige Methode wählen, die für den Kreditnehmer am wenigsten belastend sei, gerade wenn sie die Möglichkeit habe, die zugeführten Kreditmittel höher verzinslich an einen neuen Kreditnehmer zu überlassen.

Dem Kläger sei es nur mit Glück gelungen, die … für eine Kreditablösung zu gewinnen, so dass diesem Gesichtspunkt keine davon abweichende Einschätzung zukomme.

Dem Umstand, dass das Darlehen erstrangig und der größte Darlehensbetrag von 1,6 Millionen Euro grundpfandrechtlich gesichert war, komme in diesem Zusammenhang keine Bedeutung bei.

Der Kläger stützt sich darauf, dass die Vorfälligkeitsentschädigung unrichtig berechnet sei; die Risikokosten seien zu niedrig bemessen, die Verwaltungskostenersparnis sei auch zu niedrig angesetzt und die Bearbeitungskosten zu hoch.

Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 73.229,59 € nebst Zinsen hieraus seit dem 01.09.2010 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte bestreitet eine Verantwortung angebliche erhebliche finanzielle Probleme des Klägers und dessen behaupteter drohender Zahlungsunfähigkeit.

Sie bestreitet die Angaben des Klägers zu seinem Kapitalbedarf und den Steuerrückständen sowie Lieferantenschulden mit Nichtwissen.

Auch bestreitet die Beklagte, dass der Risikoabschlag zu niedrig angesetzt wurde, dass die meisten Kreditinstitute ersparte Kosten von 0,2 % einräumen und Verbraucherberatungen typischer Weise ersparte Risikokosten von 0,15 % p. a. empfehlen würden.

Die Auswahlwahrscheinlichkeit sei gering gewesen, weil der Kläger durch eine Buchgrundschuld in Höhe von 2 Millionen Euro an dem der Firma … gehörenden Grundstück … in Osnabrück und zwei Bürgschaften über je 1,7 Millionen Euro abgesichert gewesen sei.

Auch könne der Kläger nicht verlangen, dass die Vorfälligkeitsentschädigung für das Darlehen nach den Grundsätzen, die im Falle eines Rechts zur außerordentlichen Kündigung eines Darlehensvertrags gemäß § 490 Abs. 2 BGB gelten würden, berechnet werde. Denn vorliegend hätten sich die Parteien einvernehmlich auf die vorzeitige Rückzahlung des Darlehens geeinigt, so dass die Rechtsgrundsätze zu der vorgenannten Vorschrift nicht gelten würden. Der Kläger habe nur zu dem Zweck günstigere Kreditkonditionen zu erhalten, die Auflösung der Darlehensverträge bewirkt, so dass ein Anwendungsfall von § 490 Abs. 2 BGB nicht vorliege.

Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rückerstattung zu viel gezahlter Vorfälligkeitsentschädigung bzw. Falschberechnung einer Vorfälligkeitsentschädigung.

1.

Die Beurteilung des Falles unterliegt nicht den Grundsätzen des § 490 Absatz 2 BGB; der Kläger hatte kein berechtigtes Interesse, die Darlehen vorzeitig fristlos zu kündigen.

Der Kläger hat die Darlehen schon nicht fristlos gekündigt, sondern die Parteien haben sich darauf geeinigt, dass die Darlehensverträge vorzeitig beendet werden.

Das Interesse des Klägers lag zudem darin, günstigere Konditionen bei einer anderen Bank zu erhalten und damit seinen laufenden Kapitalaufwand zu verringern. Infolge dieses Umstandes liegt auch im Übrigen ein Anwendungsfall von § 490 Abs. 2 BGB nicht vor. Allein das Interesse des Klägers daran, zu günstigeren Darlehenskonditionen zu kommen, rechtfertigt eine Beurteilung des vorliegenden Falles nach den Maßstäben von § 490 Abs. 2 BGB nicht. Denn nur dann, wenn der Betroffene ein berechtigtes Interesse an der vorzeitigen Ablösung des Darlehens hat, greift diese Vorschrift ein. Das war hier aber nicht der Fall, weil allein der Umstand, dass der Kläger zu günstigeren Darlehenskonditionen kommen wollte, ein solches berechtigtes Interesse im Sinne von § 490 Abs. 2 BGB nicht darstellt.

2.

Damit muss sich die seitens der Beklagten in Rechnung gestellte Vorfälligkeitsentschädigung nur an den Grenzen der Sittenwidrigkeit, § 138 BGB, messen lassen (vgl. BGH, Wertpapiermitteilungen 2003, Seite 12161).

Steht dem Kreditnehmer gegen den Kreditgeber ein Anspruch auf eine vorzeitige Ablösung eines Darlehens mit fester Laufzeit nicht zu, so unterliegt eine Vereinbarung der Vertragspartner über die Höhe des Vorfälligkeitsentgelts keiner Angemessenheitskontrolle, sondern ist, solange die Grenzen des § 138 BGB gewahrt sind, grundsätzlich rechtswirksam (vgl. BGH, ebenda, BGHZ 136, 161).

In Anbetracht des Umstandes, dass die Beklagte eine Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von ca. 185.000 € berechnet hat und der Kläger meint, dass diese um 70.000 € zu hoch sei, folgt eine sittenwidrige Überforderung bereits zahlenmäßig nicht, da diese in der Regel eine Überschreitung von 100 % voraussetzt, was hier nicht gegeben ist; das wäre erst bei einem Betrag von mehr als 90.000 € angeblich zuviel verlangter Vorfälligkeitsentschädigung anzunehmen.

3.

Selbst wenn man zugunsten des Klägers ein berechtigtes Interesse an der vorzeitigen Ablösung der Darlehen gemäß § 490 Absatz 2 BGB annehmen würde, wäre das Ausfallrisiko nach Auffassung des Gerichts nicht höher zu bewerten sein als von der Beklagten (auf der Grundlage von 0,06 %) angenommen.

Denn nach den gesamten Umständen dürfte davon auszugehen sei, dass infolge der grundpfandrechtlichen Sicherheiten für alle drei Darlehen und der zwei Bürgschaften in Höhe von jeweils 1,7 Millionen Euro der … das Risiko der Bank mit den Darlehen auszufallen gering war.

Es kommt nicht darauf an, ob, wie der Kläger meint, auf den Zeitpunkt abgestellt werden, in dem die Darlehen vorzeitig abgelöst wurden, oder auf den Zeitpunkt, zu dem die Darlehen bewilligt worden sind. Zu beiden Zeitpunkten bestanden die Darlehenssicherheiten mit dem geringen Ausfallrisiko der Beklagten bzw. der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der …

Bei dieser Sachlage ist eine etwaige geringere Bonität des Klägers nicht wesentlich ausschlaggebend für die Ermittlung des Risikos.

Im Übrigen ist fraglich, ob dieser Einwand des Klägers überhaupt begründet sein kann. Denn bis zur vorzeitigen Ablösung der Darlehen hat der Kläger, wie im Schriftsatz der Beklagtenvertreter vom 14.02.2012 dargestellt, erhebliche Rückzahlungen erbracht; das Darlehen mit der Endnummer 05 wies im Zeitpunkt der vorzeitigen Ablösung nur noch einen Sollsaldo von 1.366.696,93 Millionen Euro (statt 1,6 Millionen Euro) auf und auch die beiden weiteren Darlehen über 100.000 und 50.000 € waren innerhalb der Zeit von 2 bis 3 Jahren schon nicht unerheblich zurückgeführt, insgesamt waren die Darlehenssalden um ca. 150.000 € verringert.

4.

Bei dieser Sachlage war die Klage abzuweisen.

5.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709 Satz 2 ZPO.

 

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