OLG Stuttgart – Az.: 6 U 115/17 – Urteil vom 08.05.2018
1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 24.3.2017 abgeändert und die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen trägt die Klägerin.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages, wenn nicht zuvor der Beklagte Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Streitwert des Berufungsverfahrens: 66.915,54 Euro.
Gründe
I.
Die Klägerin nimmt den Beklagten als Bürgen für einen Mietkaufvertrag über eine Druckmaschine in Anspruch.
Die Klägerin schloss mit der Hauptschuldnerin unter dem 13.2./8.4.2009 einen Mietkaufvertrag ab über eine zum Preis von netto 524.000 Euro zuzüglich Umsatzsteuer von der H. GmbH zu erwerbende Druckmaschine. Dem Vertrag lagen die AGB der Klägerin zugrunde, nach deren § 7 Nr. 2 a) bei außerordentlicher Kündigung im Rahmen der Schadensberechnung die noch ausstehenden Raten abzuzinsen sind mit einem Zinssatz, der demjenigen vergleichbarer Geschäftskredite zum Zeitpunkt des Abschlusses des Mietkaufvertrages am Markt entspricht. Der Beklagte hat am 20.3.2009 eine selbstschuldnerische Höchstbetragsbürgschaft bis zu einem Betrag von 130.000 Euro für den Mietkaufvertrag übernommen.
Nachdem die Hauptschuldnerin nach früheren Zahlungsverzögerungen mit zwei vollen Monatsraten im Rückstand war und sie außerdem mitteilte, dass am 10.12.2013 ein vorläufiges Insolvenzverfahren eröffnet worden sei, kündigte die Klägerin den Mietkaufvertrag mit Schreiben vom 6.1.2014 fristlos. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 28.2.2014 forderte der Insolvenzverwalter die Klägerin zur Abholung der Maschine auf, die daraufhin die Maschine in der Folge und nach Verwertungsbemühungen unklaren und streitigen Umfangs zu einem Nettokaufpreis von 200.000 Euro veräußerte und den Mietkaufvertrag abrechnete.
Vor diesem Hintergrund geht die Klägerin aus der Bürgschaft gegen den Beklagten vor und verlangt den von ihr als Schaden der vorzeitigen Vertragsbeendigung errechneten – im Verlauf des Rechtsstreits mehrfach variierten – Betrag. Sie trägt dabei vor, die Kündigung habe bei ihr zu einer Umsatzsteuerrückerstattung von (nur) 54.717,06 Euro geführt. Ihr Refinanzierungssatz betrage 4,18%, woraus sich durch Abzinsung ein Barwert der bei Kündigung offenen Raten von 32.071,55 Euro ergebe. Sie habe die Maschine zum Nettopreis von 200.000 Euro verwertet, das sei die bestmögliche Verwertung gewesen; die Maschine habe Schäden im Umfang von rund 12.000 Euro aufgewiesen. Damit stehe ihr unter Berücksichtigung der erbrachten Raten und ersparten Aufwendungen von 400 Euro ein Schadensersatzanspruch in Höhe von (mindestens) 66.915,54 Euro zu, den sie zuletzt in erster Instanz nebst einem geringen Betrag an ausgerechneten Zinsen geltend gemacht hat.
Der Beklagte hat die Berechtigung der Klageforderung in erster Instanz unter einer Vielzahl von Gesichtspunkten in Abrede gestellt – etwa sei der Bürgschaftsvertrag in einer Privatwohnung abgeschlossen worden und daher widerruflich gewesen und widerrufen, auch sei die Verwertung nicht ordnungsgemäß erfolgt – und hat insbesondere die Richtigkeit des von der Klägerin ihrer Abrechnung zugrundegelegten Refinanzierungszinssatzes bestritten.
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in erster Instanz wird auf die Schriftsätze und auf die tatsächlichen Feststellungen im Urteil des Landgerichts Bezug genommen.
Das Landgericht hat der Klage in ihrem zuletzt geltend gemachten Umfang in voller Höhe stattgegeben.
Zur Berechnung des Barwerts der ausstehenden Raten sei auf § 7 Nr. 2a der AGB der Klägerin abzustellen, dazu und insbesondere ihrem Refinanzierungssatz habe die Klägerin vorgetragen. Demgegenüber habe der Beklagte keinen schlüssigen und substantiierten Vortrag zum Refinanzierungszinssatz gehalten. Auch die weiteren Einwendungen des Beklagten griffen nicht durch, so dass sich insgesamt ein leicht über der klägerseits geltend gemachten Forderung liegender Anspruch ergebe.
Dagegen wendet sich die Berufung des Beklagten, der weiterhin die Abweisung der Klage erreichen will.
Bezüglich der Höhe der klägerischen Forderung bestünden weiterhin Zweifel an der Schlüssigkeit, insbesondere sei der zugrundegelegte Refinanzierungssatz von der Klägerin bloß behauptet worden. Im Übrigen wiederholt und vertieft der Beklagte seinen Vortrag bezüglich der erster Instanz erhobenen Einwendungen.
Der Beklagte beantragt, das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 24.03.2017, Aktenzeichen 22 O 302/14 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt im Wesentlichen das landgerichtliche Urteil als richtig.
Wegen der Einzelheiten und wegen des weiteren Vortrags der Parteien in zweiter Instanz wird auf die gewechselten Schriftsätze und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen. Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat der Senat darauf hingewiesen, dass Bedenken bezüglich der Wirksamkeit von § 7 Nr. 2a der AGB der Klägerin bestehen und dass der Vortrag der Klägerin zur tatsächlichen Höhe des Refinanzierungszinssatzes nicht ausreichend erscheine. Die Klägerin hatte Gelegenheit zur Stellungnahme hierzu, die sie mit nachgelassenem Schriftsatz vom 10.4.2018 genutzt hat.
II.
Die Berufung des Beklagten ist zulässig und begründet.
Zwar kommt ein Anspruch der Klägerin auf Schadensersatz wegen der vorzeitigen Beendigung des Mietkaufvertrages und damit ein Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten als Bürgen in Betracht. Jedoch fehlt es an ausreichenden Darlegungen der Klägerin zu ihrem Refinanzierungszinssatz (1., 2.). Auf alles Weitere kommt es damit nicht an (3.).
1.
Kündigt der Mietverkäufer den Mietkaufvertrag berechtigt fristlos, so kann er seinen Kündigungsschaden geltend machen (vgl. BGH, Beschluss vom 07. September 2011 – VIII ZR 246/10 -, Rn. 4, juris). Bei der Berechnung des Kündigungsschadens sind die künftig geschuldeten Raten auf den Zeitpunkt der vorzeitigen Vertragsbeendigung abzuzinsen. Denn der Verkäufer soll zwar keinen ungerechtfertigten Nachteil erleiden, gegenüber der vollständigen Vertragsdurchführung aber auch nicht besser gestellt werden (BGH, Urteil vom 29. Januar 1986 – VIII ZR 49/85 -, juris, zur gleichgelagerten Frage beim Leasing). Und zu einer solchen Besserstellung könnte es ohne Abzinsung kommen, da der Verkäufer infolge des vorzeitigen Kapitalrückflusses seinerseits das zur Refinanzierung aufgenommene Kapital vorzeitig zurückzahlen kann und dadurch ab der Rückzahlung Zinsen erspart.
Daraus folgt, dass grundsätzlich der Abzinsungssatz dem Zinssatz entsprechen muss, den der Verkäufer im Rahmen seiner Refinanzierung beim Abschluss des Vertrages zu zahlen verpflichtet war (BGH, Urteil vom 22. November 1995 – VIII ZR 57/95 -, juris, wiederum zum Leasingvertrag).
2.
Das zugrundegelegt, lässt sich vorliegend ein Schaden der Klägerin nicht feststellen, da es an den erforderlichen Darlegungen der Klägerin zu ihrem Refinanzierungszinssatz fehlt.
a)
Die Klägerin kann ihren Schaden zunächst nicht auf Grundlage von § 7 Nr. 2 a) ihrer AGB berechnen. Denn diese Klausel benachteiligt den Beklagten unangemessen und ist damit unwirksam (§ 307 Abs. 1 BGB).
aa)
Mit Urteil vom 29. Januar 1986 – VIII ZR 49/85 -, Rn. 52 f., juris, hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass die Verwendung eines festen Abzinsungszinssatzes – dort 6% – zur Berechnung eines Kündigungsschadens in AGB unzulässig sei.
Zur Begründung hat er darauf verwiesen, dass es bei einer solchen Gestaltung dazu kommen könne, dass der eigene Refinanzierungszinssatz des AGB-Verwenders – dort eines Leasinggebers – höher sei, als die festgelegten 6%, mit der Folge, dass der AGB-Verwender nur einen Teil des ihm aus dem Rückfluss des Kapitals durch Wegfall seiner eigenen Zinszahlungspflicht entstehenden Vorteils an den Vertragspartner weitergebe.
bb)
Nicht anders liegen die Dinge bei der von der Klägerin verwendeten Klausel.
(1)
Auch bei der Anknüpfung der streitgegenständlichen Klausel an den zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses gültigen Marktzins fehlt der entscheidende Bezug zu den tatsächlich von der Klägerin ersparten Zinsen, der bei einem gegenüber dem Marktzins höheren tatsächlichen Refinanzierungszins eine Bereicherung der Klägerin verhindern könnte. Umgekehrt bleibt es bei der streitgegenständlichen Klausel möglich, dass sich die Klägerin nur einen Teil der ihr durch die vorzeitige Abwicklung entstehenden Vorteils anrechnen lassen müsste, wenn ihr tatsächlicher Refinanzierungsaufwand höher war, als der Marktzins, auf den die Klausel abstellt.
(2)
Zu einer solchen nur teilweisen Weitergabe der Vorteile aus der vorzeitigen Vertragsbeendigung würde es im Übrigen nach der Darstellung der Klägerin zur Entstehung ihres Refinanzierungszinssatzes auch tatsächlich kommen: Wie die Klägerin durch Bezugnahme auf die Darstellung in Anlage K 16 vorgetragen hat, gewinnt die Klägerin ihren kalkulatorischen Zinssatz aus einer Gewichtung der für die Laufzeit des jeweiligen Geschäftes maßgeblichen Marktzinssätze zuzüglich eines Aufschlages, den die Refinanzierer der Klägerin auf die Marktzinssätze aufschlagen. Da die in den AGB der Klägerin vorgesehene Anknüpfung allein an Marktzinssätze die genannten Aufschläge unberücksichtigt lassen würde, würde die Klägerin bei Abrechnung nach § 7 Nr. 2 a) ihrer AGB von ihrem gegenüber dem Marktzins höheren Refinanzierungszinssatz profitieren.
(3)
Soweit die Klägerin im nachgelassenen Schriftsatz vom 10.4.2018 vorträgt, ihre Klausel genüge den Anforderungen der zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, weil der konkrete Refinanzierungszinssatz zugrundegelegt werde, trifft es nach dem Gesagten gerade nicht zu, dass in der Klausel der konkrete Refinanzierungszinssatz der Klägerin zugrundegelegt werde; vielmehr wird in den AGB der Marktzinssatz zugrundegelegt, der vom konkreten Refinanzierungszinssatz gerade abweichen kann und abweicht.
b)
Muss die Klägerin infolge der Unwirksamkeit ihrer AGB ihren Refinanzierungssatz nach allgemeinen Grundsätzen darlegen, genügt ihr Vortrag den zu stellenden Anforderungen nicht.
aa)
Dabei kann offen bleiben, ob die Klägerin für ihren Refinanzierungszinssatz darlegungs- und beweisbelastet ist (dafür OLG Celle, Urteil vom 30. August 1995 – 2 U 239/93 -, Rn. 21). Denn die Klägerin ist nach allgemeinen Grundsätzen für diese allein in ihrer Sphäre liegende Frage jedenfalls sekundär darlegungspflichtig.
bb)
Solche Darlegungen macht die Klägerin jedoch nicht.
(1)
Nach dem oben 1. erläuterten Zweck der Abzinsung lässt sich für die Abzinsung keine allgemeingültige Formel angeben. Vielmehr hängt der sachgerechte Abzinsungssatz von den Umständen des einzelnen abzuwickelnden Vertragsverhältnisses, insbesondere von dem vom Leasinggeber tatsächlich aufgewandten Refinanzierungszinssatz ab (BGH, Urteil vom 22. November 1995 – VIII ZR 57/95 -, juris; Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts, 10. Aufl., Rn. L. 2016).
(2)
Den demnach erforderlichen Vortrag zu ihren tatsächlichen Refinanzierungskosten hat die Klägerin auch nach ausdrücklichem Hinweis des Senates auf die Notwendigkeit solchen Vortrags nicht gehalten.
Sie hat vielmehr – insoweit auch im nachgelassenen Schriftsatz vom 10.4.2018 – allein auf ihre Darstellung in Anlage K 16 verwiesen. Diese enthält jedoch – neben grundsätzlich einleuchtenden Erwägungen, warum sich die Klägerin nicht einzelgeschäftsbezogen refinanziere, sondern nur einen pauschalen Refinanzierungssatz angeben könne – ausschließlich Erläuterungen zur abstrakten Berechnung ihres Refinanzierungszinssatzes und läuft insoweit im Ergebnis auf die Mitteilung hinaus, die Klägerin refinanziere sich in Höhe des Marktzinses zuzüglich eines – noch nicht einmal mitgeteilten – Aufschlages. Weder hält die Klägerin dagegen Vortrag dazu, wie sich konkret ihre Refinanzierung zusammensetzt, noch dazu, welche Zinssätze sie im Rahmen der verschiedenen Refinanzierungsmethoden aufwendet. Sie trägt damit gerade nicht konkret vor, wie sie zur Behauptung eines – gegebenenfalls auch zulässig pauschal bestimmten – Refinanzierungszinssatzes von 4,18% gelangt und es bleibt vollkommen offen, ob dieser Zinssatz die tatsächlichen Kosten der Klägerin wiederspiegelt.
c)
Damit lässt sich ein Schaden der Klägerin nicht, auch nicht im Sinne eines Mindestschadens feststellen. Denn mangels jeglicher Anhaltspunkte zum konkreten Refinanzierungssatz der Klägerin bleibt es denkbar, dass eine deutlich höhere Abzinsung vorzunehmen wäre, die die Klageforderung aufzehren könnte.
3.
Auf alle weiteren unter den Parteien streitigen Fragen kommt es damit nicht an. Offen bleiben kann insbesondere, ob der streitgegenständliche Bürgschaftsvertrag widerruflich war und ob die Klägerin ihrer Obliegenheit zur bestmöglichen Verwertung nachgekommen ist.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Anlass zur Zulassung der Revision besteht nicht.