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Wahlleistungsvereinbarung im Krankenhaus – Wirksamkeit?

Amtsgericht Winsen/Luhe

Az.: 16 C 254/02

Verkündet am: 26.03.2002


In dem Rechtsstreit hat das Amtsgericht Winsen/Luhe auf die mündliche Verhandlung vom 25.03.2002 für Recht erkannt:

1.) Die Klage wird abgewiesen.

2.) Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3.) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Gegenseite durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe geleistet hat.

Tatbestand

Der Kläger ist Chefarzt …………., in das der Beklagte – über den zwischenzeitlich auf Anregung des …….. eine Betreuung eingerichtet worden ist, weil der Beklagte nicht in der Lage sei, seine eigenen Angelegenheiten selbst zu regeln – sich am 05.07.2001 zur stationären Behandlung begab. Bei Krankenhausaufnahme unterschrieb er eine Vereinbarung über die Gewährung der Wahlleistung „ärztliche Leistungen“ sowie eine Patienteninformation vor der Vereinbarung von Wahlleistungen. In letzterer wird dargelegt, dass die Entgelte für die gesondert vereinbarten Wahlleistungen sich nach der GOÄ richteten und wie sich anhand der einzelnen GOÄ-Ziffern je nach Steigerungssatz etc. die Entgelte berechnen. Die GOÄ wurde nicht ausgehändigt oder angeboten. Die diensthabende Schwester stand dem Beklagten im Rahmen der Wahlleistungsunterzeichnung für Fragen zur Verfügung, die der Beklagte nicht hatte.

Der Kläger macht nun die in der Rechnung vom ………. aufgeführten Positionen geltend und beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an ihn 948,81 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem …….., ferner 10,23 vorgerichtliche Mahnkosten, zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Der Beklagte ist der Auffassung, er sei nicht zahlungspflichtig. Zum einen sei fraglich, ob er überhaupt geschäftsfähig sei, weil er nicht begriffen habe und begreife, was überhaupt eine Wahlleistungsvereinbarung sei. Im Übrigen habe eine Information nicht stattgefunden. Während einer Zeitdauer von ca. 1,5 Minuten seien ihm die Formulare zum Unterschreiben vorgelegt worden, mehr sei an Aufklärung nicht erfolgt.

Im Termin ist die Frage der Wahlleistungsvereinbarung ausführlich erörtert worden.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist nicht begründet. Eine wirksame Wahlleistungsvereinbarung ist nicht gegeben.

Gemäß § 22 Abs. 2 Bundespflegesatzverordnung sind Wahlleistungen vor der Erbringung schriftlich zu vereinbaren. Der Patient ist „vor Abschluss der Vereinbarung über die Entgelte der Wahlleistungen und deren Inhalt im einzelnen zu unterrichten“.

Vorliegend haben die Parteien eine schriftliche Wahlleistungsvereinbarung getroffen. Es kann hier dahinstehen, ob der Beklagte geschäftsfähig ist und ob er – der an einem hirnorganischen Abbauprozess leide – überhaupt habe begreifen können, was er da unterschreibe.

Die Wahlleistungsvereinbarung ist bereits deshalb unwirksam, weil der Beklagte entgegen § 22 Abs. 2 Satz 1 Bundespflegesatzverordnung nicht „über die Entgelte der Wahlleistungen und die Inhalte im einzelnen“ unterrichtet worden ist.

Zwar hat der Beklagte hier formularmäßig unterschrieben, er sei im einzelnen unterrichtet worden. Was eine Unterrichtung „im einzelnen“ ist, ist eine Bewertungs- und nicht primär eine Tatsachenfrage. Auf den entsprechenden Hinweis des Gerichtes hin, hat der Kläger nicht vorgetragen, dass dem Beklagten mehr mitgeteilt worden wäre, als in der Wahlleistungsvereinbarung und im Patienteninformationsformular enthalten ist. Daher ist davon auszugehen, dass mehr nicht mitgeteilt wurde. Ob der Beklagte mehr hätte erfahren können, wenn er gefragt hätte, ist ohne Belang.

Der Inhalt der ihm erteilten Mitteilungen reicht für eine Information über die Entgelte „im einzelnen“ nicht aus.

In der Rechtsprechung gibt es unterschiedliche Auffassung darüber, welche Informationen notwendig sind, um einen Patienten „im einzelnen“ über die Entgelte zu informieren. Das Amtsgericht Kiel und das Landgericht Kiel (1 S 206/00) sind der Auffassung, dass eine Forderung nach einer Informierung des Patienten über die einzelnen Entgelte der GOÄ oder nach einer Überlassung der GOÄ an den Patienten „den praktischen Bedürfnissen eines Klinikablaufs nicht gerecht werde und nicht zu einer weitergehenden normzweckorientierten Aufklärung des Patienten führen würde. Dem Patienten wäre durch die Aushändigung der GOÄ nicht weitergeholfen, weil die notwendigen ärztlichen Wahlleistungen noch nicht feststünden und vielfach auch nicht erkennbar seien, weil bei Krankenhausaufnahme die vorzunehmenden Untersuchungen noch nicht durchgeführt worden seien. Ferner helfe die Aushändigung der GOÄ deshalb nicht weiter, weil der Durchschnittspatient in der Regel keine Kenntnisse und keine Erfahrungen im Gebührenrecht habe. In der Stresssituation bei der Aufnahmedes Patienten dürfte die Aushändigung des umfangreichen Regelwerks der GOÄ eher abschreckend als hilfreich auf den Patienten wirken (so nach AG Kiel auch OLG Köln, NJW RR 1999, 229). Zur Erreichung der notwendigen Aufklärung über die Gebühren sei es deshalb ausreichend, wenn der Patient auf die Tatsache hingewiesen werde, dass die Abrechnung des selbstliquidierenden Chefarztes nach der GOÄ erfolge und wie das System der Abrechnung nach der GOÄ im wesentlichen funktioniere. Der Patient könne sich dann selbst nach Bedarf die GOÄ zur Vorlage erbitten oder selbst beschaffen, weil es sich bei der GOÄ um eine gesetzliche Vorschrift handele, die von den Vertragsbeteiligten zu beachten sei und die – anders als häufig Allgemeine Geschäftsbedingungen – nicht mit Überraschungen oder inhaltlichen Fallstricken versehen sei. Auf der anderen Seite betont das Amtsgericht Kiel auch, dass der Patient durch die Unterrichtung in die Lage versetzt werden solle, abzuwägen, ob und in welchem Umfang er Zusatzleistungen für sich in Anspruch nehmen wolle und zu welchem Preis.

Demgegenüber betont das Landgericht Duisburg in seinem Urteil vom 22.11.2000 (21 S 92/00) Sinn und Zweck der Vorschrift der Information über die Entgelte „im einzelnen“ sei es, dem Patienten eine – soweit möglich – vollständige Entscheidungsgrundlage dafür zu geben, ob er über die eigentlich schon in dem totalen Krankenhausaufnahmevertrag enthaltenen und über die allgemeinen Pflegesätze abgegoltenen ärztlichen Behandlungen hinaus weitere, oftmals nicht unerhebliche Kosten tragen will und um diese Entscheidung auf zutreffender Grundlage treffen zu können, müsse der Patient vor Abschluss der Vereinbarung möglichst genau wissen, welche in seinem konkreten Fall regelmäßig anfallenden besonderen Leistungen er erwarten könne und in welcher regelmäßigen Höhe Kosten hierdurch verursacht würden. Das Landgericht Duisburg fordert dann weiter, dass dem Patienten insbesondere Hinweise darauf gegeben werden, welche Gebührenziffern mutmaßlich in Ansatz gebracht werden, ob die Regelhöchstsätze der GOÄ überschritten werden und welche Höhe der Arztrechnungen sich hieraus für den Patienten voraussichtlich ergeben werden. Zwar sei eine genaue Angabe der zu erwartenden Kosten hierbei nicht erforderlich, zumal diese je nach Behandlungs- und Operationsverlauf variieren werden. Wie im Rahmen eines Kostenanschlages nach § 650 BGB reiche es jedoch aus, wenn eine im wesentlichen zutreffende Angabe erfolge.

Der Bundesgerichtshof hat hierzu in seiner Entscheidung vom 19. Dezember 1995 (NJW 1996, 781 f) erklärt, dass es nicht ausreichend sei, wenn dem Patienten vor Abschluss der Wahlleistungsvereinbarung lediglich mitgeteilt werde, dass die Wahlleistungen dem Patienten gesondert in Rechnung gestellt würden und dass der Patient sich mit der Wahl zur Zahlung eines zusätzlichen Entgeltes verpflichte. § 22 Abs. 2 Bundespflegesatzverordnung verlange ausdrücklich, dass der Patient vor Abschluss der Wahlleistungsvereinbarung über die „Entgelte“ für die Wahlleistungen, nicht nur über ihre „Entgeltlichkeit“ unterrichtet werde. Der Begriff der Entgelte umfasse die Vergütungssätze, nicht nur die „Entgeltlichkeit“. So rügt der BGH in dieser Entscheidung auch, dass die Gebührenordnung für Ärzte, nach der die ärztlichen Wahlleistungen sich richten, dem Patienten nicht vorgelegt worden sei.

Die vorgelegten Formulare vom ……… genügen genügt den Anforderungen von § 22 Abs. 2 Bundespflegesatzverordnung jedenfalls nicht. In einem der unterschriebenen Formulare heißt es lediglich, dass der Patient ärztliche Leistungen als Wahlleistung wünsche. Das Formular selbst enthält keinerlei Information über die Entgelte. Eine solche Information ist auch nicht im Patienteninformationsformular enthalten. Dort heißt es lediglich, dass die Berechnung der Wahlleistung „ärztliche Leistung“ nach den Vorschriften der Gebührenordnung für Ärzte stattfinde und es wird generell erläutert wie das System der Gebührenabrechnung gem. GOÄ funktioniere. Der Patient ist damit also lediglich darüber informiert worden, dass eine Entgeltlichkeit vorliegt und wie sich diese errechnet, wenn er wüsste, welche Gebührenziffer in Ansatz zu bringen ist, wenn er wüsste, mit welchem Geldbetrag diese Gebührenziffer versehen ist und mit welchem Steigerungssatz wohl zu rechnen sei. Wenn das Amtsgericht Kiel zutreffend ausführt, der Patient solle „in einer vielfach existentiellen Ausnahmesituation“ in die Lage versetzt werden, abzuwägen, ob und in welchem Umfang er Zusatzleistungen für sich in Anspruch nehmen wolle „und zu welchem Preis“, so ist dieses eine zutreffende Wiedergabe der Intention des Verordnungsgebers. Wie im vorstehend zitierten Urteil des BGH ausgeführt worden ist, war es gerade nicht Intention des Verordnungsgebers, den Patienten lediglich über die Entgeltlichkeit zu informieren, vielmehr sollte er „über die Entgelt im einzelnen“ zu informieren sein. Wenn dann von Kiel weiter ausgeführt wird, der Patient habe sowieso keine Erfahrungen im Gebührenrecht, die Aushändigung der GOÄ sei eher abschreckend als hilfreich, und der Patient könne sich ja die GOÄ selber besorgen, so hebeln die Entscheidungen des Amts- und des Landgerichts Kiel ihre eigene Intentions-Prämisse aus, wenn beide Gerichte ausführen, der Patient solle zwar im einzelnen informiert werden, es aber contraindiziert sei, ihn zu informieren, denn wer über die Gebühren informiert werde, werde „abgeschreckt“. Konsequenz dieser Urteile ist, dass der Patient eben nicht darüber informiert werden soll, welche Gebühren anfallen und welche massive wirtschaftliche Entscheidung er in einer nicht selten von Angst um die eigene Gesundheit, sowie Unsicherheit gekennzeichneten Krankenhausaufnahmesituation und der daraus folgenden eingeengten Beurteilungsmöglichkeiten einer solchen Ausnahmesituation trifft. Vielmehr reiche es, wenn der Patient quasi blind, ohne auch nur die geringste Ahnung über auftretende Kosten zu haben, unterschreibe.

Deshalb spricht deutlich mehr dafür, mit dem Landgericht Duisburg zu fordern, dass der Patient vor Abschluss der Wahlleistungsvereinbarung möglichst genau informiert werden muss, welche besonderen Leistungen zu erwarten seien und in welcher Höhe diese Kosten etwa in seinem Einzelfall anfallen würden. Zutreffend zieht das Landgericht Duisburg dann die Parallele zu einem Kostenanschlag, wobei hier selbstverständlich die eingeschränkten Beurteilungsmöglichkeiten bei Aufnahme des Patienten zu berücksichtigen sind. Ein Chefarzt verfügt aber über Erfahrungssätze, in welchem Kostenrahmen grob Kosten auftreten könnten.

Auch spricht einiges dafür, als Voraussetzung für eine wirksame Wahlleistungsvereinbarung (u.A.) die Aushändigung der GOÄ oder zumindest das ausdrückliche Anerbieten, die GOA einzusehen, zu fordern. Die GOÄ befähigt den Patienten zwar nicht, die zu erwartenden Kosten nachzurechnen. Wenn aber auf ein solches Gebührenregelungswerk Bezug genommen wird, dann sind keine Gründe ersichtlich, warum es nicht auch ausgehändigt oder zur Einsicht ausdrücklich angeboten werden müsste. Allein dass es sich um eine gesetzliche Vorschrift handelt, ist zwar richtig, aber der Verordnungsgeber gibt sich ja nicht damit zufrieden, dass ein Patient die gesetzlichen Vorschriften wohl kenne, sondern fordert – als Patientenschutz – ausdrücklich eine Information des (also eine aktive Wissensvermehrung beim) Patienten über die „Entgelte im Einzelnen“.

Die Argumentation, der Patient verstehe es ja doch nicht, wird auch in anderen Teilbereichen von der Rechtssprechung selbstverständlich nicht geteilt. Bei einem Bauvertrag, bei dem die VOB zugrunde gelegt wird, verlangt die Rechtsprechung selbstverständlich auch, dass die VOB dem Vertragspartner zugänglich gemacht wird. Auch hier gilt, dass die VOB in jeder Fachbücherei zu erwerben ist. Auch hier lässt es die Rechtsprechung nicht ausreichen, dass der Vertragspartner sich die VOB ja besorgen könnte, obwohl anders als bei der Krankenhausaufnahme hier im Regelfall hinreichend Gelegenheit bestünde, vor Vertragsunterzeichnung sich über die VOB zu informieren. Auch die VOB kann beim Fachkundigen zum Allgemeinwissen gezählt werden, denn es handelt sich um ein ein ausgewogenes Regelwerk, das nicht der Disposition eines einzelnen Vertragspartners unterliegt, – unjuristisch ausgedrückt – eine verordndungsähnliche Qualität hat und in jeder Fachbücherei erworben werden kann und ähnlich langlebig ist und nur sehr schwerfällig oder selten geändert wird. Wenn man in einer solchen Situation – wegen des AGB-Charakters der VOB – beim fachunkundigen Vertragspartner die Aushändigung der VOB verlangt, dann ist erst recht die Aushändigung oder Vorlage der GOÄ geboten, wenn ein Patient über die Entgelte im einzelnen zu informieren ist, insbesondere wenn man sich noch einmal die Situation vor Augen führt, in der der Patient sich befindet: Regelmäßig (erst) bei der Krankenhausaufnahme wird den Patienten angeboten, Wahlleistungen zu vereinbaren. Sie haben keinerlei nennenswerte Überlegungszeit. Wenn das AG Kiel meint, der Patient könne sich ja (vor Wahlleistungsvertragsabschluss!) selbst eine GOÄ kaufen, mag das nur in dem Ausnahmefall überhaupt durchführbar sein, dass lange vor Klinikaufnahme Verhandlungen über eine Wahlleistungsvereinbarung stattfinden. Da aber regelmäßig die Frage der Wahlleistungsvereinbarung erst bei Klinikaufnahme aufgeworfen wird, ist das Ansinnen, der Patient könne sich die GOÄ selbst besorgen, schon erstaunlich. Noch deutlicher wird das bei einem Patienten, welcher mit einem akuten Notfall ins Krankenhaus eingeliefert wird. Zu glauben, ein auf der Trage liegender Patient, dem – übertrieben formuliert – im Scheine des zuckenden Blaulichtes des Notarztwagens die Wahlleistungsvereinbarung vorgelegt wird, könne doch jetzt in eine Buchhandlung gehen und sich vor Unterzeichnung die GOÄ kaufen, ist sehr wirklichkeitsfremd. Der Unterzeichner war selbst 26 Jahre lang ehrenamtlich auf Krankentransport-, Rettungs- und Notarztwagen regelmäßig tätig. Er weiß um die Situation, in der Patienten (und Ärzte) bei der Krankenhausaufnahme sind. In einer solchen Situation lediglich mitzuteilen, die Chefarztbehandlung werde nach der GOÄ abgerechnet, ohne den Patienten auch nur ansatzweise irgendeine Information über die Höhe der anfallenden Kosten zu geben, ist lediglich eine Information über die Entgeltlichkeit. Das ist keine Information „über die Entgelte im einzelnen“, wie sie der Verordnungsgeber ausdrücklich fordert, um – wie es das Amtsgericht Kiel richtig formuliert hat – die Patienten „in einer vielfach existentiellen Ausnahmesituation in die Lage zu versetzen, abzuwägen, ob und in welchem Umfang er Zusatzleistungen für sich in Anspruch nehmen wolle und zu welchem Preis“(!). Wenn ihm lediglich erklärt wird, die Wahlleistung koste etwas, ohne auch nur ansatzweise zu wissen, welche Forderung auf ihn zukommen könne, kann er eine solche wirtschaftliche Entscheidung, die nicht selten ein Vielfaches des Nettoeinkommens umfasst, nicht treffen.

Die Gerichte dürfen die Frage, ob es in einer solchen Aufnahmesituation sinnvoll er­scheint, den Patient über die Entgelte im einzelnen zu informieren, gar nicht stellen. Wer als Richter/Gericht meint, die Sorge des Patienten um seine eigene Gesundheit, sein fehlendes Überblicken der Situation, in der er sich befindet und die dadurch gegebene Einengung seiner wirtschaftlichen Prüfungsfähigkeit, ein untunliches „Erschrecken“ durch Zahlen und die Vorlage der GOÄ oder ein vor einer Erstuntersuchung fehlende Wissen über die vorzunehmenden weiteren Behandlungsschritte und damit die entstehenden Kosten, lasse es nicht geboten und unpraktikabel erscheinen, die Beteiligten zu einer Entgeltinformation „im einzelnen“ zu zwingen, will selbst Bewertungs- oder Richtlinienmaßstäbe setzen, die ihm nicht zustehen. Was in einer solchen Situation zu verlangen ist, um hier den richtigen Ausgleich zwischen den Bedürfnissen der Praxis, dem Angebot des Chefarztes, nicht nur im Rahmen seines Anstellungsvertrages beim Krankenhaus, son­dern darüber hinaus auch noch privat tätig sein zu dürfen (und privat liquidieren zu dür­fen), sowie dem Interesse des Patienten, in einer besonderen Situation vor unüberlegten Schritten mit schweren wirtschaftlichen Folgen bewahrt zu werden, hat der Verordnungs­geber bereits abschließend entschieden und ist daher den gerichtlichen Interessenaus­gleichserwägungen entzogen:

Der Verordnungsgeber verlangt als Voraussetzung für eine wirksame Wahlleistungsvereinbarung, dass der Patient über „die Entgelte der Wahlleistungen und deren Inhalt im einzelnen unterrichtet“ worden ist. Die Gerichte dürfen ihre Entscheidungen nur auf dieser Grundlage aufbauen. Sie müssen akzeptieren, dass der Verordnungsgeber aus Gründen des Patientenschutzes vor unüberlegten oder nicht übersehenen wirtschaftlichen Folgen bestimmt und festgeschrieben hat, dass ohne eine Information über die „Entgelte im ein­zelnen“ eine Wahlleistungsvereinbarung nicht geschlossen werden darf.

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Etwaigen Problemen vor Ort kann die Rechtsprechung nicht dadurch „Rechnung tragen“, dass man den vom Verordnungsgeber zwingend vorgeschriebenen Patientenschutz aushebelt und entgegen dem Wortlaut doch nur eine Belehrung über die Entgeltlichkeit fordert, wie es das Amtsgericht und das Landgericht Kiel in der Konsequenz ihrer Urteile gemacht haben, so dass es nach deren Auffassung ausreicht, wenn der Patient die Wahl­leistungsvereinbarung nur in dem Wissen unterschreibt, „dass das etwas koste“ und er sich auf diese Weise für die Behandlung durch den Chefarzt (statt des Stations- oder Oberarztes, deren ärztliche Leistung ja in dem allgemeinen Krankenhausvertrag Inbegriffen ist, wobei selbst die ärztliche Leistung des Chefarztes im allgemeinen Krankenhausvertrag enthalten ist, wenn auch nur in dem Umfang, wie sich ein Chefarzt um einen normalen Patienten kümmern kann und muss) „blind“ hoch verschuldet. Eine Information über die „Entgelte im einzelnen“ ist also nicht die Information, der Patient müsse an den Chefarzt gesondert bezahlen, vielmehr müssen ihm auf seinen Fall zugeschnittene Zahlen über die in Etwa zu erwartenden Kosten, zumindest ein ähnlich wie ein Kostenvoranschlag zuver­lässiger Kostenrahmen, mitgeteilt werden.

Welches Konsequenzen die Praxis aus den zwingenden Vorgaben des Verordnungsgebers zieht, ist an dieser Stelle nicht abschließend zu erörtern. Es sind u.A. verschiedene Konsequenzen denkbar:

Denkbar ist den Schluss zu ziehen ist, dass in einer notfallmäßigen Krankenhauseinlieferungssituation eine Wahlleistungsvereinbarung mit dem Patienten selbst halt nicht möglich ist (wie dieses ja auch bei Schwerstverletzten, die in der Situation gar nicht Vertrags- oder geschäftsfähig sind, der Fall ist) und eine Wahlleistungsvereinbarung aus diesem Grunde entweder nur durch einen besonnenen Bevollmächtigten des Patienten oder erst nach Beruhigung der ersten Situation und nachdem der Patient hat einen klaren Gedanken fassen können, ferner nachdem dem Chefarzt Grundlagen vorliegen, den Umfang der weiter notwendigen ärztlichen Bemühungen überhaupt abschätzen und damit auch die Kosten, auf die der Patient sich einlassen würde, überblicken zu können, abgeschlossen werden kann.

Denkbar ist auch, dem Patienten erst einmal mitzuteilen, welche Untersuchungen zu etwa welchen ärztlichen (Wahlleistungs-) Kosten bei ihm vorzunehmen sein dürften und nur insoweit – also nur für die Untersuchungen – eine Wahlleistungsvereinbarung abzuschlie­ßen, um dann, nachdem die ersten Untersuchungsergebnisse vorliegen und die weiter anfallenden Wahlleistungsentgelte im Sinne einer hinreichend genauen Kosten- oder Kostenrahmenabschätzung vorhersehbar sind, eine Wahlleistungsvereinbarung für die weitere Zeit zu schließen. Beide Wahlleistungsvereinbarungen würden dann den Vorga­ben von § 22 Abs. 2 BPflV entsprechen können.

Beide aufgezeigte Wege wären sicherlich als praktikabel zu bezeichnen, zumal vom Abschluss der Wahlleistungsvereinbarung ja nicht die ärztliche Behandlung abhängig ist und – wie nicht selten – gerade bei einer nächtlichen Aufnahme der Chefarzt ja sowieso nicht anwesend ist (was ein weiteres rechtliches Problem für den Vergütungsanspruch des Chefarztes darstellen könnte), so dass auf diesem Weg allen Interessen hinreichend Rechnung getragen werden könnte.

Eine Wahlleistungsvereinbarung, in der dem Patienten jedoch lediglich formularmäßig lediglich mitgeteilt wird, die ärztlichen Wahlleistungen richten sich nach der GOÄ (auch wenn die Handhabung der GOÄ abstrakt erklärt wird), erfüllt jedenfalls nicht die Anforderungen, die § 22 Abs. 2 BPflV an sie stellt. Ob eine GOÄ vorhanden war oder ob die diensttuende Krankenschwester, die die Wahlleistungsvereinbarung vorgelegt hat, für etwaige weitere Fragen zur Verfügung stand, ist ohne jede Bedeutung. § 22 Abs. 2 BPflV verlangt eine Unterrichtung des Patienten. Eine solche liegt nicht vor, wenn der Patient unterrichtet worden wäre, wenn er gefragt hätte (wobei nicht ersichtlich ist, dass die Schwester überhaupt in der Lage gewesen sein sollte, auch nur ansatzweise konkret eine Unterrichtung vorzunehmen.

Daher ist keine wirksame Wahlleistungsvereinbarung abgeschlossen worden. Der Kläger hat deshalb gegen den Beklagten daher keinen dienstvertraglichen Vergütungsanspruch.

Der Anspruch ergibt sich auch nicht aus ungerechtfertigter Bereicherung. Es ist allgemeine Auffassung, dass nichtige Wahlleistungsvereinbarungen nicht durch einen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung umgangen werden können (für viele: BGH aaO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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