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Waldbesitzerhaftung aufgrund einer Verletzung durch einen herunterstürzenden Ast

LG Aachen – Az.: 12 O 170/18 – Urteil vom 25.10.2018

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin ist befugt, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Klägerin macht Ansprüche gegen die Beklagte aus einer Verkehrssicherungspflichtverletzung geltend.

Am 09.05.2017 gegen 14.30 Uhr ging die Klägerin im Stadtwald der Beklagten auf dem 5 Meter breiten Waldweg W7 spazieren, als ihr ein 2 m langer und 20 cm dicker Ast auf den Kopf fiel. Aufgrund des Stoßes stürzte sie auf den Waldweg und verlor mehrfach das Bewusstsein. Sie wurde in das St. Antonius Hospital verbracht. Dort wurde ein Schädel-Hirn-Trauma mit Platzwunde am Hinterkopf, eine Rissquetschwunde am rechten Unterarm sowie eine nicht dislozierte subkapitale Humerusfraktur mit Infraktion des Glenoids ohne Stufenbildung diagnostiziert. Sie befand sich bis zum 10.05.2017 auf der Intensivstation und bis zum 15.05.2017 in stationärer Behandlung.

Aufgrund ihrer Verletzung konnte sie einer Tätigkeit im Haushalt nicht wahrnehmen, weshalb ihr ein Haushaltsführungsschafen in Höhe von 232,00 EUR (29 * 8,00 /Stunde) entstanden ist.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 16.05.2017 wurde die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 26.05.2017 aufgefordert, die Haftung dem Grunde nach anzuerkennen. Eine Haftung wurde mit Schreiben vom 23.05.2017 unter Bezugnahme der spezifischen Waldgefahr abgelehnt.

Die Klägerin macht den folgenden materiellen Schaden geltend:

  • Kleidung (im Rahmen der Behandlung zerschnitten) 625,00 EUR
  • Krankenhaustagegeld 70,00 EUR
  • Krankentransport 10,00 EUR
  • Medikamente 134,00 EUR
  • Manuelle Therapie 19,96 EUR
  • Massage 160,00 EUR
  • Haushaltsführungsschaden 232,00 EUR
  • 1.250,96 EUR

Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Beklagte ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt habe. Sie sei verpflichtet gewesen, den Baum entsprechend zu kontrollieren. Der Baum habe eine mangelnden Vitalität aufgewiesen und der nicht belaubte Ast sei bei einer entsprechenden Kontrolle entfernt worden. Die Verkehrssicherungspflicht bestünde zumindest auf dem breiten und stark frequentierten Wanderweg.

Sie erachtet ein Schmerzensgeld von 3.000,00 EUR als angemessen.

Sie beantragt mit der am 17.04.2018 zugestellten Klage,

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 26.05.2017 zu zahlen;

2. die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.250,96 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 26.05.2017 zu zahlen;

3. die Beklagte zu verurteilen, zur Freistellung der Klägerin an die Rechtsanwälte N und Q, Eschweiler, 492,54 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, eine Verkehrssicherungspflicht habe nicht bestanden, da sich eine waldtypische Gefahr realisiert habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Waldbesitzerhaftung aufgrund einer Verletzung durch einen herunterstürzenden Ast
(Symbolfoto: Von nadia_if/Shutterstock.com)

Die zulässige Klage ist unbegründet.

1) Die Klägerin hat gegen die Beklagte keine Ansprüche aus dem Vorfall vom 09.05.2017. Ein Anspruch ergibt sich insbesondere nicht aus § 839 I 1 BGB, Art. 34 S. 1 GG bzw. § 823 BGB.

Die Beklagte hat schon eine ihr obliegende Verkehrssicherungspflicht nicht verletzt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist derjenige, der eine Gefahrenlage gleich welcher Art schafft, grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern (BGH, Urt. v. 02.10.2012, VI ZR 311/11). Grundsätzlich hängt das Bestehen von Verkehrssicherungspflichten von der Verkehrserwartung und der Zweckbestimmung der jeweiligen Verkehrsfläche ab. Als Anknüpfungspunkt für eine Verkehrssicherungspflichtverletzung durch die Beklagte kommt hier alleine eine nicht ordnungsgemäße Kontrolle der Bäume auf ihrem Grundstück in Betracht.

Der Umfang und die Grenzen der Verkehrssicherungspflicht eines Waldbesitzers hängen sehr stark von den Umständen des Einzelfalles insbesondere dem Standort des Baumes, der Art des Verkehrs, der Verkehrserwartung, der Zumutbarkeit der erforderlichen Maßnahmen und dem Status des Verkehrssicherungspflichtigen ab (BGH, Urt. v. 02.07.2004, V ZR 33/04; OLG Köln, Urt. v. 29.07.2010, 7 U 31/10). Eine Verkehrssicherungspflicht hat vorliegend nicht bestanden, da  sog. Waldwege jedenfalls nicht unter das Straßen- und Wegegesetz, da es sich nicht um öffentliche Straßen handelt. Nach § 2 Abs. 1 BWaldG gelten auch Waldwege als Wald. Nach der ständigen Rechtsprechung sind die Anforderungen an die Überwachungspflichten bei Waldgrundstücken niedrig anzusetzen. Eine Haftung des Waldeigentümers bzw. Waldbesitzers wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht innerhalb eines Waldgebietes besteht grundsätzlich nicht für waldtypische Gefahren (BGH, Urt. v. 2.10.2012 – VI ZR 311/11). Regelmäßige Kontrollen wie bei Straßenbäumen sind dem Waldbesitzer nicht zuzumuten (BGH, a.a.O.). Dass den Waldbesitzer grundsätzlich keine Pflicht trifft, den Verkehr auf Waldwegen gegen waldtypische Gefahren zu sichern, entspricht auch der in § 14 BWaldG für das Betreten des Waldes getroffenen Regelung. Gleiches regelt die auf § 14 BWaldG beruhende Regelung des § 2 LFoG NRW. Es besteht hier weder eine Kontroll- noch eine Gefahrenbeseitigungspflicht. Es herrschen im Wald bekanntermaßen typische Gefahren vor, die sich aus der Natur oder aus der ordnungsgemäßen forstlichen Nutzung oder auch der Nichtbewirtschaftung ergeben und für die der Waldbesitzer nach höchstrichterlicher Rechtsprechung grundsätzlich nicht haftet (vgl. BGH, Urt. v. 02.10.2012, VI ZR 311/11 ; vgl. auch OLG Köln, NJWRR 1987, 988; OLG Koblenz, NZV 1990, 391, 392; NJWRR 2003, 1253, 1254; OLG Hamm, NuR 2007, 845). Waldtypische Gefahren gehen von lebenden oder toten Bäumen aus (vgl. § 2 Abs. 1 S. 3 Landesforstgesetz NRW, OLG Düsseldorf, Beschl. v. 25.04.2014, IV2 RBs 2/14). Eine Ausnahme des Grundsatzes, dass der Waldbesitzer nicht für waldtypische Gefahren haftet, gilt auch nicht bei stark frequentierten Wegen (BGH – aaO). Dies entspricht dem in § 2 LFoG NRW zum Ausdruck gebrachten Interessensausgleich zwischen der Betretungsbefugnis der Allgemeinheit und dem Haftungsrisiko des Waldbesitzers. Eine Verkehrssicherungspflicht des Waldbesitzers beginnt erst bei Gefahren, die im Wald atypisch sind. Die Teilnahme am waldtypischen Verkehr erfolgt dagegen auf eigene Gefahr erfolgt. Als Besucher des Waldes setzte sich die Klägerin den typischen Gefahren des Waldes aus. Durch den herunterstürzenden Ast hat sich eine waldtypische Gefahr realisiert, für die die Beklagte nach dem oben Gesagtem nicht haftet.

2) Die Nebenforderungen teilen das Schicksal der Hauptforderung.

II.

Die prozessuale Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1 S. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

III.

Streitwert: 4.250,96 EURO

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