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Warnhinweise und Sicherungsmaßnahmen bei Baumfällarbeiten an Forstweg

LG Baden-Baden – Az.: 4 O 44/14 – Urteil vom 13.06.2014

1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 5.003,42 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 22.03.2014 zu zahlen.

2. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 837,52 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 22.03.2014 zu zahlen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

5. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Ersatz eines anlässlich einer Baumfällung eingetretenen Schadens.

Warnhinweise und Sicherungsmaßnahmen bei Baumfällarbeiten an Forstweg
Symbolfoto: Von Jenoche /Shutterstock.com

Der Kläger befuhr berechtigterweise mit seinem PKW einen Forstweg im Oostal in Baden-Baden, der nicht für den öffentlichen Verkehr freigegeben ist. Der Beklagte führte dort Holzfällarbeiten durch. Bereits zeitlich vor dem klägerischen Fahrzeug hatten am gleichen Tag mindestens zwei weitere Fahrzeuge den Bereich, in dem gefällt wurde, passiert. Der Beklagte konnte den Weg von dem Ort, an dem er mit Baumfällarbeiten beschäftigt war, nicht einsehen. Der Zeuge W fungierte als „Bodenposten“ und sah den Kläger heranfahren. Der Kläger hielt sein Fahrzeug an, als er einen Unimog mittig auf dem Weg stehen sah.

Der Baum, den der Beklagte gerade fällte, fiel auf das Fahrzeug des Klägers, an dem ein wirtschaftlicher Totalschaden entstand. Der Schaden beläuft sich insgesamt auf 10.511,84 EUR und setzt sich zusammen aus 9.445,00 EUR (Fahrzeugschaden), 1.054,34 EUR (Gutachterkosten), 517,50 EUR (Mietwagenkosten) und 120,00 EUR (Kosten Neuzulassung). Die Haftpflichtversicherung des Arbeitgebers des Beklagten regulierte einen Teil des Schadens in Höhe von 5.508,42 EUR. Den Rest macht der Kläger mit seiner Klage geltend.

Die Klage wurde am 21.03.2014 zugestellt.

Der Kläger behauptet, er habe die Holzfällarbeiten erst bemerkt, als er nach einer Kurve den Unimog vor sich auf dem Weg stehen sah. Ein Warnschild habe sich lediglich mehrere hundert Meter vor dem Unimog im rechten Straßengraben befunden. Der Beklagte habe keine ausreichenden Maßnahmen getroffen, um das Gefahrenpotential zu verringern. Der Beklagte habe sich insbesondere nicht vergewissert, dass sich keine Personen im Fallbereich aufhalten.

Der Kläger beantragt:

1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 5003,42 EUR, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Klageerhebung zu zahlen.

2. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 958,19 EUR, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Klageerhebung zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Er behauptet, er habe ein großes erkennbares Schild mit der Aufschrift „Holzfällung, Achtung Lebensgefahr“ mittig auf dem Weg aufgestellt. Dieses Schild sei 200m vor der Gefahrenstelle platziert gewesen. Damit sei für den Kläger erkennbar gewesen, dass Holzfällarbeiten stattfinden. Er habe auch von den Arbeiten gewusst, da er von dem Zustand des aufgewühlten Wegs und den gefällten Bäumen am Wegesrand darauf hätte schließen müssen. Der Kläger sei trotz Warnung in den Waldweg eingefahren und habe sich damit selbst in Gefahr begeben.

Wegen des Vorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 28.05.2014 verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

I.

1. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 5.003,42 EUR gemäß § 823 Abs. 1 BGB zu, denn der Beklagte hat jedenfalls fahrlässig und widerrechtlich Eigentum des Klägers beschädigt.

Der Beklagte hat die von ihm eröffnete Gefahrenstelle nicht ausreichend gesichert. Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst die Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren (BGH, Urteil vom 02.10.2012, Az. VI ZR 311/11). Voraussetzung ist daher, dass sich vorausschauend für ein sachkundiges Urteil die naheliegende Gefahr ergibt, dass Rechtsgüter anderer verletzt werden können (vgl. BGH, Urteil vom 19.12.1989, Az. VI ZR 182/89, zitiert nach juris). Unter dieser Voraussetzung umfasst die Verkehrssicherungspflicht prinzipiell auch solche Gefährdungen, die sich aus unsachgemäßem Verhalten oder vorsätzlichem Eingreifen Dritter ergeben können (BGH, Urteil vom 04.12.2001, Az. VI ZR 447/00, zitiert nach juris)

Durch die Baumfällarbeiten, bei denen Bäume auch über den Weg fallen sollten, hat der Beklagte eine erhebliche Gefahrenquelle für die dortigen Verkehrsteilnehmer eröffnet. Den Anforderungen an die ihm ohne weiteres zumutbare Schadensvermeidung werden die vom Beklagten getroffenen Sicherungsmaßnahmen nicht gerecht:

Es kann dabei dahingestellt bleiben, ob das mehrere hundert Meter vor der Gefahrenstelle befindliche Schild sich auf dem Weg oder im Graben daneben befand, da es jedenfalls nicht geeignet war, Fahrzeugführer am Weiterfahren zu hindern. Dies konnte der Beklagte bereits unschwer daran erkennen, dass schon vor dem Kläger andere Personen in die Gefahrenstelle eingefahren waren. Er musste also von der Untauglichkeit seiner Maßnahme ausgehen und durfte seine gefährdenden Arbeiten nicht fortsetzen, ohne für weitergehende Sicherungen zu sorgen. Die Gefahr für die Rechtsgüter anderer war vorhersehbar, da Bäume „über den Weg“ gefällt wurden und dieser nicht gesperrt worden war. Insbesondere in Anbetracht der für den Beklagten nicht einsehbaren Gefahrenstelle wäre es geboten gewesen, nicht nur optisch zu warnen, sondern auch physische Barrieren zu errichten. Der Beklagte hätte somit ein Hindernis anbringen müssen, damit ein Befahren des Wegs gar nicht möglich wird und – zum Beispiel durch die Anbringung eines Absperrbandes – die Weiterfahrt von Fahrzeugen verhindert wird. Auch für die – zeitweise – Platzierung einer Person als Posten hätte Anlass bestanden.

Unter Berücksichtigung der offensichtlich großen Gefahr nicht nur für das Eigentum, sondern auch für Leib und Leben, die von fallenden Bäumen ausgeht, ist eine physische Absperrung auch dringend geboten und üblich. Diese ist auch in den Vorschriften, die in Baden-Württemberg für Arbeiten im staatlichen Wald bestehen, vorgesehen (Betriebsordnung für die Waldarbeit in den staatlichen Forstbetrieben, GABl. 1982, S. 55, L Nr. 19). Obwohl diese Normen nicht direkt Anwendung finden sind sie zur Bestimmung des nach der Verkehrsauffassung zur Sicherung Gebotenen in besonderer Weise geeignet (vgl. BGH, Urteil vom 04.12.2001, aaO).

Der vom Beklagten benannte Zeuge, der sich als weitere Person in Nähe der Gefahrenstelle befand, war als weitere Sicherung ebenfalls nicht ausreichend. Zwar konnte er den Weg im Unterschied zum Beklagten einsehen, dann aber wohl keinen Einfluss auf die Fällarbeiten nehmen. Bereits der Umstand, dass der Zeuge das Herannahen des Klägers optisch wahrnahm und es dennoch zum Schadenseintritt kam, belegt die Untauglichkeit.

Für eine Berücksichtigung des eigenen Verhaltens des Klägers unter dem Gesichtspunkt des Mitverschuldens am Schadenseintritt bleibt kein Raum:

Den Geschädigten trifft zwar grundsätzlich ein Mitverschulden, wenn er diejenige Sorgfalt außer Acht läßt, die jedem verständigen und ordentlichen Menschen obliegt, um sich selbst vor Schaden zu bewahren (vgl. etwa BGH, Urteil vom 04.12.2001, aaO). Vorliegend hielt der Kläger, sobald er den Unimog und damit die Barriere auf dem Weg sah, sein Fahrzeug an und verhielt sich damit angemessen vorsichtig. Allerdings hatte er zuvor seine Fahrt trotz Warnschildes fortgesetzt. Der Vortrag des Beklagten lässt aber nicht den Schluss zu, der Kläger habe beim Passieren des Schildes die konkrete Gefährlichkeit erkannt oder erkennen müssen. Aufgrund der bereits dargestellten Üblichkeit der physischen Absperrung und aufgrund der Beschaffenheit des kurvenreichen Wegs und der daraus folgenden Uneinsehbarkeit durfte der Kläger darauf vertrauen, dass nach einem Warnschild nochmals eine Barriere oder ein Posten den konkret gefährlichen Bereich im Zeitpunkt einer Baumfällung über den Weg sichert. Weshalb er die konkreten Holzfällarbeiten bereits beim Passieren des Schildes hätte erkennen müssen, ist nicht ersichtlich. Der Beklagte kann sich hierzu nicht damit begnügen, auf einen aufgewühlten Waldweg, den Unimog und frisch geschlagenes Holz am Weg zu verweisen ohne zur konkreten Örtlichkeit vorzutragen und darzutun, dass dies vom Kläger bereits vor Erreichen der Unfallörtlichkeit hätte erkannt werden können. Inwieweit der Kläger durch eine hohe Geschwindigkeit vor dem Anhalten den Unfall mitverschuldet haben könnte ist nicht ersichtlich.

Das bloße Außerachtlassen des Warnschildes ohne weitere Anzeichen für eine konkrete Baumfällung „über den Weg“ stellt lediglich eine geringe Selbstgefährdung dar. Ein hierdurch bedingtes Mitverschulden tritt hinter der massiven Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch den Beklagten vollständig zurück.

2. Der Beklagte schuldet gemäß §§ 291, 288 Abs. 1 BGB dem Kläger Zinsen in Höhe von 5% aus 5.003,42 EUR seit dem auf die Klagzustellung folgenden Tag, somit dem 22.03.2014.

3. Den Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren kann der Kläger dem Grunde nach als weitere Schadensposition gemäß § 823 BGB fordern, da die Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts erforderlich und zweckmäßig war. Die gesetzlichen Gebühren für die vorgerichtliche Mandatswahrnehmung aus einem ursprünglichen Streitwert von 10.511,84 EUR belaufen sich auf 837,52 EUR (1,3 Gebühr gemäß 2300 VV zum RVG plus Pauschale gemäß Nr. 7002 VV zum RVG plus 19 % Mehrwertsteuer). Betreffend den diesen Betrag übersteigenden Antrag war die Klage abzuweisen.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 S. 1 ZPO.

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