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Warnung vor Wachhund – Haftung des Hundehalters

OLG Stuttgart

Az: 1 U 38/10

Beschluss vom 24.06.2010


Leitsatz:

Betritt man ein Grundstück, bei dem am Eingang vor einem bissigen Hund gewarnt wird, so trägt man unter Umständen ein Mitverschulden, wenn man von diesem gebissen wird. Ein Hinweisschild mit dem Text: „Hier wache ich! Betreten auf eigene Gefahr“ muss einen verständigen Menschen jedoch nicht vom Betreten des Grundstücks abhalten. Ein solches Hinweisschild ist an vielen Grundstücken angebracht, auf denen Hunde gehalten werden. Seinem Inhalt nach weist es lediglich auf die Anwesenheit eines Wachhundes, nicht aber auf eine besondere Aggressivität des Tieres hin, wie dies bei dem Hinweis „Vorsicht, bissiger Hund“ der Fall sein könnte. Ist an dem Grundstückstor keine Klingel angebracht, sind alle Besucher des Hauses, seien es eingeladene Gäste, der Paketdienst oder sonstige Personen, die Kontakt zu dessen Bewohnern aufnehmen wollen darauf angewiesen, das Grundstück zu betreten, um zu der Haustürklingel zu gelangen. In einer solchen – von den Bewohnern des Grundstücks bewusst so geschaffenen – Situation und bei unverschlossenem Gartentor darf auch ein vorsichtiger Mensch davon ausgehen, dass ihm jedenfalls tagsüber, d. h. zu einer Zeit, zu der Besuche üblich sind, durch den auf dem Gelände gehaltenen Hund kein Schaden droht – sei es, weil der Hund gut erzogen oder aber weggesperrt ist.


1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung zurückzuweisen.

2. Die Parteien können hierzu und den nachfolgenden Hinweisen Stellung nehmen bis 15.07.2010.

Gründe

A.

Die Rechtssache ist ohne grundsätzliche Bedeutung. Auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung des Senats (§ 522 Abs. 2 Nr. 2 und 3 ZPO).

B.

Die Berufung hat auch in der Sache keine Aussicht auf Erfolg (§ 522 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).

Das Landgericht hat die Beklagte zu Recht verurteilt, wobei der Beginn des Zinslaufs in Ziff. 2 des Urteils („2000“ statt „2009“) auf einem Schreibfehler beruht, der vom Landgericht nach § 319 ZPO berichtigt werden kann.

I.

Den Klägerinnen stehen die zuerkannten Ansprüche gem. § 833 Satz 1 BGB zu. Dass die Voraussetzungen dieser – von einem Verschulden unabhängigen – Anspruchsgrundlage erfüllt sind, stellt auch die Beklagte nicht in Abrede. Es kann dahin stehen, ob der Beklagten überdies ein Verschulden zur Last fällt, weil sie A nicht richtig erzogen hat und ob sich andere Hunde in gleicher Weise verhalten hätten. Diese Aspekte sind für die Frage, ob dem Geschädigten ein Mitverschulden zur Last fällt, ohne Bedeutung. Sie erlangten allenfalls dann Relevanz, wenn es bei einem festgestellten Mitverschulden auf die Abwägung der beiderseitigen Verursachungs- und Verschuldensbeiträge ankäme. Dies ist aber nicht der Fall, denn ein zur Anspruchskürzung führendes Mitverschulden des Geschädigten bei der Schadensentstehung (§ 254 Abs. 1 BGB) liegt nicht vor.

Den Geschädigten trifft ein Mitverschulden, wenn er diejenige Sorgfalt außer Acht lässt, die jedem ordentlichen und verständigen Menschen obliegt, um sich vor Schaden zu bewahren (vgl. Palandt/Heinrichs, 69. Aufl., § 254 BGB, Rn. 8). Dies ist hier nicht anzunehmen.

1.

Ein Verschulden ist nicht bereits darin zu sehen, dass der Geschädigte das Grundstück trotz des Hinweisschildes überhaupt betreten hat. Zwar wird ein Mitverschulden i. d. R. dann angenommen, wenn sich der Geschädigte ohne ausreichenden Grund in die Nähe eines gefährlichen Tieres begibt oder wenn er ein Warnschild vor einem bissigen Hund nicht beachtet (vgl. Staudinger/Eberl-Borges (2008), § 833 BGB, Rn. 200). Beides lässt sich indessen wegen der Besonderheiten des Falles nicht feststellen.

a)

Dem Geschädigten kann nicht vorgeworfen werden, ein Warnschild vor einem bissigen Hund missachtet zu haben.

Es ist zwar davon auszugehen, dass der Geschädigte das Hinweisschild mit dem darauf abgebildeten Dalmatiner und dem Text: „Hier wache ich! Betreten auf eigene Gefahr“ wahrgenommen hat. Dies musste aber einen verständigen Menschen nicht vom Betreten des Grundstücks abhalten. Ein solches Hinweisschild ist an vielen Grundstücken angebracht sein, auf denen Hunde gehalten werden. Seinem Inhalt nach weist es lediglich auf die Anwesenheit eines Wachhundes, nicht aber auf eine besondere Aggressivität des Tieres hin, wie dies bei dem Hinweis „Vorsicht, bissiger Hund“ der Fall sein mag. Entscheidend ist indessen, dass der Warncharakter des Schildes angesichts der besonderen Umstände zurücktritt.

Das – ohnehin nicht sonderlich hohe – Gartentor war zwar ge-, aber nicht verschlossen. Zudem ist der Entscheidung zugrunde zu legen, dass an dem Gartentor zum 20.05.2007 keine Klingel angebracht war, sich Klingeln vielmehr erst an der Haustür befanden. Dass sich bereits am 20.05.2007 am Gartentor eine Klingel befand, hat die Beklagte, die die Umstände, die ein Mitverschulden begründen, darlegen und beweisen muss, nicht dezidiert behauptet und dementsprechend auch nicht unter Beweis gestellt (vgl. Vortrag auf S. 4 der Klagerwiderung, Bl. 23 d. A.).

Alle Besucher des Anwesens – seien es eingeladene Gäste, der Paketdienst oder sonstige Personen, die Kontakt zu den Bewohnern des Hauses aufnehmen wollen – waren daher darauf angewiesen, das Grundstück zu betreten, um zu den Klingeln zu gelangen. In einer solchen – von den Bewohnern des Grundstücks bewusst so geschaffenen – Situation und bei unverschlossenem Gartentor darf auch ein vorsichtiger Mensch davon ausgehen, dass ihm jedenfalls tagsüber, d. h. zu einer Zeit, zu der Besuche üblich sind, durch den auf dem Gelände gehaltenen Hund kein Schaden droht – sei es, weil der Hund gut erzogen oder aber weggesperrt ist.

b)

Dass der Geschädigte die Beklagte bereits von der Straße aus im Garten sitzen sehen haben mag, ist unerheblich. Er war nicht im eigenen Interesse gehalten, an einem Sonntagnachmittag von der Straße aus quer über das Grundstück zu rufen, um Kontakt aufzunehmen. Wie bereits unter a) ausgeführt, konnte der Geschädigte angesichts der erst an der Haustür angebrachten Klingeln annehmen, (redlich gesinnten) Dritten sei der Zutritt zum Grundstück eröffnet.

c)

Der Geschädigte hätte auch dann nicht außerhalb des Grundstücks bleiben müssen, wenn er den Hund bereits von der Straße aus wahrnehmen konnte. Dies gilt vornehmlich wegen der unter a) dargelegten Situation, aber auch deswegen, weil sich … in unmittelbarer Nähe der Beklagten befand. Gerade wenn ein Hund nicht unbeaufsichtigt ist, sondern sich im unmittelbaren Einwirkungsbereich eines Verantwortlichen befindet, kann man – beim Fehlen weiterer Aggressivitätszeichen – davon ausgehen, dass das Tier unter Kontrolle ist.

Davon abgesehen steht aber schon nicht fest, dass der Geschädigte den Hund bereits von der Straße aus gesehen hat. Der Geschädigte hat bei seiner Vernehmung angegeben, er habe den Hund erst wahrgenommen, als dieser schon kläffend auf ihn zugelaufen sei (Protokoll S. 2, Bl. 74 d. A.). Auch die Zeugin … hat angegeben, den Hund erst gesehen zu haben als dieser in das Haus geführt wurde (Protokoll S. 7, Bl. 79). Dies lässt sich nicht widerlegen. Die Ansicht der Beklagten, weil der Geschädigte die Beklagte gesehen habe, sei davon auszugehen, er habe auch den Hund wahrgenommen, trägt nicht. Der Hund kann ebenso gut übersehen worden sein, beispielsweise, weil er durch die Beklagte verdeckt am Boden lag.

d)

Der Geschädigte hat sich auch nicht ohne ausreichenden Grund in die Nähe eines gefährlichen Tieres begeben. Insbesondere hat die Beklagte nicht bewiesen, dass er sich dem Hund und der Beklagten wortlos bis auf wenige Meter genähert hat.

Der Geschädigte hat angegeben, er habe – nachdem er sich an der Haustüre keinem Bewohner habe bemerkbar machen können – einen Schritt zurück gemacht, sich also nicht weit von der Haustür entfernt, um das Hauseck herumgeschaut und dort jemanden sitzen sehen. Er habe nochmals „hallo“ gerufen und dann sei der Hund schon losgegangen. Er habe den Hund erst wahrgenommen, als er kläffend auf ihn zu gelaufen sei (Protokoll S. 2 und 4, Bl. 74 und 76 d. A.).

Dazu wie weit sich der Geschädigte von der Haustür in Richtung Garten bewegt hat, konnte die Zeugin … keine Angaben machen, weil sie von dem Geschehen nichts mitbekommen hat. Selbst wenn man – wozu sich das Verhandlungsprotokoll allenfalls indirekt verhält – annimmt, die Zeugin … habe kein Rufen des Geschädigten gehört, ist damit nicht bewiesen, dass der Geschädigte – entgegen seinen Angaben – tatsächlich nicht gerufen hat. Die Aussage des Geschädigten wird vielmehr durch die Tierhalterhaftpflicht-Schadenmeldung (Bl. 40 der beigezogenen Akte des Landgerichts Stuttgart 20 O 15/08) gestützt. Dort hat die Beklagte als Schadenshergang angegeben, der Geschädigte habe das Grundstück betreten und „hallo“ gerufen als der Hund bellend auf ihn zugesprungen sei und ihn am Mundwinkel rechts gebissen habe. Angesichts dessen kann nicht davon ausgegangen werden, dass sich der Geschädigte wortlos von hinten bis auf wenige Meter näherte.

Aus der Aussage der Ehefrau des Geschädigten, sie habe kein Hundegebell und keine Rufe gehört (Protokoll S. 6, Bl. 78 d. A.), lässt sich nichts Abweichendes ableiten. Zum einen bezog sich diese Angabe darauf, dass sie „vom Hundebiss selbst“ gar nichts mitbekommen habe. Zum anderen kann sie, ebenso wie die Zeugin … ein entsprechendes Rufen überhört haben, denn sie hat auch das Bellen … nicht wahrgenommen, obgleich dieser durchaus – wie die Schadensmeldung zeigt – angeschlagen hat.

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II.

Die Beklagte mag – auch unter Kostengesichtspunkten – überlegen, ob das Berufungsverfahren durchgeführt werden soll.

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